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Dreiundachtzigstes Kapitel

Nach meiner Rückkehr nach Akaba mußten die erübrigten freien Tage persönlichen Angelegenheiten gewidmet werden. Hauptsächlich wurde die Anwerbung einer Art Leibgarde zu persönlichem Schutz notwendig, denn Gerüchte hatten die Bedeutung meiner Person allmählich stark vergrößert. Anfangs, bei unsern ersten Taten um Rabegh und Janbo, hatten die Türken neugierig aufgemerkt, dann war es ihnen ungemütlich geworden, und sie konnten sich unsere Erfolge nur dadurch erklären, daß sie den Engländern die Leitung und treibende Kraft des arabischen Aufstandes zuschrieben, ganz ähnlich wie wir uns zu schmeicheln pflegten, die türkische Wirksamkeit sei auf deutschen Einfluß zurückzuführen.

Wie dem auch sei, die Türken wiederholten es so oft, bis es geglaubt wurde, und setzten eine Belohnung von vierhundert Pfund aus auf jeden britischen Offizier, lebendig oder tot. Mit dem Fortschreiten des Feldzuges erhöhten sie nicht nur die Prämie im allgemeinen, sondern machten sogar ein spezielles Angebot auf mich. Nach der Einnahme von Akaba wurde der Preis schon recht ansehnlich; nach dem Anschlag auf Mehmed Dschemal-Paschas Zug setzten sie Ali und mich an die Spitze ihrer Liste: Wert zwanzigtausend Pfund lebendig oder zehntausend Pfund tot.

Das Angebot stand natürlich nur auf dem Papier, und es blieb sehr zweifelhaft, ob es überhaupt je ausgezahlt worden wäre. Immerhin war doch einige Vorsicht am Platz. So begann ich denn meine Dienerschaft zu einer kleinen Truppe auszugestalten und suchte möglichst verwegene Kerle anzuwerben, Geächtete, die durch irgendeine Gewalttat mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren. Ich brauchte zähe Reiter und anspruchslose Menschen, ohne Anhang und ganz auf sich selbst gestellt. Drei oder vier von dieser Sorte fanden sich denn auch glücklich bald als Grundstock zu mir.

Eines Nachmittags saß ich ruhig lesend in Marshalls Zelt in Akaba (ich wohnte im Lager stets mit Marshall, unserm schottischen Arzt, zusammen), als lautlos über den Sand plötzlich ein Ageyli eintrat, klein, schwarz, hager, aber prächtig gekleidet. Auf seiner Schulter trug er die schönsten Hasa-Satteltaschen, die ich je gesehen hatte. Das wollene Knüpfgewebe, grün und scharlachrot, weiß, orange und blau, war auf beiden Seiten mit fünf Reihen gewirkter Quasten besetzt, und von seiner Mitte und seinem unteren Rand hingen fünf Fuß lange Schnüre herab, geflochten in feinstem Arabeskenmuster und wiederum mit Quasten und Fransen besetzt.

Der junge Mann grüßte mich ehrerbietig, legte mit dem Wort: »Dein« die Satteltaschen auf meinen Teppich nieder und verschwand ebenso plötzlich, wie er gekommen war. Am nächsten Tage kam er wieder mit einem Kamelsattel von gleicher Schönheit, die langen messingnen Hörner an den Pauschen geziert mit der auserlesensten Alt-Jemen-Gravierarbeit. Am dritten Tage erschien er mit leeren Händen, in einem ärmlichen Baumwollhemd, kniete zusammengekrümmt vor mir nieder und sagte, er möchte gern in meine Dienste treten. Ohne seine seidenen Kleider machte er einen etwas befremdenden Eindruck: sein Gesicht, runzlig, von Pocken zerfressen und dazu bartlos, konnte jedes Alter haben, während sein schmiegsamer Körper der eines Jünglings war und auch in seiner Haltung etwas von der Unbefangenheit eines jungen Burschen lag.

siehe Bildunterschrift

El Saagi.
Pastellzeichnung von Kennington

Sein langes schwarzes Haar hing in je drei dünne Zöpfe geflochten zu beiden Seiten des Gesichts herab. Er hatte schwache Augen, die zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen waren. Der Mund war sinnlich, leicht geöffnet, feucht und gab ihm ein gutmütiges, aber zugleich etwas zynisches Aussehen. Ich fragte ihn nach seinem Namen; er antwortete Abdulla, genannt el Nahabi, der Räuber; den Beinamen, sagte er, habe er von seinem angesehenen Vater ererbt. Sein eigenes Leben war wenig glücklich gewesen. Er war in Boreida geboren und schon in seiner Jugend wegen Gottlosigkeit von der Behörde bestraft worden. Kaum erwachsen, trieb ihn ein Mißgeschick im Hause einer verheirateten Frau zu schleuniger Flucht aus seiner Heimat, worauf er bei Ibn Saud, Emir von Nedschd, Dienste nahm.

