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Sechsundzwanzigster Abschnitt.

Vom kaufmännischen Rechnen und Buchführen.

§ 210. Sollten aber die Eltern aus einem eingewurzelten Vorurteil gegen alles, was den unangenehmen Namen eines Handwerkes führt, durchaus nicht zugeben, daß ihr Kind so etwas lernte, so gibt es doch noch einen dahin gehörigen Gegenstand, von dem sie, sobald sie es recht überlegen, zugestehen werden, daß er ihren Söhnen fast unentbehrlich sei, ich meine das kaufmännische Rechnen und Buchführen. Freilich wird ein Edelmann nicht bloß durch diese Geschicklichkeit sich Reichtümer erwerben; inzwischen kann sie ihm doch sehr zustatten kommen, sein Vermögen zu erhalten. Man wird selten finden, daß derjenige, welcher über seine Einnahme und Ausgabe Buch und Rechnung hält und dergestalt den Gang seiner ökonomischen Angelegenheiten beständig vor Augen hat, in denselben gänzlich herunterkomme. Ich bin auch der Meinung, daß mancher eher in seinen Vermögensumständen zurückkommt, als er es selbst gewahr wird, und wenn er einmal im Verfall ist, bloß aus Mangel von Achtsamkeit und Ungeschicktheit im Rechnungführen noch tiefer hineingerät. Ich rate demnach jedem jungen Menschen unter den höheren Ständen, sich im kaufmännischen Rechnen zu vervollkommnen und nicht zu glauben, daß diese Geschicklichkeit darum nicht für ihn gehöre, weil sie vom Handel den Namen erhalten und hauptsächlich auch nur von Kaufleuten angewandt wird.

§ 211. Wenn der junge Mensch das Buchführen gelernt hat, welches jedoch mehr Sache des gesunden Menschenverstandes als der Rechenkunst ist, so würde es nicht undienlich sein, wenn sein Vater von der Zeit an verlangte, daß er es in allen seinen kleinen Angelegenheiten anwenden sollte. Ich verlange jedoch nicht, daß er jede einzelne Kleinigkeit, jedes Maß Wein oder jeden Pfennig, den er im Spiel verliert, anschreiben soll; dergleichen Ausgaben können unter eine allgemeine Rubrik gebracht werden. Auch wünsche ich nicht, daß der Vater diese Rechnungen so ängstlich untersuchen oder davon Gelegenheit nehmen möge, seine Ausgaben kritisch durchzumustern. Er muß bedenken, daß er auch einst jung gewesen und nicht vergessen, daß, wie er selbst in seiner Jugend gedacht, sein Sohn ebenso denken könne, und folglich Nachsicht mit ihm haben. Wenn also der junge Mensch angeführt wird, ordentlich Rechnung zu führen, so muß es nicht darum geschehen, um ihm über seine Ausgaben Vorwürfe zu machen (denn über das Geld, welches der Vater ihm einmal bewilligt, muß man ihm seinen Willen lassen), sondern bloß in der Absicht, um diese Gewohnheit, welche ihm das ganze Leben hindurch so nützlich und notwendig ist, ihm frühzeitig beizubringen und geläufig zu machen, damit er sie unausgesetzt befolge. Man erzählt von einem venetianischen Edelmann, dessen Sohn die Reichtümer seines Vaters nicht erschöpfen zu können wähnte, daß, als er die Verschwendung desselben alle Grenzen überschreiten sah, er seinem Kassierer bloß befohlen habe, den Sohn künftig immer das Geld, welches er verlangen würde, beim Empfang selbst zählen zu lassen und ihm unter einer anderen Bedingung sonst keines zu geben. Man sollte glauben, daß dies eben keine sonderliche Einschränkung für den jungen Herrn gewesen sein könne, da derselbe übrigens immer so viel Geld bekam, als er verlangte. Einem Menschen aber, der auf weiter nichts als auf seine Vergnügungen bedacht war, verursachte dies große Beschwerde und brachte ihn auf folgende vernünftige und heilsame Betrachtung. Wenn es mir, dachte er, schon so sauer wird, das Geld, welches ich ausgebe, bloß zu zählen; was für Arbeit und Mühewaltung muß es nicht meinen Vorfahren gekostet haben, solches nicht etwa bloß zu zählen, sondern zu erwerben? Dieser vernünftige Gedanke, durch die kleine, ihm aufgelegte Mühe verursacht, machte einen solchen Eindruck auf ihn, daß er von der Zeit an sich besserte und anfing, ein guter Wirt zu werden. Übrigens wird man wenigstens zugestehen müssen, daß nichts zuträglicher sei einen Menschen in seinen Schranken zu halten, als wenn er gewöhnt ist, durch regelmäßiges Buchhalten den Stand seines Vermögens immer vor Augen zu haben.


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