Sophie von La Roche
Rosalie und Cleberg auf dem Lande / 1
Sophie von La Roche

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Fünfzehnter Brief.

Rosalie an Mariane.

Theure Liebe! Ich bin wieder glücklich! wir alle ganz glücklich! Cleberg ist wohl und munter. Der Arzt sagt mir, daß er alle sichern Anzeigen habe, daß mein Mann bei einer gewissen Diät auf immer von dem fürchterlichen Uebel geheilt seyn werde. – Der edle Charakter meines Mannes glänzt neu in der Dankbarkeit gegen Gott und Menschen für alles, was der Himmel, seine Freunde und seine Untergebenen für ihn gethan haben. Er ließ auch in dem ganzen Amt von den Kanzeln eine Danksagung an die Gemeinden ablesen, und sagte jüngst, da wir in den Garten zu Otts kamen:

»Ihr guten Menschen, und die liebe Erde, alles ist mir neu! Und die Gesundheit – o Lieben! was für ein unschätzbares Gut! Ich hin auch deswegen froh, noch zu leben, um sie recht mit Kenntnis und Dankbarkeit zu genießen.«

Für alle Uebrigen blüht auch Alles neu auf; denn Cleberg ist doch die Seele von unserm Cirkel. Latten fühlte dieses mit den Andern, und drückte es sehr schön aus, als vor fünf Tagen nach Clebergs Wunsch die Freunde wieder bei uns versammelt waren, und Alle ihn noch so matt und blaß fanden, daß die innere Trauer darüber den Gang der sonnst gewöhnlich muntern Unterredung hemmte. Als Cleberg es bemerkte, so sagte Latten: »Wir sind in der That alle wie reichbeladene Kornähren, die von einem Regensturm gebeugt wurden, und die volle Wiederkehr der Sonne erwarten, um sich wieder aufzurichten, und neu in dem Licht ihrer Stralen zu glänzen.«

Alle Uebrigen stimmten mit ein, und sagten: »Ja Latten hat recht, wir können nicht ganz fröhlich seyn, bis unser Freund Cleberg ganz gesund ist.«

Mein Mann war außerordentlich gerührt, küßte beide Hände gegen sie alle, und sagte: »Er wolle sich seine übrigen Tage angelegen seyn lassen, ihre gütige Achtung auf immer zu verdienen.«

Sie giengen dennoch früher zurück, als sonst, um das Haus des so geliebten Kranken bälder in die ihm noch so nöthige Ruhe zu bringen. Cleberg hat sich aber seither erholt, daß er gestern mit meinem Vetter nach der Residenz reiste, um den Fürsten über mehrere Geschäfte zu sprechen. Indessen waren Herr und Frau v. C** vor zwei Tagen zu uns gekommen, und wollten bis zu seiner Rückkunft da bleiben. Diese haben, wie Sie meine Liebe wissen, einen einzigen Sohn, den sie, ich weis nicht aus welcher Eigenheit, Richard nannten, und auch einen neuen Erziehungsplan befolgten.

Der Vater spricht mit dem Jungen immer Latein – die Mutter französisch – und die Leute im Haus deutsch. – Der Knabe hat viel Geist, und Herr C** behauptet mit vielen Andern, daß die Gedächtniskraft zuerst blühe, und auch zuerst benutzt werden müsse. – Sein Richard hat jetzo sechs Jahre vorbei, und kennt schon nicht allein eine Menge Kräuter und andre Pflanzen nach dem lateinischen und deutschen Namen, so wie er alles Französische versteht und beantwortet, sondern er schreibt und zeichnet auch sehr artig; aber er hat auch die Miene des Nachdenkens, welche in seinem Alter nicht sehr natürlich ist, und will immer bei erwachsenen Personen, nie bei andern Kindern seyn – welches die meinigen sehr schmerzte, wenn sie ihn vergebens zu einem Spiel oder einem Spaziergang baten. –

Ott bemerkte dieses heute Nachmittag mit großer Unzufriedenheit, gieng dann mit seinen und meinen Kindern auf den Rasenplatz in dem Vorhof, und spielte Volant mit ihnen, indessen der kleine C** am Fenster stand und Bilder ausschnitt, auch manchmal, sobald die Unterredung bei uns etwas lebhaft wurde, zu seinem Vater oder Mutter sich stellte, und die Redenden wechselsweise aufmerksam betrachtete.