In diesem Dienst brachte ihm sein gottloses Fluchen Prügelstrafen und Gefängnis ein. Er entwich daher nach Kuweit, wo ihn sein Liebesbedürfnis wiederum in Ungelegenheiten brachte. Nach seiner Freilassung ging er nach Hail und ließ sich unter das Gefolge Ibn Raschids, des Emirs, anwerben. Unglücklicherweise erregte er das Mißfallen seines Offiziers, so daß dieser ihn öffentlich mit dem Kamelstock verprügelte. Er zahlte es ihm in gleicher Münze heim; und nach langsamer Genesung im Gefängnis fand er sich wiederum einsam in der Welt.

Die Hedschasbahn war gerade im Bau, und er meldete sich in der Hoffnung auf reichen Gelderwerb. Aber der Aufseher kürzte ihm seinen Lohn, weil er am hellen Mittag geschlafen hatte. Aus Rache dafür kürzte er den Aufseher um seinen Kopf. Die türkische Regierung schritt ein, und er fand es wenig erfreulich, sein Dasein im Gefängnis von Medina zu verbringen. Er entwich durch ein Fenster, gelangte nach Mekka und wurde dort auf Grund seiner erwiesenen Rechtschaffenheit und da er ein tüchtiger Kamelreiter war, als Postbeförderer zwischen Mekka und Dschidda angestellt. Bei diesem Amt blieb er, entsagte seinen jugendlichen Streichen und ließ Vater und Mutter nach Mekka kommen; von dem Kapital, das er sich aus Kommissionsgeldern von Kaufleuten und Räubern zusammengebracht hatte, kaufte er ihnen einen Laden und ließ sie für sich arbeiten.

Nach einem Jahr des Wohlstands wurde er unterwegs überfallen und verlor dabei sein Kamel und die ganze Dienstpost. Als Schadenersatz wurde sein Laden beschlagnahmt. Er rettete so viel aus dem Zusammenbruch, um sich als Soldat auszustatten und in die Kamelpolizei des Scherifs einzutreten. Dank seiner Tüchtigkeit brachte er es zum Unteroffizier; aber seine Abteilung machte allzuoft von sich reden durch die Gepflogenheit, bei jeder Gelegenheit mit Dolchen um sich zu stechen, und durch sein ruchloses Mundwerk – ein Maul, das den Unflat der Bordelle sämtlicher arabischer Städte ausspie. Allzuoft verzerrten sich seine Lippen in Hohn, bissigem Spott, Geilheit und Lüge; und als er degradiert wurde, schrieb er seinen Sturz dem Racheakt eines eifersüchtigen Ateibi zu, den er im Hof vor den Augen des empörten Scherifs Scharraf erstach.

Scharrafs strenger Sinn für öffentliche Moral verurteilte Abdulla zur allerschwersten der Züchtigungen, an der er wirklich fast gestorben wäre. Als er sich erholt hatte, trat er in Scharrafs Dienste. Beim Ausbruch des Krieges wurde er Ibn Dakhil zugeteilt, dem Hauptmann der Ageyl bei Faisal. Aber durch die Meuterei in Wedsch verlor Ibn Dakhil seinen Posten. Abdulla sehnte sich nach Kameradschaft in Reih und Glied, und Ibn Dakhil hatte ihm ein Empfehlungsschreiben für mich mitgegeben.

