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3.
Arthur, Existenzkämpfer

Bei Arthur gingen Geschäfts- und Wohnräume ineinander über, was den Eindruck der Sorglosigkeit erzeugte. Der Kunde fühlte sich ins Vertrauen gezogen, wenn er nicht im Gegenteil argwöhnte, hier würden keine Bücher geführt. Der Verdacht wäre unberechtigt gewesen; ein Buchhalter war vorhanden mitsamt dem zugehörigen Personal. Sie blieben nur nicht peinlich auf immer gleiche vier Wände beschränkt. Sie wechselten den Ort nach Bedarf, im Schlafzimmer konnte ein Vertrag aufgenommen werden, die Künstlerin diktierte ihn selbst, um so eher übersah sie Ungenauigkeiten.

Es kam vor, daß ein junges Talent im Badezimmer begutachtet wurde, während Arthur unter der Dusche die Ohren voll Seife hatte. Er schnob. Das junge Talent hielt das Geräusch für verheißungsvoll. Wirklich pries der Agent hinter der blinden Glastür den unvergleichlichen Glücksfall, der einen Schatz wie diesen aus dem Kaffeehaus geradenwegs vor seine Brause führte. Den hielt er fest! So geschah es, der Bewerber wurde von unbekannter Hand rückseitig umspannt und in das Musikzimmer abgeschoben. Wagte er nach einer bewegten Stunde der hohen und niederen Gefühle den Kopf hervorzustrecken, erfuhr er, der Chef sei schon lange ausgegangen. Er hatte den Angestellten mit dem Verlust seiner Existenz bedroht, wenn er fortfahre, ihm Straßenköter zu schicken, damit sie hier ihr Bedürfnis verrichteten.

Seine Leute wußten, daß es vielmehr ihm selbst unentbehrlich war, Gesichter zu sehen, sie mußten nur neu sein, und Stimmen zu hören, die unerhörtesten oder gemeinsten, wer wird noch Unterschiede machen. Der Erfolg kann immer eintreten, dann beruft der Menschenkenner sich auf den Empfang im Bad. Bei zwei von drei Glücklichen hat er gewonnenes Spiel. Vor allem merkte er sich die Namen, die ungezählten Namen, die niemand außer ihm jemals kennen sollte. Musikalische Komödien, seit langen Jahren überall abgelehnt, geisterten durch sein Gedächtnis allein. Er war versucht, unter dem Bett nachzusehen: ein unentdeckter Schlager konnte dort vergessen sein. Arthur wird ihn dem Publikum aufdrängen bis zur Ermattung; auch den vorigen hätte die Welt nicht nötig gehabt. Die Zufälligkeit und Vergeblichkeit alles Durchgedrungenen, aller Sieger, hatte ihresgleichen nur auf seiten der Durchgefallenen und Besiegten.

In den Tatsachen begründet war sein Haus, oder eigentlich nicht das Haus, das wie alles übrige zusammenbrechen konnte, eine Stellung, die man räumt, um weiter hinten eine andere zu beziehen. Daß nur der Kopf seine Schuldigkeit tat und auf Vorrat arbeitete wie eine Waffenfabrik! Arthur betete. Vielleicht legte ein Chormädchen ihr Gewand ab und erstaunte sehr, wenn er laut mit sich sprach. Sein Gebet war an ihn selbst gerichtet: »Laß Krieg sein, solange ich den Lebenskampf mitmachen soll!«

Für diesen Zug würde André seinen Vater allenfalls geliebt haben, er kam nur niemals in die Lage. Verdruß gab es zwischen ihnen hauptsächlich, wenn der Sohn einen Zettel wegnahm, um seine graphischen Einfälle zu notieren. Diese Merkblätter mußten, übrigens unbeschrieben, auf jedem geeigneten Möbel immer bereitliegen, war die Bestimmung des Raumes geschäftlich, festlich oder sozusagen privat. Die Stückchen Papier behielt Arthur seinen einsamen Augenblicken vor. Kurzes Grübeln der Enttäuschung, eine Konferenz ist abgesagt, ein Ballett, das ihm vorgetanzt hat, ist anderweitig verpflichtet worden. Arthur wandert von Zimmer zu Zimmer, findet die kleinen gelblichen Vierecke, jedes am gehörigen Ort; erinnert sich, liest Pläne von ihnen ab, die nicht sichtbar darauf stehen; und sein geprüftes Herz faßt zu der ewig unentschiedenen Schlacht seiner Existenz ein neues Vertrauen.

