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Im Gartenhof

Ohne den Katzen nahe zu treten, denn sie leiden durch die Rohheit der Menschen

Ich wohne beinahe nun an der Wurzel der drei Bäume im Gartenhof, von dem ich schon so manches erzählte. Ich bin nämlich einen Stockwerk hinuntergezogen in ein größeres Zimmer, kann mich aber dafür nicht mehr mit den Bäumen unterhalten. Die haben natürlich wie wir ein Gesicht und einen Mund zum Sprechen. Für mich sind Bäume auch Menschen, jedenfalls Geschöpfe, die aus dem Brunnen der Luft Atem holen, durstig sind, sich erquicken, betrübt und himmelhoch jauchzend sein können, sich den Sommer über unvergleichlich freuen. An dem einen der vielen entlaubten Äste der Linde hängt so etwas Unmotiviertes, vom Sylvester her Hängengebliebenes. Das ärgert mich, es bringt Unordnung im freigelegten Geäst, im Gleichmaß seines Winters, da auch der Schnee nicht vermochte, die verblichenen Papierstreifen abzuspülen. Ich würde niemand einladen, meinen Gartenhof zu betrachten. Er ist vielleicht noch einfacher als jeder Gartenhof rings vor den anderen Häusern angelegt. Er dient ja ausschließlich zur Lüftung der Hotelzimmer. Selten betrachten ihn Gäste aus ihren Fenstern, und sie würden es nicht für möglich halten, daß man irgendein Wort über unseren noch den gegenüberliegenden Hof imstande sei zu schreiben, geschweige zu dichten. Aber wer dichten kann, vermag aus einer Handvoll Erde ein Paradies zu zaubern. Heute jedoch hat sich alle Melancholie unter den drei Bäumen zusammengefunden. Der Hahn wurde gebraten, und von den Hühnern kochte man Neujahrssuppen. Nur die Katzen unseres Hotels leben noch. Erscheinen mir grau, schleichender Nebel, der sich in den Keller legen möchte, heimlich Junge brüten, die blind wie Eier sind. Die Katzen sind so ein Miauen für sich! Ich habe Angst vor Katzen, nicht etwa vor ihren rätselhaften Augen, die man wahrscheinlich an Geheimnis überschätzt. Auch bin ich selbst zuviel Vogel, nicht Partei zu ergreifen. Ja, ich flüchte mit den Vögelscharen vor allen Knochenlosen, selbst dem Schmeicheln der jungen spieleifrigen neugeborenen Kätzchen. Auch empört es mich, daß die für die hungernden Vögel von mir hingestreuten Krumen wahrscheinlich sich die Katze holt. Die Vögel sind meine wirkliche Freude; das weiß Gott. Es geschah noch im verflossenen alten Jahr, daß jemand in den Gartenhof schoß, von gegenüber aus dem Gartenhof. Ich wunderte mich über den Donnerschlag im Winter, der, wie sich herausstellte, nicht aus der schlafenden Wolke, aber aus einer Pistole sich entlud. Der Kater lag erschossen von mörderischer Hand auf dem kleinen feuchten Rasenplatz. Aus seiner Seite strömte ein aufbäumender roter Fluß. Soviel Blut habe ich noch nie beisammen gesehen. Man hätte darauf in die Hölle schwimmen können. Denn nachts pflegte er unmündige Katzen zu vergewaltigen, und die gescheckte Rosa, erzählte mir der Liftjunge, wurde auch das Opfer seiner Lüste. Seine indiskreten Aventüren erweckten die müden Reisenden unseres Hotels und die Leute von gegenüber. Beneidete auch mancher verknöcherter Junggeselle, pardon, des Katers unumgrenzte Freiheit. Ich muß sagen, mir tat der Kater leid, er war verendet. Wir freuten uns, nicht von der Kugel getroffen zu sein. Doch ich versuchte, meine Abneigung gegen das Katzengeschlecht zu überwinden. Als ich vor einigen Nachmittagen heim in mein Zimmer kam, mein Fenster öffnen wollte, überraschte mich das Spiel zweier unserer Hotelkatzen, sie spielten nämlich wie Schulkinder: »Verstecken!« Zwischen altem Gerumpel, Sofa und Lehnstühle, Decken und Gardinen, alles zum Auslüften ins Freie gelegt, verkroch sich behutsam die gelbe der vier Katzen, in der Zeit Rosalinde, die frühzeitig Verführte, vor dem Zaun unseres Gartens auf das Signal ihrer Spielgefährtin von vis-à-vis wartete ... Und dann mit einem Satz über die hölzerne Hecke in den fremden Hof sprang, Flur und Keller absuchte, zurückkehrte, die vermoderten, staubigen Stoffe der Möbel beschnüffelte, endlich die Kameradin fand mit kindlichem Miau. Dann kam die Reihe an Rosa, die Freundin zu suchen, und so wiederholte sich beständig das Spiel. Bis eine wunderschöne, schlanke Krähe geflogen kam, sich auf den entlaubten nächsten Wacholderbaum niedersetzte, der spielenden Katzenkinder unschuldige Instinkte erweckte. Eine einzige rote Beere hing noch am Zweig, eine Koralle am Ast. Mich berauschte der eine blühende Tropfen, mir noch aufbewahrt vom Sommer her.


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