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I.
Buch der Liebe

Erste Liebe

 

1

Schwebst du mit den Erosflügeln,
Erste Liebe, noch einmal
Von der Jugend Sonnenhügeln
In dies düstre Todestal?

Erste Liebe, du dem Leben
Als der Engel zum Geleit
Uns vom Himmel mitgegeben
Durch die Wüsten spät'rer Zeit!

Jeder Pfad bleibt eingesegnet,
Jeder Baum am Bach, im Tal,
Wo du mir zuerst begegnet,
Mich gegrüßt im Frühlingsstrahl.

Jenem Tag bleibt ew'ge Feier,
Wo, vom Himmelsglanz erhellt,
Du zuerst erhobst den Schleier
Vor der Seele stiller Welt.

 

2

Entrungen hat sich ihrer Hülle
Die Blüte vom Orangenbaum,
Ihr Wohlgeruch in süßer Fülle
Durchströmt den dunklen Gartenraum.

Es leuchtet aus dem Grund des Kelches,
Es duftet so geheimnisvoll,
Als ob mir bald, ich weiß nicht, welches
Ersehnte Glück begegnen soll.

Hat gar den Weg zu mir gefunden
Die süße Liebe, die ich oft
Im Traume sah und in den Stunden
Der Einsamkeit ersehnt, erhofft?

Wo glänzt mein Stern? Im Bild des Schwanen,
In Berenice's Locken? Ja!
Ich fühl's, es trügt mich nicht mein Ahnen:
Du liebst mich, und du bist mir nah!

 

3

Schön, wie auf griechischen Inseln der Tag,
Wäre mit dir mir das Leben,
Doch nur dem Mut, der das Kühnste vermag,
Wird auch die Blüte, die schönste, gegeben.

Mitten im Sturm, der die Völker zerwühlt,
Der mich bald da- und bald dorthin verschlagen,
Hab' ich dein Herz an dem meinen gefühlt;
Was nun auch komme, nun kann ich's ertragen!

 

4

Nicht jenes Zaubernetz, gesponnen
Aus deinem schönen Lockenhaar,
Auch nicht dein leuchtend Augenpaar
Hat so mein Herz für dich gewonnen,
Nein, eine Schönheit höh'rer Art,
Die immer mehr sich offenbart.

Der reine Wert, dein innres Leben,
Der Seelenadel, der dich schmückt,
Das ist's, was mich an dir entzückt;
Und beben muß ich, tief erbeben:
Es beugt mich der Gedanke fast,
Daß du mich lieb gewonnen hast.

 

5

Voll von Gold und edlen Stoffen,
Von Juwelen wunderbar
Liegt die weite Welt mir offen,
Als ein prächtiger Bazar.

Könnt' ich, was ich wollte, wählen,
Wählt' ich wohl für mich und dich:
Dir die Perlen und Juwelen
Und dein goldnes Herz für mich.

 

6

So selig zu plaudern, daß Stunden
Wie Träume vergehn,
Wie rasch dann die Zeit entschwunden,
Am Dunkeln der Kerze nur sehn,
Das ist's, was so traulich uns macht
Die sausende, brausende Winternacht.

Zu plaudern und wieder versunken
In uns allein,
Von innerster Wonne trunken,
Vertieft in Gedanken sein,
Das ist's, was zum Frühling uns macht
Die sausende, brausende Winternacht.

Zu scheiden, das Haustor entriegeln
Und scheidend das Glück
Mit einem Kusse besiegeln,
Ein Gruß noch, ein Wink noch zurück! –
Lebt wohl, o Stunden, so selig verbracht
In der sausenden, brausenden Winternacht!

 

7

Holdseliger Mund der Liebsten mein!
Du bist so sanft gebogen, so fein,
Wie der Mond am Himmel; dich müssen
Bewundern, die dich schau'n, – doch ich allein,
Ich darf dich küssen.

Holdseliger Mund der Liebsten mein!
Dein Lächeln nimmt alle Herzen ein,
Du sprichst in Bildern und kühnen Schlüssen,
Die Alle bezaubern, – doch ich allein,
Ich darf dich küssen!

 

8

Ja, einmal nimmt der Mensch von seinen Tagen
Im voraus schon des Glückes Zinsen ein,
Und spricht: ich will den Kranz der Freude tragen,
Mag, was daraus folgt, nur noch Asche sein.
Die vollen Becher! Laß uns alles wagen!
Ja einmal will ich auf den Mittagshöh'n
Des Lebens stehn und dann am Ende sagen:
Wie war es doch so schön!

