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Zehntes Buch.
Das Haus ist errichtet


Hundertsiebentes Kapitel

Es war ein unaussprechliches Wohlgefühl, alle Nebel und Dünste hinter sich zu haben. Während der Fahrt fanden wir – Winterton, Nasir und ich – uns in dankbarer Erleichterung vereint. Lord Winterton war unsere neueste Erwerbung, ein erfahrener Offizier aus Buxtons Kamelreiterkorps. Scherif Nasir, die Speerspitze des arabischen Heeres seit den Tagen bei Medina, war auserwählt worden, auch den letzten Zug des großen Spiels zu tun. Ihm gebührte die Ehre von Damaskus, wie ihm schon die Ehre von Medina, von Wedsch, von Akaba, von Tafileh und manchen Tagen harter Not zugefallen war.

Ein tapferer kleiner Ford arbeitete sich im Staub hinter uns drein, indes unser herrlicher Wagen Meile auf Meile des uns vertrauten Weges dahinglitt. Einst war ich stolz darauf gewesen, in drei Tagen von Asrak nach Akaba zu reiten; aber jetzt fuhren wir diese Strecke in zwei Tagen und schliefen dann gut des Nachts in dem etwas trauervollen Gedanken, behaglich wie die Großen des Krieges in einem Rolls-Royce fahren zu können.

Jetzt erst kam uns zum Bewußtsein, ein wie bequemes Leben sie führten. Ihre gepflegten Körper und unverbrauchten Muskeln halfen ihrem Hirn, sich auf die Schreibtischarbeit zu konzentrieren. Unser Hirn und unser Körper dagegen konnte sich nur der Betäubung eines einstündigen Schlafs während der Morgen- und Abenddämmerungen hingeben, den beiden Tageszeiten, an denen das Reiten nicht ratsam war. An vielen Tagen waren wir von vierundzwanzig Stunden zweiundzwanzig im Sattel und übernahmen dabei abwechselnd die Führung durch die Dunkelheit, während die anderen im Halbschlaf über dem Sattelknauf nickten.

Aber das war nur ein ganz leiser Halbschlaf. Wenn selbst dabei unser Bewußtsein schwand, drückten wir noch mit dem Fuß gegen die Schulter des Kamels, damit das Tier das Überlandtempo innehielt; und der Reiter wachte sofort auf, wenn das Gleichgewicht nur im geringsten durch einen falschen Schritt oder eine falsche Wendung des Tieres gestört wurde. Zudem waren wir dem Regen, dem Schnee und der Sonne ausgesetzt gewesen. Wir hatten wenig zu essen, wenig Wasser und waren weder vor den Türken noch vor den Arabern sicher. Aber auch in diesen angespannten Monaten bei den Stämmen konnte ich mit einer Sicherheit planen, die Neuhinzukommenden als irrsinnige Tollkühnheit erschien, tatsächlich aber auf der genauen Kenntnis meiner Menschen und Mittel beruhte. Nun aber war die Wüste nicht mehr wie sonst; ihre Unberührtheit war dahin und niemals mehr waren wir außer Sehweite von Menschen. Überall am Wege trafen wir auf kleine Kamelkolonnen: Truppen, Stämme, Nachschub, die langsam über die unendliche Ebene von Dschefer nordwärts zogen. An diesem geschäftigen Leben (ein gutes Omen für unsern rechtzeitigen Aufmarsch in Asrak) brauste unser Wagen vorbei; mein trefflicher Green, der Lenker, brachte es einmal sogar auf siebenundsechzig Meilen in der Stunde. Der halberstickte Nasir auf dem Führersitz konnte seinen zahlreichen Freunden, die wir überholten, immer nur im Vorbeisausen zuwinken.

In Bair fanden wir die Beni Sakhr in heller Aufregung auf die Meldung hin, daß die Türken am Tage vorher plötzlich mit starken Kräften vom Ghesa gegen Tafileh vorgestoßen wären. Mifleh glaubte, ich wäre übergeschnappt oder zu unzeitgemäßen Scherzen aufgelegt, als ich über diese Nachricht nur hellauf lachte. Vier Tage vorher hätte dieser Vorstoß die Asrak-Expedition bedenklich aufgehalten. Nun aber waren wir unterwegs, mochte der Feind ruhig Aba el Lissan, Guweira, meinetwegen auch Akaba nehmen – gesegnete Mahlzeit! Unsere Schauergeschichte von dem großen Vormarsch auf Amman hatte ihm nicht schlecht Beine gemacht, und jetzt lief sich der Ahnungslose die Stiefelsohlen ab, um unsere Finte zu parieren. Jeder Mann, den sie nach Süden schickten, bedeutete für sie einen – nein, zehn Mann Verlust.