Der Zufall brachte gerade diesen Nachmittag die Familien v. Sand noch frühe genug hieher, um mir durch den Rath und seine Frau zugeführt zu werden.

Cleberg hatte dieses Frühjahr, wie Sie es im Herbst wünschten, dem edeln geschmackvollen Baron von Großschlag in Dieburg Etwas abgesehen und nachgeahmt: Einmal da er an dem Seedamm, den er zum Spaziergang machte, ein kleines nur in Holz gesetztes Bauernhaus errichtete, dessen eine Hälfte uns zu einem Saal an dem See, und die andre mit einer Treppe in das Wasser zum Baden dient. Vor dem Haus aber hat er eine Kegelbahn angelegt, daneben steht ein erhöhter Taubenschlag, und ein schön geebnetes Grasstück liegt an den beiden, zwischen welchen Bänke stehen – welches alles jungen Dorfleuten zum Erholungsplatz gewidmet ist, wo wir ihnen auf Schulfeiertagen, oder unserer Kinder Namensfest, Kuchen, Bier und gute Käse geben, und sie bei Hackbrett und Schalmay tanzen lassen. Aber mein Mann erinnerte sich bei dem Kauf des letzten Ackers und Wiese nochmals an Baron Großschlag, und ließ, wie dieser, den Dorfleuten einen abgekürzten Weg auf ihre Felder durch unsere Garten frei. Wir haben auch, wie er, die Probe, daß die Leute, durch ein Gefühl der Dankbarkeit geleitet, nicht das mindeste verderben. Dieser Weg läuft nach dem Seehaus hin, und die Sands kamen unbemerkt daher in meinen Hof. Ihre Kinder sahen im Vorbeigehen die meinigen spielen, und ich las in den Augen der zwei Söhne den Wunsch, auf dem Hof zu seyn. Da ersuchte ich Julien, meine Stelle in dem Saal zu vertreten, und bat den Präsidenten von Sand um Erlaubnis, seine Söhne mit den meinigen und Herrn Otts seinen bekannt zu machen. Es wurde gerne bewilligt, und ich führte die jungen Leute in den Hof. Die Eltern von Sand kamen nach, und fragten, ob der Herr, welcher mit den Kindern spielte, ihr Hofmeister sey? Sie freuten sich aber sehr, als ich sagte, es waren der Rath Ott, Vater des ältesten Knaben, und ein Freund aller Kinder, der immer gerne mit den Jungen spielte, da er ihnen ein Vorbild von körperlicher Geschicklichkeit geben könne; daß auch bei ihm und uns allerlei Anstalten zum Springen, Klettern, Wurfspießwerfen und Ballschlagen gemacht würden, weil Ott und Cleberg ihre Buben zugleich geschickt und stark bilden wollten; daß sie daneben alle Arbeiten der Bauerknaben ihres Alters beobachten und versuchen müßten, so wie man sie in der Stadt mit allen Handwerkern bekannt zu machen suche. – – Dieses gefiel dem Rath von Sand ungemein. – Die zwei jüngere Söhne seines Bruders spielten sogleich mit, hatten auch bald andre Spiele vorzuschlagen, und der ältere gesellte sich dazu, welches denn eine Art von Wettstreit veranlaßte, der uns allen angenehm war, aber den jungen Richard C** nicht einen Augenblick in seinem Ausschneiden unterbrach. – Mein Oncle und der Präsident von Sand wurden über den stolzen Buben (wie sie ihn nannten) recht böse, so daß sie seine Bilder nicht einmal ansehen wollten, als er damit herumpralte, (wie sie im Unmuth sagten.) Beide Brüder von Sand freuten sich auch, als sie hörten, daß der Junge und seine Eltern nicht immer hier wohnten. – Ich mußte aber wieder zu Madame C**, welche indessen mit ihrem Sohn an das andre Ende des Saals gegen den Garten gegangen war, von wo man das Feld und die Landstraße übersieht, weil der junge C. durch die lärmenden Spiele der Knaben im Hofe an seinem Nachdenken bei dem Ausschneiden gehindert würde. Dieses hätte mir beinah einen widrigen Begriff von einem Theil des Geistes und des Charakters von Herrn und Frau v. C** gegeben, weil ich darinn wirklich etwas sehr Kleines fand. besonders da er selbst in sein Zimmer gieng, als er die Brüder von Sand und meinen Oncle zu lang und zu lebhaft von den Bubenspielen reden hörte. – Aber während dieses in meinem Saal vorgieng, wurde von Otts älterm Sohn der Zimmermannsjunge geholt, der immer, wenn sie das Hausbauen spielen, den Meister, und die Andern die Gesellen vorstellen. Sie wollten nun den Neuangekommenen sogleich alle ihre Künste zeigen, und schlossen ihr kleines Holzmagazin auf. Der Zimmermannsjunge kommandirte die Andern, und diese trugen die nummerirten Stücke Balken und andre Hölzer auf den angewiesenen Platz, fügten sie in Ordnung zusammen, und bald stand das Gerippe einer kleinen Scheune da. – Die jungen von Sand hatten große Freude darüber, und der ältere von den zwei Kleinen wurde von dem Ehrgeitz ergriffen, denn er sagte: »Nun will ich eure Scheune von allen Seiten geometrisch zeichnen.« Er kam auch zu mir, und bat mich um einen Bogen Papier, damit er die Scheune und ein paar Bäume dabei recht deutlich und schön zeichnen könne. – Der älteste Sohn zeichnete sie mit dem Stock in den Sand auf dem Hofe, und ein Bauerhaus dazu. Ott kam voll Entzücken zu uns in den Saal gelaufen, und erzählte von den jungen Sands, deren Eltern er Glück wünschte, und sich mit mir freute, daß unsere Kinder so schöne Vorgänger gefunden hätten. Bald darauf nahm Madame C** die Zeichnung des acht Jahr alten v. Sand, wies sie ihrem Richard, und fragte ihn, ob er sie nicht ausschneiden wollte? »O ja; aber das ist nichts besonders« – sagte der arme eitele Knabe. Mein Oheim kehrte sich um; Ott gieng zurück auf den Hof, und die Familie von Sand bald darauf nach Hause, wohin wir sie den halben Weg begleiteten, und nach einem Spaziergang zu Nacht speisten, wo nichts mehr vorkam. Aber heute, als wir Kaffee getrunken, und mein Oncle den kleinen Richard, der mit seinem Vater aus der Stube gieng, etwas ernst betrachtete, sagte Frau v. C**:

