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5

Gegen Abend, als die ersten Wagen vom Felde kamen, schlich sich Jens von hinten über Tucys Hof ans Haus. Niemand sah ihn außer Kal, der die Messer in der Werkstatt schliff. So kam er heimlich in seine Kammer. Er wusch sich, legte frische Wäsche an und wählte aus seinem Seesack eine blaue Tuchhose und eine weiße Leinenjacke. Ah, wenn Tucy ahnte, daß er sich so feierlich kleidete, um Allisters Dampfzug in Gang zu bringen! Aber Tucy konnte es nicht ahnen, er lag im Bett und hatte drei Wunden am Arm, die er so schnell nicht vergessen wird. Welche Freude es aber für Jens sein wird, wenn er in seiner weißen Jacke vor Tucy steht; guten Abend, Tucy. Ich habe einen Ritt vor. Du siehst recht, blaues Zeug und weiße Jacke, mein Freund aus Montreal und alter Seegenosse. Ich stehe jetzt in Diensten Allisters und Paul Vancours, Vancour ist sein Name. Morgen soll der große Dampfzug den Weizen köpfen. Es geschieht, um Herrn Vancour zu einem frühen Weizen zu verhelfen. Die Märkte sind leer, Tucy, und die kleinen Händler leben von den Brocken, die wir ihnen zufallen lassen. Doch davon will ich jetzt nicht reden … Wenn dein Weizen eingebracht ist, baue ich mir ein Haus in der Prärie. Du wirst mir Pferde und Wagen geben. Ich gehe mit Kal in den Wald und fahre noch vor dem Winter das Bauholz zusammen. Denn ich will als freier Mann leben …

Er starrte in den Spiegel und flüsterte sich selber zu: ein Haus in der Prärie, das ich abschließen kann, und ein Pferd in der Fenz. Und wenn der Winter kommt, raucht ein Schornstein in der Prärie. Ein Gewehr zur Jagd, das ich mir umhänge, und ein Hifthorn zum Blasen.

Als es dunkelte, verließ er seine Kammer und trat bei Tucy ein. Djib lag mitten in der Stube. Vor Tucys Bett brannte eine Öllampe, er saß aufrecht im Bett und betrachtete durch den Verband seine Wunden. Als er nun Jens eintreten sah, traute er seinen Augen nicht; er sah an Jens die weiße Jacke und merkte gleich, daß ein anderer Wind von ihm ausströmte.

Jens hielt die Tür in der Hand und horchte hinter sich. Aus dem Gang und aus der Diele hörte er die Frauen reden, die Männer sprachen, und dies war Chesters laute Stimme, die über den Flur hallte. Sie redeten von der Gerste, die nun eingebracht war.

Setz dich! rief Tucy, du hast dich fein gemacht!

Jens sagte: Ich habe einen Ritt vor!

Einen Ritt?

Zeige mir deinen Arm, Tucy.

Willst du deine Schnitte sehen?

Er fühlte Tucys Hand, die Hitze hatte nachgelassen, aber sein Gesicht war noch rot und der Schweiß lief ihm in die Augen, die ganz klein und entzündet aussahen.

Wohin willst du reiten? – Zum Nachbar, erwiderte Jens und überlegte, was er Tucy nun sagen sollte. Er schaute ihn kritisch an und murmelte: Ich reite zu Allister, kennst du Herrn Vancour aus Buffalo?

Aus Buffalo? nein …

Er wohnt bei Allister, es ist der Auserkorene von Cornelia Allister.

Tucy sagte mürrisch: Was treibt dich zu Allister? Eine Poussage! Ich kenne dich, es sind die Weiber, die dich treiben. Erst Fanny, dann Louison, jetzt die Dame Allister.

Einen Augenblick knirschte Jens mit den Zähnen, er sagte: Mein Besuch gilt dem Dampfzug, ich bringe Allister den Dampfzug in Gang. Und nun Gottes Frieden, Tucy.

Er wandte sich und ging zur Tür. Tucy lachte hinter ihm: Blaue Hosen und weiße Jacke für einen Dampfzug. Nein, ich kenne dich, du bist hinter Allisters Tochter her!

Jens blieb drohend stehen.

Antworte doch! höhnte Tucys Stimme, ist es Cornelia Allister? Vergiß nicht, daß wir deine Freunde sind und nicht die Allisters. Wir halten für dich den Tisch gedeckt, geben dir zu essen …

Wie! rief Jens zornbebend. Ich habe gearbeitet wie ein Gaul. Wenn der Weizen eingebracht ist, verlasse ich dich. Und halte mein Geld bereit, ich will bauen! So, und nun Gottes Frieden … Er schlug die Türe hinter sich zu. Hinter dem Hause begegnete ihm Kal, der Alte stellte sich in seinen Weg. Wohin, Jens? Was soll morgen geschehen! Der Weizen ist noch nicht reif.

Frage Tucy, murmelte Jens und strebte davon. Kal aber rief ihm nach: Sind wir dir denn kein Wort mehr wert?

Diese Worte schlugen wie ein Blitz in sein Herz, er drehte sich still um und sagte: Deck die Gerste mit Planen zu, haut inzwischen Gras, es wird zum zweitenmal hart. Und richte mit fünf Männern den Stall auf. Bringt auch die Dreschmaschine in Ordnung und richtet die Wagen.

