Sophie von La Roche
Rosalie und Cleberg auf dem Lande / 1
Sophie von La Roche

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Zwei und zwanzigster Brief.

Rosalie an Mariane.

Die Sands sind recht liebe Menschen, und wissen Zeit, Kenntnis und Zufall zu benutzen. Unmöglich könnten die ihnen anvertrauten Kinder besser gebildet, und ihr Verstand artiger geübt werden, als in dieser Familie geschieht, und gewiß ist niemals ein größerer Beweis für die Vorzüge des Geistes des beinahe veralteten Montagne erschienen, als diese Leute in den von ihm genommenen Grundsätzen der Erziehung darlegen. Sie erlauben mir gewiß gerne, daß ich sogleich ein paar Proben aufschreibe.

Vorgestern gegen Abend giengen wir alle nach Julienberg, und faßten von ungefähr den Gedanken, auf der etwas jähen und beschwerlichen Seite zwischen dem Gesträuche bergan zu gehen. – Cleberg und mein Oncle waren in der Stadt; Ott, mein Vetter und die beiden Brüder von Sand waren bei uns, um bald einem Kind – bald einem von uns Frauenzimmern nachzuhelfen. – Die jüngere Frau von Sand hat, glaube ich, durch viele eigene Kinder eine Uebung zärtlicher Nachsicht gegen junge Leute erhalten, und ist überhaupt immer so liebreich und munter mit ihnen, daß sie gerne um sie sind, so daß auch bei dem Klettern auf Juleberg (wie die Bauern sagen) Ottens und meine Knaben um sie schwebten. Auf dem dritten Theil des Wegs ist eine Moosbank; Frau v. Sand setzte sich, sah in der Gegend umher, heftete aber ihren Blick auf Kahnberg und die entfernte Stadt, lächelte freundlich dahin, und mit bedeutender Miene sagte sie: »Ey das ist artig, da habe ich ja alles vor mir, was ich und meine Schwester in unserm Leben als junge Mädchen machten, und was ihr gute Kinder jetzo thut.« – Die freundliche Miene gegen die Aussicht hin hatte die Buben und Mädchen schon nach der nämlichen Seite gucken machen, bald sahen aber wieder alle auf sie, welche sagte: »Ja ihr Lieben! da liefen wir auch erst in einer Tiefe umher, wie diese da unten, durch welche wir zu dem Berg kamen – wir pflückten auch Blumen und fiengen Käfer, wie ihr – konnten aber nicht weit sehen; da führten uns Vater und Mutter zu Kornfeldern, und erzählten uns von den guten Bauern, die sie anbauen, damit sie und wir Brod bekommen. Dann zeigten sie uns blühende Bäume, wie ihr im Frühjahr gesehen habt, und stiegen mit uns in einen Weinberg, da waren wir höher und sahen ein großes Stück Land, wie wir jetzt sehen, mit vielen Feldern und Bäumen, dann Dörfer, Schlösser und eine Stadt, wie hier Kahnberg, Altdorf, Neubau und die Stadt vor uns liegen. Es freute uns sehr, das alles zu betrachten, aber wir wollten doch höher steigen, wie ihr auch schon die Füße aufhebt und den Weg aufwärts blickt. – Da sagte mein Vater: Seht, liebe Kinder! mit dem Bergweg da ist es wie mit dem Lernen: Die Wiesenblümchen sind das ABC, nachdem kann man lesen, und die Bücher nützen dem Verstand, wie der blühende Baum und der Acker uns gute Früchte geben; dann kommt ihr weiter und lernt mehr, steigt also in den Kenntnissen, wie auf einen Berg, mit guten Freunden und Lehrern, die euch unterrichten; da sehet ihr vieles, und bemerket, was Gott auf der großem schönen Erde wachsen läßt, und was die Menschen in den Städten und Dörfern arbeiten und wissen, und wie sie sich am Abend freuen, wenn sie den Tag fleißig waren. Ist es nicht so? – Und hatten wir nicht recht freundliche Eltern?« (fragte sie.)

