Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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XVIII.

Aufenthalt in Albuquerque. – Instructionen des Kriegsdepartements in Washington, – Leben in Albuquerque. – Die Apache- und Navaoe-Indianer. – Der Rio Grande del Norte und dessen Thal. – Fandango in Albuquerque.

So befanden wir uns denn endlich mit unserer Expedition in Albuquerque am Rio Grande. Während der Reise hatten wir uns zu lange schon auf den uns bevorstehenden Aufenthalt in dieser westlichen Stadt gefreut, zu vielfach unsere Ankunft und das Leben in derselben besprochen, als daß wir sogleich nach unserem Eintreffen daselbst an etwas Anderes als an kleine Vergnügungen, Erholungen und die Befriedigung unserer Neugierde hätten denken mögen. Auch den Bewohnern von Albuquerque schien unser Besuch, mehr aber noch der Zweck, der uns dorthin geführt hatte, äußerst angenehm zu sein; sie kamen uns in Allem freundlich entgegen, und wenn auch die Zuvorkommenheit Vieler nicht rein philanthropischer Art war, so kümmerte uns dieses wenig, wenn wir nur die schöne, glückliche Gegenwart genießen, und nach Verlauf von einigen Wochen etwas reicher an angenehmen Rückerinnerungen von diesem Orte scheiden konnten.

Unser erster Besuch galt den Offizieren der dort stationirten Vereinigten-Staaten-Dragoner, die uns mit liebenswürdiger, ächt amerikanischer Gastfreundschaft aufnahmen und uns in ihren Baracken manche fröhliche, genußreiche Stunde verschafften. Im fernen Westen werden Bekanntschaften äußerst schnell geschlossen; da giebt es dann ein Fragen, Erzählen und Erklären, daß man glaubt, gar kein Ende finden zu können, und bei so lebhafter Unterhaltung die Stunden unmerklich verrinnen. So gelangten wir denn auch schon am ersten Tage, eben durch die schnelle Bekanntschaft unter den Offizieren, zu einer ziemlich genauen Kenntniß der Stadt, ihrer Vorzüge und Mängel, ihrer Bewohner und Bewohnerinnen, so daß wir, ohne einen Schritt darnach gethan zu haben, bereits jede der freilich nur wenigen Straßen, jedes Haus der ebenfalls nicht sehr zahlreichen Honoratioren und besonders den Namen jeder hübschen Señorita kannten; daß wir wußten, wo der beste Wein zu haben war, und vor allen Dingen wohin wir uns gegen Abend zu verfügen hatten, wenn wir nach des Tages schwerer Arbeit am Schreib- und Zeichentische, im wilden Fandango die Gelenkigkeit unserer Glieder erproben und in Uebung erhalten wollten. So gingen unter fröhlicher Aufregung die ersten Tage dahin, ohne daß wir der zurückgelegten, oder der noch zurückzulegenden Reise gedachten. Doch auch dieses mußte sein Ende nehmen, wenn wir den Instructionen, die Lieutenant Whipple vom Gouvernement in Washington erhalten hatte, und welche jeden Einzelnen unserer Gesellschaft mit betrafen, genau nachkommen wollten. Die Instructionen lauteten folgendermaßen:

Kriegsdepartement Washington, 14. Mai 1853.

In der 10. und 12. Abtheilung der militairischen Appropriations-Acte, die am 3. März 1853 vollzogen wurde und die vorschreibt, daß solche Untersuchungen und Vermessungen gemacht werden sollen, wie nöthig gehalten werden, um die geeignetste und vortheilhafteste Richtung einer Eisenbahn vom Mississippi nach dem stillen Ocean zu bestimmen, befiehlt das Kriegsdepartement, daß Untersuchungen und Vermessungen vorgenommen werden sollen, um die Möglichkeit der Ausführung dieses Planes auf der Strecke des Territoriums darzulegen, welches nahe dem 35. Grad nördlicher Breite liegt.

Folgende Instructionen mit Bezug hierauf sind für die Behörden der verschiedenen Zweige des Staatsdienstes ertheilt worden:

  1. Premier-Lieutenant A. W. Whipple wird diese Forschungs- und Vermessungsgesellschaft commandiren. Brevet-Seconde-Lieutenant I. C. Ives, vom Ingenieur-Corps, so wie die erforderlichen vom Kriegssecretair als nothwendig befundenen Civilbeamten, werden denselben unterstützen.
  2. Der General-Adjutant wird die nöthigen Bedeckungsmannschaften zutheilen; Transportmittel der Provisionen und sonstiger Ausrüstung werden durch den General-Quartiermeister gestellt werden. Seconde-Lieutenant D. S. Stanley von den 2. Dragonern wird als Quartiermeister und Commissair dieser Expedition zugetheilt.
  3. Die Offiziere, die als Quartiermeister und Commissaire auf die verschiedenen Militairposten, die auf der vorgeschriebenen Reiseroute liegen, commandirt sind, werden gegen ordnungsmäßige Requisitionen, soweit nur immer möglich, die der Expedition nöthigen Vorräthe verabfolgen lassen, für welche von der für die Expedition bestimmten Summe der Kostenpreis gezahlt werden soll.
  4. Medicamente werden vom General-Arzte requirirt.
  5. Waffen und Munition werden vom Ordonnanz-Departement bezogen.
  6. Wenn diese Gesellschaft organisirt ist, wird sie die nöthigen Instrumente und die Ausrüstung anschaffen. Alsdann wird sie mit größtmöglicher Eile in's Feld ziehen und die benannten Vermessungen und Forschungen beginnen. Die Hauptexpedition wird sich an irgend einem passenden Punkte am Mississippi versammeln und von dort auf der günstigsten Route in westlicher Richtung nach dem Rio Grande ziehen. Von vorläufigen Forschungen, so wie von den aus anderen Quellen geschöpften Nachrichten wird es abhängig sein, an welchem Punkte am Mississippi die projectirte Eisenbahn ihren Anfang nehmen soll, und ob auf vortheilhafte Weise irgend eine, schon von anderen Staaten oder Compagnien westlich dieses Flusses projectirte Eisenbahn benutzt werden kann.