Gut, sagte Kal, aber das weiß ich alter Farmersmann auch. Hast du denn kein anderes Wort?

Hol's der Teufel, ich weiß nicht, was Ihr von mir wollt!

Kal schaute ihn weiter an.

Jens wurde unruhig, er sagte: Kal, Kal. Ich will mir eine Hütte in der Prärie bauen, wir werden nicht mehr lange die Knechte auf Tucys Farm spielen … Damit beschied er ihn und ging, ganz erfüllt von dem Gedanken, dem Hause Allister zu Diensten zu sein.

 

Es war spät, als er auf Allisters Farm eintraf. Zum ersten Male betrat er das große steinerne Haus; einer von Allisters Leuten, der alte Einsäer Fritjof, der sich auf das Säen mit achtzig Händen verstand, saß in der Küche und faßte ihn ab. Du bist falsch gelaufen, sagte der Einsäer, der Dampfzug steht hinter der Schmiede.

Jens blickte in sein gegerbtes Gesicht und fragte: Wo ist Mac Allister?

Allister sitzt in der Großstube, er hat seinen Besuch. Geh zur Schmiede und sieh dich nach dem Schlosser um.

Jens verließ die Küche, in der kein vernünftiger Mensch zu finden war, der ihm den Weg zu Allisters Räumen wies.

Wo willst du hin? rief ihm der Einsäer nach. Rechts herum geht es hinaus. Wie? der Kerl geht in Allisters Räume! Allister hat mir aufgetragen, dich zum Dampfzug zu bringen! – Jens ahnte die Beleidigung, die ihm der Einsäer in Allisters Haus bereiten wollte. Er sollte ihn aber nicht aus der Fassung bringen. Oder war es gar Allister, der ihm seine untergeordnete Stellung nahebringen wollte? Er öffnete eine Tür und stand in einem großen Raum ohne Möbel, lediglich eine alte Truhe stand an der Fensterwand und ein zusammengerollter Teppich lag auf dem Steinboden. An der Wand brannte ein Parafinlicht.

Bleibe hier! rief der Einsäer und kam ihm mit krummem Rücken nachgelaufen. Das ist hier der Festsaal, mach' den Boden nicht schmutzig …

Festsaal! lachte Jens grimmig; plötzlich hörte er Vancours Stimme durch die Wände, diese unbesorgte tiefe Stimme.

Nimm diesen Weg, es ist der kürzeste nach draußen, sagte der Einsäer.

Mach keine Faxen! sagte Jens, rufe Allister heraus!

In diesem Augenblick hörte er Allisters Stimme, in der nächsten Sekunde sprach Cornelia. Er verließ den Festsaal und sah im ungewissen Licht Vancour und Cornelia aus einem Zimmer treten, sie kamen ihm entgegen.

Hier ist er ja, sagte sie … Fritjof, rief sie dem Einsäer zu, ich sagte dir, daß du aufpassen sollst … Damit reichte sie Jens ihre Hand.

Er ist da! rief Vancour und ging stampfend zurück.

Jens sah sie an, sie stellte sich ganz dicht vor ihn hin. Der Einsäer, dieser heilige Fritjof, hustete dumpf und spöttisch, er ging in die Küche und Jens hörte ihn sagen: Ein Schotte kommt da gelaufen und wird wie ein Herr aufgegabelt … Jens wurde rot, doch was tat es ihm in dieser Sekunde, in der Cornelia seine Hände streichelte. An den Händen, an den Haaren zog es ihn hin zu ihr, seine Finger streiften ihr Kleid – Freude genug, ihr Kleid zu streifen. Der Einsäer lief mit einem Licht an ihnen vorbei. Cornelia ging still voraus. Spaßeshalber blieb Jens stehen, plötzlich stand auch sie, blickte sich um und lächelte. Als er das Zimmer betrat, schielte ihn Vancour neugierig an; er steckte eine lange Zigarre in Brand, sein Gesicht strahlte freundschaftlich und voller Verständnis, als sei er der Partner eines Spiels, ein Mann, der genau weiß, was vor sich geht. Und dieser Fuchs von Allister lachte so herzlich, er kroch hinter einer Standuhr hervor und reichte Jens die Hand. Die Standuhr hatte ein goldenes Zifferblatt, Judas und Petrus waren in das Blatt geprägt, beide waren nackt und spien sich an. Die Zeiger waren mit einer Stecknadel festgeheftet, das war jedermann sichtbar.

In diesen Sessel! sagte Allister, setzen Sie sich! Er zeigte auf einen alten Ohrensessel, an dessen Seite noch die Traggurte hingen, an denen Neger aus den Mittelstaaten Allister einst über die Felder trugen.