Warum dies alles? Heute ist Sonntag, die Sonntage Arthurs haben keine Geschichte. Seine Büros sind geschlossen, wenn auch bei offenen Türen, denn Räume ohne Durchblick verträgt er nicht. Der Übung des Wochenendes hat er gestern vollauf genügt: ein Autounfall, dem Bankhaus Barber und Nolus persönlich nähergetreten, und beide Damen, die junge, die alte, gedenken seiner zu dieser Stunde. Das Recht auf Ruhe wäre wohlerworben. Er könnte bis Mittag schlafen, höchstens versäumte er ein Kirchenkonzert. Indessen sitzt er schon um zehn Uhr am Flügel und begleitet die Sängerin Alice in der einzigen, ihr unbegreiflichen Absicht, die berühmte Stimme zu dämpfen. Er hat auf dem Fensterbrett – da außer dem Bechstein nur Lorbeerkränze dieses Zimmer möblieren, ging es einzig in der Nische –, aber nahe der Scheibe hat er mehrere dünne Gläser aufgestellt. Sie erzittern und klingeln bei dem mächtigen Schall des Gesanges.

Alice, eine Person mit starkem Nacken, die sich wieder einmal blondieren sollte – sie wird weiß –, forderte unwillig die Abstellung des Geräusches. Arthur sagte rundweg nein. »Du bist nicht hier, um zu singen.« Auf ihren hingehauchten Einwand, er sei verrückt geworden, belehrt er seine Freundin, jetzt läge ihr Ton richtig. »Der Intendant, der heute abend geschäftlich zugegen sein wird, will nicht vor Erschütterung klingeln.«

»Er ist nicht aus Glas. In meinen Armen ist er niemals zerbrochen«, sprach sie derb.

»Dann hast du nicht richtig zugefaßt. Sieh dir den hohen Schädel des Intendanten auf seine zarte Färbung an! Porzellan, sage ich dir. Hattest du geglaubt, mit einem Mann aus Stahl würde ich heute ein Opernhaus gründen? Singe schwach, du wirst nur die eine Saison zu hören sein, dafür mit mächtiger Gage!«

»Und meine alten Tag?« fragte sie hierauf nur, schien aber ein tiefes Geheimnis zu bekennen.

Er sagte menschlich: »Kopf hoch! Uns drohen keine alten Tage.«

Davon sah er sie weinen. Einen anderen als ihn hätte diese Kraftgestalt, die sich auflöste, erschreckt; ihn nicht.

»Ich bin unentbehrlich«, schluchzte sie. »Wer begeistert deine Geldgeber?«

Es muß sein, er sagte: »Du nicht. Dein Auftritt liefert Spekulanten den Vorwand, damit sie sich untereinander begeistern. Denk an ihre alten Tage!«

Sie wunderte sich. So reiche Leute und auch keine Sicherheit. Als ob man nachgerade noch zweifeln könnte! Wir Künstler, erinnerte sie sich, sind ihre »Wurzen« oder »poires«. Zu gütig, daß wir uns anstrengen.

»Von vorn!« verlangte sie. »Ich werde markieren.«

Ihr Vorsatz, nur anzudeuten, reichte nur für fünf, sechs Takte. Dann traf sie mit den Augen, die beim Singen nun einmal zur Höhe strahlen mußten, einen vergoldeten Lorbeerkranz, die Schleife schlug Falten um das Wort »unsterblich«. Alsbald schwoll ihre Stimme übermächtig, die Galerie oben hätte gejubelt. Arthur gab ihr bei sich selber recht. Man tue, wofür man da ist, und wär ich der einzige Biedermann!

Er hämmerte knochig, sie entlud ihre ganze Brust, und zum Schweigen brachte keiner den anderen.