»Mein Richard wird viel Eigenes in seinem Charakter bekommen, weil er so allein, und so ganz besonders sorgfältig erzogen wird.«

Das ist wahr, (erwiederte mein Oncle) Kinder, die ohne Umgang mit andern, und ohne Geschwister erzogen werden, bekommen was Eigenes, Abgezogenes – aber ich bitte Sie, liebenswerthe Frau v. C**, lassen Sie ihm den Ausdruck: »Es ist nichts »besonders« wie er gestern bei der Zeichnung des jungen Sands sagte, nicht zu sehr geläufig werden: es kann dem Grund seines Charakters schaden.« –

Sie antwortete: »Der Herr Geheimderath wissen doch auch, daß jedes Kind einen eigenen Charakter hat, und daß dieser in der Privaterziehung zu einer größern Kraft und Tugend gebildet werden kann, als bei der Vermischung mit andern Kindern.«

Mein Oncle sagte sanft ernst: Sie haben auch in dieser Anmerkung recht; aber ich bedaure die Kinder, welche so erzogen werden, weil diese besondre Veredlung des Charakters, wie Sie es ansehen, den jungen Leuten Eigenheiten giebt, welche ihnen das bürgerliche Leben erschweren; sie finden selten ihren rechten Platz, und verstossen sich oft gegen das Gewöhnliche – In der öffentlichen Erziehung werden die Anlagen des Geistes und der Gefühle leichter zu den Verhältnissen des gesellschaftlichen Lebens geleitet – man wird zu Vertragsamkeit, Teilnahme, Muth und Standhaftigkeit gebildet und gewöhnt, welches alles notwendige Eigenschaften sind, wenn wir glücklich und geliebt seyn wollen.