» Gewiß! und: O ja!« – riefen die Jungen Leute. Frau von Sand sagte aber, da sie munter von ihrem Sitz aufstand: »Wir müssen weiter hinauf, Lieben! Wer wird aber am leichtesten und glücklichsten oben seyn – der Geschwinde oder der Aufmerksame?«

»Ei, der Geschwinde!« antworteten ein paar Knaben, und fiengen an zu steigen – sie wußte aber wohl, warum sie das so hinwarf: denn ihr zweiter Sohn hat etwas Schnelles, Feuriges, der erste aber etwas Stilles, Nachdenkendes; dieser gieng dem Schein nach langsam, während die andern eilten, aber manchmal stolperten, wohl auch hinfielen, und oben ohne Athem keuchten, wo sie ihn schon fanden, und er auch ihnen die Hände reichte, damit sie noch sicher auftreten konnten. Es wurde aber nichts darüber gesprochen, denn die Sands halten nichts von öffentlichen Verweisen, und sagen: »In der Privaterziehung sollen die Kinder überzeugt werden, daß sie in den Hängen ihrer besten Freunde sind, welche sie sanft vor Schaden warnen, und ihnen stille ihre Fehler anzeigen, wie wahre Freunde immer thun, und alles Gute und Nützliche mit ihnen theilen.« Sie wollen dadurch auch den jungen Leuten einen tiefen Eindruck von dem Werth der Freundschaft geben, und immer den edeln Weg offen lassen, daß sie sich selbst zur Besserung entschließen – vor sich selbst sich schämen, und einen Werth auf das Zeugnis ihres eigenen Herzens legen.

»Bei der öffentlichen Erziehung in Schulen (sagen sie) sey es anders. Da stünden die Kinder unter einem Oberster und Führer, und die Versammlung der Schüler wäre das Vorbild von unsern erwachsenen Miteinwohnern, die immer Zeugen und Richter unserer Handlungen sind: da müsse alles öffentlich zum Beispiel für die Andern gerügt werden. – Und doch (sagte der Direktor von Sand) wird immer der weise Lehrer, der am meisten Menschenkenntnis hat, nur allgemeine Lehren und allgemeine Anzeigen und Warnungen vor Fehlern geben, und die Fehlenden gerne allein und ohne Zeugen sprechen – ausgenommen bei dem Wetteifer der Arbeiten des Kopfs, die er vielen zugleich aufgab, und wo es seine Pflicht ist, mit allen von den Fehlern des Verstandes zu reden. – Bei diesem sind auch der Ehrgeitz und der öffentlich erhaltene Tadel sehr taugliche Triebfedern; aber sie dienen zu Gründung des sittlichen Charakters nicht so gut: denn dieser muß durch das moralische Gefühl erhalten werden, und dieser Fühlbarkeit sind Verweise in Gegenwart von Zeugen sehr gefährlich, weil sie die Eigenliebe empören, und in jungen zur Stärke gestimmten Seelen Erbitterung, – in weichen Gemüthern aber Niedergeschlagenheit hervorbringen – und beide hindern die Thätigkeit des Willens, bei den ersten durch eine Art von Rachbegierde, bei den zweiten aber durch Aengstlichkeit und Zweifel.« –

Cleberg und mein Oncle waren mit dieser Unterredung sehr zufrieden. Aber ich will wieder zu meiner Gesellschaft. Wir waren oben auf dem Berg alle sehr munter, und genossen ein ländliches Vesperbrot mit Milch und Butter. Man besah dann die Felder, und verglich sie mit denen in der Ebene, wobei der junge Bauer das Wort führte, so wie seine Mutter und ältere Schwester, als man den Mädchen die Flachs- und Hanfstücke zeigte. Nachdem kamen wir wieder an die Stelle, wo wir bergauf gestiegen waren, da wurde nun Adolph von Sand wie von ungefähr gefragt: Wie er es gemacht habe, daß er zuerst oben gewesen sey, da er doch allen langsam zu gehen schiene? »Ich will es zeigen« – antwortete er, und war in wenig Augenblicken zu dem Platz hinunter, wo wir ausgeruht hatten, sah um sich, und fieng dann an mit großen Schritten zu steigen, indem er sorgsam bald einen Stein, bald einen kleinen Büschel Pflanzen zum Fustritt nahm. Die andern Buben sahen ihm aufmerksam zu, und versuchten es dann auch, ohne daß man es ihnen sagte, und Adolph theilte ihnen seine Vortheile mit, indem er zugleich ihr Anführer wurde. – Der Direktor von Sand, Ott und mein Vetter stiegen dann mit den Jungen um die Wette auf und ab. – Wir Frauenzimmer blieben am Rand des Berges auf dem Moos sitzen, reichten manchmal dem müden Kletterer eine Hand, und banden ihnen von dem in tausend Blumen um uns blühenden Thymian Kränze um ihre Hüte. Indessen war es ganz Abend geworden; wir sahen den Vollmond aufgehen, und sangen bei dem artigen Harfenspiel der jüngern Frau v. Sand das liebe einfache Lied nach Sterkels Melodie:

1.
              Wie schön kommt dort, in freundlich hellem Lichte,
      Der volle Mond daher!
Wie wiegt im Silberglanz die Pappel und die Fichte
      Die schlanken Aeste hin und her!
2.
O welch ein Blick – o welch ein sanfter Schimmer!
      Oft hab' ich dich gesehn –
Du stiller guter Mond! und doch bist du mir immer
      So neu – so lieb, so wunderschön.
3.
Wer lehrte dich so abgemessen gehen?
      An keinem Ort zu früh,
An keinem Ort zu spat, hat je das wer gesehen?
      O Freund! verirrst du dich denn nie?
4.
Gewiß dich führt ein gütig weises Wesen!
      Wohl muß es gütig seyn:
Du leuchtest liebreich ja dem undankbaren Bösen,
      Nicht dem Erkenntlichen allein.
5.
Und doch geschiehts, daß Menschen, die es sehen,
      Wie du so huldreich bist,
Im Herzen Neid und Haß, bei deinem Lichte gehen –
      Auf Rache sinnend und auf List.
6.
Ich aber will an dir ein Beispiel nehmen,
      Und milde seyn wie du;
Durch Liebe will ich den, der mich nicht liebt, beschämen,
      Und seyn der Fördrer seiner Ruh.
7.
Und du wirst's seh'n von deiner Höhe oben,
      Du holdes Licht bei Nacht!
Mit Freude wirst du's seh'n, und deinen Schöpfer loben,
      Der dich so schön gemacht. –

Sie können nicht glauben, wie vergnügt wir alle bei diesem Gesang wurden, und Frau von Sand sagte mir und Julien: »Unsere jungen Leute werden noch öfter die Poeten von dem Mond singen hören, und selbst seinen Einfluß fühlen; aber gewiß diese erste feierliche Empfindung auf diesem Berg – die Idee, daß man gütig wie der Schöpfer des Mondes seyn solle, wird sich nie ganz verlieren. David Hume versichert, daß die Züge der ersten Geliebten immer eine Gewalt auf das Herz des jungen Mannes behalten – warum sollten es moralische sinnliche Gefühle nicht haben?«

Nachdem giengen wir in Popens Halle, wo uns Julie warme Spargeln, und Jedem ein weichgesottenes Ey bei gutem Brod und Wein, statt Abendessens gab; und wir kamen erst um 11 Uhr in der Nacht von der lieben Wallfahrt auf Julienberg zurück, wo uns auf dem Wege der ältere Sand das Versprechen machte, uns den Mond durch sein großes Telescop zu zeigen, und viel von ihm zu erzählen. –

Heute frühe aber erwartete mich ein anderer Auszug (möchte ich sagen) von der Erziehungsgeschichte, welche diese Familie liefert. Ich gieng nach dem Frühstück, ohne das mindeste zu ahnden, mit meinen Kindern in den Gemüsgarten, damit sie die Zuckererbsen zu dem Mittagessen pflücken helfen möchten, welches ihnen eine große Freude ist. – Sie werden sich erinnern, daß, da mein Cleberg durch seine Reise nach Italien und seinen Aufenthalt bei Hof an den Genuß des Eises gewöhnt wurde, er den Grosen das Einzige nachahmte, eine kleine Eisgrube anzulegen, ihr aber gegen unsern Garten zu die Gestalt eines artigen Hügels gab, von welchem man eine allerliebste Aussicht geniest. Meine alte Gewohnheit, manchmal gerne allein zu seyn, ergriff mich; ich wußte, daß ich meine Kinder ganz sicher bei dem guten alten Gärtner lassen konnte, und gieng durch unser Obstwäldchen an den großen Hasselnußsträuchen hin gegen den Eishügel zu, als ich auf einmal eine Stimme hörte, stille stand und horchte, denn es tönte vom Hügel herab. Bald hörte ich eine andre Stimme, die in einem rührenden Ton einige Worte sprach; nun schlich ich näher, und lauschte durch das Gesträuch, indem ich sorgfältig die Zweige etwas theilte, um die Redenden zu sehen: da erblickte ich die jüngere Frau v. Sand mit den vier Mädchen, in einer netten aber sehr simpeln Morgenkleidung und leichten Strohhüten, alle auf dem Hügel sitzend, wo eine von ihnen etwas vorlas. Das Bild war so schön, daß ich es durch meine zu frühe Erscheinung nicht zerstören wollte. Die Vorleserin, Eleonore Berg, saß neben Frau Sand, ihr schönes blondes Haar lag in Locken um ihre offene Stirne und ihren Nacken; sie erhob manchmal bei einem Absatz ihr Auge gen Himmel, und blickte, während Frau Sand etwas sagte, mit einem Ausdruck voll sanfter Empfindung auf den Blumengarten. Luise von Sand, die liebe Brunette mit gedämpftem Feuer in ihren großen braunen Augen, schob ihren Strohhut aus dem Gesicht, um freier umzusehen, da ihre Mutter sie alle mit ausgestrecktem Arm auf die Gegend umher aufmerksam zu machen suchte, als die vortrefliche Betrachtung über den Anblick einer Landschaft vorgelesen wurde, wo der Verfasser sagt:

