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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Die günstigen Nachrichten belebten die Armee, und bald nach Mitternacht begann sie sich nordwärts in Bewegung zu setzen. Beim Morgengrauen sammelten wir die einzelnen Gruppen im Wadi Mija, zwölf Meilen südlich der Stadt, marschierten geschlossen weiter und trafen dann auf versprengte türkische Abteilungen, von denen einzelne kurzen Widerstand leisteten. Die Ageyl saßen ab, um sich ihrer Mäntel, Kopftücher und Kleider zu entledigen; dann gingen sie in ihrer braunen Halbnacktheit vor, wodurch, wie sie erklärten, etwaige Wunden sauber und außerdem ihre kostbaren Gewänder unbeschädigt bleiben würden.

Ibn Dakhil, ihr Führer, hielt sie in leidlicher Ordnung. Die Kompanien rückten in offenen Reihen nacheinander mit Zwischenräumen von vier bis fünf Yard vor, mit einer gleichen Anzahl Kompanien in Reserve, und sie nutzten die geringe vorhandene Deckung gut aus.

Es war hübsch anzusehen, wie diese kräftigen braunen Männer im Sonnenlicht durch das sandige Tal schritten, in dessen Mitte der türkisblaue Spiegel eines Salzsees erglänzte, von dem sich die beiden vorangetragenen Banner rot leuchtend abhoben. Sie gingen in einem langen, gleichmäßigen Schritt vor, in einem Tempo von fast sechs Meilen in der Stunde, in tiefstem Schweigen, und erreichten und erklommen die steile Höhe bei Wedsch, ohne einen Schuß abzufeuern. Auf diese Weise erfuhren wir, daß die Arbeit schon für uns getan war, marschierten weiter und fanden den jungen Saleh, den Sohn Ibn Schefias, im Besitze der Stadt. Er erzählte uns, daß seine Verluste fast zwanzig Tote betrugen; später hörten wir, daß ein britischer Fliegeroffizier bei einem Erkundungsflug tödlich verletzt und ein englischer Matrose am Fuß verwundet worden war.

Vickery, der die Schlacht geleitet hatte, war befriedigt, aber ich konnte seine Zufriedenheit nicht teilen. In meinen Augen war jedes unnötige Gefecht, jeder überflüssige Schuß oder Verlust nicht Verschwendung, sondern Sünde. Ich vermochte nicht die berufsmäßige Ansicht zu teilen, daß jede erfolgreiche Aktion als Gewinn zu buchen sei. Unsere Aufständischen waren kein Kanonenfutter, sondern unsere Freunde, die unserer Führung vertrauten. Wir waren nicht einheimische, sondern fremde Befehlshaber, die sie sich ausgebeten hatten; und unsere Leute waren Freiwillige, Einzelpersönlichkeiten, Ortsansässige, Verwandte, so daß ein Todesfall für viele in unserem Heer einen persönlichen Verlust bedeutete. Aber auch vom rein militärischen Standpunkt gesehen schien mir der Angriff ein Fehler zu sein.

Die zweihundert Türken in Wedsch besaßen weder Transport- noch Nahrungsmittel; und sich selbst überlassen, hätten sie sich nach wenigen Tagen ergeben müssen. Auch ihr Entkommen würde nicht das Leben eines einzigen Arabers aufgewogen haben. Wir brauchten Wedsch als Operationsbasis gegen die Bahnlinie und zur Ausdehnung unserer Front; das Zerstören und Töten dort war überflüssig gewesen.

Der Ort war schwer mitgenommen. Die Bewohner waren durch Faisal von dem bevorstehenden Angriff in Kenntnis gesetzt worden; er hatte ihnen geraten, ihm entweder durch einen örtlichen Aufstand zuvorzukommen oder die Stadt zu räumen. Aber meistens waren es Ägypter aus Kossehr, die die Türken uns vorzogen, und sie beschlossen, den Ausgang abzuwarten. So fanden die Schefia und Biascha in den Häusern reichliche Beute und machten reinen Tisch. Sie plünderten die Läden, brachen die Türen auf, durchsuchten jeden Raum, zerschlugen Kisten und Schränke, rissen alle Einrichtungsgegenstände herunter und zerschnitten Matratzen und Kissen, um nach verborgenen Schätzen zu suchen, während das Feuer der Flotte große Löcher in hervorstehende Gebäude und Gemäuer schlug.

Unsere Hauptschwierigkeit war die Landung der Vorräte. Die »Fox« hatte alle vorhandenen Leichter und Ruderboote versenkt, und irgendeine Art von Kai war nicht vorhanden. Aber die »Hardinge« kam uns zu Hilfe, wagte sich in den Hafen (der breit genug, aber zu kurz war) und landete unseren Proviant mit ihren eigenen Kuttern. Aus den Leuten Ibn Schefias stellten wir einen ziemlich abgematteten Arbeitstrupp zusammen, und mit seiner wenn auch etwas langsamen und ungeschickten Hilfe brachten wir soviel Lebensmittel an Land, wie wir für den Augenblick brauchten. Die Stadtbewohner waren zurückgekehrt, ausgehungert und voller Wut über den Zustand, in dem sie ihr Besitztum fanden; aus Rache begannen sie alles zu stehlen, was nicht bewacht wurde, schnitten sogar die am Ufer liegenden Reissäcke auf und schleppten ganze Haufen davon in ihren aufgeschürzten Kleidern weg. Faisal sorgte für Abhilfe durch Ernennung des erbarmungslosen Maulud zum Stadtgouverneur. Dieser ließ seine Rauhreiter kommen, und nach einem Tag heilsamer Verhaftungen und summarischer Aburteilungen hatte er jedermann davon überzeugt, daß man besser die Finger von unseren Sachen ließe. Die Stille der Furcht lagerte sich über Wedsch.

siehe Bildunterschrift

Dschaafar.
Pastellzeichnung von Kennington

Schon in den wenigen Tagen bis zu meiner Abreise nach Kairo begann sich der Nutzen unseres Demonstrationsmarsches bemerkbar zu machen. Die arabische Bewegung hatte jetzt keinen Gegner mehr im westlichen Arabien und war über die Gefahr des Zusammenbruchs hinaus. Die ärgerliche Rabegh-Frage verschwand von der Bildfläche; und wir hatten uns die Anfangsgründe beduinischer Kriegsweise zu eigen gemacht. Von dem Gewinn unserer neuerworbenen Erfahrungen aus betrachtet, schien der Tod dieser armen zwanzig Menschen in den Straßen von Wedsch nicht mehr so schrecklich. Vickerys Ungeduld war, mit kühlem Blute beurteilt, vielleicht gerechtfertigt.


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