Cornelia sah aus einer Entfernung auf Jens, unverwandt betrachtete sie ihn. Er stellte sich mit dem Rücken gegen ihren brennenden Blick. Allister rauchte dieselbe lange Zigarre wie Vancour, der süße Duft des Tabaks zog durch das Zimmer. Vancour bot Rum aus Buffalo an, Jens trank ihn arglos, er war milde, aber von langanhaltendem Feuer. Als er sich niederließ, erhob sich Vancour, gleichsam, als habe er nur darauf gewartet, daß sich Jens setzen sollte, er stellte sich so, daß er mit seiner breiten Brust Cornelias Blicke auffing. –

Allister lachte Jens versteckt an und verlangt Auskunft über Tucys Farm. Jens wand sich unter seinen rücksichtslosen Fragen, nein, nein, er war kein Schwätzer, der Tucy durch die Stuben fremder Farmer trug. Aber Allister bohrte weiter, eine bestimmte Frage schien ihm am Herzen zu liegen und diese Frage wiederholte er in kurzen Abständen. Woher hat Tucy das Geld, das seine Farm wieder flott machte? Jens zuckte mit den Schultern, das wisse er nicht. Gut, sagte Allister, das Geld verschwindet in einer großen Farm. Aber es war plötzlich da, vor einem Jahre hatte er eine Anzahl hufkranker Pferde und konnte nicht ackern, knapp, daß er seine Saaten hatte. Mein Einsäer triumphierte schon, daß wir Tucys Farm billig erwerben könnten. Pardautz! plötzlich zogen zwanzig frische Pferde auf den Hof, Saaten waren auch da.

Jens erhob sich aus dem Sessel und fragte nach dem Dampfzug. Hören Sie, sagte Allister, und tippte ihm auf die Schulter, Tucy kaufte sich auch neue Mähmaschinen. Und dieser Stolz dazu; vordem kam er jeden Tag und bettelte um ein Gespann Pferde, um einen Wagen und um Saat. Mit einem Schlage wurde das anders. Der Herr Nachbar kannte mich nicht mehr. Er schuldet mir noch dreihundert Zentner Gerstensaat. Wenn es Fritjof wüßte, hätte Tucy keine ruhige Minute!

Er fand wohl ein Haar in der Nachbarschaft, sagte Jens verdrossen und stellte sich so, daß er Cornelia von der Seite sah.

Ein Haar! Wie meinen Sie das! Glauben Sie, ich hätte ihm seine Not vorgehalten oder Nutzen daraus gezogen?

Jens sagte: Nein, Allister, das glaube ich nicht. Aber ich glaube anderes. Ich glaube, daß Sie niemandem dreihundert Zentner Getreide ohne eine Sicherung leihen.

Vancour flog herum, sein Ohr hatte die Worte Getreide und Sicherung vernommen, das genügte, um sein kaufmännisches Gehirn zu beschäftigen. Jens aber hatte die Worte voller Berechnung ausgesprochen. Nun verriet Vancours Gesicht großes Interesse, er wollte wissen, was die Worte auf sich hatten. Was ist mit der Sicherung! fragte er. Welches Getreide, Allister? Handelt es sich um die neue Ernte?

Allister machte eine Handbewegung und sagte: Später gebe ich Ihnen die Erklärung, Herr Vancour. Dieser Jens glaubt nicht, daß ich einer Guttat, einer nachbarlichen Noblesse fähig bin! Dabei bin ich ein gerupftes Huhn, das schon viele Federn verloren hat!

Cornelia erhob sich plötzlich, stellte sich an Jens' Seite und blickte ihn mit ergebener Miene an. Jens, sagte sie, glauben Sie meinem Vater nicht, er ist ein rücksichtsloser Farmer. Mir hat er einmal drei Lämmer abgeschossen, weil sie in seinen Weizen eingebrochen waren.

Tod und Teufel! sagte Vancour. Ist das wahr? Er blinzelte Jens mit seinen guten Augen an. Ist das wahr, Allister!

Das mag wahr sein, sagte Allister offenherzig. Ich habe es in einem Wutanfall getan, damals war ich noch ein kleiner Farmer, Cornelia noch ein Kind, ohne Kleider und Vermögen. Heute kann sie sich übrigens eine Herde Schafe zusammenstellen. Ich habe nichts dagegen.

Sie blickte ihren Vater traurig an und flüsterte: Eine Herde Schafe … ich hätte keine Freude mehr daran.

Allister beugte sein Haupt, er blickte plötzlich stumpf vor sich hin. Eine Erinnerung mochte durch seinen Kopf gehen, eine schmerzliche Erinnerung, er begann seinen Kopf hin und her zu bewegen, er stöhnte sogar, als trüge er weiß was auf seinem Gewissen.

Vancour machte drei Schritte hin, drei Schritte zurück, dazu sagte er dumpf mehrere Male: Drei Schafe, drei Lämmer … Jens kam ein Lachen an, da stöhnt nun Allister, Vancour läuft auf und ab und murmelt immer noch die blöden Worte. Als wäre es dem geriebenen Händler je im Leben auf drei Lämmer angekommen! Bis Cornelia sich mit einer raschen Bewegung an Vancour wandte und sagte: Es scheint … Sie weinen um meine drei Lämmer!

Er blieb stehen und starrte sie an. Sie sagte ihm halblaut ins Gesicht: Es ist nicht nötig, daß Sie das erheucheln. Vater und ich … wir haben damals einige Tage Lammfleisch gegessen!

Allister lachte plötzlich dröhnend: Nehmen Sie es nicht krumm, Vancour! Sie lügt Ihnen etwas vor. Seit meinen unglücklichen Schüssen ißt sie kein Fleisch mehr!