Wie war der Traum so schön! Da wir uns liebten,
Da blühten Rosen um den Trauerzug;
Im Schaum der Tage, die sonst leer zerstiebten,
War eine Perle, reich und stolz genug.
Ich will den Arm um deinen Nacken schlingen,
Und durch die Ferne der Erinnrung tön':
Kann keine Zeit das Glück uns wiederbringen –
Wie war es doch so schön!

 

9
Für immer

Einmal hast du – o der Stunde!
Schlummernd mir im Arm geruht,
Meinen Kuß noch auf dem Munde,
Auf den Wangen welche Glut!

O wie da die Pulse flogen!
Lauschend jedem Atemzug,
Fühlt' ich an des Busens Wogen,
Wie dein Herz an meines schlug.

Das wird nie vergessen werden,
Das verlöscht kein andrer Tag,
Nicht das größte Glück auf Erden,
Nicht des Unglücks schwerster Schlag.

Eine Flamme, nie verglühend,
Ein lebend'ger Edelstein,
Lebt mir der Gedanke blühend:
Einmal so und ewig mein!

 

10
Am Morgen

Ich sah dich im azurnen Schleier,
In deinen Rosen, Sommernacht,
Und hab' gewacht in stiller Feier.

Im Lichte deiner Sterne wähnen
Die treuen Blicke wir zu schau'n,
Die uns verstehn und unsre Tränen.

Und eine Hand im Schatten gleitet
Herüber aus dem Geisterland
Und kühlt die Brust, in der es streitet.

 

11

Das Köpfchen still und sanft gesenkt,
Wohin sie sich wohl träumt und denkt?
Wohin die dunkeln Augen schauen,
Da blühen, ist's ein fernes Land,
Gewiß nur Palmen, und auf Auen
Gehn schöne Menschen Hand in Hand.

Und ist es eine ferne Zeit,
So war sie Großem nur geweiht;
Da traten Helden auf und stritten
Für ihrer Menschheit höchstes Gut,
Und Engel oder Heil'ge litten
Den Opfertod mit hohem Mut.

Der Schönheit steht ihr Stolz so schön!
Wie für den Aar die Bergeshöh'n,
Wie für den Himmel die Gestirne
Und Andacht für ein rein Gemüt,
So birgt auch deine schöne Stirne
Nur eine Welt, die herrlich blüht.

Wenn aber dein Gedanke ruht
Auf einer Seele, der du gut –
O welch ein Himmel mag darinnen
Dein treues Abbild, stolz und rein
Fernab von allem Erdensinnen,
Und welch ein hohes Leuchten sein!

 

12

Es sank ein Tag zur Ruhe nieder,
Ein Tag, der uns gar hold gelacht,
Wir fanden uns so innig wieder,
Wie stets ich mir das höchste Glück gedacht;
Nun schließe dir die Augenlider
Ein süßer Schlaf – mein Engelskind, gut' Nacht!

Sanft mögen dich hinüberziehen
Ins Reich des Traums mit ihrer Macht
Beethoven's große Melodieen,
Und alles, was uns Leid und Schmerz gebracht,
Vergessen ist's, versöhnt, verziehen –
Schlaf' wohl! schlaf' wohl! Mein Engelskind, gut' Nacht!

 

13

Ich fühl's mit Stolz, daß ich nicht wohlverwahrt
Wie Jene bin, die stets verschont geblieben
Im Leben, wie im Lieben,
Daß keinen Schmerz das Schicksal mir erspart.
Erfinderisch, mit ausgesuchten Qualen
Hat mich's verfolgt noch bis zuletzt
Und immer dann am tiefsten mich verletzt,
Wenn's mir gelacht mit seinen hellsten Strahlen.

Ich richte kühn mich vor den Blitzen auf,
Und sage: trefft! und zu den Stürmen:
Laßt eure Wogen türmen!
Stürmt fort, ras't fort, ihr haltet mich nicht auf!
Und zu den Augen, die so stolz und groß
Mein Herz bedrohn mit tödlichem Verderben,
Zu deinen Augen sag' ich: schönes Los,
Von eurer Glut versengt dahinzusterben!

