Balduin Möllhausen
Wanderungen durch die Prairien und Wüsten des westlichen Nordamerika
Balduin Möllhausen

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I.

Auf dem Mississippi. – Fort Napoleon. – Arkansas River. – Ufer des Arkansas. – Little Rock. – Van Buren.

Wer jemals auf einem der riesenhaften, dabei aber in gleichem Maße prächtig und bequem eingerichteten Mississippidampfer diesen Strom hinuntergefahren ist und Tage lang kein anderes Geräusch vernommen hat als das gleichmäßige Arbeiten der Maschinen, das zeitweise Rasseln der Tafelzurüstungen, und das betäubende Geläute der Tischglocke, mit welcher ein Neger in grinsender Freude über seine Virtuosität auf diesem klangvollen Instrumente zu den verschiedenen Mahlzeiten ruft; wer sich sodann nach schneller Befriedigung des Appetits durch noch schnellere Wahl unter den dicht gedrängten Schüsseln auf die geräumige Gallerie begeben und dort inmitten seiner schweigsamen Gefährten die Erfahrung gemacht hat, daß man sich nirgend und unter keinerlei Verhältnissen mehr vereinsamt fühlen kann, als in der Reisegesellschaft auf Flüssen: wer also in dieser Weise auf sich selbst und seine Beobachtungen angewiesen den Mississippi hinuntergefahren ist, in dem regte sich auch sicherlich oftmals ein lebhaftes Verlangen, in das Geheimniß der dunklen Wälder eindringen zu können, die wie das lebendigste und bilderreichste Panorama zu beiden Ufern seinen Weg begleiten; bald einer Schonung nicht unähnlich als niederes Holz, bald als der eigentliche mächtige Urwald, über welchen wieder einzelne Hickory (Juglans tomentosa Mich.) und Sykomoren (Platanus occidentalis Willd.) von der erstaunlichen Höhe, wie sie nur die Neue Welt kennt, emporragen. Doch unaufhaltsam wird man weiter getragen, und – während der Blick noch entzückt an einer malerischen Gruppe im dichten Walde, mit seinen weitverzweigt über den Strom schattenden Weiden (Cottenwood – Populus angulata) oder den zahlreichen Inseln und Inselchen haftet, die dem Mississippi, trotz der Niedrigkeit seines Thales unterhalb St. Louis, eine so überaus anziehende Abwechselung verleihen, gleitet, man schnell an der Mündung eines Nebenflüßchens vorbei, an der ein einsames Blockhaus aus dem bergenden Gebüsch herausschimmert, neue Aufmerksamkeit erheischt und nach einem flüchtig gebotenen Anblick bereits wieder weit hinter dem schnaubenden Dampfer zurückgeblieben ist. Man ist überhaupt oft in Versuchung, dem hölzernen Bau eine Art neidischer Eigenwilligkeit beizumessen, mit solcher Absichtlichkeit scheint er förmlich einzelnen schönen Punkten aus dem Wege zu gehen, indem er theilnahmlos den Windungen des Hauptcanals folgt, bald das eine oder das andere Ufer sucht, bald zwischen beiden die Mitte hält, ohne sich im entferntesten um schöne Aussichten und malerische Gruppen zu kümmern. Ebenso wenig stören ihn in seinem Gange die Flöße des Treibholzes, die langsam vor ihm hintreiben und die er jeden Augenblick einholt. Prasselnd zieht der Dampf durch den Schlot, schnaubend und stöhnend jagt er die trägen Schwimmer aus einander oder verfolgt über dieselben hinweg ruhig seine Straße, gleich als ob ihm schon von seinen Baumeistern genug Verstand mitgetheilt worden sei, um zu wissen, daß der vortheilhasteste Weg der ist, welcher über die Schultern der Anderen führt und am wenigsten Zeit erfordert, die ja nach amerikanischer Geschäftsweisheit nicht allein Geld, sondern sogar besser ist als solches.