In Asrak fanden wir einige Diener Nuri Schaalans, ferner das Crossley-Lastauto mit einem Fliegeroffizier, einem Mechaniker und dem Zeltschuppen für die beiden Flugzeuge, die unsern Aufmarsch decken sollten. Unsere erste Nacht verbrachten wir auf ihrem Flugplatz und mußten dafür büßen. Bis Sonnenuntergang beschäftigte sich eine Kamelfliege – ein gepanzertes Insekt, das wie eine Hornisse sticht – mit unsern ungeschützten Körperteilen. Dann brachte die Abendkühle etwas Erleichterung, und das Jucken ließ nach – dafür schlug der Wind um, und drei Stunden lang fegte er dicke Wolken heißen, beißend salzigen Sandstaubs über uns hinweg. Wir legten uns flach auf den Boden und zogen Decken über die Köpfe, aber an Schlaf war nicht zu denken. Alle halben Stunden mußten wir den angewehten Sand von uns schütteln, um nicht darunter begraben zu werden. Gegen Mitternacht ebbte der Wind ab. Wir krochen aus unsern schwitzigen Nestern und freuten uns, nun die lang ersehnte Nachtruhe zu genießen – als mit lautem Gesumm eine Wolke von Moskitos über uns herfiel; mit ihnen kämpften wir, bis der Morgen anbrach.

Anderntags verlegten wir daher das Lager auf die Höhe des Medschaberrückens, eine Meile westlich vom Wasser und hundert Fuß über den Salzsümpfen, allen Winden frei geöffnet. Wir holten erst ein wenig den versäumten Schlaf nach, richteten dann den Schuppen auf und gingen später in dem silbrigen Wasser baden. Wir entkleideten uns neben den kleinen Teichen, schimmernden Flächen, deren heller perlgrauer Untergrund den Himmel wie in Mondscheinglanz widerspiegelte. »Köstlich«, rief ich, sprang hinein und schwamm umher. »Aber warum tauchen Sie denn fortwährend unter Wasser?« fragte Winterton. Im nächsten Augenblick stach ihn eine Kamelfliege hinterwärts, jetzt verstand er und sprang mir nach. Wir schwammen umher und versuchten verzweifelt unsere Körper naß zu halten, um die grauen Schwärmer abzuwehren; aber sie waren so hungermutig, daß sie auch das Wasser nicht scheuten; nach fünf Minuten kämpften wir uns heraus und fuhren wie der Blitz in unsere Kleider, aus zwanzig dieser dolchartigen Stiche blutend.

Nasir stand dabei und lachte uns aus. Später wanderten wir zum alten Kastell hinauf, um dort den Mittag zu verbringen. In Ali ibn el Husseins altem Eckturm, dem einzigen Dach weit und breit in der Wüste, war es kühl und friedevoll. Draußen strich der Wind mit einem starren Rasseln durch die Palmen: ungepflegte Bäume, denn in dieser nördlichen Gegend lohnte ihre rote Dattelernte nicht, aber mit dicht und tief bezweigten Stämmen, die freundlichen Schatten spendeten. Unter ihnen saß Nasir ruhevoll auf seinem Teppich. Der Rauch seiner weggeworfenen Zigarette stieg kräuselnd in die warme Luft, zerfloß und verblaßte in den Sonnenflecken zwischen den Blättern. »Ich bin glücklich«, sagte er. Wir waren alle glücklich.

Am Nachmittag traf ein Panzerwagen zu unserem weiteren Schutz ein, wenn auch die Gefahr vom Feinde denkbar gering war. Drei Stämme deckten das Land zwischen uns und der Eisenbahn. In Dera standen vom Gegner nur vierzig Berittene; in Amman befand sich nichts mehr: also hatten bis jetzt wenigstens die Türken noch keine Kunde von uns. Am Morgen des Neunten flog ein feindliches Flugzeug über uns hin, schlug flüchtig einen Kreis und verschwand wieder, offenbar ohne uns zu sehen. Von der luftigen Höhe unseres Lagers aus konnten wir die Straßen nach Dera und Amman weithin überblicken. Wir zwölf Engländer, samt Nasir und seinen Sklaven, faulenzten tagsüber, schweiften umher, badeten bei Sonnenuntergang, saßen auf der Höhe und betrachteten die Aussicht oder hingen unsern Gedanken nach. Nachts schliefen wir friedlich und sorglos, oder ich wenigstens tat es, im Vollgenuß der köstlichen Ruhepause zwischen den glücklich behobenen Widrigkeiten von Aba el Lissan und den Kämpfen des nächsten Monats.

