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Zweites Buch.
Die Eröffnung der arabischen Offensive


Siebzehntes Kapitel

Ein paar Tage später gab mir Clayton den Auftrag, zu Faisal nach Arabien zurückzukehren. Das paßte mir wenig, und ich machte geltend, daß ich mich für diese Aufgabe durchaus ungeeignet fühlte. Ich erklärte, daß mir jede Art von Verantwortung zuwider wäre – zweifellos bedingte das Amt eines gewissenhaften Ratgebers ein hohes Maß von Verantwortung – und daß mich von jeher Dinge mehr interessiert hätten als Menschen, und Ideen mehr noch als Dinge. Daher würde mir die Verpflichtung, mich bei Menschen durchzusetzen und sie auf bestimmte Zwecke hin zu beeinflussen, doppelt schwerfallen. Ich wäre nichts weniger als Soldat und verabscheute alles Soldatische. Gewiß, ich hätte die üblichen Werke gelesen (allzuviele), Clausewitz und Jomini, Mahan und Foch, hätte Napoleons Feldzüge durchgespielt, mich mit der Taktik Hannibals, den Kriegen Belisars beschäftigt, wie alle anderen in Oxford; aber ich hatte mich nie so recht in den Geist eines Befehlshabers hineingedacht, der selbständig Feldzüge zu führen genötigt war.

Schließlich erinnerte ich Clayton daran, daß ja der Sirdar bereits telegraphisch in London aktive Offiziere angefordert habe, die die nötigen Fachkenntnisse zur Leitung des arabischen Feldzuges besäßen. Clayton wendete ein, daß bis zu deren Ankunft Monate vergehen würden, inzwischen aber müßte Faisal fest an uns gebunden und sein Bedarf schnellstens nach Ägypten gemeldet werden. So blieb mir nichts übrig, als zu gehen. Ich mußte die Abfassung der von mir ins Leben gerufenen arabischen Tagesberichte, die Karten, die ich zeichnen wollte, und die Berichte über die türkische Armee – alles Beschäftigungen, die mich fesselten und meiner Vorbildung entsprachen – andern überlassen, um dafür eine Rolle zu übernehmen, für die ich keine Neigung verspürte. Da unser Aufstand Erfolge zeitigte, haben Außenstehende unsere Führung gepriesen; hinter der Szene jedoch spielte sich das ganze Durcheinander dilettantenhaften Dreinpfuschens ab, planlosen Experimentierens, der Streitigkeiten und launenhafter Willkür.

Ich reiste also nach Janbo, jetzt die spezielle Operationsbasis von Faisals Armee, wo Garland auf eigene Faust den Leuten des Scherifs beibrachte, wie man Eisenbahnen mit Dynamit in die Luft sprengt und wie man Proviantmagazine in gehöriger Ordnung hält. Mit dem ersten hatte er mehr Glück. Garland war Physikgelehrter und hatte jahrelange praktische Erfahrung in Sprengstoffen. Er hatte seine eigenen Kniffe, um Eisenbahnen zu unterminieren, Telegraphenmaste umzulegen und Strecken zu unterbrechen; seine Kenntnis des Arabischen und sein Freisein von allen offiziellen Regeln der Pioniervorschrift befähigten ihn, die ungebildeten Beduinen in der Kunst der Zerstörung schnell und erfolgreich zu unterrichten. Seine Schüler bewunderten in ihm einen Mann, der niemals um einen Ausweg verlegen war.

Nebenbei lehrte er mich das Vertrautwerden mit hochexplosiven Stoffen. Die Pioniere gingen damit wie mit einem Sakrament um; Garland aber brachte es fertig, eine Handvoll Sprengpatronen zusammen mit einem Stück Zündschnur, Zündkapseln und Streichhölzern in seine Tasche zu stopfen, dann vorgeneigt auf sein Kamel zu springen und für eine Woche nach der Hedschasbahn zu reiten. Seine Gesundheit war schwach, und durch das Klima wurde er regelrecht krank. Nach jeder heftigen Anstrengung oder Krise machte ihm sein Herz schwer zu schaffen; aber er behandelte diese Beschwerden ebenso sorglos wie seine Sprengstoffe und hielt durch, bis er den ersten Zug zum Entgleisen gebracht und die erste Brücke in Arabien in die Luft gesprengt hatte. Bald danach starb er.