Dieses sind die beiden Hauptlehren für einen großen Theil des amerikanischen Verkehrlebens, sie drehen sich um die gemeinsame Are des »Geldmachens,« dieses beständigen Leiters und Begleiters für jeden ächten Geschäftsmann, der, mag er thun und treiben was er wolle, doch nie die kleine Frage außer Augen läßt, was er dabei wohl verdienen könne. Man braucht sich nur auf dem Deck des Dampfbootes umzuschauen, um die Richtigkeit solcher Behauptung einzusehen. Was geht in der Seele jenes jungen Mannes vor, der, den Kopf und Rücken auf zwei neben einander gestellten Stühlen wiegend, die Füße hoch über die Gallerie hinausgestreckt, seine Blicke anscheinend so träumerisch und tiefversunken bald auf den herrlichen Wäldern, bald auf dem prächtigen Strom haften läßt? Die eben beschriebene Stellung, obgleich zu solchem Zweck etwas eigenthümlich gewählt, würde ihrem Inhaber dennoch erlauben, sich nach Herzenslust an den Schönheiten der Natur zu erfreuen; aber, welch ein Irrthum! – der junge Mann berechnet eben, wie viel Pferdekraft wohl die Wassermassen vor ihm bieten würden, um in einem so und so hohen Sturz bei Anlage einer ungeheuren Wassermühle die Dampfmaschine zu ersetzen; und wie viel wohl dieser ganze herrliche Wald, zu Brennholz geschlagen, auf dem Markte zu New-York werth sein würde! Dieser junge Mann repräsentirt die ganze eben zur Selbstständigkeit gelangte amerikanische Jugend, die überall Wege finden will, mit möglichst wenigem Zeitaufwande möglichst große Reichthümer zu erlangen. Der ernste speculirende Mann dagegen wendet sein Auge ab von Gegenständen, die ihm keinen Vortheil bringen, sondern höchstens nur ihn zerstreuen können, wiegt sich nachlässig auf seinem Stuhle hin und her, kaut seinen Tabak, schnitzt anscheinend gedankenlos und müssig an einem Stückchen Holz, und fährt, sobald dasselbe verschnitzt ist, rücksichtslos an der Stuhllehne fort. Er denkt dabei aber weder an Tabak noch an Stuhllehne, sondern nur an die vielen Hunderte und Tausende, die ihm dieses oder jenes Geschäft einbringen könnte, und die Beschäftigung, der er sich auf eine anscheinend so emsige Weise hingegeben hat, dient einzig nur dazu, seinen Blick den Augen der mit ihm handelnden Gefährten zu entziehen, damit auch nicht durch die kleinste Bewegung seine Gefühle sich verrathen und nachtheilig auf einen vortheilhaften Handel einwirken können.

Dieser bei einem großen Theile der Nation fast gänzliche Mangel an Sinn für die Schönheiten der Natur ist dem Europäer ebenso unbegreiflich, wie dem Amerikaner die laute Begeisterung der Europäer bei einem derartigen erhabenen Anblicke spaßhaft dünkt. Wer übrigens durchaus wünscht, diesen oder jenen reizenden Punkt genauer in Augenschein zu nehmen, oder im Schatten der dunklen Ufer zu lustwandeln, dem steht es frei, sich an einer beliebigen Stelle an's Land setzen zu lassen, da die Mississippidampfer einen so geringen Tiefgang haben, daß sie überall an's Ufer zu stoßen vermögen; aber gewartet wird auf Niemand, das Boot setzt seinen Weg ruhig fort und überläßt den Naturbewunderer seinem Entzücken und dem demnächstigen Erwachen zu einer Wirklichkeit, der das Rascheln einer flüchtigen Schlange und der leise Gesang der Mosquito-Schwärme alle Poesie zu benehmen im Stande ist. Selbst da, wo Holz eingenommen wird, hat der das letzte Stück herantragende Arbeiter oft einen kühnen Sprung zu wagen, um noch den Dampfer zu erreichen, der sich in seiner Ungeduld bereits wieder in Bewegung setzte. Es ist daher sehr rathsam, etwaige Forschungen auf einer solchen Reise nicht zu weit ausdehnen und zu genau anstellen zu wollen, sondern mit demjenigen zufrieden zu sein, was man vom Schiffe aus mit den Blicken erreichen kann, wenn es gleich zuweilen schwer fallen mag, sich von einem schönen Punkte so schnell wieder trennen zu müssen.