Der Brief besagte, daß er zwei Jahre lang treu, aber respektlos gewesen sei – bei Söhnen der Schande nicht verwunderlich. Er sei der erfahrenste der Ageyl, habe jedem arabischen Fürsten gedient und sei, nach Peitsche und Gefängnis, aus jedem Dienst wieder entlassen worden wegen Temperamentsäußerungen von allzu ausgesprochener Eigenart. Er sei – schrieb Ibn Dakhil – der beste Reiter nach ihm selbst und ein vorzüglicher Kamelkenner, tapfer wie nur irgendein Sohn Adams, kein Kunststück übrigens, da er wegen seiner schwachen Augen die Gefahr gar nicht sähe. – In der Tat, ein Gefolgsmann, wie ich ihn brauchte! Und ich warb ihn sofort an.

In meinem Dienst bekam er nur einmal das Loch zu schmecken. Es war im Hauptquartier Allenbys, als mich ein verzweifelter Kriegsgerichtsrat anrief und mir mitteilte, man habe einen wilden Mann, bewaffnet vor der Tür des Oberkommandierenden sitzend, gefunden; er sei ohne Aufhebens nach der Wache gebracht worden, wo er Orangen hinunterschlänge, als gelte es eine Wette, und erklärte, er wäre mein Sohn und einer von Faisals Hunden. Die Orangen hätte er schon fast alle vertilgt.

So erlebte Abdulla sein erstes Telephongespräch. Er sagte zu dem Armeekriegsgerichtsrat, daß es sehr zu begrüßen wäre, wenn es in jedem Gefängnis eine derartige Verpflegung gäbe, und nahm dann feierlich von ihm Abschied. Die Zumutung, im Bereich des Hauptquartiers von Ramleh unbewaffnet zu gehen, wies er mit Entrüstung zurück und bekam denn auch einen Schein, daß er Säbel, Dolch, Pistole und Gewehr tragen dürfe. Sofort nach seiner Entlassung ging er in die Wachtstube zurück und verteilte Zigaretten unter die Militärpolizei.

Abdulla prüfte alle, die in meinen Dienst treten wollten, und dank ihm und Saagi, meinem anderen Kommandanten (einem steifen Mann vom normalen Offiziertyp), versammelte ich eine prächtige Schar der gewiegtesten Burschen um mich. Die Engländer in Akaba nannten sie nur die Halsabschneider, aber sie schnitten nur auf meinen Befehl Hälse ab. Vielleicht mag es manchem als ein Fehler erschienen sein, daß sie keine andere Autorität anerkannten als die meine. Immerhin, war ich abwesend, so waren sie mit Major Marshall sehr freundlich und hielten ihm von der Frühe bis zum Abend unverständliche Vorträge über Kamele, deren Rassen, Zucht und Krankheiten. Marshall war sehr geduldig; und zwei oder drei von ihnen pflegten schon vor Morgengrauen wartend neben seinem Lager zu sitzen, um dann, sobald er erwacht war, den Unterricht fortzusetzen.

Mehr als die Hälfte meiner Schar (fast fünfzig von den neunzig) waren Ageyl, die zähen geschmeidigen Dörfler aus dem Nedschd, der Schmuck und die Zierde von Faisals Armee, die mit ihren Reitkamelen wie zusammengewachsen waren. Sie riefen ihre Tiere mit Namen auf hundert Schritt Entfernung und ließen sie als Wache bei ihren Habseligkeiten zurück, wenn sie abstiegen. Die Ageyl waren gewinnsüchtig und leisteten nur Gutes, wenn sie gut bezahlt wurden; deshalb erfreuten sie sich keines guten Rufes. Und doch gebührt die Ehre, die kühnste Einzeltat des arabischen Krieges vollbracht zu haben, einem Ageyli, nämlich jenem, der zweimal durch die unterirdische Wasserleitung nach Medina hineinschwamm und genaue Nachrichten aus der belagerten Stadt brachte.

Ich bezahlte meinen Leuten sechs Pfund im Monat, den üblichen Armeesold für Mann und Kamel, machte sie aber auf meinen eignen Tieren beritten, so daß der Sold reiner Verdienst war; das machte den Dienst bei mir sehr begehrt und führte mir die Tüchtigsten aus dem Lager zu. Die Art meiner Unternehmungen – und ich war beschäftigter als je – erforderte lange, schnelle und anstrengende Ritte, ohne Rücksicht auf Reiter oder Tier. Der gewöhnliche Araber, dem sein Kamel sein halbes Vermögen bedeutet, konnte nicht riskieren, sein Tier zuschanden zu reiten bei meinen Gewaltritten, und sie waren auch für den Mann selbst höchst anstrengend.

