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Siebenter Abschnitt.

Von den Vorzügen der häuslichen Erziehung.

§ 70. Da ich einmal der Gesellschaft erwähnt hatte, so war ich im Begriff, die Feder ganz und gar niederzulegen und gar nichts mehr über Erziehung zu schreiben. Denn da der Umgang mehr wirkt als alle Vorschriften, Regeln und Unterweisungen, so ist es meines Erachtens nur vergebene Mühe, sich bei anderen Dingen aufzuhalten und darüber lang und breit zu schwatzen. Aber, wird man sagen, was soll ich nun mit meinem Sohn anfangen; behalte ich ihn zu Hause, so ist er in Gefahr, durch zu viel Nachsicht verzogen zu werden und mir über den Kopf zu wachsen; tue ich ihn aber hinaus, wie ist es möglich, ihn vor der Ansteckung des Lasters zu bewahren, welches überall im Schwange geht? In meinem Hause wird er vielleicht seine Unschuld länger behalten, auf der anderen Seite aber mit der Welt desto unbekannter bleiben. Da er hier wenig fremde Menschen Zu sehen bekommt und beständig dieselben Gesichter vor sich sieht, so wird er dereinst, wenn er unter Leute kommt, entweder einfältig oder affektiert erscheinen.

Ich gestehe, beides hat seine Unbequemlichkeiten. Außer dem Hause wird er allerdings dreister »Dreist« hier und später im Sinne von »selbstbewußt, sicher im Auftreten«. werden und mit jungen Leuten von seinem Alter besser umgehen lernen; der Wetteifer mit den Mitschülern bringt oft Leben und Tätigkeit in ein sonst schläfriges Gemüt. Allein wo ist die Schule, wo der Lehrer zugleich auf die Sitten seiner Schüler Rücksicht nehmen, wo er neben dem Unterricht in gelehrten Sprachen zugleich mit ebendem Erfolg an der Bildung ihres Herzens zur Tugend und zu einem rechtschaffnen Leben arbeiten kann? Wahrlich, der müßte einen großen Wert auf bloße Worte und Vokabeln legen, wer die Sprachen der alten Griechen und Römer den Tugenden vorzuziehen imstande wäre, welche dieselben zu so großen Männern bildeten, wer es übers Herz bringen könnte, seines Sohnes Unschuld und Tugend für ein bißchen Latein und Griechisch aufs Spiel zu setzen. Denn was die Dreistigkeit und Munterkeit anlangt, welche junge Leute unter ihren Spielkameraden in der Schule annehmen, so ist gemeiniglich eine große Portion von Roheit und Unverschämtheit damit vermischt, die sie sich erst wieder abgewöhnen müssen, um diejenigen Grundsätze und Sitten anzunehmen, die den wirklich achtungswürdigen Mann charakterisieren. Wer nur selbst untersuchen will, wie sehr die gute Lebensart und das Verhalten des Mannes in den Welthändeln gegen die groben, unanständigen und unverschämten Sitten absticht, die man in manchen großen Schulen antrifft, der wird finden, daß gegen die Mängel der Privaterziehung die etwaigen Vorzüge der öffentlichen gar nicht in Betracht kommen, der wird daher bemüht sein, die Unschuld und Sittsamkeit seines Kindes mit eigenen Augen zu bewahren – Eigenschaften, welche mit den Erfordernissen, die zu einem nützlichen und tüchtigen Manne gehören, in genauer Verwandtschaft stehen. Niemand wird wahrnehmen oder auch nur daran denken, daß die Eingezogenheit und Einschränkung, in welcher unsere Töchter erzogen werden, sie zu minder verständigen oder untüchtigen Frauen bildet. Wenn sie in die Welt kommen, so gibt ihnen der Umgang bald eine anständige Freimütigkeit, und wenn es auf ungestümes und rauhes Wesen ankommt, so können auch Männer dieses wohl entraten; denn Mut und Festigkeit bestehen meiner Meinung nach nicht in Grobheit und Ungezogenheit.