Hat der hölzerne Renner in dieser Weise die Stelle erreicht, wo der Arkansas sein röthlich gefärbtes Wasser dem Mississippi als treuen Begleiter bis an den Golf von Mexico übergiebt, so scheidet der Reisende, der den fernen Westen aufsuchen will, unbeschwerten Herzens, aber auch ohne schwere Herzen zu hinterlassen, von seiner bisherigen Reisegesellschaft, um auf dem Arkansas sein viele hundert Meilen entferntes Ziel weiter zu verfolgen. Einige abgedankte alte Dampfer bilden nicht nur die Landungsplätze bei dem an der Mündung dieses Flusses gelegenen Städtchen Fort Napoleon, sondern dienen zugleich auch als Waarenhäuser und Gasthöfe. Die Güter werden in aller Eile hinübergeschafft, die Reisenden springen nach, der Steuermann zieht von seinem Thurme herab an den verschiedenen Klingelzügen, die zwischen ihm und den Maschinisten vermitteln, die Signalglocke ertönt, die Räder beginnen, das eine rechts das andere links herum zu arbeiten, das Boot neigt sich auf die Seite, beschreibt einen durch weißen Schaum bezeichneten Bogen, und eilt stolz und majestätisch seiner Endstation New-Orleans zu, ohne eine andere Spur hinter sich zu lassen, als das zu hohen Wellen aufgewühlte Wasser, das geraume Zeit gebraucht, um sich wieder zu beruhigen.

Das flach gelegene Fort Napoleon hat einer so wunderreichen Natur gegenüber für den Reisenden nichts Einladendes, und wehe ihm, wenn er in den heißen Sommermonaten gezwungen ist, in Fort Napoleon oder dessen Werftbooten einen längeren Aufenthalt zu nehmen. Dann ist die Hitze in dieser sumpfigen Gegend in hohem Grade unerträglich und die kühleren Abend- und Morgenstunden, die sich am ehesten für Spaziergänge und Geschäfte eigneten, muß man zur Ruhe verwenden, denn schwer ist es, während der Nacht die Augen zu einem wirklich erquickenden Schlummer zu schließen. Man sucht sein Lager, dessen Flornetz vor der leidigen Plage dieser Gegenden, den Mosquitos, Schutz gewähren soll; man hat der nächtlichen Kühle Thüren und Fenster geöffnet, ein leichter erquickender Hauch weht durch die Gemächer. Aber ach! auch ein Mosquito-Netz hat seine zwei Seiten, es schützt vor jenen grimmigen Blutsaugern, wehrt aber zu gleicher Zeit dem kühlenden Lüftchen und läßt es nicht bis an den schlafsuchenden Müden gelangen; ungeduldig wälzt sich derselbe in der erstickenden Hitze des kleinen Raumes, in welchem er eingeschlossen ist, hin und her, bis er endlich, von Müdigkeit übermannt, auch wirklich die Augen zu einem leisen Halbschlummer schließt. Inzwischen ist aber der Mosquito auch nicht müssig gewesen: er hat sich das Netz rings durchforscht und die Möglichkeit entdeckt, durch eine etwas weitere Masche zu dem Menschen durchzuschlüpfen, der ihm in dem freien Amerika die freie Passage versperren will. Er giebt dann durch eintönigen, bald leis und leiser verschwindenden, bald wieder in unmittelbarster Nähe des Ohres vernehmbaren Gesang seine quälende Gegenwart kund. Das Unheil vermehrt sich bald. Ein zweiter Mosquito hat denselben Durchgang entdeckt, die Sache wird bekannter, und in kurzer Zeit sammelt sich im Inneren des Netzes ein ganzer wohlbesetzter Chor von blutgierigen Dilettanten an. Der Gemarterte sieht zähneknirschend die Unmöglichkeit ein, sich mit seinen Angreifern auf gütlichem oder gewaltsamen Wege auseinanderzusetzen, er schleudert das keinen Schutz gewährende Netz von sich und giebt sich ihnen ganz hin, um wenigstens die Kühle der Nacht genießen zu können. Am Morgen endlich erbarmt sich ein unruhiger Schlaf seiner Erschöpfung, er erwacht bei hoher Sonne, und hat für sein verschwollenes Gesicht wenigstens die Genugthuung, daß er an seinen Quälern, die in Folge des übermäßigen Genusses den rechtzeitigen Rückzug versäumten, seine üble Laune auslassen kann.

