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Beschluß.

§ 216. Obgleich ich nun mit meinen über die Erziehung angestellten Bemerkungen zu Ende bin, so wünsche ich doch nicht, daß man dies als eine vollständige Abhandlung über diesen Gegenstand betrachten möge. Es gibt noch tausend andere Dinge, welche alle Aufmerksamkeit verdienen, besonders wenn man sich auf die mannigfaltigen Gemütsarten, verschiedenen Neigungen und einzelnen Fehler einlassen und Mittel dagegen in Vorschlag bringen wollte. Die Menge der Gegenstände ist so groß, daß einige Bände dazu nicht hinreichen würden. Der Charakter eines jeden Menschen hat so wie seine Gesichtsbildung besondere Eigenheiten, die ihn vor allen übrigen unterscheiden; auch gibt es vielleicht nicht zwei Kinder, die ganz nach derselben Methode behandelt werden könnten. Außerdem dünkt mich, daß der Sohn eines Fürsten, eines Adeligen und eines anderen angesehenen Mannes in verschiedener Hinsicht eine ganz besondere Erziehungsart erfordern. Meine Absicht war bloß, einige allgemeine Blicke auf den Hauptzweck und die vornehmsten Gegenstände der Erziehung zu richten; ich hatte dabei hauptsächlich den Sohn eines angesehenen Mannes vor Augen, den ich wegen seiner zarten Kindheit als eine unbeschriebene Tafel oder als ein Wachs betrachten konnte, welches jede Form und jeden Eindruck anzunehmen fähig ist. Daher habe ich auch wenig mehr berührt als jene Hauptpunkte, die ich überhaupt bei der Erziehung eines Kindes von seinem Stande für wesentlich notwendig hielt. Obgleich ich nun weit entfernt bin, diese meine zufälligen Gedanken für eine vollständige Abhandlung über diesen Gegenstand auszugeben oder zu behaupten, daß ein jeder, was gerade für sein Kind paßt, darin finden solle, so teile ich sie doch öffentlich mit in der Hoffnung, daß sie vielleicht denjenigen einiges Licht geben können, welchen die zärtliche Fürsorge für ihre lieben Kleinen die in der Tat ungewöhnliche Kühnheit einstößt, bei Erziehung derselben nicht so ganz dem Strom des alten Herkommens nachzuschwimmen, sondern ihre eigene Vernunft zu Rate zu ziehen.

 

Ende


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