Vancour stand wie verdonnert da, er blickte unverwandt vor sich hin. Ihr Gesicht nahm die merkwürdigsten Züge an, sie kämpfte mit Tränen und in dieser Sekunde trat ihre Gestalt dicht vor Jens' Seele, er begann sie zu lieben. Er konnte sie nicht länger anblicken, er hätte ihr zu Füßen sinken müssen. Um sich von diesem Zwang zu befreien, sagte er laut: Herr Allister, ich kam nicht, um Tränen zu sehen, führen Sie mich endlich zu Ihrem Dampfzug!

Still, sagte Allister, still, ich weiß jetzt, woher Tucy sein Geld hat. Von Ihnen, Jens! Sie sind auch so ein gerupftes Huhn. Hörst du, Cornelia! Jens hat das Geld in Tucys Farm eingeschossen. Sie werden es aber nie wieder zu Gesicht bekommen. Wenn man eine große Farm, bewirtschaften will, darf man kein Herz mehr haben. Gehen Sie, schießen Sie erst Lämmer über den Haufen und alles Vieh von Tucy dazu. Viehwirtschaft in Kanada trägt sich nicht. Und köpfen Sie das Getreide möglichst an der Ähre ab, das Stroh macht unnötige Arbeit!

Jens blickte lange in Allisters altersgraue Gesicht, darin stand eine lange Geschichte vom kleinen Farmer bis zu den tausend Tonnen Weizen, die Allister ernten wollte. Und doch hatte Allister soeben um den kleinen Farmer in seiner Brust geweint.

 

Die Nacht war nicht hell und nicht dunkel, ein leiser Wind ging. Allister hatte eine Menge Windlichter um den Dampfzug gestellt. Der Koloß kam aus den Staaten, seine Räder waren breite Walzen, er wog an zwanzig tons, sein Rumpf war schwarz lackiert, über die Feuertüre zogen sich drei grüne Eisenbänder. Der lange schmale Schornstein ragte wie ein Horn aus dem Rumpf hervor. Eine Reihe Leute war aufgeboten, Jens an die Hand zu gehen. Eine Feldschmiede fehlte nicht, Vancour hatte seine Jacke ausgezogen und stand im flatternden Seidenhemd neben Jens, neugierig und hilfsbereit. Er war zu allem erbötig.

Ein Feuer in meinem Rücken! sagte Jens. Das Feuerloch war ihm nicht genügend erhellt. Vancour schoß davon und schleppte dürres Holz herbei, Allister gab genau den Platz an, wo das Feuer brennen sollte. Jens betrachtete die Stahlwalze, sie war ihm noch zu rauh, er begab sich zur Feldschmiede und begann sie mit feinen Feilen zu glätten. Er befahl Vancour Wasser aufzufüllen, und Vancour schleppte getreu mit vier Männern Wasser herbei. Eimer um Eimer verschwand in dem schwarzen Leib. Das Mannloch war ganz geöffnet, Jens wollte durch Wasserdruck die lecken Stellen prüfen, die Dampfpumpe mußte mit einer Handpumpe vertauscht werden. Er gab seine Anordnungen dem Einsäer, der jetzt seinen Rücken vor ihm krumm machte. Er nahm ihn auf die Seite und fragte ihn, wer die Anordnung gegeben hatte, ihn nicht in Allisters Räume zu führen. Der Einsäer grinste und schwieg. Aber Jens ließ ihn nicht von seiner Seite. Du sollst mir das Schmiedefeuer unterhalten, befahl er, lege Holz auf und trete langsam den Balg.

Da kam Vancour und bot sich an, für den Einsäer das Feuer zu unterhalten. Jens aber hatte seine Gedanken und lächelte Vancour an; er bat ihn, am Mannloch zu verbleiben, dort, wo das Wasser im schwarzen Leib verschwand.

Nach einer Weile sagte Jens zu dem Einsäer: Du verlierst deine Stelle, Einsäer. Es kommt der Augenblick, wo du nicht mehr über achtzig Hände kommandierst.

Haha! lachte der Alte und trat vorsichtig den Balg. Wer wollte ihm wohl sein Kommando aus der Hand nehmen. Es ist ein Kunststück, das nicht viele können, über ein riesiges Feld zu gehen, immer gerade aus, vierzig Männer gehen im gleichen Schritt hinter ihm und jeder sät seinen Streifen, kein Fleckchen Erde darf unbesät bleiben. Vierzig Mann gehen den Schritt, den der Einsäer nimmt; geht er zu weit nach links, folgen ihm die Säer und ein Streifen Land bleibt unbesät; weicht er nach rechts ab, dann fällt das Korn doppelt. Den geraden Schritt haben nur wenige Menschen.

Jens sagte: Du grämst dich jetzt, daß du dein Kommando abgeben mußt. Ich kann dir einen guten Rat geben, Fritjof, und du behältst deine Macht.

Der Einsäer blickte ihn ungläubig an, er lachte nicht mehr, sein Fuß ruhte auf dem Tritt. Wie heißt dein Rat? stotterte er.

Sage mir erst, wer dir geraten hat, mich sofort zum Dampfzug zu bringen.

Der Einsäer blickte sich um und sagte: Herr Vancour.

Jens pfiff durch die Zähne. Deinen Rat! bettelte der Einsäer.