Also brauchte ich die ausgesuchtesten Reiter auf meinen eigenen Tieren. Die zuverlässigsten und kräftigsten Kamele wurden zu hohen Preisen angekauft. Wir wählten sie nach Schnelligkeit und Ausdauer, ohne Rücksicht darauf, ob ihr Gang für den Reiter unbequem und ermüdend war; und gerade die hartgehenden erwiesen sich oft als die besten. Waren die Kamele verbraucht, so wurden sie ausgetauscht oder kamen in unser Kamellazarett. Saagi machte jeden Mann persönlich verantwortlich für den guten Zustand seines Tieres wie seines Sattelzeugs.

Die Burschen waren stolz darauf, meiner Leibgarde anzugehören, und entwickelten einen fast feurig zu nennenden Korpsgeist. Gekleidet waren sie wie ein Tulpenbeet: in allen erdenklichen Farben, ausgenommen weiß; denn das war mein ständiger Anzug, und sie wollten nicht den Anschein erwecken, als ob sie sich mir gegenüber etwas herausnähmen. In einer halben Stunde waren sie marschbereit für einen Ritt von sechs Wochen, das Höchstmaß, bis zu dem Verpflegung im Sattel mitgenommen werden konnte. Gepäckkamele mitzuführen, hätten sie als Schande betrachtet. Sie ritten Tag und Nacht ununterbrochen ganz nach meinem Gutdünken und setzten eine Ehre darein, nie Ermüdung zu zeigen. Wenn etwa einmal ein Neueingestellter murrte, so brachten ihn die andern rasch zum Schweigen oder gaben ihm rücksichtslos anderweitig Ursache zu jammern.

Sie fochten wie die Teufel, wenn ich es befahl – manchmal auch ohne meinen Befehl, aber nur gegen Türken oder nicht zum Korps Gehörige. Sich innerhalb der Leibgarde zu schlagen, galt als größte Beleidigung. Sie verlangten außergewöhnliche Belohnung und außergewöhnliche Züchtigung. Sie prahlten in der ganzen Armee mit ihren Strafen und ihren Gewinsten. Aber diese hochgradige Unvernunft erhielt sie mir fähig für jede Anstrengung und jedes Wagnis.

Abdulla und Saagi regierten sie unter meiner Autorität mit einer Barbarei, die nur dadurch ausgeglichen wurde, daß jeder die Möglichkeit hatte, den Dienst aufzusagen, wenn er wollte. Jedoch nur einer trat zurück. Die übrigen aber, obwohl junge Männer mit allen körperlichen Begehrnissen, die angelockt waren von diesem regellosen Leben mit guter Nahrung, spärlicher Übung und reichem Gewinn, schienen die Gefahr gleichsam zu heiligen, schienen von ihren Leiden wie bestrickt zu sein. Dienstbarkeit erfuhr im Osten, wie so vieles andere in der Daseinsführung, eine tiefgreifende Änderung im Wesen durch die Besessenheit der orientalischen Menschen von der Antithese zwischen Körper und Geist. Diese Burschen fanden eine Lust in der Unterordnung, in der Erniedrigung ihres Körpers, so als ob sie ihre Freiheit durch die Gleichheit im Geistigen noch stärker hervortreten lassen wollten. Man könnte fast sagen, sie zogen die Dienstbarkeit vor, weil sie reicher an Erleben als die Autorität und weniger bindend in den Sorgen des Alltags war.

Infolgedessen waren die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen in Arabien gleichzeitig freier und gebundener, als ich es je anderswo erlebt hatte. Die Dienenden fürchteten das Schwert der Justiz und die Peitsche des Aufsehers, nicht weil das eine willkürlich ihr Leben beenden und die andere schmerzhaft rote Striemen über ihre Lenden ziehen konnte, sondern weil dies die Symbole und die Mittel waren, denen sie Gehorsam gelobt hatten. Sie hatten eine Freudigkeit, sich zu unterwerfen, eine Willigkeit in dem Bereitsein, ihrem Herrn bis zum Äußersten zu dienen und ihr Fleisch und Blut bis zum letzten für ihn hinzugeben, weil sie geistig mit ihm gleichstanden und die Verpflichtung eine freiwillige war. Eine solche unbedingte Hingabe schloß Demütigung, Unzufriedenheit und Aufsässigkeit aus.