Die Hauptquelle dieser heiteren Stimmung schien wohl aus mir selbst zu kommen, denn dieser Marsch auf Damaskus (und als solcher stellte er sich schon unserer Phantasie dar) hatte mein gewohntes Gleichgewicht erschüttert. Ich fühlte hinter mir das Vibrieren der gespannten Erregung des arabischen Volks. Die Frucht jahrelangen Predigens war dem Reifen, das Werk seiner Krönung nahe: eine geeinte Nation drängte mit Allgewalt ihrer historischen Hauptstadt zu. In der Gewißheit, daß diese Waffe, die arabische Armee – gelenkt durch mich – allein genügen würde, um das kühnste meiner Ziele zu verwirklichen, kamen mir meine englischen Gefährten kaum noch in den Sinn, die meinen Ideen fernstanden und hier nichts sahen als einen Krieg wie jeden andern. Ich unterließ es, sie zu Mitgläubigen meiner Zuversicht zu machen.

Lange danach erfuhr ich, daß Winterton jeden Morgen in der Dämmerung aufgestanden war und den ganzen Horizont sorgsam abgesucht hatte, damit wir nicht etwa dank meiner Sorglosigkeit Überraschungen erlebten; und in Umtaije und Scheik Saad hatten uns die Engländer tagelang schon als verloren aufgegeben. Tatsächlich wußte ich und habe es gewiß auch ausgesprochen, daß wir so sicher waren, wie man es im Kriege überhaupt nur sein kann. Ihr Stolz hielt sie zurück, auch nur den geringsten Zweifel an meinen Plänen zu verraten.

Diese Pläne waren erstens eine Scheinbedrohung von Amman und zweitens, im Ernst, die Zerstörung der Eisenbahnlinien bei Dera. Weiter gedachte ich zunächst kaum zu gehen, denn ich hielt mir grundsätzlich bei der Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten die fernen Ziele offen.

Die Öffentlichkeit ist oft geneigt, allen Ruhm den Generälen zuzubilligen, weil sie nur die Befehle und die Ergebnisse kennt. Sogar Foch sagte (bevor er Armeen kommandierte), daß die Generäle die Schlachten gewännen – aber kein General hat je wirklich so gedacht. Der syrische Feldzug vom September 1918 war vielleicht der wissenschaftlich am genauesten ausgearbeitete der ganzen englischen Kriegsgeschichte, ein Feldzug, bei dem die rohe Gewalt das wenigste leistete und das Hirn das meiste. Alle Welt und besonders die Soldaten und Offiziere, die ihnen unterstanden, schrieben den Sieg Allenby und Bartholomew zu. Aber die beiden wollten das nie wahrhaben; denn sie wußten, daß ihre oft nur vagen Ideen sich erst in der Anwendung klärten, und daß ihre Soldaten es waren, die sie in die Wirklichkeit umsetzten.

Durch unsere Besetzung von Asrak war die erste Hälfte des Plans, Scheinbedrohung von Amman, bereits durchgeführt. Wir hatten an tausend Goldsovereigns an die Beni Sakhr gesandt, um alle Gerste von ihren Tennen aufzukaufen, die wir in etwa vierzehn Tagen für unsere Tiere und die englischen Verbündeten anfordern würden, hatten sie aber gebeten, nichts davon verlauten zu lassen. Dschab in Tafileh – dieser läppische Bauerntölpel – hatte natürlich nichts Gescheiteres zu tun, als die Nachricht schleunigst durch ganz Kerak zu verbreiten.

Gleichzeitig rief Faisal die Sebn in Bair zum Kriegsdienst auf, und Hornby, der jetzt (vielleicht etwas verfrüht) arabische Kleidung trug, bereitete einen größeren Vorstoß gegen Madeba vor. Seine Absicht war, etwa am 19., wenn er die Nachricht von Allenbys Vorgehen bekam, zu marschieren. Er hoffte, bei Jericho mit den Engländern in Fühlung zu kommen, so daß, falls unser Unternehmen gegen Dera scheiterte, wir uns zurückziehen und seinen Vorstoß verstärken konnten, was dann nicht mehr nur ein Scheinangriff, sondern der alte zweite Pfeil in unserm Köcher gewesen wäre. Jedoch machten hier die Türken mit ihrem Vormarsch auf Tafileh einen Strich durch die Rechnung, und Hornby mußte Schobek gegen sie verteidigen.

