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20

In einer Nacht traten die Eiszerreißungen ein, es hallte vom Buffalo-Creek herüber, der Eisdonner erfüllte die Luft, das Mondlicht war fahl, ein wärmerer Wind flatterte über Buffalo. Am Tage wurde es wieder kalt, im Eise aber zuckte es weiter. Das Eis wurde immer verderblicher. Es versank wie durch Zauber. Schnee und Wind, danach Nebel, endlich wurde es wärmer.

Stamer hatte im Hafen seinen Hund erschlagen. Nun hatte der Hund endlich Ruhe vor Stamers ewigen Tritten; es war nicht mehr anzusehen, wie sie sich gegenseitig quälten. Der Hund hatte ihn in die Ferse gebissen, ein Schlag gab den anderen, Biß auf Biß, der Hund hatte Verstand im Kopf. Auge um Auge. Nun war Ruhe eingekehrt, die Schauerleute atmeten auf. Jetzt war Stamer ein besserer Mensch, er arbeitete still unter ihnen, neben Elson und Jens. Ruhe? Guter Gott, es trieb Stamer zu weiteren Scheußlichkeiten, er hatte seinen Hund an der Schleuse begraben. Das Wasser war in die Schleuse gerauscht, eines Morgens aber hing an der Schleuse ein schwarzes Brett, darauf standen unter einem großen Kreuz drei Worte: Jens – geboren – gestorben. Oder war es nichts, wenn Stamer einen Stock aufstellte, ein Stück lila Tuch darüber warf, einen Rosenkranz und eine Priesterkappe dazugab? Darauf schoß er zum Gaudium der Schauerleute mit einer Luftbüchse …

Er hat lange unter den Katholischen in Sault St. Marie gelebt, sagten die Schauerleute, er ist aber nicht katholisch geworden. Da ist es zu verstehen, daß er so geworden ist.

Jens hatte ein Gespräch mit ihm, sie standen im Hafen hinter verrosteten Loren und waren allein.

Sagen Sie mir, wohin das mit Ihnen treibt, Stamer!

Diese Frage steht Ihnen nicht zu, erwiderte Stamer.

Wenn Sie es so weiter treiben, wird es bald ein Ende geben. Sie lassen Ihrer Seele keine Ruhe, eines Tages wird es Sie überfallen, Sie wissen nicht, wie Ihnen geschieht, die geplagte Seele zerreißt Ihnen das Herz.

Dann geschähe dir recht!

Mir?

Ja, das ist es, ich bete darum, daß ich Dich sterben sehe.

Stamer, sagte Jens traurig, daran hat sich schon mancher versucht. Der Windbruch im Gebirge, die Eisfuchtel, mein Hund Stone weiß davon, zuletzt waren Sie es.

Rede nicht, sagte Stamer, seit ich in Buffalo bin, bist du auffallend bleich geworden. Du hinkst auch stärker als in Sault St. Marie, wo du schon hübsch läufig auf den Füßen warst.

Es ist der Umbruch im Wetter … wenn erst die Sonne scheint! …

Das dachte ich auch; wenn erst die Sonne scheint, wird mein Hund vernünftig sein, dachte ich, dann will ich ihn baden und kämmen. Jetzt ist er mausetot.

Ich will Ihnen ein neues Ziel geben, sagte Jens.

Wie? Willst du dich vor meine Luftbüchse stellen!

Ich will Ihnen helfen, Sie können als reicher Mann nach Sault St. Marie zurückkommen. Bianca …

Still, schrie Stamer und vergriff sich an Jens' Arm.

Jens bebte, er hob Stamer auf und schüttelte ihn. Geh! und komme mir nicht wieder unter die Augen. –

Stamer kam aber immer wieder. Drei Tage bettelte er Jens an, ihm zu sagen, auf welchem Wege er als ein reicher Mann nach Sault St. Marie zurückkehren könnte. Er redete Jens zerknirscht an und sprach auch von Bianca, die er verlassen haben wollte, weil sie ihm nichts mehr wert gewesen sei, nachdem sie mit einem andern in einem Hotel gewohnt habe. Er wisse, daß solches geschehen könne. Es sei nun eben ein Wettstreit gewesen. Und er, Jens, habe einen stärkeren Ankratz bei den Weibern. – –

Am dritten Tage. Nun gut, dachte Jens, er ist demütig und sieht alles als vergessen an. Er nahm Stamer beiseite und sprach von den Tannenbäumen in Kanada.

Einen Sommer im Walde! sagte Stamer beglückt. Sie werden mich mitnehmen, Herr, mich, Ihren schlechten Gastgeber, der Ihnen nach der Gesundheit trachtete. Ja, nun halten Sie Ruhe, Stamer.

 

Es kamen Tage, an welchen das mürbe Eis wieder auftauchte. Die Wimpel in den Hafenmasten flatterten im Sonnenlicht. Die ersten Dampfer fuhren flußwärts aus.

Jens kam um zehn Uhr und betrat zum ersten Male Cornelias Wohnung. Maria empfing ihn, sie war zum Ausgang gekleidet, aber anstatt zu gehen, legte sie den Mantel ab.