»Der weise Beobachter der Natur mag seine Blicke hinwenden, wohin er will, so entdeckt er Gegenstände des Vergnügens und Unterrichts, indem der liebreiche Schöpfer so viele Schönheiten in Gestalt, Nutzen und Farben vor unsern Augen verbreitete, und nicht nur jede Jahrszeit, sondern jeden Tag mit Verschiedenheit zierte. Denn wie reizend ist des Morgens das frische Grün – und die glänzenden Tropfen des Thaues auf dem Teppich der Wiesen! Wie herrlich schimmern die Stralen der Mittagssonne in dem zwischen Kornfeldern und Obstgärten hinfliegenden Bach! Und wie glücklich ist die nach der reichen Morgenweide unter Bäumen ruhende Heerde!«

»Gestern, liebe Kinder! (sagte Frau v. Sand) genossen wir, wie der Engländer hier fortfährt, einen Theil dieser schönen Gegend Abends in der Gesellschaft verdienstvoller Freunde. Als der Sonnenschein milder wurden und die Wolken in Westen, mit unnachahmlichen Farbenstreifen geschmückt, den halben Himmel umfaßten, und schöne dunkle Schatten im sanften Licht des Mondes sich ausdehnten – waren wir nicht alle glücklich und wohl?«

Ja, sagte Babette, ich erinnere mich wenig so süßer Abende. – Und ich, fiel Luise ein, freue mich auf die Geschichte des Mondes, die uns der Oncle versprach.

Frau von Sand lächelte freundlich auf alle, und sagten »Diese Freude, liebe Mädchen, macht mich in diesem Augenblick sehr glücklich, weil unser Engländer sagt: Daß die Liebe und Kenntnis der schönen Natur nur in edeln tugendhaften Seelen wohnt, und sie durch Bewunderung, Dank und Verehrung ihrem Schöpfer immer näher bringt, und die Begierde in ihnen weckt, in seinen Augen durch moralische Vollkommenheiten den Werth zu erhalten, welchen die Schönheit und der Nutzen der Blumen und Pflanzen der Erde für uns haben.«

Die kleine Emilie v. Sand sagte nun sehr artig: Mama! man vergleicht ja auch die Eltern und Erzieher mit den Gärtnern, die Gutes säen und pflanzen.

»Aber auch das Unkraut der Fehler ausjäten, und, wie bei jungen Bäumen falsche Auswüchse, falsche Ideen aus den jungen Köpfen nehmen.«

Und, (setzte die Kleine hinzu) wie Sirach sagt, den Baum in der Jugend biegen.

»Das freut mich, meine Emilie, daß du dieses an mir merkst. Du bist also zufrieden, meine Tochter! wenn ich deinen Sinn manchmal biege?«

Ja, Mama! denn Sie sind sanft und gut dabei.

»Liebes Kind! dies ist eine der ersten Pflichten des Gärtners, sanft zu biegen, er stünde ja sonst in Gefahr, das Stämmchen zu brechen; und dann muß er auch das Keimen des ausgestreuten Saamens geduldig erwarten, sonst handelt er gegen Recht und Klugheit.«

Liebe Mutter! wie gütig sind Sie! – sagte Leonore Berg mit dem innigen Gefühl des Vergnügens, welches der Untergebene immer hat, wenn er bemerkt, daß der Obere auch seine Pflichten anerkennt.

