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Vierter Abschnitt.

Von den Belohnungen bei der Erziehung.

§ 52. Auf der anderen Seite ist es ebenso unzweckmäßig, Kindern solche Dinge zu Belohnungen zu machen, die geradezu nur ihre Sinnlichkeit reizen. Gibt man einem Kinde Äpfel, Zucker und andere Dinge, woran es Gefallen findet, um es anzutreiben, seine Lektion Zu lernen, so bestärkt man es nur in seinem Hange zum sinnlichen Vergnügen und hegt die gefährliche Neigung in ihm, die man mit aller Sorgfalt dämpfen und unterdrücken sollte. Macht euch aber keine Hoffnung, euer Kind werde sich selbst besiegen lernen, wenn ihr auf der einen Seite seinen Neigungen einen Zügel anlegt und auf der anderen ihnen wieder Nahrung verschafft. Wollt ihr es zu einem weisen, guten und tugendhaften Manne bilden, so muß es seine Begierden bezwingen, der Neigung zum Reichtum, Putz und Gaumenkitzel entsagen lernen, so oft es Vernunft und Pflicht erfordern. Wenn ihr aber euer Kind durch Geldversprechungen zu irgend etwas zu bewegen sucht, wenn ihr es für die Mühe des Lernens mit Näschereien belohnt, ihm für die Ausübung seiner kleinen Dienste und Pflichten, ein Spitzenhalstuch oder ein schönes neues Kleid versprecht, so lehrt ihr es dadurch offenbar, daß diese Dinge seines vorzüglichen Bestrebens wert sind; ihr vermehrt in ihm das Verlangen danach und gewöhnt es, in den Besitz derselben seine Glückseligkeit zu setzen. Durch solche Mittel aber sucht man insgemein Kinder zum Fleiß bei der Grammatik, beim Tanzen oder bei irgendeiner anderen Sache, die für ihre künftige Glückseligkeit und Brauchbarkeit von keinem Belang ist, anzutreiben und opfert durch dergleichen übel angewandte Strafen und Belohnungen ihre Tugend auf, stört den ganzen Zweck der Erziehung und führt sie selbst zur Schwelgerei, zur Eitelkeit und Sinnlichkeit an. Denn auf diesem Wege, da man den verkehrten Neigungen schmeichelt, die sie unterdrücken und bezähmen sollen, legen sie den Grund zu allen den Lastern, die nicht anders vermieden werden können, als wenn man früh gelernt hat, seine Begierden zu dämpfen und unter den Gehorsam der Vernunft zu bringen.

§ 53. Meine Meinung ist nicht, daß man der Jugend alle Vergnügungen und Annehmlichkeiten des Lebens entziehen soll, die ihrer Gesundheit und den Gesetzen der Tugend nicht entgegen sind. Vielmehr halte ich dafür, daß man ihr das Leben so angenehm machen muß, als es nur immer möglich ist. Man lasse sie jedes unschuldige Vergnügen in vollem Maße genießen; aber wohl zu merken, nur als Folge der Zufriedenheit und des Beifalls, den sie sich durch ihr Verhalten bei ihren Eltern und Vorgesetzten erworben hat, niemals aber als Belohnung für die Erfüllung solcher Pflichten, denen sie sonst abgeneigt ist, und die sie nur unter dieser Bedingung erfüllen will.

§ 54. »Aber,« wird man sagen, »wenn nun weder die Rute noch dergleichen Aufmunterungsmittel gebraucht werden sollen, wodurch soll man Kinder denn regieren? Man entferne Hoffnung und Furcht, und alle Zucht hat ein Ende.« Es ist wahr, Schmerz und Freude, Strafe und Belohnungen sind die einzigen Beweggründe vernünftiger Geschöpfe. Es sind dieses die Triebfedern und Lenkseile, womit alle Menschen in Tätigkeit gesetzt und geleitet werden. Man muß sich ihrer also auch in der Erziehung bedienen. Denn ich rate allen Eltern und Erziehern, es sich zum Grundsatz zu machen, mit Kindern nie anders als wie mit vernünftigen Wesen umzugehen.