Er sagte: Höre zu, Maria, ich komme, um Abschied zu nehmen. Melde mich deiner Herrin.

Nun stand er und horchte durch den Gang. Nach einer Weile kehrte Maria zurück und führte ihn in eine einfache Stube. An der Wand hing ein Stich von Buffalo und ein großer Spiegel, ein Sonnenstrahl fiel auf die Fensterscheibe. Unter dem Fenster stand ein Sessel und eine Fußbank aus Leder. An der Erde lag ein Bärenfell.

Cornelia kam, Maria begleitete sie. An der Tür sagte sie: Bleibe, Maria. Sie blickte ihn an und sagte: Maria sagt mir, daß Sie reisen …

Mein Schiff fährt morgen, murmelte er und sah sie an. Ihr Gesicht war zart und weich, ihre Augen blickten ihn merkwürdig an.

Wohin geht die Reise? fragte sie gleichgültig.

Sie fragt mich, dachte er hoffnungsvoll und sagte fröhlich: Ich fahre nach Sault St. Marie.

Dorthin? antwortete sie erstaunt und blickte Maria an, die immer noch an der Tür stand.

Geduld! sagte er sich und sah auf ihre Hände, die glatt und weiß waren.

Ja, leben Sie wohl! sagte sie und kehrte sich um.

Er trat vor und sagte: Ich komme wieder, Cornelia.

Ja, es ist mir gleichgültig, was Sie anfangen!

Er erbleichte und sagte tonlos: Gott gebe, daß es Ihnen gut geht, wenn ich fort bin.

Sie stand beim Fenster und blickte sich erschrocken um.

Er verbeugte sich und stand eine Weile sinnlos da, hinter ihm öffnete sich die Tür.

Nein! rief sie mit einem Mal und flog zu ihm hin. Du kommst zurück!

Er ächzte und nahm ihre Hand. Aber im nächsten Augenblick war sie wieder ruhig und kalt. Auf Wiedersehen, sagte sie.

Was jetzt! Er starrte sie an und ließ ihre Hand fallen. Sie blickte abweisend, nahm ein Buch zur Hand und kehrte zum Fenster zurück.

Er setzte sich in Bewegung. Die Tür fiel. Er verließ das Haus. Ein Fenster öffnete sich, er blickte sich um, aber es war niemand sichtbar am offenen Fenster.

 

Am nächsten Morgen sollte das Schiff ausfahren. Stamer schleppte zwei Holzkoffer und einen Seesack an Bord. Jens stand lange an Land, das Gesicht zur Stadt gewandt. Stamer kam und sagte, daß er die Koffer und den Seesack an Bord geschafft habe. Ob er sonst zu Diensten sein könne. Jens schüttelte den Kopf. – Sie erwarten jemand? fragte Stamer unterwürfig. – Jens erwiderte ihm: Richten Sie die Kajüte ein, ich warte hier.

Stamer ging zur Landebrücke hinunter.

Vancour kam endlich, er schritt schnell über den Landungssteg, pfeifend und nach allen Seiten grüßend.

Gute Reise, sagte er und drückte Jens' Hand. Ich erwarte Ihre Ordre.

Ja, ich werde Ihnen den Hafen nennen, Herr Vancour.

Vergessen Sie nicht, daß ich darauf warte, von Ihnen zu hören!

Nein, murmelte Jens und blickte Vancour durchdringend an.

Vancour sagte: Ich habe Ihnen Grüße von Kitty auszurichten.

Aber Jens blickte ihn stumm an, Vancour versteckte seine Augen und stampfte mit dem Fuß auf die Erde, er sagte: Ich halte ein Auge auf Cornelia, fahren Sie beruhigt ab … Wie Sie mich anblicken, Sie mißtrauen mir?

Ein Schreck durchzog ihn, er hatte in Vancours Auge eine wilde Freude gesehen. Aber Vancour schwatzte abgewandten Gesichts: Wenn der Winter kommt, liegt ein Schiff im Hafen, vollgestopft mit Christbäumen und ich stehe hier und werde Sie begrüßen. Das Achterdeck ist hoch hinauf mit Bäumen beladen. Buffalo soll Ihnen zu Füßen liegen. Die Armen kaufen den Baum zu einem Dollar. Alle Kirchen sollen die Glocken rühren … Eine wird Ihnen die Hände streicheln, wenn Sie zurückkommen …

Wir wollen von Cornelia schweigen, erwiderte Jens dumpf.

Sie blicken sich aber die Augen nach ihr aus! Daß sie nicht kommt, Ihnen ein Wort zu sagen!

Leben Sie wohl, Vancour!

Ja, gehen Sie, man zieht die Brücke ein. Aber achten Sie auf Ihren Fuß, es ist ein Übel mit Ihrem Fuß …

Das waren Vancours Abschiedsworte. Jens ging mit Stamer an Bord, als er sich umblickte, stand Vancour noch immer auf dem Landesteg.


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