Artur Landsberger
Haß
Artur Landsberger

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Sechzehntes Kapitel.

Wie der junge Stoelping Ilse zu gewinnen suchte.

Als Ilse nach dieser ersten Begegnung wieder vor Stoelping stand, war sie gefaßt, nicht aufgelöst, wie er gewünscht und erwartet hatte.

Frei und ungezwungen betrat sie mit dem Referendar sein Zimmer.

Stoelping sah sofort, daß die Fragen nicht verfangen würden, die er sich in der Erwartung zurechtgelegt hatte, sie werde unter dem Eindruck der Begegnung mit Günther aus allen Himmeln gerissen, verzweifelt, hilflos und daher leicht zu bestimmen sein, alles zu sagen, was sie wußte, und was er wissen wollte.

Er stand auf und ging ihr entgegen.

»Es hat Sie sehr angegriffen!« sagte er gegen seine Überzeugung. »Ich hätte es wissen müssen und Sie schonen sollen.«

»O nein!« erwiderte Ilse, »ganz im Gegenteil. Ich fühle mich viel freier und bin Ihnen dankbar, daß Sie mir diese Aussprache ermöglicht haben.«

»Sie tun ja gerade, als hätte diese eine Begegnung Ihnen schon alles gesagt, was Sie in Erfahrung bringen wollten.«

»Das hat sie!« erwiderte Ilse und sah ihn fest an. »Jedenfalls mehr als ich weiß, werde ich nicht erfahren.« – Und sie setzte hinzu und betonte es – »und will's auch nicht!«

Schon aus diesen wenigen Worten, die Ilse noch immer ganz bei Hempel zeigten, erriet Stoelping, daß die erste Begegnung von seinem Standpunkte aus jedenfalls alles eher als ein Erfolg war.

»Ich denke, wir setzen uns erst einmal,« sagte Stoelping. »Herr Referendar, Sie sind ja wohl mit Ihren Akten fertig?«

Der Referendar verstand, verbeugte sich und ging.

»Also?« fragte Stoelping und wandte sich wieder an Ilse, »das Ergebnis?«

»Wie ich Ihnen gesagt hatte,« erwiderte sie lebhaft, »Dr. Hempels Gesinnung ist über jeden Zweifel erhaben.«

»Davon haben Sie sich überzeugt?«

»Das brauchte ich nicht. Ich wußte es. Sie waren es, der daran zweifelte. Ihretwegen habe ich es nochmals feststellen wollen.«

»Und auf welche Art, wenn ich fragen darf, ist das geschehen?«

Sie sah ihn erstaunt an.

»Ja, ich habe doch mit ihm gesprochen – durch Ihre Güte – eine halbe Stunde lang.«

»Und da hat er Ihnen gesagt,« fuhr Stoelping mit leiser Ironie fort, ». . . daß er unschuldig ist . . .«

»Nein! das hat er nicht gesagt!« platzte Ilse heraus.

Stoelping nagelte sie nicht darauf fest, um sie nicht einzuschüchtern.

»Jedenfalls aber hat er Sie versichert, daß seine Tat nur den edelsten Motiven entspringt.«

»Ja!« rief Ilse freudig, »das hat er mir versichert.« Und als sie, die unbekümmert sprach, wie ihr ums Herz war, seinen forschenden, scharfen Blick auf sich gerichtet sah, besann sie sich und sagte: »Nicht etwa – wie Sie vielleicht denken – aus Furcht oder um sich herauszustreichen –« sie schüttelte den Kopf, »wenn Sie das denken, kennen Sie ihn nicht. Ja, ich weiß nicht einmal, ob er es so mit Worten, wie Sie jetzt mit mir sprechen, ausdrücklich versichert oder auch nur gesagt hat. Aber er hat es mich fühlen lassen – und ich weiß es nun und bin ganz ruhig. Und das war ja wohl auch der Gedanke, von dem Sie ausgingen, als Sie mich um meine Unterstützung baten.«

»Sie wollten mir helfen, die Wahrheit finden. Das war es, weshalb wir uns verbunden hatten. Erinnern Sie sich nicht? Sie haben es mir in die Hand gelobt.«

Ilse sprang auf.