§ 55. Ich gebe es zu, Belohnungen und Strafen müssen sein, wenn man etwas bei Kindern ausrichten will. Nur irrt man sich allzu oft in der Wahl derselben. Es ist meines Erachtens immer von schlimmen Folgen, wenn man körperlichen Schmerz und sinnliches Vergnügen als Lohn oder Strafe braucht, um dadurch auf junge Gemüter zu wirken. Denn es werden dadurch, wie ich schon erinnert habe, diejenigen Triebe nur noch mehr gestärkt, die man mit Gewalt ausrotten sollte. Was für Grundsätze der Tugend prägt ihr eurem Kinde ein, wenn ihr in der Absicht, seine Begierde nach irgendeinem sinnlichen Vergnügen zu unterdrücken, ihm dafür ein anderes anbietet? Heißt dies nicht seine Leidenschaft wirklich nähren und es nur zur Veränderlichkeit anführen? Ein Kind weint nach einer ungesunden schädlichen Frucht, und ihr erkauft seine Beruhigung dadurch, daß ihr ihm Zuckerwerk, das vielleicht ebenso schädlich ist, dafür gebt. Vielleicht erhaltet ihr dadurch seine Gesundheit, aber ihr verderbt und schwächt seine Seele. Denn ihr vertauscht nur den Gegenstand, schmeichelt und befriedigt aber doch immer die Begierde, und dieses ist eben der Grund des Verderbens. Solange ihr also das Kind nicht so weit gebracht habt, daß es fähig ist eine gänzliche Versagung seines Verlangens zu ertragen, so könnt ihr durch dergleichen Mittel es zwar für den Augenblick beruhigen, aber das Übel, die Unart selbst, ist keineswegs gehoben. Durch ein solches Verfahren unterhaltet und ernährt ihr vielmehr die Quelle aller der unordentlichen Leidenschaften, die insgemein bei jeder Gelegenheit mit zunehmender Heftigkeit wieder hervorbrechen, von Tag zu Tag immer stärker werden und euch vielen Verdruß und Kummer verursachen.

§ 56. Die Belohnungen und Strafen, wodurch man Kinder zu ihren Pflichten antreiben muß, sind demnach von ganz anderer Beschaffenheit und so wirksam, daß, wenn man sie nur einmal in Gang gebracht hat, alle Schwierigkeiten gehoben und alle Hindernisse überstiegen sind. Achtung und Geringschätzung sind unstreitig die wirksamsten Triebfedern des Menschen, sobald man ihn nur einmal empfindlich dafür gemacht hat. Habt ihr dem Kinde nur erst Liebe zur Wertschätzung anderer und Furcht vor Schande und Mißachtung eingeflößt, so ist bereits die Grundkraft vorhanden, die sein Gemüt zu allem Guten leiten kann. Es fragt sich aber: wie dies geschehen soll?

Auf den ersten Blick scheint dies in der Tat seine Schwierigkeiten zu haben. Allein da hier das ganze Geheimnis der Erziehung verborgen liegt, so ist es wohl der Mühe wert, sich bei Aufsuchung der dazu dienenden Mittel etwas länger aufzuhalten, und, wenn wir sie gefunden haben, dieselben auf das gewissenhafteste anzuwenden.

§ 57. Kinder sind insgemein für Lob und Beifall sehr empfindsam und vielleicht weit früher, als wir denken. Es macht ihnen Vergnügen, geschätzt und geachtet zu werden, besonders von ihren Eltern und denjenigen, von denen sie abhängen. Wenn nun der Vater sie lobt und freundlich gegen sie ist, sobald sie sich gut ausführen, hingegen Kälte und Gleichgültigkeit zeigt, sobald sie sich übel verhalten, wenn dann die Mutter und alle Übrigen, die um die Kinder sind, das nämliche beobachten, so werden sie sehr bald den Unterschied fühlen, und ich bin versichert, daß solche Begegnung (die aber unveränderlich sein muß) von selbst mehr ausrichten wird als Drohungen und Schläge, die, wenn sie einmal eingeführt sind, bald ihre Wirksamkeit verlieren, und überhaupt gar nicht stattfinden sollten, wenn Scham und Schande dabei nicht weher tun' als der Stock oder die Rute. Daher diese gewaltsamen Mittel auch nur bei den dringendsten und seltensten Gelegenheiten zu gebrauchen sind.