Was nun den zweiten Teil unsers Plans betraf, das Dera-Unternehmen, so mußte hier ein wirklicher Angriff eingeleitet werden. Als Vorspiel dazu beschlossen wir, die Bahn nahe Amman zu unterbrechen, wodurch eine etwaige Verstärkung Deras von Amman her verhindert und zugleich der Feind in der Überzeugung bestärkt wurde, daß unser Scheinmanöver ernst gemeint sei. Es schien mir am besten, zu diesem Vorspiel die Ghurkas zu verwenden (mit ägyptischen Pionieren zur Ausführung der Zerstörung), denn durch ihre Entsendung wurde die Hauptabteilung nicht von ihrem Hauptziel abgelenkt.

Dieses Hauptziel bestand darin, die Eisenbahnen im Hauran zu unterbrechen und ihre Wiederherstellung mindestens für eine Woche zu verhindern. Dazu standen drei Wege offen. Erstens konnte man nördlich von Dera bis zur Damaskusbahn vorstoßen, wie auf meinem Ritt mit Tallal im letzten Winter, und die Linie zerstören, um dann zur Jarmukbahn herüberzuwechseln. Zweitens konnte man südlich von Dera direkt auf den Jarmuk losmarschieren, wie mit Ali ibn el Hussein im November 1917. Die dritte Möglichkeit war ein unmittelbarer Angriff auf die Stadt Dera.

Dieser dritte Weg konnte nur dann eingeschlagen werden, wenn uns die Luftstreitkräfte zusichern konnten, die Station Dera so nachdrücklich mit schweren Bomben zu belegen, daß es einer Artilleriebeschießung gleichkam, wodurch wir dann mit unseren wenigen Kräften einen Sturm wagen konnten. Salmond hoffte dazu imstande zu sein; doch hing das davon ab, wieviel schwere Maschinen ihm zugewiesen oder rechtzeitig eintreffen würden. Dawnay wollte am 11. September mit dem endgültigen Bescheid zu uns herüberfliegen. Bis dahin hielten wir uns alle drei Möglichkeiten offen.

Von den Nachschubkolonnen traf meine Leibgarde als erste ein und kam am 9. September von Wadi Sirhan daherstolziert, strahlend, fetter als ihre fetten Kamele, ausgeruht und beglückt von ihrem Festmonat bei den Rualla. Sie berichteten, daß Nuri Schaalan nahezu bereit und entschlossen wäre, zu uns zu stoßen.

Am 10. kamen die beiden Flugzeuge von Akaba. Murphy und Junor, die beiden Piloten, richteten sich auf dem von Kamelfliegen heimgesuchten Platz häuslich ein, die förmliche Freudentänze aufführten angesichts dieser saftigen Saugobjekte. Am 11. traf der zweite Panzerwagen ein, dann auch Joyce mit Stirling, aber ohne Faisal. Marshall hatte darauf bestanden, ihn am nächsten Tage selbst herzubegleiten, und wenn Marshall, diese brave Seele mit der immer guten Laune, eine Sache in die Hand nahm, ging sie sicher gut. Young, Peake, Scott-Higgins und die Gepäckkolonnen trafen ein. Asrak bevölkerte sich immer mehr, und um die Teiche hallte es laut vom Gelärm und Geplantsch schlankkräftiger brauner, kupferroter und weißer Körper im durchsichtig klaren Wasser.

Am 11. kam auch das Flugzeug aus Palästina an. Leider war Dawnay wieder krank geworden, und der ihn vertretende Stabsoffizier, neu im Lande, hatte unter der rauhen Kälte schwer gelitten.

Seine festumrissene Selbstsicherheit, die mit den Augen des vollkommenen Engländers auf die Welt blickte, wurde durch all dieses Ungewohnte erschüttert und geriet vollends aus den Fugen über die regelwidrige und sträfliche Sorglosigkeit, mit der wir hier in der Wüste Feldzüge führten: ohne Feldwachen oder Wachtposten, Patrouillen, Schildwachen und Telephone, ohne irgendwelche wesentlichen Reserven, Verteidigungslinien, Zufluchtsorte oder eine Operationsbasis.

So kam es, daß er seine wichtigste Nachricht vergaß. Am 6. September nämlich hatte Allenby in einem plötzlichen Einfall zu Bartholomew gesagt: »Was wollen wir uns um Messudieh plagen? Lassen Sie die gesamte Kavallerie direkt auf Afuleh und Nazareth vorgehen.« So war der ganze Plan umgeworfen worden, und statt gegen ein bestimmtes, fest umgrenztes Objekt stieß der Angriff jetzt weit ins Unbestimmte vor. Davon erfuhren wir also kein Wort; aber durch ein Kreuzverhör der Piloten, die Salmond informiert hatte, bekamen wir ein klares Bild von dem Bestand an Bombenflugzeugen. Er blieb hinter dem Minimum dessen zurück, was wir für Dera brauchten. Wir entschlossen uns daher, die Stadt nördlich zu umgehen, um sicher die Bahn nach Damaskus zu zerstören, und die Flieger sollten währenddessen die Stadt nur zur Ablenkung mit einigen Bomben belegen.