Die Forschungen werden die Richtung dem oberen Canadian entlang nehmen, den Rio Pecos überschreiten, die Gebirge östlich des Rio del Norte umgehen und an einer passenden Stelle nahe Albuquerque in das Thal dieses Flusses einbiegen.

Durch ausgedehnte Forschungen muß von dort aus gegen Westen der geeignetste Paß für eine Eisenbahn durch die Sierra Madre und die Gebirge westlich der Ländereien der Zunis und Moquis zum Colorado bestimmt werden. Bei diesen Forschungen kann Fort Defiance zum Depot für die Vorräthe gemacht, und für die übrige Strecke der Reise können Unterhalt und Transportmittel von dort bezogen werden. Es wird rathsam sein, vom Walkers Paß aus, die geradeste und geeignetste Richtung an den stillen Ocean zu verfolgen, welche wahrscheinlich nach San Pedro, dem Hafen von Los Angelos, oder nach San Diego führen wird.

Lieutenant Whipple wird sogleich einen Offizier mit einer kleinen Abtheilung absenden, der sich ohne Zeitverlust nach Albuquerque in Neu-Mexiko zu verfügen hat, um diesen Ort zu einem Hauptpunkte der astronomischen Beobachtungen der Expedition zu machen, und die Vorbereitungen für die nöthigen Forschungen in den Gebirgsregionen von Neu-Mexiko vor Eintritt des Winters zu beschleunigen. Auf den Strecken der Route, wo keine augenscheinlichen Hindernisse dem Bau einer Eisenbahn entgegentreten, wird eine oberflächliche Recognoscirung genügen. Doch muß diese Arbeit durch zahlreiche, astronomisch bestimmte geographische Punkte zu einer wichtigen gemacht werden. Eine größere Genauigkeit ist in den Gebirgspässen erforderlich, um die Höhen und Niederungen, von deren Lage Vortheil gezogen werden soll, so wie die Kosten eines Baues annähernd bestimmen zu können.

Auf die Zweige der Wissenschaften, welche sich mehr oder weniger auf die Lösung der Frage über die Anlage der projectirten Eisenbahn beziehen, soll die größte Aufmerksamkeit verwendet werden, unter diesen auf die geologische Untersuchung der Felsen, des Bodens und auf die Art, wie in dürren Wüsten Wasser angeschafft werden kann, ob in Cisternen oder in artesischen Brunnen; ferner auf die Produkte des Landes, Thiere, Mineralien und Vegetabilien, auf die Bevölkerung und deren Hülfsquellen, auf die Waldungen und andere zum Bau einer Eisenbahn erforderliche Materialien. Die Vertheilung, die Charaktere, die Gebräuche, Traditionen und Sprachen der Indianerstämme sollen studirt, meteorologische und magnetische Beobachtungen angestellt, die hygrometrische und elektrische Beschaffenheit der Atmosphäre beobachtet werden, so wie alle geeigneten Maßregeln zu treffen sind, um den Charakter des Landes, durch welches die Expedition zu ziehen hat, zu erkunden.

An oder vor dem ersten Montag des nächsten Februar wird Lieutenant Whipple über die Resultate seiner Forschungen berichten; nach Beendigung der Arbeit im Felde wird die Gesellschaft in Californien entlassen werden. Die dann nicht mehr nothwendigen Soldaten werden dem commandirenden Offizier des Departements übergeben. Lieutenant Whipple mit den Offizieren und Assistenten, die ihm dabei unentbehrlich sind, wird einen ausführlichen Bericht über die Arbeiten der Expedition für den Congreß anfertigen.

Die Summe von 40,000 Dollars wird ausgesetzt, um die Ausgaben der Expedition, mit welcher Lieutenant Whipple betraut worden ist, zu bestreiten.

Jefferson Davis, Kriegssecretair
An Lieutenant A. W. Whipple im topographischen Corps in Washington.

Mit der Ankunft unserer Expedition in Albuquerque war somit die leichtere Hälfte unserer Aufgabe gelöst worden, ohne daß im Wesentlichen von obigen Instructionen abgewichen worden wäre; nur war Lieutenant Ives, der gemäß den Anordnungen des Kriegssecretairs die Reise von der Küste von Texas aus angetreten hatte, noch nicht angelangt. Es fiel also unserem Commando anheim, die astronomischen Beobachtungen anzustellen, so wie die nöthigen Vorbereitungen zur Weiterreise zu treffen. Da uns demgemäß ein längerer Aufenthalt in Albuquerque in Aussicht stand, der unseren Zug- und Reitthieren, die in der letzten Zeit sehr gelitten hatten, am meisten zu Statten kam, so wurde das Lager mit mehr Sorgfalt als gewöhnlich aufgeschlagen, und Jeder suchte sich sein Zelt so bequem und häuslich einzurichten, wie es nur immer die Umstände erlauben wollten. Der Boden, der sich nur 2 bis 3 Fuß über den Spiegel des Rio Grande erhob, war beständig naß und kalt, so daß wir kaum im Stande waren, die Feuchtigkeit von unseren Decken und sonstigen Gegenständen abzuhalten, und zu den verschiedenartigsten Mitteln unsere Zuflucht nehmen mußten, um während des Schlafes so wenig wie möglich in unmittelbare Berührung mit dem ungesunden Boden zu kommen.