Tugend ist schwerer zu erwerben als irgendeine Wissenschaft, und hat ein junger Mensch sie einmal verloren, so wird er sie selten wieder erlangen. Einfalt und Mangel an Weltkenntnis, die man gemeiniglich der Privaterziehung schuld gibt, sind nicht notwendig damit verbunden, und wenn sie es auch wären, so sind es doch keine unheilbare Fehler. Das Laster ist weit hartnäckiger als jedes dieser beiden Übel, daher man sich auch am ersten dagegen verwahren muß. Freilich findet man Kinder, welche in ihrem Elternhause verzärtelt worden, oft mit einer gewissen trägen Weichlichkeit behaftet, die ihrer Tugend sehr gefährlich werden kann; denn solch eine biegsame Gemütsstimmung macht sie leicht auch lasterhafter Eindrücke fähig und gibt die Neulinge der Verführung preis. Man muß also diesem Fehler vorzubeugen suchen und der junge Mensch muß, ehe er die Schwelle seines väterlichen Hauses und die Aufsicht des Erziehers verläßt, mit Entschlossenheit gestählt und mit den Menschen bekannt gemacht werden, um seine Tugenden sicherzustellen, sonst möchte er leicht zu einem unordentlichen Leben verleitet und an den Rand des Verderbens gebracht werden, ehe er mit den Gefahren des Umgangs hinlänglich bekannt geworden und Festigkeit genug besitzt, nicht jeder Versuchung zu erliegen. Wäre dieser Umstand nicht zu besorgen, so hätte man nicht nötig, der Blödigkeit und dem Mangel an Weltkenntnis bei jungen Leuten so früh entgegenzuarbeiten. Der Umgang würde diesen Mängeln großenteils schon von selbst abhelfen; geschieht aber dies nicht früh genug, so hat man um so mehr Ursache, den Sohn in dem väterlichen Hause unter den Augen eines guten Hofmeisters zu erziehen. Denn daß man sich Mühe gibt, ihm einen männlichen Anstand und Freimütigkeit zu erteilen, das geschieht hauptsächlich, um seine Tugend unerschütterlicher zu machen, wenn er dereinst in der großen Welt seiner eigenen Führung überlassen ist.

Es ist also sehr verkehrt, um der vermeinten Dreistigkeit und Gewandtheit willen, sich unter seinesgleichen fortzubringen, die er in dem Umgange mit ungezogenen und ausgelassenen Jungen lernen soll, seine Unschuld aufzuopfern, da seine Festigkeit und Standhaftigkeit nur die Erhaltung seiner Tugend zur Absicht hat. Denn, wenn sich vollends Dreistigkeit und List zur Lasterhaftigkeit gesellt und dem Knaben zur Ausführung seiner schlechten Streiche dient, so ist er um so gewisser verloren, und ihr müßt ihn entweder ganz dahingehen oder ihm alles das wieder abgewöhnen, was er unter der schlechten Gesellschaft angenommen hat. Im Umgange mit Männern wird der Jüngling schon von selbst dreist und freimütig werden, und bis dahin ist es immer noch Zeit genug. Bescheidenheit und Unterwerfung machen ihn für den Unterricht nur desto empfänglicher; es ist also vorderhand nicht so wichtig, ihn zur Dreistigkeit zu gewöhnen. Das, was die meiste Zeit, Mühe und Anstrengung erfordert, das sind die Grundsätze der Tugend und des Wohlverhaltens, die ihm praktisch auf das stärkste eingeprägt werden müssen, so, daß nichts sie auslöschen könne. Hiermit muß man ihn wohlverwahren, denn der Umgang mit der Welt wird bald genug die fehlende Kenntnis und Sicherheit ersetzen; da aber hierbei seine Tugend leicht scheitern kann, so müssen die Grundsätze derselben seiner Seele desto tiefer eingeprägt sein.