Da alle Türen offenstanden, wurde das Konzert mitgehört, wenn auch nur von dem jungen André, den endlich der Lärm aus dem Bett vertrieben hatte. In dem entlegenen Frühstückszimmer saß er bei seinem späten Kaffee; die hübsche Nina bediente ihn, ohne etwas nachzulassen. Als er über die Schulter sagte, mit der Ernährung sei es genug, legte sie den Arm um ihn und glitt auf sein Knie. »Du nimmst an, daß ich mich allein fühle«, bemerkte er hierzu. »Ich muß aber mein Plakat erfinden. Morgen ist Montag.«

Sie schlug vor: »Sieh in den Spiegel! Dein Plakat ist fertig.«

»Nicht neu genug«, erwiderte er. »Übrigens werde ich weder heute für das Büro tätig sein noch morgen ihm meinen Besuch abstatten.«

Entrüstet verließ sie ihren Sitz. »Ein zu fauler Junge! Der alte Herr schlägt in die Tasten. Die berühmte Alice brüllt wie sie kann. Er dagegen, schlafen, essen, hübsche Mädchen auf dem Knie und kein Büro. Um vier Uhr wieder schlafen, anstatt arbeiten. Einmal weil Sonntag und einmal weil Montag ist.«

»Vergessen Sie, daß wir heute abend empfangen? Im voraus bin ich davon aufgerieben und werde morgen tief verbittert sein.«

»Sie empfangen? Ich empfange. Mit vier gemieteten Kellnern, und das langt nicht, damit die Villa fürstlich aussieht, wie der Alte will. Bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten den Nachmittag verschlafen. Ihr Zimmer wird ausgeräumt. Warum bleiben Sie zu Hause?«

Er betrachtete sie gar zu reizend. »Ihretwegen.«

»Das soll heißen: von mir wollen Sie nichts. Ich glaube doch.« Die Augen Ninas wurden schmal. Ihre spröde Stimme gefiel ihm, er kannte mehr als genug des Wohllautes.

»Sie wollen mich verführen«, sagte er nachsichtig. »Sie sind Nummer vier, wie heute die Dinge liegen. Bedenken Sie das! Die Sängerin Alice, die Sie schreien hören – etwas reif. Die Banquière Barber, der ich die nahe Pleite ansehe, und nicht nur ich, ihre eigene Tochter, Stephanie.«

»Ah! Mit der!« Nina war aufgeklärt, kaum daß der Name ihm von den Lippen kam. Er versuchte, zurückzunehmen. »Meinetwegen heißt sie Stephanie.« Wieder trennte sein Mund sich schwer von dem Namen. »Jedenfalls ist sie träge und defätistisch wie ich selbst, aber –«, dies mit Kopfschütteln, »auch so hübsch wie ich.«

»Das sind Sie. Nummer vier hat keine Aussicht?« Sie wäre von neuem auf sein Knie geglitten. Er kam ihr zuvor, er stand auf.

»Nummer eins bis drei auch nicht. Oder alle auf einmal. Wofür soll ich mich entscheiden?«

»Als ob du es nicht wüßtest!« Sie ging zur Gewalt über. Zwischen ihren beiden Armen, die Hände links und rechts von seinen Schultern gegen die Wand gedrückt, nagelte sie den begehrten Jüngling daran fest; ihm blieb nichts übrig, als den Kuß zu nehmen. Aber er ließ ihn nur geschehen. Nina machte sich nichts daraus. »Heute träumt er von dem Plakat Stephanie«, sprach sie beiseite und gab ihn frei. »Nächste Woche ein anderes. Ich aber bin und bleibe, solange mein Brotgeber Arthur von mir nichts kriegt und ich von dir nichts.«

Nur ihres guten Abganges wegen erteilte sie ihm überflüssige Ermahnungen: »Von der Halsathletin dort hinten erbst du nichts als Schulden. Hüte dich, mein Junge, sie liebt dich nicht um deiner selbst willen.«

»War mir doch so«, erwiderte er.

»Sie will eine fürchterliche Gage von deinem Vater herausholen. Sie droht, daß sie sonst mit dir durchgeht.«

»Mir sagt man auch gar nichts«, seufzte er – und brach ab, denn unvermittelt endete im Musikzimmer die mächtige Vorführung, ein hartes Klatschen folgte. André sah sich um, ob er die Ohrfeige selbst bekommen hatte. Nein, Arthur war es.