Wenige Tage genügten, um ein geregeltes Leben bei unserer ganzen Gesellschaft herzustellen. Jedes einzelne Mitglied beschäftigte sich mit seinen Arbeiten, und zwar mit einem Eifer, als wenn wir uns in den Bureaus in Washington befunden hätten. Karten und Profile der von uns durchforschten Territorien wurden ausgearbeitet und gezeichnet, die astronomischen und meteorologischen Beobachtungen tabellarisch in neue Bücher eingetragen, der Botaniker fand reichliche Beschäftigung in seinem Herbarium, so wie Mr. Marcou in seiner mineralogischen und geologischen Sammlung. Zu dem Ordnen unserer Arbeiten gesellte sich noch die Aufgabe, Alles gut und sicher zu verpacken, um es von Albuquerque aus mit einer Handelskarawane zurück nach den Vereinigten Staaten schicken zu können. Einestheils geschah dieses, um uns jeder entbehrlichen Last zu entledigen, besonders aber auch um die werthvollen, ja unersetzlichen Arbeiten und Sammlungen auf die schnellste Weise in Sicherheit zu bringen, denn wir konnten nicht vorhersehen, mit welchen Gefahren wir noch würden zu kämpfen haben und ob es uns überhaupt gelingen würde, mehr als das nackte Leben bis an die Küsten der Südsee durchzubringen. So beschäftigte auch ich mich vor allen Dingen damit, meine besonders an Reptilien reichhaltige Sammlung gut zu verpacken, und verwendete dann die übrige Zeit dazu, von meinen Skizzen Duplicate anzufertigen, um durch deren Zurücksendung, bei etwaigen Unglücksfällen dem gänzlichen Verluste derselben vorzubeugen. Doctor Abadie, der Arzt der in Albuqueraue stationirten Besatzung, hatte mir auf die freundlichste Weise eine Stube in seiner mexikanischen Wohnung eingeräumt, wo ich den Tag über ungestört bei meinen Zeichnungen sitzen konnte. Angenehm unterbrochen wurde meine Arbeit mitunter durch Mrs. Abadie, die Gattin des Doctors, eine überaus liebenswürdige Amerikanerin, nebst ihren drei rothwangigen Jungen, indem ich ihr zu meinen Zeichnungen Erklärungen geben oder einem und dem anderen ihrer muthwilligen Knaben ein Bildchen zeichnen mußte. Nur um so angenehmer wurde mir dadurch der Aufenthalt unter dem gastlichen Dache des Mr. Abadie, und nie fühlte ich dieses mehr, als wenn ich des Abends die reizende Häuslichkeit verließ und zurückkehrte in's Lager zu dem wilden Leben an den flackernden Feuern. Die Ingenieure hatten sich ebenfalls zu ihren Arbeiten kleine Gemächer in der Stadt gemiethet, wo sie den Tag zubrachten.

Unser Lager war nur wenige hundert Schritte von der Stadt selbst entfernt, so daß es durchaus nichts Unbequemes für uns hatte, daß wir zu den verschiedenen Mahlzeiten uns nach unseren Zelten verfügten, und nach kurzem Aufenthalte daselbst wieder zurück nach der Stadt gingen. Ganz entvölkert war indessen unser Lager während des Tages nie, denn Lieutenant Whipple war gewöhnlich mit seinem Secretair in demselben zu finden, wo er damit beschäftigt war, seine Rechnungen, Correspondenzen und Requisitionen zu ordnen. Auch war größtentheils dort Mr. Stanley, der seine Leute dazu anhielt, die von ihm angekauften Maulthiere zu bändigen und der Heerde einzureihen, denn mit bedeutend verstärkten Kräften sollte die Weiterreise angetreten werden. Außerdem hämmerten noch Schmiede und Stellmacher an den Hufen der Maulthiere und den schadhaft gewordenen Wagen, so wie einige Soldaten die frei umherliegenden Gegenstände zu bewachen hatten.

Die Abende brachten die meisten Mitglieder unserer Expedition theils im Gasthofe der Stadt, theils in den gastlichen Wohnungen der Offiziere zu, oder strömten, wenn die Kirchenglocke zum Fandango rief, nach der geräumigen Halle hin, wo tanzlustige Mexikanerinnen ihrer harrten. So war denn jede Stunde des Tages der Arbeit und jede müßige Abendstunde der Erholung und dem Vergnügen gewidmet. Tage wurden zu Wochen, und Jeder fing an, sich heimisch in dieser Lebensweise zu fühlen, doch war wohl kein Einziger in der Expedition, der nicht gewünscht hätte, daß der lange Aufenthalt endlich sein Ende erreichen möchte.