Wie Jünglinge zur Geselligkeit angeführt und mit der Welt bekannt gemacht werden müssen, wenn sie reif dazu sind, davon werde ich an einem anderen Ort reden. Ich kann aber in der Tat nicht begreifen, was ein junger Mensch für den gesitteten Umgang oder für die Geschäfte des Lebens gewinnt, wenn er beim Spielen unter einem gemischten Haufen wilder Knaben Zanken oder Betrügen lernt. Auch ist schwerlich abzusehen, was für wünschenswürdige Eigenschaften er sich unter einer solchen, aus allerlei Ständen und Gattungen von Menschen zusammengerafften Herde von Spielkameraden, wie man sie in den gewöhnlichen Schulen antrifft, erwerben sollte. Im Gegenteil bin ich versichert, daß ein junger Mensch zu Hause unter einem tüchtigen Erzieher weit angenehmere Sitten, eine männlichere Denkungsart und ein feineres Gefühl dessen, was edel und anständig ist, erlangen und obendrein mehr lernen und früher ein gesetzter Mensch werden wird, als es auf irgendeiner Schule geschehen könnte. Ich will hierdurch keineswegs den Schulleuten zunahe treten oder ihnen etwas zur Last legen. Es ist ein großer Unterschied, in einem Hause zwei bis drei Zöglinge unter Aufsicht zu haben, oder sechzig bis achtzig, die hier und da zerstreut wohnen. Laß alsdann den Schulmann noch so geschickt und tätig sein, es ist unmöglich, daß er fünfzig bis hundert Schüler länger unter Augen haben könne, als sie in der Schule sind; auch kann man nicht erwarten, daß sie etwas weiter von ihm lernen sollen, als was in Büchern steht. Die Bildung des Herzens und der Sitten erfordert eine anhaltende Aufmerksamkeit und eine besondere Bemühung bei jedem einzelnen Kinde, welches in einem zahlreichen Haufen unmöglich ist, und hätte ein Lehrer auch die Zeit, die besonderen Mängel und verkehrten Neigungen jedes einzelnen Subjekts genau zu studieren, so würde es doch in der Tat vergebene Mühe sein, sie bessern zu wollen, da der junge Mensch den größten Teil der vierundzwanzig Stunden des Tages sich selbst und dem mächtigen Einfluß seiner Kameraden überlassen ist.

