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Abendsternghaselen

 

1

Von dem Flammenmeer umgeben,
Das die Abendgluten weben,
Stern der Liebe, scheinst du doch!
Wie so mild und sanft daneben
Und wie siegreich scheinst du doch!
Wolken seh' ich sich erheben,
Durch die dunkeln scheinst du doch!
Auch in mein umnachtet Leben
Immer wieder scheinst du doch;
Aber insgeheim zu beben,
Stern der Liebe, scheinst du doch!

 

2

Gesundes Leben kann erkranken über Nacht,
Ein Fels, auf den wir bau'n, kann wanken über Nacht.
Es kommen, wenn wir fest entschlossen scheinen,
Uns oft ganz andere Gedanken über Nacht.
Wer heute lacht, kann morgen müssen weinen,
Die größten Reiche schon versanken über Nacht,
Nichts übrig lassend als ein Mal in Steinen.

 

3

Sitzt ein Vöglein unter meinem Dach, es singt,
Wenn ich Morgens noch so früh erwach', es singt,
Und am Abend, wenn die Blumen alle
Sich zum Schlummer legten müd am Bach, es singt.
Wenn es still wird, glaub' ich's noch zu hören,
Weil mein Leid und all mein Ach es singt.

 

4

Dir scheint die Rose frisch und rot zu sein,
Mir aber scheint in ihrer Brust der Tod zu sein,
Weil sie der Wurm in ihrem Grund umschleicht;
Was diesem Gift, scheint jenem Brot zu sein,
Der Schmetterling, der um die Flamme streicht,
Glaubt nicht von ihrer Glut bedroht zu sein.
Wie seltsam oft sich Gut und Böses gleicht,
Es scheint auch dies ein göttliches Gebot zu sein.

 

5

Holder trauter Stern im Schoß der Welle,
Wenn dein Licht sich zeigt im Schoß der Welle,
Tauchen glänzend, wie zum Festempfang,
Tausend Flammen auf im Schoß der Welle,
Und es breitet sich die Flut entlang
Wie ein goldner Weg im Schoß der Welle;
Aber weder Hand, noch Netz zum Fang
Hascht dich jemals auf im Schoß der Welle;
Ewig fern bleibt uns dein lichter Gang,
Wie am Himmel, auch im Schoß der Welle.


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