Wenige Städte in Neu-Mexiko zeichnen sich durch eine schöne Lage aus. In breiten Thälern, die in der Ferne von nackten Felsen begrenzt werden, erheben sich die einstöckigen Häuser der Ansiedelungen, die theilweise von Obstbäumen versteckt werden, welches außer einigen AlamosSpanische Bezeichnung für Cottonwood Tree ( Populus angulata). fast die einzigen Bäume in dortiger Gegend sind. Eine solche Lage hat auch Albuquerque, welches etwa 500 Schritte vom Rio Grande entfernt, dem Wanderer einen unfreundlichen ruinenartigen Anblick gewährt. Nur die Kirche mit den beiden Thürmchen ragt etwas hervor, so daß man aus der Ferne dadurch auf eine bedeutende Ansiedelung schließen kann. Häuser, Kirche, so wie die Baracken und Ställe der Besatzung sind auf mexikanische Weise von an der Luft getrockneten Steinen ( adobes) ausgeführt; das Material, aus welchem diese Steine bestehen, ist die Erde des Thales, der, um größere Festigkeit zu erzielen, Stroh und kleine Steine beigefügt werden. Die Wände und Mauern sind 2 bis 3 Fuß dick und außer der Thüre nur spärlich mit Lichtöffnungen versehen. Die Wohnungen sind alle zu ebener Erde, oder nur durch eine Lehmanhäufung etwas erhöht; das Innere derselben ist einfach, doch entbehren sie nicht einer gewissen Art von Bequemlichkeit, und man findet besonders bei den mehr begüterten Bewohnern Räumlichkeiten, die durch Sauberkeit und den weißen Kalkanstrich einen angenehmen Eindruck machen. Gedielte Fußböden sind freilich dort unbekannt, bei Reich und Arm kennt man nur dieselbe festgestampfte Tenne, die hin und wieder bei der wohlhabenden Klasse mit Strohmatten und Teppichen belegt wird.

Durch die amerikanische Militairbesatzung hat Albuquerque in neuerer Zeit einige Wichtigkeit erlangt und seit deren Hineinlegung bedeutend an Ausdehnung gewonnen, doch wird es von Santa Fe und El Paso weit überragt, welche Städte seit langer Zeit schon die Haupthandelsplätze dieser westlichen Regionen gewesen sind, während erstere eben nur als eine Tochterstadt von Santa Fé angesehen werden kann.

Die Zahl der Einwohner von Albuquerque mag sich auf 600 bis 800 Seelen belaufen; die meisten derselben treiben Handel oder Viehzucht, doch besteht ein großer Theil der Bevölkerung aus ziemlich verworfenen Individuen; Spieler, die immer bereit sind, den Soldaten den eben empfangenen Sold abzunehmen, Räuber, die stets auf Gelegenheit warten, um mit Pferden und Maulthieren der Einwohner davon zu reiten, und zur Sicherung ihres Diebstahls selbst den Mord nicht scheuen, treiben sich vielfach umher und werden dem friedlichen Theile der Bevölkerung zur nicht geringen Plage. Den Eingriffen der umherstreifenden Apache- und Navahoe-Indianer ist die Stadt selbst nicht mehr in so hohem Grade ausgesetzt, seit die Militairbesatzung einigen Schutz gewährt, doch ziehen die wilden Horden in der Nachbarschaft umher, eifrig nach Heerden und Gefangenen spähend. Nicht selten ist es der Fall, daß auf solchen Raubzügen eine Rotte dieser Wilden von einem Mexikaner geführt wird, der seinen Antheil am Raube bezieht und sich auf diese schändliche Weise zu bereichern sucht.

Die Nation der Apache-Indianer kann als eine der größten und am weitesten verzweigten von Neu-Mexiko bezeichnet werden. Sie umfaßt zahlreiche Stämme, von denen viele kaum dem Namen nach bekannt sind. Den Aussagen der dortigen Ansiedler, wie den Nachrichten von Reisenden zufolge reicht das Gebiet der Apache-Indianer vom 103. bis zum 114. Grad westlicher Länge von Greenwich, und von den Grenzen des Utah-Gebietes, dem 38. Grad, bis hinunter zum 30. Grad nördlicher Breite. Sie streifen aber weit über die angegebenen Territorialbestimmungen hinaus, doch ist nicht anzunehmen, daß sie außerhalb derselben noch Wohnsitze haben, sondern lediglich die Raubgier treibt sie in die Staaten Sonora und Chihuahua. Es mögen auf diesem weiten Terrain allerdings Indianerstämme leben, die nicht mit den Apaches verwandt sind, doch würde darüber nur eine Vergleichung der Sprachen Gewißheit verschaffen.

Der Stamm der Navajoe- oder Navahoe-Indianer, der unbedingt der stärkste westlich der Felsengebirge im eben beschriebenen Gebiete ist, gehört ebenfalls zur Familie der Apaches, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß bei genauen Forschungen noch weiter nördlich Indianerstämme als verwandt mit dieser Nation befunden werden.Bartlett's Personal Narrative Vol. I., p. 326: In an essay read before the Ethnological Society by my friend, Professor Wm. W. Turner, has has shown that a close analogy exists between the language of the Apaches and Athapascans, a tribe on the confines of the Polar Sea.

Einen gewissen Anstrich von Ritterlichkeit, der die Stämme östlich der Rocky Mountains charakterisirt, vermißt man bei den Eingeborenen westlich derselben fast gänzlich; selbst das Aeußere der Letzteren ist viel weniger ansprechend, und selten nur findet man unter ihnen schöne wohlgebildete Gestalten. Ihre Nahrung besteht fast ausschließlich aus Pferde- und Maulthierfleisch, mit welchem sie sich in den mexikanischen Ansiedelungen zu versehen wissen.

