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Eudoxia

Eudoxia, die Witwe des ermordeten Kaisers Valentinian, hat dem Nachfolger desselben, dem Petronin Maximus, auf sein dringendes Werben die Hand am Altare gereicht. Da ihr aber Maximus in der Brautnacht unvorsichtig seine Mitschuld an dem Tode ihres ersten Gemahls entdeckt hat, fühlt sie sich vom tiefsten Abscheu gegen ihn erfüllt und sinnt darauf, ihn zu verderben.

Sie saß, gestützt das Haupt auf ihre Linke,
Ins Zimmer brach ein trüber Sonnenschein.
Still traten und erwartend ihre Winke
Mit Brot und Früchten ihre Diener ein.
Doch ob Granat' und Goldorange blinke,
Ob aus dem Becher funkle süßer Wein,
Sie blickt nicht auf, ihr Mund ist fest geschlossen,
Und Wein und Früchte werden nicht genossen.

Da naht sich ihr und unterbricht das Schweigen
Ein junger Neger mit gebeugtem Knie.
Auf goldner Schale reicht er süße Feigen
Und spricht: O Fürstin, schön're sahst du nie.
Erst seit drei Tagen sind sie von den Zweigen,
Der Himmel meiner Heimat reifte sie;
Ein guter Fahrwind ließ es uns gelingen,
Von Afrika sie frisch nach Rom zu bringen.

»»Von Afrika!«« – und ihre Blicke flammen –
»»Und sahst du dort die großen Helden nicht,
Die aus dem wunderbaren Norden stammen,
Von deren Mut und Kraft die Sage spricht,
Daß sie gepanzert manchen Sund durchschwammen,
Ja, daß sie mit der Waffen Erzgewicht
Dem Drang der Wogen sich entgegenstemmten
Und so den Fluß in seiner Strömung hemmten?

Und sahst den ihren König, jenen düstern
Vandalen Geiserich? Sein wilder Mut,
Nach unsern blühendsten Provinzen lüstern,
Ist eine Sorg' uns, welche nimmer ruht.
Hier nennt man seinen Namen nur mit Flüstern,
Doch sag, blieb auch in eurer Sonnenglut
Die Kriegslust seiner Scharen unermüdlich?
Ward noch ihr Herz nicht üppig, weich und südlich?««

»Nein, Fürstin, mächtig saust noch ihre Lanze,
Karthago dröhnt von ihrem Eisenschritt.
Wir sahn sie nächtlich oft beim Fackelglanze,
Wenn aus dem Hafen ihre Flotte glitt.
Auch nahmen sie zum kühnen Waffentanze
Und in die Wüste mich zum Weidwerk mit;
Ich sah sie von des Tigers Blut gerötet,
Den sie mit Einem Schwertesstreich getötet.

»Ihr König thront, vom Löwenpaar begleitet,
Im düstern Schloß, dem alle bang nur nahn.
Man sagt, wenn durch sein Arsenal er schreitet,
Die Waffen fingen sich zu rühren an,
Solch eine Strömung dunkler Kraft verbreitet
Sein Kriegergeist. Zieht er der Schar voran,
So ist's als ob sie Flammenhauch durchquölle;
Sie folgt ihm nach, und ging' es in die Hölle.«

Er sprach's – in jedem seiner Worte grüßte
Die Fürstin einen Rächer ihrer Schmach.
»»Weit mehr als seine süße Frucht versüßte
Mein Herz, was dieser Afrikaner sprach.
Nicht immer, scheint's, kommt Tod nur aus der Wüste;
All meine Hoffnung lag verdorrt und brach,
Und nun schickt mir das Sandmeer Tau und Regen,
Auf denn, Gedanken! eurem Ziel entgegen!««

Verborgen längst vor Luft und Tageshelle
Lag im Palast noch aus der Heidenzeit
Der alten Kaiser düstre Hauskapelle,
Dem Pluto und der Nemesis geweiht.
Die halb verschüttet, halb verbaute Schwelle
Betritt allein in tiefster Dunkelheit
Eudoxia, furchtlosen Mutes, schweigend,
Mit vorgehaltner Leuchte niedersteigend.

Ihr Licht erhellt die mächtige Rotunde,
Der Luftzug haucht mit kaltem Geisterkuß.
»Ha, dort, du Marmor mit dem bleichen Munde
Voll Hohn und bittrem Menschenüberdruß,
Willkommen finstrer Gott in dieser Stunde!
Ich kenne dich, du bist Tiberius.
In diesen Schläfen, hohl und doch erhaben,
Lag unter Lastern ein Titan begraben.

»Auch du dort, Henker voll der blut'gen Witze,
Befleckter Wüstling, Narr Caligula!
Wähnst du dich endlich vor dem Glanz der Blitze
Hier sicher? Sprich doch, grinse doch ein Ja,
Wie einst so oft beim Mahl von deinem Sitze
Zu Bluturteilen. Und auch du, sieh da,
Der hoch vom Turm ein griechisch Lied gesungen,
Als Rom im Todesflammenkampf gerungen.

»O hört mich, ihr! Und was von Weibesschwächen
Noch in mir wohnt, tilgt aus durch düstern Bann!
Gebt mir, die unerhörte Schmach zu rächen,
Das Herz von Stein, das nichts erschüttern kann.
Vollenden helft den Kreislauf der Verbrechen,
Den Bau des Fluchs, der unter euch begann.
Mein Werk ist eures: Mord, Verrat, Entthronen:
Seid günstig denn, ihr, dieses Dachs Dämonen!«

Sie rief's, und fest wie von geglühtem Stahle
Ward ihre Brust. Sie stieg empor und schrieb:
Dies sendet dir, gefürchteter Vandale,
Roms Fürstin, die ein schlauer Kronendieb,
Ein Stifter blutbefleckter Bacchanale
In ein Gewebe tiefster Schande trieb.
Erscheine! Räche! Stürz ihn von dem Throne!
Roms schönster Schmuck sei dir dafür zum Lohne.

Mit diesem Brief und wenig treuen Sklaven
Verließ die Kaiserburg ihr Kämmerling
Und ritt sogleich zum nächsten Meereshafen,
Wo schon gerüstet ihn ein Schiff empfing,
Das, eh' den Mast noch Morgenlüfte trafen,
Schon hoch im Meer mit seiner Sendung ging,
Und als die Flut zum drittenmal sich sonnte,
Im Angesicht Carthago's ankern konnte.

Auf seinem Thron, umgeben von Vasallen,
Vernahm die Botschaft König Geiserich.
Sein Antlitz überflog ein Wohlgefallen,
Mit wildem Lachen rief er: Sicherlich,
Die Zeit ist da, die welken Blätter fallen,
Ich werde kommen. Rom erwarte mich!
Er sprach's, und ließ sofort als Friedenszeichen
Den Boten Becher und Geschenke reichen.


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