Jens sah ihn mitleidig an und flüsterte: In den Staaten werden Sämaschinen hergestellt, die nach dem Steuer einsäen. Wenn es erst Allister erfährt, bist du nicht mehr sein Einsäer.

Der Alte zitterte und sagte: Rede, was soll ich dagegen tun!

Verbrenne alle Zeitungen, die aus Buffalo kommen, das ist mein Rat.

Der Einsäer kaute an seinen Fingern; es ließ ihm keine Ruhe mehr am Blasebalg. Jens ließ ihn ziehen, und er sah, wie der Alte ins Haus schlich, um alle Zeitungen zu verbrennen. –

An der Maschine brannte das Feuer und erhellte die Nacht: Jetzt war das Feuerloch in allen Winkeln mit Licht aufgefüllt. Der Kessel war voll Wasser, es lief am Mannloch über. Jens nahm einen Streifen Werg und tauchte ihn in Fett und Ruß. Er dichtete das Mannloch ab, zwei Mann drehten die große Mutter mit dem Schraubstock fest. Die Handpumpe trat in Tätigkeit, Jens stand vor dem Druckmanometer. Die Leute pumpten Wasser in den Kessel, das Manometer stieg.

Seht nach den Ventilen! rief Jens und sprang selbst auf die Maschine und beobachtete das Kolbengehäuse. Pumpt! Noch kam kein Wasser durch die Ventile. Der Druck hatte den Höchststand erreicht. Im Feuerloch aber tropfte es schon durch die Feuerrohre, durch die Dampfpfeife schoß ein Strahl.

Halt! rief Jens, er suchte alle Ventile und Dichtungen ab. Im Kolbengehäuse war es trocken, und Jens jubelte innerlich. Der Dampfzug wird in der Frühe laufen, sagte er sich und überlegte, was sein würde, wenn er sich jetzt Zeit ließe. Dann wird Allister noch in Tagen nicht ernten können. Nein! Allister soll mit seiner Ernte beginnen. – Er ging abseits und kleidete sich um. Als er ins Feuerloch kroch, drängte sich Allister mit all seinen Leuten vor die Feuertür, und Jens begann seine schwere Arbeit, die Feuerrohre mußten in den Nähten dichtgewalzt werden. Einmal hatte er diese schreckliche Arbeit auf einem Schiff verrichtet, es war in den nördlichen Gewässern; durch die Rohre pfiff ein eisiger Zug, aus dem Kessel spritzte das kalte Wasser über seinen Kopf. Stundenlang lag er krumm im Feuerloch und walzte mit dem Stahl das spröde Metall an der Feuerwand fest, bis alles dicht war. Jetzt tat er dasselbe, aber die Nacht war warm, Allister reichte ihm Rum durchs Feuerloch und wollte ihm sogar Kissen auf die Roste legen. Vancour bot ihm Zigarren an und sagte, daß er ihm ein reichliches Douceur geben wolle. Ein fürstliches Douceur, wenn der Dampfzug geht! Einmal bat Jens Herrn Vancour ans Feuerloch, streckte seinen Kopf heraus und hieß ihn, ihm den Schweiß am Kopf zu trocknen. Vancour geriet in Aufregung, er hatte kein Tuch zur Hand. Aber Jens ließ nicht locker, Vancour mußte ihm mit den blanken Händen den Schweiß von der Stirne wischen. Nun wich Vancour nicht mehr vom Feuerloch, er schwatzte in das Loch hinein, er erzählte von Buffalo, das keine Holzstraßen hat, glatte Pflastersteine und hohe Häuser. Der Erie-See habe seine Ufer gesenkt, ein schöner Strand sei erstanden, just wie in Florida und nun sehe man auch, wie schön die Mädchen von Buffalo seien, wenn sie im Badekostüm am Strande lägen. Die Weiber hätten eine weiße Haut … ja, ja, Sand und Fleisch seien fast nicht zu unterscheiden.

Jens blickte ihn an, in diesem Augenblick war Vancours Gesicht schön, die Locken fielen über seine Augen, er sah einem Wilden nicht unähnlich.

Allister war für eine Zeit verschwunden; der alte Einsäer kam zum Feuerloch, er hatte eine von Vancours langen Zigarren im Mund und paffte, sein Gesicht war wieder zufrieden, er hatte die Daumen unter die Achseln seiner Weste gesteckt und warf sich immer wieder in die Brust.

Gegen drei Uhr tropfte das Wasser nicht mehr. Jens ließ den Wasserdruck erhöhen, der Ventilkegel in der Pumpe knallte wie ein Geschoß, so stark war der Wasserdruck. Immer wieder perlte ein Wassertropfen an der Feuerwand. Jens walzte weiter. Eine Stunde, zwei Stunden. Die Sonne ging auf und hüllte das Feuerloch in rosigen Schimmer; durch die Feuerrohre kroch der warme Atem des Morgens. Endlich perlte kein Tropfen mehr. Krumm und steif verließ er das Feuerloch, Vancour stützte ihn unter den Armen und an seiner Brust erhob er sich langsam. Eine schwere Arbeit, murmelte Vancour, bei meiner Dicke könnte ich es nicht leisten, mir würde die Herzhaut reißen.