Die Navahoes sind fast die einzigen Indianer in Neu-Mexiko, die große Schafheerden halten und mit diesen ein Nomadenleben führen. Sie verstehen die Wolle zu spinnen und aus derselben buntfarbige, sehr dichte Decken zu weben, deren Güte wohl schwerlich von einer Deckenfabrik der civilisirten Welt übertroffen werden kann. Diese grellfarbigen Decken, mit denen die Navahoes ihre Glieder umhüllen, geben einer Schaar dieser Wilden ein eigenthümliches und nichts weniger als häßliches Ansehen. Im Uebrigen unterscheiden sie sich in ihrem Anzuge nur wenig von ihren Bruderstämmen, nur daß letztere noch schlechter oder gar nicht bekleidet sind. Ein baumwollenes Hemd ist z. B. bei diesen schon ein großer Luxusartikel. Auf die Verfertigung ihrer hirschledernen Fußbekleidung verwenden die Navahoes viel Sorgfalt und achten besonders darauf, daß die starken Sohlen an den Zehen in einem breiten Schnabel aufwärts stehen. Zu der Mühe, welche sie sich mit dieser Arbeit geben, werden sie gezwungen durch die stachligen Cacteen und dornentragenden Gewächse, die in dortigen Regionen ganze Landstriche dicht bedecken, in welchen sie ohne diese Vorkehrungen kaum einen Schritt zu thun im Stande wären. Auf dem Kopfe tragen sie ein helmartige Lederkappe, die gewöhnlich mit einem Busch kurzer, glänzender Truthahnfedern und einigen Geier- oder Adlerfedern geschmückt ist. Neben Bogen und Pfeilen führen sie noch sehr lange Lanzen, in deren Handhabung sie besonders gewandt sind und mit welchen sie auf ihren flinken Pferden gewiß keine zu verachtenden Gegner sind.

Ganz entgegengesetzt diesen räuberischen Stämmen, vor denen die Ansiedler von Neu-Mexiko immer auf ihrer Hut sein müssen, sind die Pueblo-Indianer ( Los Indios de los pueblos, Dorf-Indianer), deren Städte am Rio Grande und in den fruchtbaren Thälern seiner Zuflüsse zerstreut liegen. In freundlichem Verkehr mit allen Nachbarn lebend, dem Ackerbau und der Viehzucht mit Fleiß obliegend, sind diese Menschen als der bessere Theil der ganzen Bevölkerung von Neu-Mexiko anzusehen. Wenn man die patriarchalischen Gebräuche und Sitten dieser Leute beobachtet, ihre terrassenförmigen Städte mit den Ruinen der Casas Grandes am Gila und in Chihuahua vergleicht, so liegt die Vermuthung nur zu nahe, daß diese Pueblo-Indianer in naher Verwandtschaft mit den alten Azteken stehen müssen. Wie weit einer solchen Vermuthung Raum gegeben werden darf, und wie weit sie sich der Wahrheit nähert, würde nur bestimmt werden können, wenn man diese Indianer zum Gegenstande der genauesten Forschungen machte und den Spuren von Norden nach Süden folgte, welche die alten Azteken auf ihrer großen Wanderung zurückgelassen haben. Diese verschiedenen Indianerstämme, welche vielfach, jedoch unrichtig, kupferfarbig genannt werden, und welche, verschieden von den weiter nördlich lebenden Nationen, eine mehr in's Gelbliche spielende, braune Hautfarbe zeigen, sind also außer den Abkömmlingen der Spanier oder den jetzigen Mexikanern die Bewohner von Neu-Mexiko.

Das Thal des Rio Grande del Norte ist von seiner Mündung bis hinauf nach Taos strichweise dicht angebaut; man findet bei dem größten Theile der dortigen Bevölkerung die spanische Physiognomie mit der indianischen so sehr verschmolzen, daß es selbst bei den genauesten Nachforschungen schwer halten würde, reines andalusisches Blut zu entdecken. Man möchte fast behaupten, daß von Generation zu Generation die indianische Trägheit immer mehr den Sieg über die alte spanische Energie davontrug, und Colonisation so wie Civilisation nur bis zu einem gewissen Grade vorschreiten ließ. Die neueren engeren Verbindungen mit den Amerikanern, so wie deren Beispiel, scheinen indessen die Bevölkerung von Neu-Mexiko zu größeren Anstrengungen zu veranlassen, und doch hatte schon lange vorher, ehe die ersten Ansiedler in Neu-England landeten und in Virginien Colonien gegründet wurden, das Christenthum hier seinen Weg in das Herz des amerikanischen Continents gefunden und war selbst den Indianern des jetzigen Neu-Mexiko nicht mehr fremd. Die Steppen, wo der zottige Bison grast, waren von Europäern besucht worden; durch die Engpässe in den Rocky Mountains waren gegen Osten und Westen die fremden Eindringlinge gezogen; der Gila und der Colorado, welche in neuerer Zeit als unbekannte Ströme allgemeines Interesse erregt haben, waren vielfach überschritten worden, und im stillen Ocean hatten die kühnen Spanier schon ihre Missionen und Colonien, die lange dauernden Denkmäler ihrer frühern Größe, gegründet.