Es ist daher eine wonnige Nachricht für den harrenden Reisenden, wenn ihm die Abfahrtsstunde des kleinen Propellers angekündigt wird, der ihn in die fernen westlichen Gegenden bringen soll. Freilich hat er die eigentlichen Mosquito-Regionen noch zu durchreisen, doch halten die Schnelligkeit des kleinen Dampfers, der Tag und Nacht unausgesetzt seinem Ziele zueilt, und der dadurch auf demselben entstehende fortwährende bedeutende Luftzug das Boot von dergleichen Plagen frei.

Als ich am 12. Juni 1853 in Fort Napoleon landete, traf ich daselbst mit mehreren Mitgliedern von Lieut. Whipple's Expedition zusammen, die ebenfalls auf Reisegelegenheit nach Fort Smith harrten. Natürlich schloß ich mich ihrer Gesellschaft an, doch mußten wir noch zwei Tage warten, ehe der Capitain des Arkansas-Dampfbootes die Anzahl der gemeldeten Passagiere groß genug fand, um ihretwegen die Fahrt anzutreten. Am 15. Juni gelangten wir endlich gegen Abend in die Einmündung des Arkansas und folgten nun diesem Flusse aufwärts gegen Westen. Der Arkansas ist in mehr als einer Hinsicht interessant. Am überraschendsten ist dem Reisenden die merkwürdige Schnelligkeit, mit welcher der Fluß seinen Wasserstand wechselt. Man kann gestern noch die lehmigen Ufer weit über den Spiegel emporragen gesehen haben und findet heute schon Alles in vollkommen veränderter Gestalt wieder; das Wasser, welches eine dunklere röthliche Farbe angenommen, netzt die Wurzeln und theilweise den Stamm der den Strom einfassenden Bäume und schießt mit entfesselter Gewalt dahin, indem es hier mächtige Haufen von Treibholz ( snags) zusammenträgt, dort derartige hölzerne Barricaden, an deren Aufbau er Jahre lang zu arbeiten hatte, wieder zerreißt und weiter führt; hier einen abgestorbenen Stamm, von dem man gestern wähnte, die Fluthen würden ihn nie erreichen, gierig unterwühlt, dort einen bereits halb entwurzelten Baum in gewaltigem Andrang umknickt, um ihn als eine Art Tribut dem Mississippi zu übergeben. Doch nach kurzer Zeit schon deutet die Abnahme des Treibholzes auf das Zurücktreten und Sinken der Gewässer. Die Ufer tauchen wieder empor und nach Verlauf weniger Stunden bedarf das Boot einer vorsichtigen Hand, um zahlreiche Untiefen und jene so gefährlichen Holzklippen vermeiden zu können, die, unter der Oberfläche verborgen, nur durch die Wirbel und Strudel in ihrer Nähe die drohende Gefahr verrathen.