§ 58. Damit aber daß Gefühl der Zufriedenheit und des Mißfallens desto tiefer eindringe und desto mehr Gewicht habe, so sollten jederzeit andere angenehme oder unangenehme Dinge mit diesen verschiedenen Zuständen verbunden sein, zwar nicht als besondere Belohnungen oder Strafen dieser oder jener einzelnen Handlung, sondern als natürliche und wesentlich notwendige Folgen desjenigen Verhaltens, wodurch man sich Beifall oder Tadel zuzieht. Bei einer solchen Begegnung werden die Kleinen sehr bald begreifen lernen, daß Menschen, welche sich durch ihr gutes Verhalten Beifall und Achtung erwerben, notwendig von jedermann geachtet und geliebt werden, und daß sie alle übrigen Vorteile und Vorzüge als Folgen ihrer guten Aufführung genießen. Auf der anderen Seite aber werden sie einsehen, daß, wer durch sein schlechtes Betragen sich Mißachtung zuzieht und seinen guten Ruf nicht in acht nimmt, unvermeidlich in Verachtung und Geringschätzung verfällt, und daß er in diesem Zustande den Genuß aller anderen Vorzüge und Vergnügungen entbehrt. Auf diesem Wege werden alsdann die Gegenstände der Begierden zu Hilfsmitteln zur Tugend, indem jene unabänderliche Erfahrung die Kinder überzeugt, daß nur denen, die in gutem Rufe stehen, diejenigen Dinge zuteil werden, an welchen sie Vergnügen finden. Hat man es nun durch solche Mittel erst dahin gebracht, daß sie über ihre Fehler wirklich beschämt werden (außer dem Schamgefühl aber möchte ich nicht gern andere Strafen eingeführt wissen) und daß sie sich um die gute Meinung anderer bewerben: dann kann man sie lenken, wie man will, dann werden sie alles das liebgewinnen, was sie tugendhaft machen kann.

§ 59. Die größte Schwierigkeit entsteht hierbei aus dem verkehrten und törichten Betragen der Bedienten, welche schwerlich dahingebracht werden können, die Absichten der Erzieher nicht zu hindern. Wenn Kinder von den Eltern eines Fehlers wegen etwa übel angesehen werden, so finden sie gewöhnlich Trost und Zuflucht in den Liebkosungen dieser närrischen Schmeichler, welche das, was Vater und Mutter aufzubauen gedachten, sogleich wieder niederreißen. Bezeigen die Eltern Unzufriedenheit gegen das Kind, so sollte ein jeder ebenfalls Gleichgültigkeit gegen dasselbe beobachten, und niemand ihm freundlich begegnen, bis es um Vergebung gebeten, die Verbesserung des Fehlers es wiederum ausgesöhnt hätte und die Zufriedenheit der Eltern von neuem hergestellt wäre. Die standhafte Befolgung dieser Regel wird unfehlbar Schläge und Schelte ganz unnötig machen; die Kinder werden bald um ihrer eigenen Ruhe und Zufriedenheit willen sich nach Beifall bestreben und alles das vermeiden, was von jedermann gemißbilligt wird, und was ihnen doch immer unangenehme Folgen zuzieht, wenn es auch eben nicht Schläge und Schelte sind. Dies wird ihnen Sittsamkeit und Schamgefühl einflößen und Abscheu gegen alles, was sie der Nichtachtung anderer bloßstellen kann. Wie aber diesem Unheil von seiten der Bedienten vorzubeugen sei, muß ich der Klugheit und der Überlegung der Eltern anheimstellen; indessen halte ich diese Sache von der größten Wichtigkeit und preise diejenigen glücklich, die ihre Kinder mit verständigen Personen umgeben können.