Der Text von »N'est-ce pas ma main?« trug die Schuld, er gab einer aufgesammelten Laune den letzten Anlaß. »Da hast du meine Hand!« rief Alice im Stil des Sprechgesanges. Die Begleitung machte der Klavierdeckel, als sie ihn zuschlug.

»Du willst mein Agent sein? Opernhäuser willst du mit meiner Protektion gründen – auf mein Genie hin, meinen Ruhm? Meinen Vertrag her! Daß kein Strich und keine Null fehlt! Ich habe das Wort des Intendanten.«

»Bedaure. Der Intendant hat mit zu vielen Nullen dieselbe horizontale Lage eingenommen wie mit deinem Genie.«

Er meinte es als Begütigung. Sie verstand es anders, sie langte schon wieder aus, er mußte sich ihrer Hand durch die Flucht entziehen. Im Schutze des Flügels rief er:

»Blende ihn! Reiche Leute wie du geben nichts, sie nehmen. Umgürte dich mit deiner bewährten Brillanten-Rivière!«

Die Sängerin Alice erbleichte, ja, ihre Aussprache wurde das erstemal natürlich, mit unbestimmten Anklängen an eine Provinz, wo sie vielleicht als Kind und bescheidenes Fräulein angefangen hatte. »Arthur! Wir kennen uns, nur diesmal gehst du zu weit. Du mit deinem Gedächtnis willst vergessen haben, daß ich dir meine unwiederbringliche Brillanten-Rivière verpfänden mußte?«

Er griff nach seiner Stirn. »Mir? Warum mir?«

»Damit es unter uns blieb.«

»Ich habe geschwiegen. Löse sie nunmehr aus! Sie liegt in meinem Bankfach.«

»Dann könntest du sie mir für den Abend leihen?« Er schlug, gleichfalls ganz ungewohnt, die Augen nieder, und sie sagte: »Der Termin ist verstrichen, du hast sie verkauft. Arthur, ich bin nicht glücklich und weiß, was alles unwiederbringlich ist. Wäre es nur die Rivière! Dich aber beneide ich nicht.«

»Du hättest auch keinen Grund«, sprach er leise genug, daß nur ein Inneres es vernahm. Sehr still nach allem verübten Geräusch, verließ sie das Musikzimmer. Er bemerkte es noch rechtzeitig.

»Alice!« rief er. »So wahr ich lebe! Heute abend trägst du deinen Schmuck, gegen sein Gefunkel erlischt das ganze Opernhaus. Mit deinem Vertrage steh ich oder oder falle. Hörst du mich, Alice!«

»Oder falle«, sprach sie ihm nach und sah sich nicht um. Auf ihrem starken Nacken wackelte der Kopf – es konnte Täuschung sein, oder wackelte er wirklich, dann bedeutete es, daß sie ihm nicht glaubte. Dieser Erklärung ungeachtet, erschrak Arthur, er eilte ihr nach. Beim Ausgang kehrte sie ihm endlich das Gesicht zu. Glücklicherweise war es wütend. Sie befahl:

»Leihe dir Brillanten, die ich verlieren kann! Das kommt noch immer in die Zeitungen. Sonst, ich schwöre dir, verführe ich deinen Sohn.«

Beruhigt ließ er sie gehen. Immerhin, nach André wollte er sich umsehen. Hinter dem großen leeren Musikzimmer lag das Kabinett der Pompadour; der Name stellte sich von selbst ein, wenn man die Kommode sah. Sie wenigstens konnte zweihundert Jahre zählen, und siebzig für das übrige war nicht zuviel gesagt. Arthur hätte ohne viel Verwundern seinen gelangweilten Jungen auf dem schmalen Kanapee gefunden. Was ältere Leute miteinander aufführen, kommt aus einer Welt so weit vergangen wie die Pompadour. Die Szene Alice muß den Zuhörer gespannt haben.

