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Draußen

Manchmal guck ich nach draußen auf den kleinen Gartenhof. Die Bäume müssen doch furchtbar frieren. Ihre grünen und buntschattierten Kleider aus Blättern, Blüten und Beeren haben sie lange schon abgetragen, sie liegen in der Rumpelkammer unterm Schnee vermodert in der Erde. Warum aber nehmen sich wenigstens die erwachsenen Bäume nicht in acht, es sind doch keine Kinder mehr; doch gegen Sturm und Kälte kann der längste Baumriese nicht an, so erfrischend und reinigend für ihn der Regen, das Wehen, und glättend die Sonnenstrahlen sind. Ich liebe darum die laubberaubten Bäume ebenso wie die bekleideten. Die schwarzen, braunstämmigen, großen und kleinen Bäume und auch die Sträucher und Büsche, genau wie ich meine Lieblingsmenschen liebe, denen der Herbst nicht die Kleider vom Leibe zu schütteln vermag, was wohl zu begrüßen wäre! Da Muhme Natur von ihrem Reichtum der Eiche, der Birke, dem Wacholderbaum, dem Kirschbaum, dem Birn- und Apfelbaum, überhaupt allen Bäumen in jedem Jahre aufs neue noch tausendmal reichere Ausstattung zukommen läßt. Die Menschen aber behelfen sich selbst, und das ist eben der Grund, daß wir nur einmal im Leben leben, ohne es von der göttlichen Fürsorgerin ersetzt zu bekommen.

Pflanzte man in die Erde mich,
Ein Silberesche wäre ich,
Und freute mich schon königlich
Auf den Mai, auf den Mai!

Mich in der grünen Sprache zu verständigen mit den Nachbarbäumen und dem Vogelbeerenstrauch, dürfte mir meines guten Odemschlags wegen nicht allzu schwer fallen. Wie auch den Vögeln ihre gezüchtete Lunge zugute kommt, sich in der botanischen Sprache zu verständigen, die nicht wie die üblichen mit dem Ohr und dem Munde geführt wird, aber die man einatmet von Baum zu Strauch, vom Blatt zur Blume und die Antwort auszuatmen pflegt. Das ist wirklich so! Den Spatzen interessiert das pflanzliche Griechisch, allerdings nur so weit, sich zu behaupten auf dem Ast, von dem sie mein Fensterbrett zu beobachten pflegen, ob für sie schon gedeckt oder noch nicht ist. Drei Bäume stehen im Gartenhof vor meinem Fenster, drei Freunde, die von der Welt viel mehr als wir Menschen wissen. Mit dem Himmel sich auf die blauen Seligkeiten freuen, aber auch seine graue wetterwendische Laune respektieren. »Aber guck doch nur, das Paradies ist ja ›draußen‹!« O, wie arm sind wir in unserer Geborgenheit auf freien Füßen gegen den kleinsten Baum, den unscheinbarsten Strauch, die einfachste Blume, deren Wurzel mit der weiten Erde Schritt hielt, zusammengewachsen wächst – so läßt sichs im Großen leben und rauschen! Wenn ich irgendetwas auf dem Herzen habe, öffne ich mein Fenster, so kalt es gegenwärtig auch ist, und frage die Bäume um ihren unverfälschten, mächtigen Rat. Zwischen den Fasern ihrer Stämme läuft Gehör, und heftiger Odem dringt aus den Poren ihrer Blätter durch das Weltall in die Ewigkeit. Sie schmecken meine Freuden und bitteren Tränen, die manchmal zu Reif gefroren sind und hart zur Erde fallen; dann drohen meine drei Baumfreunde mit ihren Armästen, die sich sonst nur vom Sturm bewegt zur Äußerung hinreißen lassen.


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