»Nun (sagte Frau von Sand) wollen wir noch Thomsons Betrachtung eines Blumengartens lesen, und noch ein paar nützliche Gedanken mit nach Hause nehmen.«

Die Blicke der Mädchen schienen alle mit Luise zu fragen: »Welche?« Sie antwortete: »Die, diesen Garten und die Gegend als Sinnbild einer großen menschlichen Gesellschaft anzusehen, in welcher verschiedene Stände und Verdienste erscheinen, wovon die einen unserm Geschmack angenehmer sind als die andern, aber doch alle im Ganzen so passend und nützlich zusammenstehen, wie hier die Blumen, die Gesträuche, die Bäume und Kräuter. So, Lieben! seht die Verschiedenheit der Talente und Beschäftigungen an; verachtet keines; laßt jedem in seiner Stelle seinen Werth, und denkt: Gott ordnet Verschiedenheit in Allem!«

Wie schön, meine Mariane! waren die Blicke der Mädchen, welche sie da auf den Garten und die Gegend umher hefteten, und das mit der Lehrerinn sympathetisch vereinte Erheben der Augen zum Himmel bei dem Ausdruck: Gott ordnete Verschiedenheit! Mich dünkte, daß diese frommen Gesinnungen der Seele sich, wie Thomson in seinem Frühlingsgebet sagt, mit den Gerüchen der Blumen zum Himmel erhoben. –

Denken Sie aber, wie angenehm Cleberg für den Einfall belohnt wurde, den er hatte, unsern Gemüsgarten mit Blumenbüschen zu zieren, denn Frau v. Sand sagte zu ihren Pflegtöchtern: »Kinder Berg! ein Wunsch, den ich diesen Augenblick für euch thue, wird sich, so oft ich diesen Garten sehen werde, lebhaft erneuern.«

Hier legte die jüngere Berg ihre Arbeit hin, – knieete sich vor die liebreiche und weise Lehrerinn, und fragte zärtlich. Was wünschen Sie uns, liebe Pflegmutter?

»Daß ihr in der Stadt seyn möget, was dieser Garten hier ist.«

Nun sahen die Mädchen wieder alle im Garten umher, und Leonore Berg sagte: Das ist gewiß von den Gemüsbeeten zu verstehen, daß wir die Zierlichkeit der Blumen mit dem Nützlichen der Gemüspflanzen verbinden sollen. –

Frau v. Sand küßte Leonoren auf die Stirne, und antwortete: »Dieser Gedanke ist schön passend, und verherrlicht mir diese Morgenstunden durch den seligen Einfluß, welchen diese Aussicht auf dein Herz hatte; aber ich setze noch hinzu, daß ich wünsche, meine Eleonore und Friedericke Berg möchten einmal edle Simplizität, bescheidene Schönheit und wahre Nutzbarkeit mit sich in die Stadt bringen, wie die Besitzer dieses Gartens die Verfeinerung des Geschmacks edler Städtebewohner hieher brachten.«

Beide Mädchen küßten ihr mit sanftem Erröthen die Hände, denn das Wörtchen Schönheit hatte seine Wirkung schnell gemacht. Doch sagte Friedericke: Liebe Mutter! behalten Sie uns nur lange genug, daß wir in dem Guten, das Sie uns lehren, recht fest werden. –

Luise von Sand fiel ein: Mama! wir dürfen also den Clebergs die Verfeinerung ablernen, die sie mitbrachten? –

»Ja, liebe Kinder! so weit das Vermögen euch führt.«

Nun gieng ich mit starken Schritten dem Hügel zu – es schien alle zu freuen, mir einen Gutenmorgen zu geben. Frau Sand betrachtete mich etwas ernst, blickte zur Seite, und drückte meine Hand; ich umarmte sie mit zärtlicher Bewegung, und sagte ihr leise: »Gott segne Sie – und den Hügel da!« Denn ich sah wohl, daß sie überzeugt war, ich habe sie etwas belauscht. Nachdem nahm ich Friedericken das Buch aus der Hand, und sagte: »Sie wollten was lesen, geben Sie mir diese Aufgabe, denn ich sehe, Sie haben alle eine Arbeit bei sich, und ich nicht.«

Nun setzte ich mich unter sie, und las Thomsons Beschreibung des Blumengartens: aber gewiß, so oft ich auch immer mit inniger Bewegung der Seele die Jahrszeiten las, so fühlte ich doch ihre nützliche Schönheiten nie stärker, als bei diesem Lesen. Ja ich empfand die Bewegung des Kindes unter meinem Herzen verdoppelt, und wünschte, daß es als Knabe, sympathetisch mit Thomson – oder als Mädchen, mit Frau v. Sand, werden möge.

Sagen Sie mir doch, finden Sie nicht diese Erziehungsart gut, so wie sie angenehm ist?


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