Ueberall in den dortigen Regionen südlich vom 36. Grade nördlicher Breite, wohin besonders die Aufmerksamkeit des Gouvernements der Vereinigten Staaten gerichtet ist, und wohin vielfach wohl ausgerüstete Expeditionen geschickt werden, stoßen die Reisenden auf Spuren der frühesten Colonisation durch Europäer, die indessen nur von kurzer Dauer gewesen sein kann, allmälig in Vergessenheit gerieth und deren Wiederentdeckung jetzt allgemeines Interesse erregt. Fast unwillkührlich stellt man beim Anblick der untergegangenen Größe Vergleiche zwischen der Colonisation durch die Spanier einerseits und derjenigen der Holländer und Engländer andererseits auf. Bei ersteren gingen Missionaire mit dem Kreuze voraus, und ihnen folgte das Banner ihres Heimathlandes, umgeben von trotzigen Kriegern; die Eingeborenen wurden getauft, an geeigneten Stellen wurden Missionen gegründet und die Bevölkerung ward zur Arbeit und zur Erhaltung der neuen Herren, so wie deren Kirche, angehalten. Bis zu diesem Punkte gediehen dergleichen Unternehmungen; Jahrhunderte zogen vorüber, ohne daß ein Fortschritt oder eine Vermehrung der Gemeinden bemerklich gewesen wäre; im Gegentheil, manche Nachkommen der ersten Christen in den mehr abgesonderten Landstrichen von Neu-Mexiko führen ein elendes Dasein, als Spielball der benachbarten Stämme der Eingeborenen, deren Ohren den Lehren des Christenthumes verschlossen blieben.

Die Axt und den Pflug in der Hand, die Büchse auf der Schulter, landeten die holländischen und angelsächsischen Ansiedler an der Küste des Atlantischen Oceans. Die Waldungen wurden gelichtet, der Boden aufgerissen und Saamen hineingestreut; der tausendfältige Ertrag, mit welchem der dankbare Boden den Fleiß der Ansiedler segnete, setzte diese bald in den Stand, an der Stelle ihrer Betplätze unter dem Dache schattiger Bäume Kirchen zu gründen. Immer weiter schritt auf diese Weise die Civilisation auf dem einmal gebrochenen Pfade gegen Westen, vorauf die Axt und die Büchse, im Gefolge derselben Religion, Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft.

Der unerschöpfliche Reichthum der Natur, welcher die Colonisation im östlichen Theile des nordamerikanischen Continents so sehr erleichterte und noch erleichtert, ist freilich nicht in so hohem Grade in Neu-Mexiko vorhanden; man stößt daselbst sogar auf fühlbare Mängel, doch bieten die fruchtbaren Thäler des Rio Grande und seiner Zuflüsse, so wie die Gold, Eisen und Kohlen enthaltenden Gebirge Mittel genug, um ganze Völker durch ihre Gaben nicht nur zu erhalten, sondern auch zu bereichern und auf die höchste Stufe der Kultur zu bringen. Dem Rio Grande kann nur der Vortheil der Bewässerung seines Thales abgewonnen werden, denn da seine Tiefe in gar keinem Verhältniß zu seiner Breite steht, so ist an eine Schiffbarmachung desselben wohl kaum jemals zu denken. Seine Breite in der Nähe von Santo Domingo bis hinaus nach Santa Fé, also in seinem oberen Laufe, wechselt zwischen 400 und 800 Fuß, wogegen die Tiefe durchschnittlich kaum 2 bis 3 Fuß erreicht, wenn auch hin und wieder sich tiefere Stellen finden. Daß näher dem Golf von Mexiko der Rio Grande nur wenig an Tiefe zunimmt, geht schon daraus hervor, daß von seiner Mündung bis zu seinen Quellen keine einzige Brücke die beiden Ufer dieses Flusses verbindet. Fast überall können Wagen durch das seichte Bette fahren, doch muß mit Umsicht eine sichere Stelle gewählt werden, um das Einsinken der Räder in den wilden Triebsand zu verhüten; denn das Herausziehen eines Wagens aus demselben gehört mit zu den schwierigsten Arbeiten und kann häufig nur, nachdem derselbe auseinander genommen worden, stückweise geschehen. Das Wasser des Flusses ist trübe und sandig, ausgenommen während der Überschwemmungen, die durch das Schmelzen des Schnee's in den Rocky Mountains entstehen.