Nein doch, kein André zugegen. Arthur verließ das historische Gemach auf der Rückseite. Durch die Halle ging er. Seinen großen Saal ließ er links liegen. Gegenüber, in die Arbeitsstätte seines Jungen, warf er einen Blick. Kahle Wände, das Fenster unverhängt, darunter der erhöhte Tisch des Zeichners, um so niedriger das Bett ohne Füße. Nichts – aber aus dem Frühstückszimmer zog eine leichte Wolke vom Rauch der Zigarette. »Hier?« fragte der Vater. »Du legst Patience?«

»Ich erlaube mir«, erklärte der Sohn. »Sie geht nur nicht auf, so ist das Leben.«

»Weil du so bist«, ergänzte der Vater. »Bemerke wohl, daß ich nicht verlange, du solltest dich schämen.«

»Ich danke dir«, sagte der Sohn. »Übrigens, leider schäme ich mich öfter als du.«

»Das sind Privatsachen«, bestimmte der Vater. »Zugänglich ist, was man sieht. Patience am hellen Vormittag, ein Zwanzigjähriger! Damals war ich hinter vier Chancen auf einmal her.«

»Arthur, das bist du immer noch«, erinnerte André. »Was mich betrifft, sind die vier Chancen hinter mir her – wenn Alice, Melusine, Stephanie und Nina für Angebote des Glückes gelten können.«

»Nicht einzeln, aber die Masse. Dein Ruf als Liebling der Frauen wäre auszubauen. Man muß sich regen. Unbequem ist die Trägheit.«

»Wem sagst du es?« Der Sohn hielt in gefälliger Art dem Vater vor, daß Arthur Energie für zwei verbrauche. »Jeder Vorrat ist begrenzt«, meinte er weise. »Für mich bleibt nichts übrig.« Arthur schien es einzusehen, er lenkte ab.

»Wann besuchst du wieder einmal dein Büro?«

»Heute, wenn nicht Sonntag und dein großer Empfang wäre. Morgen bin ich Großpapas wegen entschuldigt.« Die stumme Frage Arthurs beantwortete er: »Da heute meine Dienststunden ohnedies fortfallen, habe ich den Geburtstag auf morgen verlegt und ihn, der Sicherheit wegen, in ein Begräbnis verwandelt. Meine Vorgesetzten sind eher für Begräbnisse.«

»Soviel ich weiß, hast du deinen Großvater schon zweimal beerdigt. Ob du nicht übertreibst?«

»Das ist kaum zu befürchten.« André sprach es treuherzig. »Unser alter Balthasar selbst, mit seinen kleinen Eigenheiten, bringt mich immer wieder auf den Gedanken.«

»In der Konservenfabrik fallen dergleichen Wiederholungen nicht auf?«

Der Sohn versicherte dem Vater, nicht jeder habe sein Gedächtnis; dem Vater war inzwischen eingefallen, daß er sich entrüsten müsse.

»Davon abgesehen, bist du pietätlos. Für deinen künftigen Bedarf an Beerdigungen merke dir, daß ich das Alter meines Vaters zu erreichen gedenke.«

»Bravo!« André war des Lobes voll. »Heute wird er neunzig. Da ihm alles einerlei ist, bringt er es sicher auf hundert. Dir, lieber Papa, werden deine dringlichen Geschäfte keinen frühen Hintritt erlauben.«

Arthur überhörte die Ironie, wenn es eine war. »Die Tatsache ist, daß dein Vorfahr, den du morgen bestatten willst, heute in voller Frische das neunzigste Jahr vollendet. Es geht auf Mittag, wir machen ihm unseren Besuch.«

André bat zart: »Planst du eine Anleihe, dann sei darauf gefaßt, daß er dir die Hand gibt!«

»Wie meinst du es?« Arthur schien erstaunt. »Geld ist nicht die Frage. Bei uns hat man immer Geld, oder wenn nicht wir, dann die anderen, was dasselbe ist.«

»Meine Philosophie!« Der Sohn betrachtete ihn nachdenklich. »Balthasar hat eine grundverschiedene. Er macht sich aus der Geldlosigkeit, die ihn spät erreichte, ein neues Leben. Er behauptet, er sei schon tot; das ist es, was ihn erhält. Beinahe kann ich ihn verstehen.«

»Bilde dir ein, soviel du willst!« Aber Arthur stellte die Dinge richtig. »Dein Großvater war von je mehr Philosoph als Geschäftsmann. Du legst höchstens Patience. Er hat sein Geld im Traum verdient und verloren. Du bist ein geldloser Träumer. Suche jetzt deinen Hut!«

»Ich brauche keinen Hut«, sagte André, und beide traten den Weg an.


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