»Dann bitte ich Sie, mich von meinem Versprechen zu entbinden.«

Auch Stoelping stand jetzt. Weniger aus Erregung über diese unerwartete Bitte, in der er Hempels Geständnis las, war er aufgesprungen, als aus Takt, der ihm verbot, zu sitzen, wenn eine Dame stand.

»Und wenn ich diese Bitte nicht erfülle? – was dann?« fragte er.

Sie sah ihn nur an und sagte nichts, so überrascht war sie.

»Bedenken Sie! Es ist nicht mein Interesse, das auf dem Spiele steht,« fuhr er fort. »Wäre das der Fall, mein Verzicht wäre ein Gebot der Höflichkeit. Hier aber handelt es sich um Staatsinteressen. Sie begreifen, daß da alle Courtoisie zu schweigen hat, und ich als Beamter lediglich meine Pflicht tun muß.«

»Trotzdem werden Sie mich, wenn ich Sie darum bitte, von meinem Versprechen entbinden. Sie haben selbst gesagt, und ich begriff das durchaus, daß Ihnen an einer Verurteilung mehr oder weniger nichts gelegen sei.«

»Gewiß, aber um so mehr liegt mir an der Feststellung der Wahrheit. Auch Ihnen lag, wenn ich Sie erinnern darf, daran; ja so viel, daß Sie sich erboten, ihr wenn es nötig werden sollte, sogar die Interessen des Angeschuldigten zu opfern. Freiwillig geschah das! Ich habe Ihnen, wenn Sie sich erinnern, diese Alternative ausdrücklich ersparen wollen.«

Ilse spürte noch immer nicht, wie überlegt Stoelping sie in die Enge zwang.

Unbekümmert erwiderte sie:

»Gewiß, ich weiß. So dachte ich gestern, in der ersten Erregung.«

»So dachten Sie auch noch heute – ehe Sie den Brief lasen und die Zusammenkunft hatten.«

»Ja!« sagte sie und sah ihn treuherzig an. »Ich habe nicht überlegt und nur aus dem Gefühl heraus gehandelt. Nun aber weiß ich, daß das falsch war.«

»Das heißt, Sie wissen, daß die Wahrheit ihn belasten würde.«

»Wieso?« fragte Ilse und verlor sofort ihre Sicherheit.

»Nun, wenn die Wahrheit ihn entlasten würde, hätten Sie keinen Grund, sie zu verschweigen.«

»Das weiß ich nicht, könnte es, auch wenn ich es wüßte, nicht beurteilen; denn wer weiß, wie das alles ausgelegt würde. Nur, daß Sie nicht weiter in mich dringen dürfen, weiß ich. Und darum bitte ich Sie zum letzten Male, mich meines Wortes zu entbinden.«

Diese Frau brachte ihn aus dem Konzept. Seine Fragen waren Schlingen, und wie er's gewohnt war, so durchdacht gelegt, daß selbst ein Spitzbube, der auf seiner Hut war, sich darin fangen mußte. Aber gerade einem arglosen Menschen gegenüber, der nicht ängstlich bei jedem Schritt fürchtete, sich zu verheddern, blieben sie wirkungslos.

Auf ihre Bitte, sie ihres Wortes zu entbinden, erwiderte er:

»Das Gesetz gibt Ihnen das Recht, Ihr Zeugnis zu verweigern; nur mache ich Sie jetzt schon darauf aufmerksam, daß man eine derartige Weigerung nicht gerade zugunsten des Angeklagten auslegen würde.«

»Wo ich doch nichts weiß, was für einen Sinn hätte es da, die Aussage zu verweigern?«

»Sie wissen nichts?« fragte Stoelping, in einem Tone, der erkennen ließ, daß er es nicht glaubte. »Demnach wären Sie also auch ohne diese Zusammenkunft anderer Meinung geworden?«

Ilse dachte nach.