Diese Ueberschwemmungen stellen sich gewöhnlich, wenn auch nicht alljährlich, im Sommer ein. Bleiben sie aus, so wird das Bette des Rio Grande beinahe ganz trocken, indem der Vorrath, den die Quellen dem Strome liefern, durch Gräben und Canäle ( acequias) von den Ansiedlern sowohl, wie von den Pueblo-Indianern zur Bewässerung auf die Felder geleitet wird. Die Vortheile, die eine künstliche Bewässerung gegenüber einer natürlichen, aber unregelmäßigen gewährt, gehen verloren, wenn das Steigen des Flusses im Sommer vergeblich auf sich warten läßt. Freilich ist im Februar und März hinlänglich Wasser vorhanden, um zur Saatzeit den Feldern die nöthige Frische und Fruchtbarkeit zu erhalten, doch nimmt dieser Vorrath schnell ab, wenn den Quellen durch die Schneemassen der Gebirge keine Beihülfe zu Theil wird; die kräftig emporgeschossenen Pflanzen und Stauden vertrocknen dann, noch ehe die Aehren und Saamenkolben ausgebildet sind, weil der dürre Boden ihnen keine Nahrung mehr zu geben vermag. Der Feldbauer sieht in diesen Fällen seine Hoffnung auf eine gesegnete Ernte größtentheils vernichtet, und obenein sind ihm vergebliche Mühe und Kosten durch das Ausräumen der Canäle erwachsen. Solch gänzliches Fehlschlagen der Ernten gehört aber zu den Seltenheiten, und in günstigen Jahren ist der Ertrag der Felder ein überaus reicher zu nennen. Es wird behauptet, daß von dem Thale des Rio Grande, welches in seiner Breite zwischen ¼ und 4 Meilen schwankt, ein Achtel der Fläche wegen Wassermangels nicht bestellt werden kann, doch viele Tausende, ja Hunderttausende von Ansiedlern noch dazu gehören würden, um die sieben Achtel der so schwach bevölkerten Niederungen dieses Flusses vollständig zu kultiviren. Mais, Weizen und seit einigen Jahren auch Gerste, werden hauptsächlich dort gebaut, dagegen sind die Versuche, die Kartoffel einzuführen, sonderbarer Weise bisher mißlungen, weshalb man auch selten, und dann nur kleine Felder, mit der Frucht bestellt sieht, deren Heimath doch der amerikanische Continent ist. Zwiebeln, Kürbisse, so wie Melonen gedeihen in Neu-Mexiko ausgezeichnet und erlangen eine unerhörte Größe; herrliches Obst wird in den Gärten gezogen und besonders der Weinbau mit größerer Sorgfalt betrieben. Bei El Paso schon erblickt man große Weinberge, die von schwellenden Trauben strotzen, von welchen der bekannte El Paso-Wein gekeltert wird. Die Spanier sollen diese Traube dort eingeführt haben; daß dieselbe so trefflich gedeiht, wie man sagt, steht indessen im Widerspruch mit den Erfahrungen neuerer Jahre, die gelehrt haben, daß besser als die eingeführte europäische, die veredelte amerikanische Rebe gedeiht. Auf sehr einfache Weise pflegen die Bewohner von Neu-Mexiko ihre Weingärten; die Reben werden nämlich nicht an Stangen oder Hecken gezogen, sondern im Herbst dicht am Boden abgeschnitten, so daß im Frühjahre immer wieder neue Schößlinge aus der Wurzel schlagen müssen. Die vorsichtigeren Weinbauer bedecken ihre Reben während des Winters mit Stroh, um sie vor den gefährlichen Nachtfrösten zu sichern. Mit Frühlingsanfang werden die Weingärten unter Wasser gesetzt und so lange unter demselben gehalten, bis der Boden vollständig aufgeweicht ist, was dann in den meisten Fällen für die Dauer des Sommers hinreichend sein muß. Im Juli fangen die ersten Trauben an zu reifen, wogegen die letzten erst gegen das Ende des Octobers geschnitten werden. In großen Behältern stampfen Männer mit nackten Füßen die geernteten Beeren, pressen dieselben demnächst in Säcken von roher Ochsenhaut, und dieses so einfache Verfahren liefert den trefflichen El Paso-Wein, der einige Ähnlichkeit mit dem Madeira hat.

Während des Aufenthaltes unserer Expedition in Albuquerque hatten wir die beste Zeit und Gelegenheit, dieses und manches Andere über die Provinz Neu-Mexiko zu erfahren, denn die Mexikaner mit ihrer gewohnten Höflichkeit ertheilten uns gern bei jeder Gelegenheit Auskunft und Belehrung über Alles, was ihre Heimath betraf.

Die schlechtesten Elemente der Bevölkerung in Albuquerque waren Individuen fremder Nationen, die auf der Reise nach Californien diesen Ort als ihren Wünschen genügend befunden hatten, oder auch solche, die von vorbeiziehenden Karawanen und Expeditionen als unbrauchbar daselbst entlassen worden waren. So hatte auch Lieutenant Whipple gleich nach unserer Ankunft mehrere unserer Wagenführer abgelohnt, die als untauglich und zu böswillig für eine Expedition wie die unsrige befunden wurden. Zwei derselben etablirten sich am andern Tage schon als Schlächter in Albuquerque, und als von diesen der Eine von den Blattern, einer beständig dort grassirenden Krankheit, befallen wurde, fand es der Andere angemessen, sich mit dem letzten Gelde seines kranken Gefährten und einem unserer besten Maulthiere bei Nacht und Nebel zu entfernen. Zu meinem größten Leidwesen war es mein Reitthier, welches dem Diebe so besonders zugesagt hatte, was mich übrigens nicht wunderte; denn einestheils war dasselbe sehr schnell, gewandt und außerordentlich ruhig beim Gewehrfeuer, dann aber auch hatte ich das treue Thier während des Aufenthaltes in Albuquerque mit dem besten Futter, welches zu erlangen war, gepflegt und immer sorgfältiger zur Jagd abgerichtet. Dieses Thier war also mit dem Diebe zugleich verschwunden. Der Alcalde von Albuquerque wurde sogleich von der Sache in Kenntniß gesetzt und selbigen Tages noch Leute nach allen Richtungen zur Verfolgung ausgeschickt; es ward sogar eine hohe Summe auf Ergreifung des Räubers gesetzt, doch das Thier, welches er ritt, war zu gut, und der Bösewicht zu schlau und gewandt, als daß wir seiner hätten habhaft werden können. Alle Mühe, die wir uns gaben, das gestohlene Gut wieder zu erlangen, war vergeblich; ich mußte mich dazu bequemen, einen neuen Maulesel, welcher mir gestellt wurde, zur Jagd abzurichten, doch hatte ich später noch oftmals Ursache, den Verlust meines treuen Thieres zu bedauern.