An Jens' Stirn klebten Rost und Schweiß; der Einsäer reichte Jens ein schmutziges Taschentuch, das galt viel bei einem Manne wie Fritjof. Eine Stunde verging, ehe er stehen konnte. Damit aber keine Zeit verloren ging, wurde der Kessel angeheizt. Das Holz krachte, die Braunkohle glühte und aus dem Schornstein wälzte sich schwarzer Qualm. Über allen Gebäuden stand diese schwarze Wolke. Es siedete in den Rohren und der erste Wasserdampf schlug sich am Manometer nieder. Allister stand aufgeregt vor seinen Mähmaschinen. Jetzt reifte der Traum seines Lebens der Erfüllung entgegen. Über drei Breiten werden sich die Mähmaschinen durch das Getreide fressen, eine Maschine zieht alles, wirft alles voran, auch Allisters Gedanken.

Um sechs Uhr standen alle Leute Allisters um den Dampfzug. Der Einsäer hielt sie zurück, er stand vor seinen Leuten, in seinem Munde brannte eine neue Zigarre. Er starrte auf das Manometer, der Dampf war auf, der Fahrer aus Buffalo trat vor, stieg auf die Maschine und zog die Dampfpfeife. Der hohe Ton flog schrill über das alte Farmerhaus, der Einsäer zitterte und ging in die Knie; als Allister ihn scharf anblickte, gab er sich einen Ruck nach unten und sank auf die Erde, Tränen schossen ihm aus den Augen. Allister wühlte mit den Händen in den Taschen; als Jens an ihm vorüberging, hörte er ihn leise stöhnen und den Namen seiner Tochter flüstern. Einen Augenblick später zog der Dampfzug an, die schweren Walzenräder krochen über den Boden. Zum Weizen! schrie Allister. Spannt die Pferde vor die Mähmaschinen, werft die Plane für die Zelte auf. Rührt euch!

Es kam Bewegung in die Leute, die Pferde galoppierten aus den Fenzen und Ställen; die Wagenreihe mit den Erntearbeitern fuhr an, Pferde kamen vor die Maschinen, und Vancour lachte aus tiefem Herzen. Allister blickte sich verstohlen nach dem Hause um, als erwarte er, daß Cornelia aus dem Fenster blicke. Warum lud er denn Sünde um Sünde auf sich, warum zog er einen Weizen auf verstümmeltem Halm und ließ das Stroh an der Erde verwittern! –

Für Vancour wurde ein Pferd angeschirrt, er allein sollte im Wagen gefahren werden, ein König unter dem Landvolk. Allister ritt voraus, Jens sprang auf den Dampfzug, die ganze Karawane setzte sich in Gang. Zur Ernte, zur ungerechten Ernte, tausend Tonnen Weizen will Allister ernten! Die Sonne blinzelte über den Feldern, mit jeder Minute wurde es wärmer, sie strahlte den Weizen an, der über tausend Äcker hinwegsäuselte. Johann Trellers Weizen, gerecht oder ungerecht, er hat eine Frühreife in sich, und es ist ein Mensch, der ihm den frühen Odem eingeblasen hat. Hört ihr Leute, Johann Trellers magische Hand hat ihn gezüchtet!

Der Dampfzug rumpelte über die kleinen Hügel, nichts hielt ihn auf. Der Dampf stieg noch, Jens riß die Feuertür auf. Die Räder standen nicht mehr still, keine hundert Menschen könnten ihn aufhalten. Und legt sich einer in seinen Weg, dann wird er totgefahren, so wahr ihm Gott helfe. Ein Pferd scheut und weicht dem Menschen aus, doch ein Dampfzug fährt ihn tot. Trellers Weizen wird es noch spüren, wie unbarmherzig ein Dampfzug ist.

Die Wagen mit den Arbeitern brausten voran, sie hatten die Leute um das Riesenfeld zu verteilen.

Nun galt es, Allister zum reichen Mann zu machen.

Allister war der erste am Weizen und dirigierte die Leute. Dann kam der Dampfzug, danach Herr Vancour in seinem Wagen und die Mähmaschinen mit ihren Arbeitern. Zuletzt klapperten die großen Kehrbesen an, die Rechen über zehn Meter Breite, welche die Stoppeln putzen sollten.

Die Tische an den Mähern wurden hochgeschraubt, zur Viertelhöhe des Weizens. Die Maschinen wurden mit eisernen Stangen gekoppelt, die Männer kletterten auf die hohen Sitze. Darüber ging eine Zeit hin; ein Wagen kam über das Feld gefahren, er brachte sieben Faß Wein und Honig, Brot und Fleisch und warme Suppe. Im Gras zirpten winzige Vögel, Heuschrecken pfiffen aus dem Weizen. Als der Präriewolf bellte, gedachte Jens der Antilopen, die im Weizen sitzen und nichts von der Breite der Schnittmesser ahnen.

Der Dampfzug stand still und pochte über das Honigfeld. Die Leute nahmen ihr Frühmahl, auch Allister und Vancour speisten, sie lachten dröhnend und rieben sich die Hände, während Jens den Dampf prüfte. Das Werk war getan, sein Gesicht war rußig, die nackten Arme mit Öl überzogen; Allister aber nahm es hin, als sei es eine Selbstverständlichkeit, daß Jens weiter vor seinem Dampfzug auf den Knien rutschte.