Mir wurde bei diesem Ernst ganz bange; aber Richard kam mit seinem Vater zurück, und ich schlug einen Spaziergang in der grosen neuangepflanzten Allee vor, weil ich Cleberg auf seiner Rückreise zu treffen hofte. Dadurch wurde diese Unterhaltung geendigt, welche doch, ohne den geringsten Nutzen zu stiften, nur Misvergnügen gegeben hätte; denn gewiß Herr und Frau v. C**, welche beide einen sehr schätzbaren Charakter haben, sind in ihrem Leben und Denken sehr eigen. Sie kennen den Reichthum ihres Verstandes, und besorgen die Erziehung ihres Sohnes nach einem weitaussehenden Plan, den sie für den besten halten, wie wir Andre den Entwurf, welchen wir nach unsern Umständen, unsern Neigungen und nach dem Umfang unsers Geistes bei unsern Kindern veranstalten, und vielleicht beide mit Rechte weil die Kräfte der Mannichfaltigkeit sich immer in allem so wirksam zeigen, und wohlthätig, wie alles was die Natur giebt, für die süßesten Vergnügen unsers Erdelebens sorgen. Denn, meine Liebe! was wäre unser Glück ohne die unerschöpfliche Anmuth des Mannichfaltigen, welches der Allmächtige über die physische und moralische Welt, im Großen und Kleinen, verbreitete? Ich bin froh, sehr froh, daß ich mit Ihnen die Produkte der Erde und der Menschen aus diesem Gesichtspunkt betrachten lernte. – Mehr und Minder findet sich ja bei allen Größen, bei allen Höhen, wie bei dem Guten und Schönen: Wer möchte überall eine Form und eine Farbe sehen?

Unser Spaziergang an der Landstraße war sehr angenehm, und Herr v. C. fand unsere normannische Bauerhäuser mit ihrem Umfang von Brennholz und übrigen Eintheilung recht hübsch und nützlich. Wir trafen meinen Mann bei dem Modellhof, der um deswillen so heist, weil er zuerst erbaut, und unserm lieben Normann übergeben wurde, damit er sein Vaterland nie bereuen, und bei uns durch seinen Fleiß glücklich seyn möge, wie er es verdient, indem er unausgesetzt und vortreflich arbeitete, bis die fünf Pachthöfe dastanden, die Bäume gepflanzt, und die Felder angebaut waren. –

Cleberg befindet sich nach dieser kleinen Reise noch besser als vorher, aber die edeln menschenfreundlichen Gesinnungen des Fürsten haben viel zu seinem gesunden und zufriedenen Aussehen beigetragen. – Mein Mann hatte ihm den gezeichneten und illuminirten Plan von dem verbesserten Theil des Dorfes, von dem Schloß und dem Mooshofe an, vorgelegt. Der Fürst betrachtete ihn mit vielem Vergnügen, und gelobte den Eifer meines Mannes in dem versammelten geheimen Rath; machte die neue Bauerhöfe alle zu Erbpachtgüther für die Familien der Erbauer; bezahlte meinem Mann die Kosten für den Modellhof, und bekräftigte die Rechte des Normanns in seinem Besitz; bestimmte auch die in fünf Jahren anfangenden Abgaben der fünf Höfe zur Hälfte für den Förster in Seedorf, mit dem Beding, daß er immer den guten Wachsthum des Brennholzes der Höfe besorgen, und die Söhne der Pächter darinn unterrichten solle. Er nannte selbst alle Höfe nach den Namen der Erbauer; meines Oncles seiner wurde Frankenhof, die andern Latten- Clebergs- und Stiegenhof genannt. Dann wünschte Er nur, daß die Besitzer arme fleißige Bauerpursche zu den ersten Pachtern erwählten, weil Er glaubt, daß es diesen nicht fehlen könne, entweder die Tochter eines vermögenden Bauern, oder auch wieder ein armes fleißiges Mädchen zu erhalten, worinn man sie ganz frei wählen lassen solle. – Er schenkte jedem Pächter zwei Kühe, und den Erbauern das Holz, welches sie von der Rentkammer aus dem Magazin genommen hatten. –

Sie denken wohl, daß diese Erzählung uns alle freute, und daß die Bedingnisse getreu erfüllt seyn werden. Mich macht das Ganze unaussprechlich glücklich; ich war es schon so vielfältig durch diesen Anbau eines öden Stück Landes, da ich oft von meinem Speicher nach dem Platz sah, als man arbeitete, und alle Tage neue Freude genoß, wenn ich den glücklichen und schnellen Fortgang bemerkte, oder mit meinem Oheim, Cleberg und den Kindern hingieng, letztern die Arbeiter und ihre Handwerkszeuge bekannt machte, und dann durch Fragen es tiefer in ihr Gedächtnis prägte.