§ 60. Man hüte sich also sorgfältig, Kinder oft zu schlagen oder zu schelten; denn diese Art der Züchtigung kann in keiner anderen Rücksicht etwas Gutes stiften, als infofern sie Schamgefühl und Abscheu gegen dasjenige rege macht, wodurch sie sich einer solchen Behandlung wert gemacht haben. Ist das Bewußtsein, Unrecht getan und sich durch eigene Schuld das gerechte Mißfallen ihrer besten Freunde zugezogen zu haben, nicht das empfindlichste und schmerzhafteste bei der ganzen Sache, so werden die härtesten Schläge immer nur eine sehr unvollkommene Besserung bewirken. Es sind bloße Palliative, die nur auf einen Augenblick Linderung verschaffen, aber den Schaden nie aus dem Grunde heilen. Aufrichtiges Schamgefühl und ernstliche Besorgnis, nicht Mißfallen zu erregen, sind die einzigen tauglichen Mittel, das Kind in den gehörigen Schranken zu halten. Körperliche Strafen aber können diese Wirkung nie hervorbringen, denn die öftere Wiederholung derselben löscht das Schamgefühl aus. Diese Empfindung ist bei Kindern ebendas, was bei Frauen die Sittsamkeit ist: eine Tugend, welche sich schwerlich behaupten läßt, wenn die Gesetze derselben öfters überschritten worden sind. Was aber die Besorgnis anlangt, sich dem Mißfallen der Eltern nicht auszusetzen, so muß selbige sehr unwirksam und unbedeutend werden, wenn die Beweise des Mißfallens so schnell vorübergehen und ein paar Schläge alles wieder gutmachen können. Eltern sollten wohl erwägen, welche Fehler bei ihren Kindern wichtig genug sind, um ihren Unwillen darüber ausbrechen zu lassen. Haben sie aber einmal ihren Unwillen dermaßen zu erkennen gegeben, daß es zu einer Züchtigung kommt, so müssen sie nicht in demselben Augenblick ihre Miene sogleich wieder aufheitern und die vorige Freundlichkeit annehmen, sondern nur nach und nach und nicht ohne Schwierigkeit. Die gänzliche Verzeihung und Aussöhnung aber muß erst alsdann erfolgen, wenn ihr Betragen, und ein mehr als gewöhnlich gutes Betragen, die Aufrichtigkeit ihrer Besserung an den Tag legt. Beobachtet man diese Methode nicht, so werden körperliche Strafen bald zu einer alltäglichen Sache werden und alle Wirksamkeit verlieren. Fehltritte, Schläge und Verzeihung werden alsdann so natürlich und notwendig miteinander abwechseln wie Mittag, Nacht und Morgen.

§ 61. Was den Beifall anderer So übersetzt Rudolphi im Revisionswerk Bd. 9, S. 142. v. Sallwürk hat: »guten Ruf«, Wattendorff: »guten Namen«. Ouvrier hat die Stelle Schwierigkeiten gemacht, er übersetzt »Ehrgefühl« und bemerkt dazu: »Es ist ein wesentlicher Mangel der deutschen Sprache, daß wir für den Begriff, den die Engländer und Franzosen durch den Ausdruck ›Reputation‹ bezeichnen und dessen sich auch Locke hier beständig bedient, kein eigentliches Wort haben. Hieraus hat sich hauptsächlich die bekannte pädagogische Streitigkeit über den Ehrtrieb entsponnen, die vor ungefähr acht Jahren von Herrn R. Campe in Anregung gebracht wurde und der wir die vortreffliche Abhandlung des Herrn Abt Resewitz über den Ehrtrieb verdanken. Zwar helfen wir Deutschen uns einigermaßen durch die Distinktion zwischen Ehrliebe und Ehrgeiz, aber dies erschöpft den Gegenstand bei weitem nicht. Reputation erlangen wir, wenn wir das leisten, was man von unserer Verfassung, Lage, Alter und Beruf, kurz, nach Beschaffenheit unserer äußeren Verhältnisse mit Recht von uns erwarten kann. Ehre hingegen geht schon über diese Bestimmung hinaus und deutet auf etwas Auszeichnendes. In Hinsicht auf das andere Geschlecht hat man sich schon genötigt gesehen, den Ausdruck ›Reputation‹ in unsere Sprache aufzunehmen, um die ihm eigentümlichen Tugenden zu bezeichnen, welche mehr negativ als positiv sind und keinen großen Wirkungskreis erfordern. Allein ebendiese eingeschränkte Aufnahme steht der völligen Nationalisierung des gedachten Ausdrucks im Wege.« betrifft, so weiß ich gar wohl, daß er nicht die echte Grundlage und den richtigen Maßstab der Tugend ausmacht; (denn diese besteht in der Erkenntnis unserer Pflichten, in dem willigen Gehorsam gegen den Schöpfer, in der Befolgung dessen, wozu das von ihm geschenkte Licht uns Anweisung gibt, verbunden mit der Hoffnung, daß ein solches Verhalten ihm angenehm sein und von ihm belohnt werden werde.) Doch kommt er der Tugend am nächsten; und da er auf dem Zeugnis und Beifall beruht, den andere Menschen nach einem gemeinsamen Übereinkommen tugendhaften und wohlgeordneten Handlungen schenken, so ist dies unstreitig das beste Aufmunterungsmittel für die Jugend, bis sie zu den Jahren gelangt, da sie nach ihrer eigenen Vernunft Recht und Unrecht unterscheiden kann.