Bei dieser ihrer Verpflichtung zur höchsten Ausdauer war es entwürdigend für den Mann, wenn er aus Nervenschwäche oder Mangel an Schneid den Forderungen nicht entsprach. Schmerz war für sie etwas Erlösendes, etwas Reinigendes, ja fast eine Auszeichnung, den man mit Stolz tragen konnte, wenn man ihn überstand. Furcht, der stärkste Antrieb für den Trägen, war ausgeschaltet bei uns, da Liebe zu einer Idee – oder einer Person – erweckt worden war. In einem solchen Falle wurden Strafen zu etwas Nebensächlichem, und aus dem Zwang des Gehorsams wurde die bewußte Freiheit des Gehorchens. Dem, was sie erfüllte, brachten sie ihr Dasein dar, und in dem völligen Aufgehen darin standen sie jenseits von Tugend und Laster. Mit Freuden opferten sie dafür ihr Leben, und mehr als das: das Leben ihrer Kameraden; denn es ist manchmal schwerer, andere opfern zu müssen als selbst Opfer zu sein.

Aber nur mit grausamer Härte konnte man diese besessenen arabischen Kerls in Rand und Band halten. Außerdem waren meine Leute Blutfeinde aus dreißig verschiedenen Stämmen, und wenn ich nicht die Hand über sie gehalten hätte, würden sie täglich gemordet haben. Ihre Fehden verhinderten, daß sie sich gegen mich zusammenschlossen, während die Verschiedenheit ihrer Herkunft mir Bürgen und Spione an die Hand gab, wohin immer ich ging oder sie schickte zwischen Akaba und Damaskus, zwischen Bersaba und Bagdad. Fast sechzig von ihnen fielen in meinem Dienst.

In ausgleichender Gerechtigkeit zwangen mich die Tatsachen, es meiner Leibgarde gleichzutun und ebenso hart, ebenso blitzartig und ebenso tollkühn zu werden. Dabei lagen die Umstände erheblich zu meinen Ungunsten, aber das Klima kam mir manchmal zugute. In dem kurzen Winter übertraf ich meine Leute mit meinen Bundesgenossen: dem Frost und dem Schnee. In der Hitze übertrafen sie mich. Im Ertragen gaben wir uns gegenseitig nichts nach. Jahre vor dem Kriege hatte ich mich durch beharrliche Gleichgültigkeit gegen mich selbst den Bedingungen des Landes angepaßt. Ich hatte gelernt, viel auf einmal zu essen, dann aber zwei, drei und auch vier Tage ohne Nahrung zu sein und danach mich wieder vollzuschlagen. Ich machte es mir zur Regel, in bezug auf das Essen keine Regeln zu befolgen; und da ich immerzu Ausnahmen machte, gewöhnte ich mich daran, überhaupt keine Gewohnheiten zu haben.

Auf diese Weise war ich organisch der Wüste gewachsen, fühlte weder Hunger noch Übersättigung und wurde nicht durch den Gedanken ans Essen abgelenkt. Auf dem Marsch brauchte ich zwischen zwei Brunnen nicht zu trinken und konnte wie die Araber den Durst von gestern und von morgen stillen, indem ich auf einmal übermäßig viel trank.

Obwohl der Schlaf für mich stets das größte Vergnügen auf der Welt blieb, ersetzte ich ihn durch ein unbequemes Schwanken im Sattel während eines Nachtrittes; oder ich konnte mehrere mühevolle Nächte nacheinander überhaupt darauf verzichten, ohne übermäßige Ermüdung zu fühlen. Dieses Sich-Freimachen-Können war das Ergebnis jahrelanger Selbstzucht (die Verachtung der Gewohnheit mag wohl die Erziehung zur Männlichkeit sein), und ich wurde dadurch für unsere Arbeit besonders befähigt. Aber natürlich war das bei mir, halb durch Übung, halb durch aufgezwungene Versuche, teils freiwillig, teils aus Not zustande gekommen, nicht so mühelos wie bei den Arabern. Aber als Ausgleich kam bei mir die Triebkraft des Wollens hinzu. Der weniger straffe Wille der Araber ließ eher als der meine nach, und ich mochte im Vergleich mit ihnen zäh und rührig erscheinen.


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