Am nächsten Tage traf Faisal ein; und mit ihm Nuri Said, aus dem Ei gepellt wie stets, Dschemil der Artillerist, Pisani mit seinen Algeriern und unsere ganze Truppenmacht. Jedenfalls etwas mehr als Allenbys »drei Mann und 'n Junge«. Die grauen Fliegen hatten nun Tausende von Kamelen, um sich zu mästen, und angesichts dieser reichen Mahlzeit gaben sie Junor und seinen halbausgesogenen Mechaniker auf.

Am gleichen Nachmittag erschien Nuri Schaalan, mit Trad und Khalid, Faris, Dursi und dem Khaffadschi. Auch Auda abu Taji kam, mit Mohammed el Dheilan; ebenso Fahad und Adhub, die Führer der Sebn, mit Ibn Bani, dem Oberhaupt der Serahin, und Ibn Gendsch von den Serdijeh. Madschid ibn Sultan, von den Adwan bei Salt, kam herübergeritten, um zu hören, was Wahres sei an unserem Angriff auf Amman. Später am Abend ertönten von Norden her knatternde Flintenschüsse, und Tallal el Hareidhin, mein alter Weggenosse, kam rauschend angaloppiert, gefolgt von vierzig bis fünfzig berittenen Bauern. Sein lebenslustiges Gesicht strahlte vor Freude über unsere lang erhoffte Ankunft. Drusen und städtische Syrier, Isawijeh und Hawarneh ließen unsere Schar noch weiter anschwellen. Auch die Gerstenvorräte, bestimmt für unseren Rückmarsch, falls das Unternehmen mißlang (eine Möglichkeit, an die kaum jemand dachte), trafen nach und nach ein. Alles war gesund und wohlgemut.

Ausgenommen ich selbst. Das Menschengewimmel hatte mir die Freude an Asrak vergällt; und ich ging fort, das Tal hinunter zum einsamen Ain el Essad, und lag ganze Tage lang in meinem alten Versteck unter den Tamariskenbäumen, wo der Wind in den staubig grünen Zweigen rauschte wie in den Bäumen Englands. Er raunte mir zu, wie sterbensmüde ich dieser Araber sei; dieser halben Semiten, in deren Wesen Höhen und Tiefen lagen, unerreichbar für unsere Fassungskraft, wenn auch nicht verborgen unserem Blick. Sie waren gewissermaßen die Verkörperung des Absoluten in uns Menschen mit ihrer schrankenlos ungehemmten Fähigkeit sowohl zum Guten wie zum Bösen. Und zwei Jahre lang hatte ich, nur um sie auszunutzen, fälschlich ihren Gefährten gespielt.

Heute wurde es mir zur Gewißheit, daß sich meine Geduld hinsichtlich der schiefen Lage, in die ich geraten war, erschöpft hatte. Ein, zwei Wochen, drei vielleicht, und ich würde auf meine Entlassung bestehen. Meine Nerven waren zerrüttet; und ich konnte froh sein, wenn mein Zusammenbruch noch bis dahin verborgen blieb.

Joyce übernahm inzwischen Pflicht und Verantwortung, die ich in meinem Einsamkeitsbedürfnis vernachlässigte. Auf seinen Befehl wurden Peake mit dem ägyptischen Kamelreiterkorps, jetzt nur noch eine Pionierabteilung, und Scott-Higgins mit seinen Ghurkas, nebst zwei Panzerautos als Sicherung, in Marsch gesetzt, um die Bahn bei Ifdein zu unterbrechen.

Zu diesem Zweck sollte Scott-Higgins mit seinen flinken Indern – das heißt: flink zu Fuß, auf den Kamelen hingen sie wie nasse Säcke – nach Dunkelwerden ein Blockhaus stürmen. Dann sollte Peake die Nacht durch die Zerstörungen ausführen. Die Panzerautos sollten dann am Morgen ihren Rückzug nach der großen Ebene hin decken, über die wir, die Hauptarmee, nordwärts von Asrak nach Umtaije marschieren wollten, einer großen Regenwassergrube fünfzehn Meilen unterhalb Dera und unserm Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen. Wir gaben ihnen Rualla als Führer mit und sahen sie hoffnungsvoll abziehen zu diesem ersten wichtigen Vorspiel.


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