Von seiner Mündung bis nach Little Rock, der Hauptstadt des Staates Arkansas, haben die Ufer des Stromes, der diesem Staate den Namen gegeben hat, durchgängig denselben imposanten Charakter. Auf dieser Strecke von ungefähr 80 deutschen Meilen ist der Urwald in seiner ganzen Ueppigkeit und Pracht, mit allen seinen Wundern und allen den Schauern, die der Reisende aus den Beschreibungen eines Cooper und Irving ahnt, der beständige Begleiter des Arkansas-Flusses.

Es giebt keine Feder, die dieses wunderbare, seit Jahrtausenden noch unberührte Werk einer üppig verschwenderischen Schöpfung in seiner erhabenen Ruhe und großartigen Majestät würdig genug zu beschreiben im Stande wäre. Wer vermöchte allein die Legionen von Gräsern und Kräutern, von Sträuchern und Schlinggewächsen aufzuzählen, deren farbige Blüthenpracht ohne Wahl und im buntesten Durcheinander vor dem entzückten Auge flimmert? Wer könnte alle die verschiedenen Baumarten namhaft machen, die sich hier familienweise zusammendrängen, und deren mannigfaltiges, vom hellsten bis zum tiefdunklen Grün absteigendes Laub, dem Walde die prachtvollste und vollständigste aller Schattirungen malerisch verleiht? Alte graubemooste, vielleicht tausendjährige Stämme heben ihre weit überdachenden Kronen hoch über das undurchdringliche Unterholz, so stolz, so frisch und jugendgrün wie ihre schlanken Nachkommen, die erst unlängst aus ihrem Saamen emporsproßten und unter dem Schutz ihrer ehrwürdigen Erzeuger auch bereits zu ansehnlicher Höhe aufstiegen.

Die ersten Ansiedler scheuten sich vor dieser fast undurchdringlichen Wildniß, vermieden thierreiche Waldung und Moorboden, und selten nur verräth eine kleine Klärung die Anwesenheit oder Nachbarschaft von Menschen; der Schall der Axt ist hier eben so selten wie das Stöhnen des Dampfers, und Neugierde nimmt hier noch die Stelle der Furcht ein. Der Hirsch sieht verwunderungsvoll und ohne zu entfliehen, den großen Ruhestörer an sich vorüberschwimmen, der Papagei klettert plaudernd von Zweig zu Zweig, der Truthahn reckt seinen blauen Kopf durch das Laub, um eine bessere Aussicht auf ein so neues Schauspiel genießen zu können, und der sich im Wasser abkühlende schwarze Bär richtet sich auf die Hinterfüße auf, mißtrauisch bald nach dem schwimmenden Ungethüm, bald nach dem zurückbleibenden langen Rauchstreifen hinüberschauend. Die hohen Wellen, die ihn endlich erreichen, stören ihn in seinem Sinnen, er schüttelt seinen zotligen Pelz und trabt verdrossen brummend ins Dickicht. Der Ansiedler des Westens fühlte sich bewogen, diese furchtbar prächtige Natur einstweilen noch hinter sich liegen zu lassen, um sich erst dort, wo ihm die Felsen, denen er jenseits des Waldes begegnete, ein Ansteigen des Landes bekundeten, eine neue Heimath zu begründen.