Nun kommt das Douceur von Herrn Vancour, und die Dollars von Herrn Allister! Es war alles getan, der Dampfzug lief, wie er es versprochen hatte. Eine Nacht hatte er für Allister geopfert, nun würde er seinen Lohn empfangen. Ich werde nicht hochmütig sein, überlegte er, ich will Douceur und Geld mit Dank annehmen. Und sollten sie es vergessen, so werde ich es ihnen schon nahebringen. Ich werde Allister sagen: Darf ich Sie bitten, mir jetzt meinen Lohn zu geben. Und sollte Allister feilschen wollen, dann wird er ihm sein Geld vor die Füße werfen …

Von den Weinfässern schielte Vancour lange zu ihm herüber, schließlich kam er zum Dampfzug geschlendert, und Jens erkannte die Absicht des Händlers, jetzt die Sache mit dem Douceur zu erledigen. Er wurde rot bei dem Gedanken und versteckte sein Gesicht. Ein Douceur von Herrn Vanvour, wie es abgemacht war. Nun war der Augenblick gekommen, doch fing es Vancour anders an, wie es sich Jens dachte.

Ich habe Sie schätzen gelernt, sagte Vancour, Sie sind ein sehr geschickter Mann …

Nun ja, erwiderte Jens, man sieht oft nur, was vor Augen ist, Herr Vancour.

Sie sollen sich jetzt etwas wünschen, murmelte Vancour verlegen. Ich verfüge über viele Schiffe und große Getreidesilos. Ich habe Ihnen ein Douceur versprochen, nun wünschen Sie!

Dank, sagte er leise und blickte zu Boden. Ich danke Ihnen für Ihr Douceur, es war mir eine Freude, Allister zu dienen.

Ah, sagte Vancour ärgerlich, ich habe es Ihnen aber versprochen …

Hören Sie auf, erwiderte er grob, ich will Ihre Geschenke nicht. Haben Sie mich denn nicht verstanden! Sind Sie so verbohrt, so besessen von Ihren Reichtümern, daß Sie nicht ahnen, wer ich bin. Geben Sie dem Einsäer hundert Dollar, das ist nicht zu viel für einen Mann wie Sie. Basta!

Vancour stand bleich vor ihm, er verneigte sich und murmelte: Ich bitte um Vergebung … dachte ich mir's doch. Ich bin Ihr Freund …

Dann ist es gut, erwiderte Jens. Das ist besser, gehen Sie, Vancour, erweisen Sie mir die Freundlichkeit und sagen Sie Allister, er solle sich nicht unterstehen, mir einen Lohn für meine Arbeit zu bieten.

Vancour ging zum Einsäer und Jens sah, wie er etwas aus seiner Tasche zog und es dem Alten in die Hand drückte. Darauf ging er zu Allister, er flüsterte lange mit ihm. Allister lachte, es klang etwas spöttisch. Der Einsäer blickte wie ein Verrückter von Jens zu Vancour hinüber, etwas später war er verschwunden.

Nach einer Zeit hatten alle Leute gegessen und ihre Flaschen mit Wein gefüllt. Die Dampfpfeife schrillte, Allister selber setzte sich auf die erste Mähmaschine. Er hatte Jens nicht einmal angeblickt, kein Wort des Dankes; er gab ein Zeichen und der Dampfzug brüllte los, eine Sekunde später fuhr er schon. Die Mäher warfen ihre kurzen Flügel über die Tische, gleich einer Reihe kleiner Windmühlen zog das mörderische Gespann durch den Weizen. Zuletzt stand nur noch Jens auf der Stelle, wo der Dampfzug hielt, Vancour machte sich an seinem Wagen zu schaffen, zwei Weiber zogen die Zeltplane auseinander und bauten das Zelt auf. Der Zauber der Neuigkeit war verflogen, in großer Entfernung kreisten die Flügel der Mäher und es war nur noch das feine Singen der Messer zu hören, auch das hörte bald auf.

Jens wusch sich an den Tonnen und nahm etwas Wein und Brot zu sich. Sein Pferd befand sich auf der Farm, dort lag auch seine weiße Jacke. Aber jetzt war er todmüde, er warf sich ins Gras, um zu schlafen, aber die heiße Sonne weckte ihn bald wieder. Das Zelt stand schon, der Wein lag im Schatten des Zeltes, die Sonne ging auf Mittag. Von Hitze und Schlaf erfüllt erhob er sich. Vancour war verschwunden, sein Wagen stand noch da, doch weit und breit war der Händler nicht zu sehen.

Er besann sich, setzte sich in Vancours Wagen und gab dem Pferd die Leine. Nach einer Weile aber nahm er die Leine straff und jagte über das Feld. Er stellte sich aufrecht in den Wagen und blickte umher. Vancour war nicht zu sehen. Der Gaul kam in Galopp, an der Gigg bogen sich die schmalen Stangen. Diesen Weg, nimm diesen Weg, sagte er sich und brauste mit der Gigg an dem alten Brunnen vorüber. Hier mußte Vancour gelaufen sein, um schneller zum Hof zu kommen. Der Hof tauchte auf, er ließ den Gaul langsam gehen und legte sich im Wagen zurück. Wer aber Augen im Kopfe hat, mußte sehen, daß der Gaul galoppiert war. Doch es war niemand da, der es sah, auch Vancour nicht, der im Hause hinter der Tür stand und sich den Schweiß an der Stirne trocknete. Als nun Jens das Haus betrat, sah er Vancour außer Atem an der Wand lehnen. Und dort, wo er lehnte, war die Wand naß, der schwere Mann keuchte.