»Ja!« sagte sie, »wahrscheinlich schon auf den Brief hin; jedenfalls hätte ich es mir danach erst noch einmal überlegt.«

»Entschlossen waren Sie jedenfalls erst nach Ihrer Unterredung.«

«Ja.«

»Demnach wissen Sie seitdem mehr als nur das, was in dem Briefe steht.«

Wieder überlegte Ilse. Und zwar mühte sie sich, selbst darüber klar zu werden; nicht aber suchte sie, wie Stoelping annahm, nach Mitteln, seinen verfänglichen. Fragen auszuweichen. Nach einer Weile sagte sie:

»Mehr wissen tue ich eigentlich nicht, wenigstens nichts Positives. Aber im Gefühl habe ich es.«

»So hat er Ihnen also nicht gesagt, was ihm zur Last gelegt wird?«

»Nein!«

»Und Sie haben ihn auch nicht danach gefragt?«

»Nein!«

»Und das soll ich Ihnen glauben?«

Ilse fuhr zusammen.

»Was erlauben Sie sich!« rief sie und sprang auf. Jetzt erst nahm sie wahr, daß sie allein mit ihm im Zimmer war und empfand die Situation, der sie bisher weder ihrem Gefühl, noch ihren Worten nach Rechnung getragen hatte.

Auch Stoelping stutzte bei diesem elementaren Ausbruch der Entrüstung, auf den er keine Erwiderung fand. War sie in diesem Augenblick Zeugin, so war ihr Ausruf ein arger Verstoß, saß sie ihm aber als Dame gegenüber, so war er im Unrecht, und sie hatte Grund, gekränkt zu sein.

Das empfand auch Ilse, wenn sie jetzt resigniert mit dem Kopf nickte und sagte:

»Richtig! – ich vergaß – ich befinde mich ja dem Staatsanwalt gegenüber, da muß man sich so etwas ja wohl gefallen lassen.«

»Verzeihung!« erwiderte Stoelping. »Nichts lag mir ferner, als Sie zu kränken. Aber Sie werden bekennen: um einen Menschen zu retten, den man liebt, greift wohl auch der Wahrheitsliebendste mal zu einer Lüge.«

»Ich nicht!« erwiderte Ilse, »und das hätten Sie merken können. Denn wenn ich heucheln könnte, hätte ich Sie nicht darum gebeten, mich meines Wortes zu entbinden. Dann hätte ich diese Begegnungen fortgesetzt, auf die ich weiß Gott nicht leicht verzichte, und hätte Ihnen hinterher berichtet, was ich wollte.«

»Würde ich glauben, daß Sie dazu fähig sind, so hätte ich nie eine derartige Vereinbarung mit Ihnen getroffen,« sagte Stoelping.

»Und ich würde,« erwiderte Ilse, »auch ohne diese Vereinbarung nie von der Wahrheit abweichen; ich würde mich in einem solchen Falle aber für berechtigt halten, nichts zu sagen.«

Stoelping beugte den Kopf nach vorn, schloß für einen Augenblick die Augen und sagte:

»Mir liegt an Ihrem Vertrauen! Nicht der Sache wegen, die ich in höherem Auftrage hier nach dem Buchstaben des Gesetzes lösen muß, sondern aus rein menschlichem Interesse. Ich wußte bis zu dieser Stunde nicht,« – und dabei sah er Ilse durchdringend an – »daß es so etwas gibt.«

»Ich verstehe Sie nicht!« erwiderte Ilse.

»Bei einer derart komplizierten Sache, die mir seit Wochen das ärgste Kopfzerbrechen macht, und derentwegen ich immer nach neuen Einfällen suche, sehe ich mich plötzlich einem so aufrichtigen und offenherzigen Menschen wie Ihnen gegenüber! Das verwirrt! Ja, Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, auch nur eine Frage, die ich an Sie stelle, aus Zweckmäßigkeit etwa anders als nach Ihrem Gefühl zu beantworten.«

»Ich glaube, daß es mir Dr. Hempel wenig danken würde, wenn ich ihm durch Schliche oder Unwahrheiten zu nützen suchte. Auch ist das ein Talent, das völlig gegen meine Natur geht – ich könnte es einfach nicht, auch wenn ich mich dazu zwingen wollte. Ich hätte das Gefühl, daß ich mich damit erniedrige, vor allem aber ihn – und das wäre das letzte, daß ich etwas täte, was ihn kränken könnte.«

Wen solche Frau liebt, schoß es Stoelping durch den Kopf, ob man dann nicht ein anderer würde? – Und er sagte es sich noch einmal: Wenn die Frau dich liebte, ob du dann nicht würdest wie die anderen? Und der Gedanke setzte sich in ihm fest.