Die Kaufleute in Albuquerque hatten als Bürger einer westlichen Grenzstadt alle nur denkbaren Gegenstände, die man im Leben gebraucht oder gebrauchen kann, aufzuweisen. Da waren Kleidungsstücke und Medicamente, getrocknetes Obst und Eisenwaaren, Backwerk und Wäsche, Branntwein und Gebetbücher, Kaffee und geräucherte Schinken, Decken, Schuhzeug und Hunderte von anderen verschiedenen Gegenständen, die Jedem, der dorthin kam, für gute klingende Münze (Papiergeld wurde nicht angenommen) zu Diensten standen. Hier nun fanden wir willkommene Gelegenheit, die Lücken, die in unseren Habseligkeiten schon entstanden waren, wieder auszufüllen. Um vor allen Dingen auf den Bällen, deren in Albuquerque so viele gegeben wurden, in würdigerer Weise als in Anton Chico erscheinen zu können, wurde mancher Dollar von unserer Gesellschaft in diese Läden getragen und freudig der zehnfache Werth für die augenblicklich gewünschten Sachen bezahlt. Läutete dann am Abend die Glocke der alterthümlichen Kirche, so wußten die tanzlustigen Mitglieder unserer Expedition schon immer, wohin sie sich zu begeben hatten, um im wilden Walzer sich mit den schönen geputzten Mexikanerinnen zu drehen. Doch auch hier schied sich die Bevölkerung in zwei besondere Klassen; auf dem einen Tanzplatz waren die gebildeten Einwohner von Albuquerque zu finden, denen sich die Offiziere der Garnison, so wie die Mitglieder unserer Expedition anschlossen; auf dem anderen dagegen befand sich die wilde, rohe Masse, die jubelnd, fluchend, tanzend und streitend ihr tolles Wesen trieb. Freilich waren die Bälle für Jeden offen, doch wagten die Ersteren sich eben so wenig unter die tobende Gesellschaft, als diese Gefallen an dem gesetzteren Wesen der Ersteren fand. Der alte Fitzwater, in dessen äußerer Erscheinung man sein ganzes ereignißvolles Leben zu lesen vermochte, war einer der eifrigsten Ballbesucher; freilich konnte er mit seinen steifen Gliedern nicht tanzen, aber desto eindringlicher forderte er Tänzer und Tänzerinnen zu neuen Anstrengungen auf, und theilte dabei auf launige Weise manches Abenteuer aus seinen jüngeren Jahren mit. Selbst Doctor Bigelow vergaß manchmal auf einige Stunden sein Herbarium, um an einem Fandango Theil zu nehmen. Nachdem wir auf diese Weise manchen fröhlichen Abend in der Stadt verbracht hatten, wurde von uns, als den Repräsentanten der Expedition, einstimmig beschlossen, den Offizieren, den Bürgern und besonders den schönen Bürgerinnen einen glänzenden Ball zu geben.

Wir mietheten uns zu diesem Abend das geräumigste Local, welches in der Stadt zu haben war, und ließen darauf Einladungen an alle Diejenigen ergehen, die wir in Albuquerque als einigermaßen gebildete Leute kennen gelernt hatten. Was nur irgend an Leckerbissen und feinen Getränken aufzutreiben gewesen war, das hatten wir uns von Santa Fe kommen lassen und weder Mühe noch Kosten gescheut, ein Fest zu veranstalten, wie nur wenige in Albuquerque gefeiert worden waren. Da waren selbst Austern, die in luftdicht verschlossenen Büchsen eine Reise von Tausenden von Meilen zurückgelegt hatten, da fehlte nicht der Champagner, der im andern Theile der Welt gewachsen, und zwar war Alles in solchem Ueberfluß vorhanden, daß noch eine weit zahlreichere Gesellschaft an den rauschenden, etwas wilden Vergnügungen hätte Theil nehmen können. Unter den Offizieren war besonders hervorragend der General Garland, der sich auf einer Inspectionsreise nach den verschiedenen Militairposten befand, und der zu jener Zeit mit einer Escadron Dragoner, die ihn auf seinen Reisen durch die Wildniß begleitete, sein Lager ebenfalls bei Albuquerque aufgeschlagen hatte. Auch er bewies an diesem Abend, daß eine Reise durch die Steppen angeborenen Humor nicht zu unterdrücken vermag, denn fröhlich und rüstig wie der jüngste Lieutenant mischte er sich unter die Tanzenden. Unsere Damen waren Mexikanerinnen, die größtentheils in weißen Kleidern und mit ihren einfachen, aber gut kleidenden Schmucksachen dem Ball einen förmlichen Glanz verliehen. Um in unserem Vergnügen nicht durch zudringliche Individuen, die der rohen Klasse der dortigen Bevölkerung angehörten, gestört zu werden, hatte Lieutenant Johns mehrere Schildwachen an die Eingänge des Tanzlocals gestellt, welche den strengen Befehl erhalten hatten, Niemanden außer den Geladenen hineinzulassen, und so konnten wir denn, auch von dieser Seite gesichert, unserer fröhlichen Laune freien Spielraum lassen. Der Tag war schon angebrochen, als die Letzten die Halle verließen und ermüdet ihr Lager suchten.

Dieses war also das Abschiedsfest, welches wir unseren dortigen Freunden und Bekannten gaben. Oftmals am flackernden Lagerfeuer in den hohen Schneeregionen der San Francisco-Gebirge und in den einsamen dürren Wüsten westlich vom Colorado unterhielten wir uns noch über die fröhliche Nacht in Albuquerque, und da war wohl Niemand, der nicht durch die Rückerinnerung fröhlicher gestimmt, irgend etwas von diesem Balle zu erzählen gewußt hätte. Diese und andere Vergnügungen wirkten indessen in keiner Weise hindernd auf die Vorbereitungen zum Aufbruch, die fortwährend in dem Lager unserer Expedition getroffen wurden. Die Leute mußten sich im Gebrauch der Schußwaffen üben; warme dauerhafte Kleider für die kalten Wintermonate wurden angeschafft und immer noch neue Packknechte aus der dortigen mexikanischen Bevölkerung engagirt.


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