 

14

Tritt her ans Licht der Sterne!
In ihrem sanften Licht
Erblick' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht.

Tritt her ans Licht der Sterne!
Mit ihrem sanften Licht
Vergleich' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht.

Tritt her ans Licht der Sterne!
Vor ihrem sanften Licht
Ach, küss' ich gar so gerne
Dein liebes Angesicht!

 

15

Gebrochen ist dein Herz, ich weiß es wohl,
Ich hör' ja die zerrissne Saite schwirren,
Ich seh' den Wahnsinn, o ich seh' ihn wohl
Durch deiner Wimpern Nacht im Dunkel irren.

O deine Hand ist kalt, und Fieberglut
Durchrast den Puls; von deinem schönen Leben
Blieb nichts mehr, als ein stolzer Todesmut
Und deiner Lippen schmerzliches Vergeben.

Ein Zug um deine Lippen ist so hart
Und wie dein Los so voll der herbsten Herbe.
Du lächelst, doch dein Lächeln ist erstarrt,
Es zeigt nur, daß es noch mit Anmut sterbe.

 

16

Wenn um die Burgruine
Der Drossel Schlag verstummt
Und nur noch eine Biene
Um ihre Blumen summt, –

Wie streif' ich dann so gerne
Durch Dickicht und Gestein,
Nur über mir die Sterne,
Und nur mit dir allein.

Im Tal noch zirpt die Grille,
Fern rauscht ein Wasserfall,
Hier oben in der Stille
Lebst du nur und das All.

 

17

Die Liebste mit lieblichem Lächeln
Hat meinen Schlummer bewacht.
O hellgestirnter Äther,
O einzig schöne Nacht!

Ich sah sich über mich neigen
Im Traum ihr holdes Gesicht,
Das sorgende, sinnende Schweigen
Erschien ihr so süße Pflicht.

Ich bin an einem Verräter,
An ihrem Kuß erwacht –
O hellgestirnter Äther,
O einzig schöne Nacht!

 

18

Wie blinkte durch die Nacht
Um deinen Hals gewunden
Der goldnen Kette Pracht!
Wie flogen uns die Stunden!

Durch heller Bäume Glanz
Erklang Musik herüber
Und ging so eigen ganz
In unser Schwärmen über.

Was wir uns da entdeckt,
Wie viel wir uns vertrauten,
Wie viel wir halbversteckt
Errieten und durchschauten,

Zur Maske ward das Wort,
Zur heitern, bald zur ernsten,
Und wob sich spielend fort
Bis zu der Sterne fernsten.

Oft sah uns an im Flug
Aus düstrem Schlangenhaare
Ein Schmerz, o groß genug
Für lange Leidensjahre!

Doch sank davor sogleich
Ein Elfenschleier nieder
Und ließ uns in ein Reich
Des Glücks und Friedens nieder.

In einem Augenblick
Kam Freud' und Leid wie Wogen
Der rauschenden Musik
An uns vorbeigeflogen.

Vorbei flog frühe Zeit
Mit goldnen Kinderjahren
Und Zukunft im Geleit
Bekränzter Hoffnungsscharen.

Vorbei flog Sturm im See
Und Fels und Palmenküste,
Indes ich, süße Fee,
Dein Händchen hielt und küßte.

 

19

O stumm ist die Ferne, da dringt
Kein Gruß mehr ans sehnende Herz,
Und kein Gedanke bezwingt
Den tödlichen Schmerz.

Kein Händedrücken, kein Wort
Scheucht vor dem harten Geschick
Die Sorgen, das Bangen mehr fort,
Kein Lächeln, kein Blick! –

Es dämmert, es neigt sich der Tag,
Der Glanz in den Wolken erblich.
Wer wär' jetzt, o Liebliche, sag,
Wer wär' jetzt um dich?

Wer böte dir jetzt den Arm
Und hieße dich tausendmal sein
Und wiegte dann innig und warm
In Schlummer dich ein?

Und wer, seines Glückes bewußt,
Wer böte, beseligt wie du,
Dir seine hochklopfende Brust
Als Kissen dazu?

Gedenkst du noch sein, mein Kind,
Des Ärmsten, der jetzt allein
Hinstürmt in Wetter und Wind,
Gedenkst du noch mein?

 

20

Erster Schnee und Abendschimmer
Blinkten durch die Fenster ein,
Zum Klavier erklang durchs Zimmer
Deine Stimme voll und rein.