S 62. Übrigens mag diese Bemerkung den Eltern in der Anwendung von Lob und Tadel bei ihren Kindern zur Richtschnur dienen. Der Tadel und die Schelte, welche die Fehler der Kinder zuweilen ganz unvermeidlich machen, müssen nicht nur in gemäßigten, ernsthaften Ausdrücken und ohne Leidenschaft, sondern auch insgeheim erteilt werden: das Lob hingegen, welches sie verdienen, müssen sie in Gegenwart anderer erhalten. Dies erhöht die Belohnung in ebendem Maße, als das Lob sich verbreitet; und selbst die Bedenklichkeit, welche die Eltern zeigen, die Fehler ihrer Kinder bekannt werden zu lassen, wird sie bewegen, einen desto größeren Wert auf ihren guten Ruf zu setzen und sie anspornen, die gute Meinung zu erhalten, in welcher sie bei anderen zu stehen glauben. Beschämt man sie hingegen durch Bekanntmachung ihrer Vergehungen dergestalt, daß sie die gute Meinung anderer von sich für verloren geben, so fällt dieser Antrieb sodann weg, und ihre Bemühung, Beifall zu erhalten, wird um so geringer sein, je mehr sie besorgen müssen, ihren guten Ruf schon befleckt zu haben. Fortsetzung dieser Materie in § 72.

§ 63. Fängt man es aber mit Kindern nur recht an, so wird man weit seltener zu den gewöhnlichen Gattungen von Strafen und Belohnungen schreiten müssen, als man insgemein glaubt und der Schlendrian oder das Vorurteil es mit sich bringt. Man kann ihnen in ihren unschuldigen Torheiten, Spielen und kindischen Handlungen vollkommene Freiheit und Uneingeschränktheit gestatten, wenn sie nur nicht den Regeln des sittlichen Wohlstandes und der Ehrerbietung, die sie den Anwesenden schuldig sind, geradezu entgegenlaufen. Die Verbesserung dieser Mängel, welche mehr dem zarten Alter als den Kindern selbst zuzurechnen sind, sollte man der Zeit, dem Beispiel und den reiferen Jahren überlassen. Dadurch würde man eine Menge unnützer und unzweckmäßiger Verweise ersparen; denn entweder läßt sich der kindische Leichtsinn durchaus nicht überwältigen, und dann verlieren die Verweise ihre Kraft und werden für wichtigere Fälle unwirksam: oder die natürliche Munterkeit des Kindes wird mit Gewalt niedergedrückt und Geist und Körper aller Lebhaftigkeit und Schnellkraft beraubt. Sollte der Lärm und das Geräusch ihrer Spiele etwa zu laut oder in Rücksicht auf die Gesellschaft, in der sie sich befinden, (und das können nur ihre Eltern sein) ungeziemend werden, so wird ein Blick, ein Wort des Vaters oder der Mutter (wenn diese nämlich ihr Ansehen gehörig befestigt haben), hinreichend sein, sie zu entfernen oder stille zu machen. Doch ebendiese Neigung zum Spielen, welche die Natur aus weisen Absichten jenem zarten Alter beigelegt hat, sollte eher aufgemuntert als unterdrückt und eingeschränkt werden, um ihre Lebhaftigkeit zu erhöhen und ihre Stärke und Gesundheit zu vermehren. Die größte Kunst ist, den Kleinen alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel und Zeitvertreib zu machen.


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