Cleberg, der kein Wort von dem kleinen Zwist über Erziehungsideen wußte, welcher während seiner Abwesenheit bei uns vorgefallen war, und der sich freute, seine guten Knaben wieder zu sehen, welche auch ihrem Vater überall nachhüpften, gieng mit ihnen in Clebergshof, welcher zuletzt erbaut, und noch nicht ganz fertig war. Alle folgten nach, und wir hörten, daß er seine Buben fragte, wie ihnen das Haus gefalle? Mich freute sehr, daß sie ihm so gut zu sagen wußten, wo es noch hie und da fehle, und welche Handwerksleute er müßte kommen lassen, um das Haus fertig zu machen, damit der Bauer darinn schlafen könne. Bei dieser Gelegenheit erschien der Unterschied der Grundsätze meines Mannes und seines Freundes v. C** recht deutlich und auffallend. Der kleine Richard v. C. konnte Bäume, Häuser, Thüren und Fenster auf Latein und Französisch nennen – unsere Buben aber alle Werkzeuge, welche zum Haus- und Feldbau nöthig sind, neben den dazu erforderlichen Materialien, aber freilich nur im Deutschen, beschreiben. – Der Grosoncle und Cleberg wurden darüber entzückt, und Jeder umarmte einen meiner Knaben. Frau von C** gieng zu ihrem Richard, um die nämlichen Fragen im Französischen zu wiederholen. Da sagte Ott, der mit Julie neben mir stand:

»Sehen Sie den Unterschied zwischen Wort- und Sachkenntnis. Der Himmel segne Ihren Mann; er ist auf dem rechten Weg der Erziehung, oder alles müßte mich betrügen. Dieser Richard da wird einst von Allem schwätzen – und Ihre Söhne werden in Allem gründlichen Unterricht geben können.«

Der Himmel wolle es, lieben Freunde! sagte ich, Beide an der Hand fassend – denn meine Wünsche sind, meine Kinder verdienstvoll und bescheiden zu sehen. –

Nun kehrten wir nach Hause, aber ich bemerkte, daß Herr und Frau v. C** eben so misvergnügt sind, daß man ihrem Richard den gewünschten Beifall versagt, als alle die Männer mit dem Buben unzufrieden scheinen. – Es ist schlimm, Beste! daß die vortreflichsten Männer so wenig Schonung für kleine Schwächen haben, und gar nicht an den Schmerz denken, welchen das Uebergewicht ihres Geistes ihrem Tadel giebt. –

Heute nach dem Frühstück sind Herr und Frau v. C** wieder abgereist. Es ist mir ganz weh und unheimlich bei dem allgemeinen Vergnügen über ihre Entfernung. – Liebe! warum sind vorzügliche Menschen so gerne ungerecht, und möchten alles gerade nur nach ihrem Sinn haben? – Ihnen, meine Beste! darf ich sagen, daß ich auch deswegen so lang zu leben wünsche, bis meine Kinder zu den Jahren erwachsen sind, wo ihre Stimme in der Gesellschaft gezählt wird, weil ich suchen werde, sie zu sanfter Verträglichkeit zu stimmen. – Frau Grafe sagte mir aber einst bei Aeusserung dieses Gedankens: »Ich müßte eine sorgfältig Abtheilung machen, wenn ich diese Idee meinen Buben oder meinen Mädchen geben wolle. Die letztern würden die Vorstellung der sanften Schonung gerne aufnehmen; aber den jungen Männern müßte ich sagen, daß sie grosmüthig über das Unvollkommne hinsehen sollen: indem sich die Männer gewöhnt hätten, Güte, Nachsicht und Sanftmuth für Anzeigen eines schwachen Charakters zu halten – daß aber der Ausdruck: übersehen, eine Höhe anzeige, bei welcher sich ihr Stolz wohlbefinden würde.« – Meine Beobachtungen liefern mir keine Gegenbeweise, denn leider wird oft ein Anfall von Zorn, Unversöhnlichkeit und bittrer Satire für Stärke des Geistes und der Gesinnung gehalten – und ich glaube dann die Schwäche der Philosophie zu sehen. –


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