Sein feiner Spürsinn sagte ihm, ohne daß er sich Rechenschaft geben konnte, warum: was durch Erziehung und Umgang, was durch Vorbilder und Selbstzucht nicht gelang, kann allein einer Frau gelingen, einer Frau, die dich liebt, und die du wieder liebst. Einer Frau, die ist wie sie!

Und er fand die Bestätigung in Miß Harrison, die so ganz anders war in allem; so gerade entgegengesetzt. Auch die hatte auf ihn gewirkt; aber wie anders. In ihrer Gegenwart war er außerstande, Regungen, gegen die er seit Jahren ankämpfte, auch nur den geringsten Widerstand entgegenzusetzen. Und seine ganze Weltanschauung, in die er sich, im Widerspruch zu seiner Natur, mit tausend Gründen immer von neuem hineinzuzwingen hatte, war in Gegenwart der Miß Harrison zusammengefallen wie ein Kartenhaus.

Das alles war ihm nie deutlicher zum Bewußtsein gekommen als jetzt. An den Prozeß dachte er in diesem Augenblick nicht mehr. Seine Person stand wieder im Mittelpunkte, und er suchte sich über die starke Wirkung, die Ilse auf ihn übte, klar zu werden.

»Gut!« sagte er, »ich will Ihren Gefühlen Rechnung tragen. Ich entbinde Sie also Ihres Wortes und verzichte auf Ihre Mitwirkung bei Eruierung der Wahrheit.«

Ilse war ihm dankbar und reichte ihm die Hand.

»Was werden Sie nun beginnen?« fragte er sie.

Um ihren Mund lag wieder der wehleidige Zug. Sie sah ihn an und sagte:

»Ich? – was kann ich anders tun, als an ihn denken?«

»Sie sollten fort, weit fort! unter andere Menschen, in andere Verhältnisse!«

»Was sollte das nützen? Glauben Sie, ich würde auf einer Insel der Südsee auch nur eine Minute an etwas anderes denken als an ihn?«

»Das sollten Sie!« sagte er und mühte sich, Mitleid zu zeigen.

»Nein! das sollte ich nicht! Ich müßte mich verachten, wenn ich das könnte. Ich werde weder schwach, noch unglücklich sein. Und kein Mensch soll Mitleid mit mir haben. Ich werde schon mit mir fertig. Am besten, wenn niemand sich um mich kümmert.«

Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und stand auf.

Aber Stoelping dachte nicht daran, ihre Rolle als beendet zu betrachten. Er war im Gegenteil entschlossen, eine Verbindung zwischen sich und ihr herzustellen, die sich nicht lediglich auf diesen Prozeß beschränkte.

Außer dem Reiz, den sie als Frau auf ihn übte, und den Vorteilen, die er für sich als Menschen aus einem engeren Anschluß an sie erhoffte, war es auch Eitelkeit, die nicht ertrug, daß er ohne irgendwelchen Eindruck zu machen, als Mensch und Mann einfach ausgeschaltet war. Vor allem aber des Prozesses wegen, an dem seine Karriere hing, mußte er sich diese Frau, die einzige, der sich Hempel erschloß, halten. Denn was war natürlicher, als daß Hempel, wenn die Zusammenkünfte mit Ilse sich wiederholten, eines Tages doch von dem sprach, woran sie beide ja vom ersten bis zum letzten Augenblicke ihres Beisammenseins dachten – von der Tat, derentwegen sie jetzt auseinandergingen, und die sie, wenn man ihn überführte, für immer voneinander trennte.