Weil indes die Väter bemerken, daß das Glück nicht selten kühne und verwegene Menschen am meisten begünstigt, so sehen sie es gern, wenn ihre Söhne sich schon frühzeitig dreist und aufgeweckt zeigen, und halten es für eine glückliche Vorbedeutung, daß sie in der Welt gut fortkommen werden, wenn sie ihren Kameraden eins anhängen können oder allerlei Streiche von ihnen lernen. Allein ich muß es frei heraussagen, daß nur der den sichersten und besten Weg zum künftigen Glücke seines Sohnes einschlägt, der ihn zur Tugend und Rechtschaffenheit erzieht. Wahrlich nicht die kleinen Schelmereien und Betrügereien, die Schulknaben untereinander ausüben, nicht die wohlangelegten Entwürfe, etwa einen Obstgarten zu plündern, sind es, die sie zu wackeren Menschen bilden, sondern die Grundsätze der Gerechtigkeit, Großmut und Mäßigkeit, verbunden mit Fleiß und Achtsamkeit – Eigenschaften, welche Schüler gewöhnlich nicht voneinander abzulernen pflegen. Bringt ein junger Mensch, der zu Hause erzogen wird, es in diesen Tugenden nicht weiter als in irgendeiner öffentlichen Schule, so muß der Vater in der Wahl des Erziehers nicht glücklich gewesen sein. Man nehme einen Knaben, der auf der ersten besten lateinischen Schule und einen anderen von demselben Alter, der in dem väterlichen Hause, wie es sich gebührt, erzogen ist; man führe sie beide in eine gute Gesellschaft und sehe, welcher von beiden das gesetzteste Betragen beobachten und sich gegen die Fremden mit der altständigsten Freimütigkeit wird zu nehmen wissen. Hier, glaub ich, wird den Schulknaben sein Selbstvertrauen entweder bald verlassen oder ihn mißfällig machen. Wenn es ihn aber bloß für den Umgang mit Schulkindern geschickt machte, so hätte er es sehr wohl entbehren können. – Wenn die allgemeinen Klagen nicht ungegründet sind, so reift das Laster heutzutage so schnell und sproßt so frühzeitig in jungen Gemütern empor, daß es unmöglich ist, einen Jüngling gegen das sich verbreitende Gift zu verwahren, wenn man ihn einem solchen Schwarm anvertraut und die Wahl seiner Schulkameradschaft dem blinden Zufalle oder seiner eignen Neigung überläßt. Durch welche traurige Schicksale das Laster unter uns in so wenig Jahren zu einer solchen Höhe gestiegen,» unter was für Händen es zu einer so unbegrenzten Herrschaft gelangt ist, muß ich anderen zu untersuchen überlassen. Ich wünschte indes, daß diejenigen, die so laut über den Verfall der christlichen Frömmigkeit und Tugend und über die Abnahme der Gelehrsamkeit und anderer Vorzüge besonders unter den höheren Ständen der jetzigen Generation klagen, Mittel aufsuchen möchten, wie diesen Mängeln bei der künftigen vorzubeugen sei. Inzwischen bin ich überzeugt, daß wenn der Grund hierzu nicht in der Erziehung und Bildung der Jugend gelegt wird, alle anderen Bemühungen fruchtlos sein dürften. Ist man nicht bemüht, die Unschuld, Nüchternheit und Arbeitsamkeit der heranwachsenden Nachwelt zu erhalten und zu stärken, so wäre es lächerlich, von denen, die zunächst den Schauplatz betreten, zu erwarten, daß sie durch Tugend, Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit, wodurch die Engländer sich seither soviel Achtung in der Welt erworben haben, sich hervortun sollten; fast hätte ich zu den erwähnten Eigenschaften auch den Mut hinzugesetzt, wiewohl dieser als den Briten angeboren betrachtet wird. Was man indessen von gewissen neuerlichen Vorfällen zur See berichtet, Locke schrieb dies während des Krieges, der durch den Ryswikschen Frieden 1697 beendigt wurde. Im Jahre 1690 trug der französische Vizeadmiral Tourville einen vollständigen Sieg über die vereinigte engländische und holländische Flotte auf der Höhe von Dieppe davon, wodurch die Franzosen zwei Jahre lang die Oberherrschaft zur See behaupteten. An diesem Unglück soll Graf Torrington, der die Engländer kommandierte, hauptsächlich schuld gewesen sein, indem er feigerweise sich mit vielen Schiffen zurückzog und die vereinigten Holländer nebst einigen englischen Schiffen allein fechten ließ.       Ouvrier. die in der Tat bei unseren Vorfahren unerhört waren, veranlaßt mich zu der Bemerkung, daß Schwelgerei den Mut der Menschen schwächt, und daß, wo Ausgelassenheit der Sitten das Gefühl von Ehre einmal erstickt hat, wahre Tapferkeit selten lange rastet. Man wird in der ganzen Geschichte keine Nation aufstellen können, die, sobald Schwelgerei und Sittenlosigkeit alle Schranken und alle Zucht niedergetreten hatte, noch imstande gewesen wäre, ihrem Feinde kühn und standhaft unter die Augen zu treten, so groß auch sonst der Ruhm ihrer Waffen und so furchtbar sie ihren Nachbarn gewesen sein mochte.

Die Tugend also und nur die Tugend allein ist das einzige, preiswürdige Ziel, auf welches bei der Erziehung alles zurückgeführt werden muß; vorschnelle Dreistigkeit oder andere kleine Ränke und Schelmereien gehören gar nicht dahin. Alle anderen Betrachtungen und Vorzüge müssen jenem großen Ziele nachstehen. Dies ist das reelle und wesentliche Gut, worüber der Erzieher nicht bloß dozieren und sprechen, sondern es zum Hauptgegenstand aller seiner Kunst und seines Bestrebens machen muß, um das Gemüt ganz damit zu durchdringen und nicht eher abzulassen, bis der junge Mensch wahren Geschmack daran gewinnt, seine ganze Stärke, seinen Ruhm und sein Vergnügen dareinsetzt.