So, so war's, in solchen Stunden
Hat der Liebe Frühlingskeim
Unsre Herzen aufgefunden,
Ganz verborgen, ganz geheim.

Durch die Stube dämmert wieder
Schneelichthelle Winterruh',
Jene Saiten klingen wieder,
Nimmer, ach, dein Lied dazu.

Jeder Ton ruft alle Schwingen
Meiner tiefsten Sehnsucht wach.
Ach, dein allerliebstes Singen
Geht mir ewig, ewig nach!

 

21

Wütend jagen Sturm und Schlossen
Durch der Berge Tannennacht,
Mühsam mit den müden Rossen
Zieht durchs Tal ein Wagen sacht.

Mit den Nebelwolken ringend
Taucht der blasse Mond hervor,
Und ein Posthorn, lustig klingend,
Tönet aus der Schlucht empor.

Blase nur die schönsten Stücke!
Morgen, guter Postillon,
Hab' ich mit dem Tagesblicke
Meiner Liebsten Briefe schon!

 

22

Zerrisse je das Liebesband,
Das unsre Herzen hält verbunden,
Dann bleib' kein welkes Treuepfand
Als Trauerrest der schönen Stunden;

Kein Katafalk, auf dem noch lang
Zur Schau läg' unsre tote Liebe,
Kein Angedenken, nicht ein Klang,
An dem der Schmerz verewigt bliebe.

Was aus ist, sei der Nacht zum Raub,
Vergessen sei es und versunken,
Und übrig bleibe nicht ein Staub,
Und nicht ein Hauch, und nicht ein Funken!

 

23

Der Morgen ist so rein, so schön,
Es wogt in den Wellen der brausende Föhn.
Ich seh' einen Stern, er sinkt in die Flut,
Der Stern und ich, wir kennen uns gut.

O hätte mir stets geleuchtet sein Glanz,
Mein Leben wäre noch voll und ganz,
So aber ist es entzweit, zerstückt,
Gebrochen, verarmt und ungeschmückt.

Das Höchste hab' ich erreicht, erjagt,
Das Schönste aber bleibt mir versagt;
Ich habe errungen ein glänzendes Los,
Es findet mich müd und freudelos.

Die mit mir teilen könnte mein Glück,
Die wendet sich ab und schaut zurück,
Sie schaut zurück an schön'res Gestad,
Zu rauh erscheint ihr mit mir der Pfad.

Ihr Herz ist mir fremd, es ist nicht mein,
Ich gehe bergab, ich geh' allein – –
Der Morgen ist so schön, so schön,
Es wogt in den Wellen der brausende Föhn.

 

24

Spät noch, wenn schon längst verklungen
Alle Saiten am Klavier,
Zittert noch, was du gesungen,
Durch die tiefste Seele mir;
Führt mich über Meeresweiten,
Söhnt mich aus mit dem Geschick
Und verknüpft mir alle Zeiten
Mit dem schönsten Augenblick.

Ja, noch mit der tiefen Wunde,
Die dein ernstes Wort mir schlug,
Preis' ich ewig hoch die Stunde,
Die dich mir entgegentrug.
Frevel wär' es, mehr zu sagen,
Doch es kühlt die bange Glut,
Daß wir auch noch im Entsagen
Uns verstehn – ach, gar zu gut!

 

25

So trostlos muß ich von dir gehn?
Du sagtest nicht »auf Wiedersehn!«
Ich fühle mich wie schuldbewußt,
Ich fühl' mich dir so ferne;
Die Nacht ist schwül, wie meine Brust,
Vom Himmel fallen die Sterne.

Allein und finster schreit' ich fort,
Versunken ist mit dir mein Hort;
O daß ich dich verlieren mußt'
In solche Seelenferne!
Die Nacht ist schwül, wie meine Brust,
Vom Himmel fallen die Sterne.

 

26

Wo deine Stimme klang,
Wo dein Gesang
Die Nächte mir versüßte,
Da hallt nun bang
Mein Seufzen in die Wüste.

Es wächst an jedem Ort
Das Unkraut fort,
Die Blume bei der Mauer
Verwelkt, verdorrt,
Ein Abbild meiner Trauer.

Es fehlt der Wink, die Hand,
Die sonst verband,
Mein Garten liegt darnieder,
Die Lust entschwand,
Denn du kommst nicht mehr wieder!

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