(Anmerkung 1) Westlich vom Mississippi und vor Erreichung der Felsengebirge findet man in den Ebenen und Prairien der südlichen Regionen fünf abgesonderte Gruppen, die ziemlich weit von einander entfernt sind, und aus Granit, Quarz und talkigem Schiefer (schistes talqueux) gebildet sind. Diese Massen haben nichts mit dem Ozark-Gebirge gemein, und obgleich drei von diesen in denselben Regionen liegen, kreuzen sie die Bruchlinien (lignes de brisements) dieses Bergsystemes, dessen Richtung durchaus verschieden ist und welches einer anderen Verlegungsepoche angehört. Die nördlichste dieser Massen befindet sich in dem südwestlichsten Theile des Staates Missouri, bei Potosi und Perryville, wo ein Theil derselben unter dem Namen »Eisenberg« (Iron Mount) bekannt ist. Drei dieser abgesonderten Gruppen liegen auf einer ebenfalls von Osten nach Westen laufenden Linie. Die erste in der Nähe von Little Rock erstreckt sich bis zum Hot Spring und Sulphur Spring im Staate Arkansas; die zweite von geringem Umfang liegt in den Ländern der Chickasaw Indianer, östlich vom Fort Washita; die dritte endlich, welche durch ihre Ausdehnung und ihre Erhebung über dem Meeresspiegel (einige Gipfel übersteigen 3000 Fuß) die bedeutendste ist, ist bekannt unter dem Namen der Witchita Gebirge. Dieses letztere Gebirge nimmt die Ländereien zwischen dem Nordarme des rothen Flusses und dem False Washita-Flusse ein, und dient den Cheetaw- und Comanche-Indianern als Grenze. Da es sich in der Mitte der Prairie erhebt, so bildet es eine ausgezeichnete Landmarke für die Reisenden, welche diese weiten Oeden durchziehen. Die fünfte dieser Granitmassen und zu gleicher Zeit die südlichste, ist durch Mr. Ferdinand Römer bezeichnet worden, der in Texas zwischen den Flüssen Llano und San Saba, nicht weit von Fredericksburg auf dieselbe gestoßen ist.

(Jul. Marcou, Résumé explicatif d'une carte géolog. des États Unis. etc. S. 107.)

Alle Anmerkungen über die geologische Bildung der in diesem Buche beschriebenen Territorien von Mr. Jules Marcou sind wiederzufinden in dem Report of Captain Whipple, indem dieser einen vollständigen Bericht des Mr. Marcou, der als Geologe der Expedition angehörte, seinem Report beigefügt hat.

Dort fällte er den Baum zu seinem Blockhause; dort riß er den Schooß der Erde auf, um die Triebkraft eines üppigen Bodens, der bisher nur gleichsam seiner eigenen Laune gehorcht hatte, von nun an auf bestimmte Producte anzuweisen, wie sie der Nutzen und das Bedürfniß des neuen Herrn erheischte; dort sprengte und meißelte er später die Steine zum Gouvernementshause, nachdem das Territorium von Arkansas, durch alle Vortheile der Natur und der Verhältnisse begünstigt, zu einer hinreichenden Bevölkerung und Blüthe gelangt war, um sich als neuer Staat in die Union aufnehmen zu lassen.

Einen nicht geringen Theil seines schnellen Aufschwunges verdankt Little Rock den heißen schwefelhaltigen Quellen, die südlich von diesem Ort entdeckt wurden, und über deren fast fabelhafte Heilkraft bald in allen Zeitungen die abenteuerlichsten und übertriebensten Berichte zu lesen waren. In großer Zahl langten auch bald aus allen Theilen der Union Lahme, Blinde und Sieche an, welche die hier so liberal versprochene Genesung suchten und, weniger durch Verdienst irgend eines improvisirten Heilkünstlers als durch die Gunst des gesunden Klimas und durch die Wohlthätigkeit der Wasser, auch theilweise wirklich fanden. Selbst Kranke sind willkommen, um den Ruf einer neu angelegten Stadt begründen, neue Kolonisten anziehen und den Werth des Grundbesitzes vervielfachen zu helfen.

Auf diese Weise breitet sich die Civilisation mehr und mehr nach Westen hin aus und bemüht sich die Reichthümer des Landes kennen zu lernen, die sie einstweilen noch unbenutzt liegen lassen muß, bis die Zeit einer lohnenden Ausbeute anhebt. Und wie lange wird es dauern, bis die unerschöpflichen, oberhalb Little Rock bei dem Berge Petit Jean beginnenden Steinkohlenlager angebrochen, und die Locomotive heizen werden, welche in nicht so sehr ferner Zeit beide Weltmeere mit einander verbinden soll?