Je weiter er es hierin bringt, desto leichter wird ihm die Erwerbung aller übrigen Vollkommenheiten werden. Denn wer sich einmal der Tugend ergeben hat, wird in keinem Stücke seiner Pflichten widerspenstig oder saumselig erfunden werden; und darum muß ich auch der häuslichen Erziehung unter den Augen des Vaters und unter einem tüchtigen Erzieher, als dem sichersten Weg, den großen und einzigen Zweck der Menschenbildung zu befördern, allerdings den Vorzug einräumen, wenn es anders, den Umständen nach, angeht und alles dabei so eingerichtet wird, wie es sein muß. In guten Häusern fehlt es selten an abwechselnder Gesellschaft; man muß demnach die Kinder an alle fremde Gesichter gewöhnen und sie mit Personen von allen Gattungen und Ständen umgehen lassen, sobald sie nur dazu fähig sind; und ich weiß nicht, warum diejenigen, die auf dem Lande leben, sie nicht immer mitnehmen sollten, wenn sie bei ihren Nachbarn Höflichkeitsbesuche abstatten. So viel ist wenigstens gewiß, daß ein Vater, der seinen Sohn zu Hause erzieht, den Vorteil hat, ihn mehr in seiner Gesellschaft zu haben und ihm die nötigen Erinnerungen selbst zu erteilen, daß er ihn besser gegen die Verführung der Bedienten und gegen die niedrige Klasse des Pöbels verwahren kann, als wenn er ihn außer dem Hause hält. Indessen muß man dies alles größtenteils den Eltern allein überlassen, denn es kommt auf die Umstände und Bequemlichkeiten an. Doch, muß ich gestehen, kann ich mir keinen Begriff von einer guten Haushaltung machen, wo der Vater nicht imstande sein sollte, für die Erziehung seines Sohnes etwas aufzuopfern, da diese doch das beste Erbteil ist, das er ihm hinterlassen kann, sein Stand sei übrigens, welcher er wolle. Sollten dem allen ungeachtet doch einige der Meinung sein, daß es bei der häuslichen Erziehung zu sehr am Umgang fehle, die gewöhnlichen Schulen aber sich für Kinder von guten Häusern nicht schicken, so dünkt mich, lassen sich noch Mittel ausfindig machen, beiderlei Unbequemlichkeiten abzuhelfen.

§ 71. Da ich den wichtigen Einfluß der Gesellschaft bemerkt habe und wie geneigt wir allesamt und Kinder vorzüglich zur Nachahmung sind, so muß ich den Eltern noch einen wichtigen Grundsatz empfehlen, nämlich diesen: Wollt ihr, daß euer Kind gegen euch und eure Befehle mit Ehrerbietung erfüllt sei, so müßt ihr selbst viel Achtung gegen dasselbe zeigen: Maxima debetur pueris reverentia (Kindern ist man die größte Achtung schuldig) sagt ein alter Dichter. Das heißt so viel: Ihr müßt in ihrer Gegenwart nichts tun, was sie nicht nachahmen sollen. Laßt ihr euch etwas entwischen, was ihr ihnen als einen Fehler anrechnet, so werden sie zuverlässig sich durch euer Beispiel schützen und zwar dermaßen, daß es nicht leicht sein wird, sie auf eine gute Art davon abzubringen. Wollt ihr euren Sohn um solcher Dinge willen strafen, die ihr selbst tut, so wird er dies nicht eurer guten Meinung noch der Sorgfalt zuschreiben, ihn von einem Fehler zu befreien, sondern eurer Härte und Strenge; er wird es seinem Vater als eine eigensinnige, gebieterische Herrschsucht auslegen, der ohne Grund und Ursache ihm die Freiheit und das Vergnügen versagt, das er sich selbst verstattet. Erklärt ihr aber die Freiheit, deren ihr euch bedient, für einen Vorzug reiferer Jahre, auf welche ein Kind nicht Anspruch machen darf, so gebt ihr eurem Beispiel nur noch mehr Kraft und macht eure Handlungen noch eindrucksfähiger. Denn man muß wohl bedenken, daß Kinder eher als man glaubt Männer sein wollen und daß sie nur darum so begierig sind, bald Beinkleider zu tragen, weil sie sich dadurch den Männern zu nähern glauben. Was ich von dem Betragen des Vaters in Gegenwart der Kinder gesagt habe, gilt auch von allen anderen, unter deren Aufsicht sie stehen, und denen sie Gehorsam und Ehrerbietung schuldig sind.


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