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Neunzehnter Abschnitt.

Von den Spielsachen der Kinder.

§ 130. Kinder müssen meines Erachtens Spielzeug haben und zwar von verschiedener Art. Es muß sich aber stets in der Verwahrung des Erziehers oder sonst jemandem befinden; auch darf das Kind niemals mehr als eins in die Hände bekommen und nie ein anderes dafür erhalten, als bis es das erste wieder zurückgegeben hat. Hierdurch werden die Kleinen beizeiten behutsam gemacht, das, was sie haben, nicht zu verlieren oder zu verderben. Gibt man ihnen hingegen sehr viel und mancherlei Sachen auf einmal, so werden sie leichtsinnig und unratsam und gewöhnen sich von Kindheit an zur Verschwendung und zum Durchbringen. Freilich scheinen dies Kleinigkeiten zu sein und die Aufmerksamkeit des Erziehers nicht zu verdienen; allein es darf nichts übersehen oder vernachlässigt werden, was auf die Bildung der Kinderseele Einfluß hat. Alles, was Gewohnheiten und Fertigkeiten bewirken kann, ist der Sorgfalt und Aufmerksamkeit des Erziehers wert und um der Folgen willen nicht unbedeutend.

Noch verdient ein Umstand hierbei die Aufmerksamkeit der Eltern. Obgleich ich gesagt habe, daß Kinder verschiedene Arten von Spielzeug haben können, so, dünkt mich, sollte man ihnen doch keines kaufen. Dergestalt werden sie nie mit einer zu großen Menge überhäuft werden, wodurch ihr Gemüt nur verwöhnt wird, nach Überfluß und Abwechslung zu trachten, unruhig zu sein, immer nach etwas mehr zu streben, ohne selbst zu wissen, wonach und mit dem, was sie haben, nie zufrieden zu sein. Der Hof, der vornehmen Leuten dadurch gemacht wird, daß man ihre Kinder mit dergleichen Dingen beschenkt, tut den letzteren großen Schaden; denn sie werden dadurch eingebildet, eitel und habsüchtig, noch ehe sie sprechen lernen. Ich habe ein Kind gesehen, welches durch die große Menge und Mannigfaltigkeit der Spielsachen so zerstreut wurde, daß es alle Tage seine Wärterin plagte, ihm eines nach dem anderen vorzuzeigen. Es hatte sich an den Überfluß so gewöhnt, daß es immer fragte: »Was noch? Und was nun? Was werde ich jetzt Neues bekommen?« In der Tat eine treffliche Anweisung zur Mäßigung der Begierden, und der rechte Weg, einen zufriedenen und glücklichen Menschen zu bilden!

»Wo soll denn nun das Kind die Spielsachen hernehmen, die ihr ihm verstattet, wenn man ihm keine kaufen darf?« Ich antworte: es muß sie sich selbst verfertigen oder wenigstens sich darum Mühe geben und dazu Hand anlegen. Bis es dies nicht kann, solange darf es keine haben, und bis dahin bedarf es auch keiner Kunst oder Umstände, ihm welche zu verschaffen. Ein glatter Stein, ein Stück Papier, der Schlüsselbund der Mutter oder sonst etwas, womit die Kleinen sich nicht verletzen können, macht ihnen ebensoviel Vergnügen wie jene noch so kostbaren und künstlichen Spielsachen, die in Buden feil sind und von den Kindern, bald in Unordnung gebracht und zerbrochen werden. Kinder sind über den Mangel solchen Spielkrams nie verlegen oder mißmutig, es sei denn, daß sie dazu gewöhnt worden. Solange sie klein sind, ist ihnen alles, was ihnen vorkommt, dazu gut genug; und wenn sie größer werden, so werden sie sich solches schon selbst verfertigen, falls die verschwenderische Torheit anderer sie damit nicht überhäuft. Schicken sie sich alsdann an, selbst etwas nach ihrer eigenen Erfindung zuwege zu bringen, so muß man ihnen Anweisung dazu geben und helfen, solange sie aber müßig und untätig abwarten, daß andere ihnen dergleichen Sachen herbeischaffen sollen, ohne selbst Hand anzulegen, muß man ihnen nichts geben. Die Hilfe, die wir ihnen alsdann leisten, wenn sie allein nicht fertig werden können, wird uns ihnen werter machen, als wenn wir ihnen noch so kostbare Spielsachen gekauft hätten: Spielzeug, das sie selbst nicht machen können, wie Kreisel, Raketen zum Ballschlagen und andere Dinge, deren Gebrauch ihre Kräfte anstrengt, kann man ihnen freilich anschaffen. Solche Sachen müssen sie haben, nicht bloß zur Abwechslung, sondern um ihren Körper zu üben; aber auch diese sollten so einfach sein wie möglich. Gibt man ihnen einen Kreisel, so müssen sie für den Peitschenstock und die Schnur selbst sorgen und sie sich zurecht machen. Verlangen sie aber, daß diese Dinge ihnen sozusagen in den Mund laufen sollen, so verdienen sie nichts zu bekommen. Dadurch werden sie sich gewöhnen, das, was ihnen fehlt, selbst aufzusuchen und sich Mühe darum zu geben; zu gleicher Zeit aber Mäßigung ihrer Begierden, Fleiß, Betriebsamkeit, Nachdenken, Erfindsamkeit und Wirtschaftlichkeit lernen: alles Eigenschaften, die ihnen einst als Männern sehr zustatten kommen und daher nicht Zu früh gelernt oder zu tief eingeprägt werden können. Alle Spiele und Vergnügungen der Kinder müssen zu guten Gewohnheiten hingeleitet werden, sonst entstehen böse daraus. Alles, was sie in diesem zarten Alter vornehmen, läßt einen Eindruck zurück, welcher ihre Neigung zum Guten oder zum Bösen bestimmt, und was solchen Einfluß haben kann, darf keineswegs verabsäumt werden.


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