(Anmerkung 2) Doctor Shumard in Fort Smith hat den Kohlenkalk (calcaire carbonifère) in der Grafschaft Washington, Staat Arkansas, bezeichnet und beschrieben. Es ist ein blauer oder dunkelgrauer Kalkstein, der eine große Anzahl von Fossilien enthält, welche alle die untere Kohlenformation des Mississippi-Thales characterisiren. Es ist wahrscheinlich, daß diese Formation noch an mehreren Punkten von Arkansas gefunden werden wird. Ich habe sie bei Shawnee Town wiedererkannt, in den westlichen Prairien, wo sie den Delaware Mount bildet, indem sie sich auf dem rechten Ufer des Canadian-Flusses erhebt. Die Fossilien, die ich auf dem Delaware-Berge sammelte, sind: ein neuer Productus, abgebildet von M. Hall in dem Rapport des Capitain Stansbury, unter dem falschen Namen Orthis Umbraculum; dann ein wirklicher Orthis, ebenfalls neu und mit zahlreichen Röhren von Crinoïden (tiges des Crinoïdes).

(Marcou a. a. 0. S. 39. – Randolph B. Marcy: Report of the Red River of Louisiana. Append. D. S. 106 und 179.)

Dem Reisenden wird dann nur noch ein kurzer Blick auf die in geologischer Beziehung so interessanten Dardanel- und Bee-Rocks gestattet sein, an denen ihn jetzt das Dampfschiff mit so großer Eilfertigkeit vorüberträgt. Ersterer besteht aus einer mächtigen Sandstein-Niederlage von fünf Schichten, deren jede sechs Fuß in der Dicke mißt, und die in ihrer ursprünglichen Höhe nur bis zum Spiegel des Arkansas reichte. Durch eine Erderschütterung ist das Sandstein-Flötz an dieser Stelle gesprengt und in die Höhe getrieben worden. Während nun das westliche Ende desselben tief im Boden wurzelt, neigt sich das andere, einer gewaltigen Säule nicht unähnlich, in einem Winkel von 45 Grad gegen Osten. Auf seiner Kuppe, in einer Höhe von 75 Fuß, zeigt der Felsen die Ueberreste eines einstmals hohen Baumes, der von den Indianern auf ihren Kriegszügen als Wartthurm benutzt wurde.

Weiter aufwärts vom Dardanel-Rock folgen die Bee-Rocks (Bienen-Felsen), eine Reihe steilabschüssiger Wände, deren Ritzen und Gangklüfte vielleicht seit Jahrtausenden schon als Aufenthaltsort und Sammelplatz ungeheurer Schwärme wilder Bienen dienten, die auch der ganzen Felskette den Namen gaben. Wenige Meilen hinter den Bee-Rocks öffnet sich das Thal des Arkansas etwas, um die aufblühende Stadt Van Buren dem Reisenden vor Augen zu führen, einen Ort, der ebenso sehr durch seine Freundlichkeit, wie durch seine Einsamkeit in diesen wilden Regionen überrascht.

Vier Meilen aufwärts von Van Buren, bei dem auf dem rechten Ufer gelegenen Städtchen Fort Smith, tritt der Strom endlich aus dem Gebiete der Vereinigten Staaten hinaus und in das Indianer-Territorium ein. Das eigentliche Fort, unter dessen Schutze die gleichnamige Stadt gedieh, liegt bereits auf dem Gebiete der Choctaw-Indianer. Gleich oberhalb des Forts mündet der Poteau in den Arkansas, und verleiht der Ansiedelung nicht nur einen überaus reizenden Anblick, sondern auch, da dieselbe auf dem östlichen Winkel, den der kleinere Fluß mit dem Arkansas bildet, angelegt ist, eine sehr vortheilhafte Lage.


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