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Eismeer und Südsee

Im höchsten Nordmeer liegt ein Schiff, an Schollen Eises festgeschraubt,
Die Mannschaft auf dem Decke schläft, der Schnee liegt über ihrem Haupt.
Wie gellend auch der Nordwind pfeift, die Segel hängen eisumstarrt;
Kein Mast und keine Planke stöhnt, kein Tau und auch kein Ruder knarrt.

Doch jede Nacht das Nordlicht scheint und leuchtet in den weißen Tod,
Die hohlen Augen glühen hell, die bleichen Wangen werden rot.
Es malen sich ins Segeltuch Eisblumen, riesig, tropengroß,
Kristallne Blüten, geisterhaft, kalt, unbewegt und düftelos.

Vom dunklen Eisgebirge sehn gewalt'ge Schatten schwarz herab,
Wie von der Urwelt Tieren, die versteint hier ruhn im Felsengrab,
Und gleich als gärte jetzt noch tief, tief unterm Schnee die Feuerkraft,
So rollt ein tiefer Donner oft, daß weit das Eis in Schluchten klafft.

Und in der Südsee liegt ein Schiff, das liegt so still und unbewegt,
Ins windstill blaue Meer hinein wie in ein offnes Grab gelegt.
Von Leichen ist der Bord bemannt, die sehn so hohl und ausgebrannt,
Als hätten ihre Mumien die Katakomben ausgesandt.

Die Sandbank ward zum faulen Sumpf, und aus dem Sumpfe wächst hervor
Ein üppig wuchernd Pflanzenreich von Seetang, Schimmel, Moos und Rohr.
Verfaulend liegt das Fahrzeug da, aus jeder lecken Spalte faßt
Ein Grünes Wurzel und erhebt sich rankend bis empor zum Mast.

Von grünem Laubdach ist bedeckt das Haupt der Toten fort und fort,
Und Blumen blühn aus ihrem Mund, als sprächen sie das Lebenswort.
Statt Wimpeln weht das lange Schilf, und wo die Schiffslatern' gebrannt,
Fliegt Nachts ein grüner Glühwurm auf und leuchtet wie ein Diamant.


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