Das alles empfand und berechnete Stoelping mit kaltem Verstande, ohne daß sein Herz Anteil daran hatte, während Ilse sich zum Gehen anschickte und ohne verstandesgemäße Erwägung Mut und Beherrschung nur aus ihrem tiefen Gefühl für Hempel schöpfte.

»Mein Fräulein!« sagte Stoelping, und gab sich Mühe, so unofflziell wie möglich zu wirken, »so sehr ich glaube, daß ich Ihnen Interesse über diesen Prozeß hinaus entgegenbringen könnte, so habe ich doch kein Recht, auf Ihre Gefühle und Entschlüsse hinsichtlich dieses Dr. Hempel irgendwie einzuwirken. Das werden die Ereignisse tun; denn die werden stärker sein als alle Worte und Hinweise, die ich oder andere Ihnen geben können. Sie haben nicht ohne leisen Vorwurf erklärt, Sie ständen mir nicht als Mensch dem Menschen, sondern als Zeugin dem Staatsanwälte gegenüber. Nun, ich lege Wert darauf, daß Sie mich auch als Menschen kennen lernen. Scheiden wir den Prozeß aus; für das, was uns beide angeht, soll er nicht existieren.«

Ilse sah ihn fragend an; sie verstand ihn nicht.

»Zwischen Ihnen und mir . . .« wiederholte sie und schüttelte den Kopf.

»Ja!! nehmen Sie an, ich wäre nicht Staatsanwalt.«

»Sondern?«

»Ihr Freund.«

Ilse wich instinktiv einen Schritt zurück.

»Halten Sie das nicht für möglich?«

»Ich weiß es nicht,« erwiderte Ilse, »vom Staatsanwalt zum Freund, das ist ein weiter Schritt.«

»Ich will ihn Ihnen erleichtern. Hören Sie zu. Sie sollen Dr. Hempel nach wie vor besuchen dürfen, und zwar ohne die Verpflichtung, mir über das, was Sie gesprochen haben, zu berichten.«

»Ist das möglich?« rief Ilse und trat wieder dicht an den Tisch heran, »das würden Sie tun?«

»Mein Wort darauf!« erwiderte Stoelping und streckte ihr die Hand entgegen.

Ilse zögerte einen Augenblick.

»Und warum?« fragte sie, nicht gerade mißtrauisch, aber doch unsicher und ängstlich.

»Weil mir daran liegt, daß Sie gut von mir denken.«

»Daran liegt Ihnen?« fragte Ilse und wußte nun gar nicht mehr, was sie denken sollte. »Was kann Ihnen daran liegen?« fragte sie noch einmal. »Sie kennen mich ja gar nicht.«

»Es gibt Menschen, bei denen einem daran liegt, daß sie eine gute Meinung von einem haben, auch ohne daß man sie kennt; oft genügt, daß man weiß, wer und was sie sind. So habe ich das Gefühl, ich müßte Ihnen etwas Gutes antun. Und um Gutes zu tun, braucht man sich schließlich nicht Rechenschaft über seine Gefühle zu geben. Das darf man auch so.«

»Und Sie fordern nichts dafür? Auch ihn werden Sie dann nicht quälen? Nur um gut zu sein, wollen Sie das tun?« – Sie sah ihn jetzt freundlich an. – »Ich begreife das! ich habe auch schon ähnlich empfunden. Es macht sehr froh. Aber daß Sie . . .« sie schüttelte den Kopf – »von Ihnen hatte ich das nicht erwartet, das heißt« – verbesserte sie schnell – »ich kenne Sie ja kaum und weiß ja nichts von Ihnen.«

»Nun aber wissen Sie, daß ich Ihnen wohl will!« Und er streckte ihr wieder die Hand hin und nickte ihr zu, »nun dürfen Sie!«

Und Ilse schlug freudig ein und erwiderte kräftig den Druck seiner Hand.

»Wie es auch ausgeht, – wir werden Ihnen ewig dankbar sein,« sagte sie, nickt ihm zu und ging.

 


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