An der Lage im Hedschas hatte sich in dem verflossenen Monat manches verändert. In Befolgung seines früheren Plans war Faisal in das Wadi Janbo vorgerückt und traf Vorkehrungen, seine rückwärtige Verbindung zu sichern, bevor er den groß angelegten Vorstoß gegen die Eisenbahn unternahm. Um ihm die lästigen Harb-Stämme vom Leibe zu halten, war sein junger Halbbruder Seid von Rabegh nach dem Wadi Safra unterwegs, offiziell als Untergebener des Scherifs Ali. Die nach dem Innern zu wohnenden Clans der Harb beunruhigten mit viel Erfolg die türkischen Verbindungslinien zwischen Medina und Bir Abbas. Fast jeden Tag sandten sie Faisal einen kleinen Transport erbeuteter Kamele, nach einem Gefecht aufgelesener Gewehre, oder Gefangene und Überläufer.

Rabegh, das durch das erste Erscheinen türkischer Flugzeuge am 7. November stark beunruhigt worden war, hatte inzwischen wieder Sicherheit gewonnen durch die Ankunft einer Staffel britischer Flugzeuge unter Major Ross, der so geläufig Arabisch sprach und ein so glänzender Führer war, daß man über die kluge Leitung seiner Hilfsmaßnahmen nur einer Meinung sein konnte. Woche für Woche trafen weitere Geschütze ein; zuletzt waren dreiundzwanzig beisammen, meist veraltet und vierzehn verschiedene Modelle. Ali hatte über dreitausend Araber Infanterie, davon zweitausend Mann Reguläre in Khaki, unter Asis el Masri. Dazu ein Kamelreiterkorps von neunhundert Mann und dreihundert Ägypter. Auch französische Artilleristen waren zugesagt.

Scherif Abdulla war schließlich am 12. November von Mekka abgerückt. Vierzehn Tage später stand er, wie vorgesehen, im Süden, Osten und Nordosten von Medina und könnte der Stadt die Zufuhr aus Kasim und Kuweit abschneiden. Abdulla hatte etwa viertausend Mann – besaß aber nur drei Maschinengewehre und zehn taugliche Gebirgsgeschütze, bei Taif und Mekka erbeutet. Er war daher nicht stark genug, seinen Plan eines regelrechten Angriffs auf Medina gemeinsam mit Ali und Faisal durchzuführen. Er konnte die Stadt nur blockieren; zu diesem Zweck stellte er sich bei Henakijeh auf, einem Ort in der Wüste, etwa achtzig Meilen nordöstlich von Medina, wo er zu weit entfernt war, um sonderlich viel tun zu können.

Die Angelegenheit mit den Magazinen der Etappe Janbo war zur Zufriedenheit geregelt. Garland hatte Aufsicht und Ausgabe an Abd el Kadir übergeben, Faisals Gouverneur, der die Sache ordentlich und rasch erledigte. Seine Tüchtigkeit war eine große Erleichterung für uns, da wir unsere Aufmerksamkeit wichtigeren Dingen zuwenden konnten. Faisal formierte aus seinen Bauern und Sklaven regelrechte Bataillone, eine irreguläre Nachahmung von Asis' neuer Mustertruppe in Rabegh. Garland erteilte Unterricht im Handgranatenwerfen, schoß Geschütze ein, reparierte Maschinengewehre, Wagen und Geschirre und war der Waffenmeister für alle. Es herrschte eine betriebsame und vertrauensvolle Stimmung.

Faisal, der unsere Hinweise auf die Wichtigkeit von Wedsch noch nicht berücksichtigt hatte, dachte, um es in Besitz zu nehmen, an eine Expedition der Dschuheina. Inzwischen war er mit den Billi in Verbindung getreten, einem volkreichen Stamm mit den Hauptsitzen um Wedsch, und er versprach sich Hilfe von ihnen. Ihr bedeutendster Scheik, Suleiman Rifada, suchte Zeit zu gewinnen, da er uns im Grunde feindlich war; denn die Türken hatten ihn zum Pascha gemacht und mit einem hohen Orden bedacht. Sein Vetter Hamid aber stand im Dienst des Scherifs und hatte gerade eine hübsche kleine Karawane von siebzig Kamelen erbeutet, die von El Ola nach Wedsch mit Vorräten für die türkische Garnison unterwegs war. Als ich nach Kheif Hussein aufbrach, um Faisal erneut den Wedsch-Plan ans Herz zu legen, kam Nachricht von einer Schlappe der Türken bei Bir ibn Hassani. Eine ihrer Erkundungsabteilungen, aus Kavallerie und Kamelreitern bestehend, hatte sich zu weit in die Berge vorgewagt und war von den Arabern abgefangen und auseinander gesprengt worden. Es ging besser und besser.


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