Jens blickte auf den Boden, als suche er etwas; er sah, daß Vancour seine Schuhe geöffnet hatte, die Schuhe mußten ihn drücken. Und wie er nur gelaufen war! Der Staub reichte ihm bis zu den Knien. Dieser Schürzenjäger, dachte er, läuft da wie ein Hund die Kilometer ab, aus Angst nimmt er nicht einmal seinen Wagen … Laut sagte er: Mein Gott, Sie schwitzen ja, Vancour. Sie stehen an der kalten Wand, seien Sie vernünftig und ziehen Sie sich um!

Danke Ihnen, Jens, keuchte Herr Vancour. Ja, die kalte Wand … Kamen Sie gefahren?

Ja, erwiderte er, ich nahm Ihren Wagen, dachte, daß Sie sich verlaufen hatten. Ich suchte Sie in der Prärie …

Ich nahm den Weg, den der Dampfzug gefahren war. Ganz einfach, ich ging der Spur nach.

Wie einfach, sagte Jens, daß ich daran nicht dachte! Aber nun gehen Sie und kleiden Sie sich um. Frottieren Sie Ihren Körper, Sie sind etwas zu dick, mein Lieber!

Mit einem Male lachte ihn Vancour aus, sein prächtiges Gesicht mit den Locken in der Stirn war ihm ganz nahe. Sie halten mich für einen Schwächling! Daß Sie sich nicht täuschen, ich bin es gewohnt, am Tage zehn Säcke zu hundertundfünfzig Pud zu schleppen. Das hält mich elastisch. Sie können es überprüfen, wenn Sie mich in Buffalo besuchen. He! Ich bin trotz allem Ihr Freund …! Er ging schnell an ihm vorüber und verschwand im dunklen Haus.

Jens verließ eilig das Haus, ein Küchenmädchen kam ihm über den Weg. Sie war jung und hübsch, sie ging unbekümmert an ihm vorbei, blickte sich nicht um und betrat das Haus.

Sie ging an mir vorbei, dachte er, sah mich nicht an, blickte sich nicht um, sie muß einen Schatz im Hause haben, vielleicht ist es Vancour! Er ging zur Schmiede, und als er der Akazie näher kam, sah er plötzlich Cornelia. Sie stand dort, wo der Dampfzug gestanden hatte. Sie trug etwas in ihrem Arm und kam ihm entgegen. Mit beiden Armen hielt sie seine weiße Jacke an sich gepreßt.

Cornelia!

Sie sagte besorgt: Kommen Sie, Sie werden müde sein.

Er ging an ihrer Seite zum Hause hin. Nach einer Weile sagte er: Sie halten meine Jacke im Arm, Cornelia!

Sie antwortete ihm nicht, erst als sie im Hause standen, sagte sie: Deine Jacke? … Ach. Sie ließ die Jacke fallen … Ich dachte, es sei Vancours Jacke.

Nein, sagte er lächelnd und hob den Rock auf, es war mein Rock. Entsinne dich, ich trug ihn gestern abend. Daß du es vergessen hast!

Ich habe es nicht vergessen! lachte sie fröhlich. Mit beiden Armen umschlang sie seinen Hals und sah ihn mit großen, brennenden Augen an. Sie küßten sich lange und wie berauscht. Schritte kamen über den Flur, sie aber drängte sich an ihn, als habe sie die Nacht nur von ihm geträumt. Die Schritte ertönten näher, Jens wurde rot vor Scham und Ärger, daß sie ihn nicht losließ. Sie küßte ihn, Vancour sah es. Er stand jetzt da, keine drei Schritte entfernt. Er ließ den Kopf sinken, plötzlich hustete er laut. –

Nach einer Weile ließ sie ihn los und sagte: Ja so, dein Rock, Jens; lächelte und ging davon. Vancour starrte ihr nach und verzog schmerzlich sein Gesicht. Jens konnte es nicht ersehen, er drehte sich um und zog seinen Rock an.

Vancour stöhnte laut in seinem Rücken.

Menschenskind! Was stöhnen Sie denn so, hören Sie damit auf.

Sie denken, daß ich stöhne! dröhnte ihn Vancours Stimme an. Ich lache mit Unterdrückung.

Jens drehte sich um, er war aber so erschrocken über Vancours unglückliches Gesicht, daß er ihn an der Schulter faßte. Fassen Sie sich, stotterte er. So macht sie es mit jedem. Es ist mir ganz unversehens so ergangen. Morgen gilt es Ihnen.

Ja, flüsterte Vancour, gestern erst geschah es mir, heute sind Sie der Glückliche. Wer weiß, wen es morgen trifft.

Wie? flüsterte Jens tief verwundet. Cornelia hätte Sie geküßt, Ihre dicken Lippen!

Vancour sagte voller Hohn: Meine Hände hat sie geküßt.

Bleich und zornig starrte Jens vor sich hin, mit einem Fluch auf den Lippen verließ er das Haus.


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