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4

Am Nachmittag ließ Jens vier Pferde bereitstellen und zog den kleinen Zweispänner aus dem Schuppen. Er betrachtete die Räder, die Reifen hatten sich in der Trockenheit gelockert. Er goß Wasser über die Räder, das Holz saugte das Wasser auf und zog die Eisen wieder fest. Danach schmierte er die Achsen. Es geschah alles in einer vorbereitenden Sorge. – Louison kam mit dem Eselskarren vom Felde, sie spannte den Esel aus und trieb ihn auf die Weide. Dann kam sie, den breiten Strohhut in der Hand und ging grußlos an ihm vorüber. Warum grüßte sie nicht und warum bewegte sie den Hut so nichtssagend? Sie schritt langsam und selbstgefällig, vor dem Hause wandte sie sich um, nun mußte sie auf Jens sehen, doch sie blickte in den Himmel und betrat das Haus. Zur gleichen Zeit erschien Fanny vor der Tür. Jens schob die Räder auf die Achsen, blickte auf die Uhr und rief Fanny zu: Es ist drei Uhr, sieh nach Tucy, ob er schläft. Sage ihm, Pferd und Wagen seien bereit.

Sie blickte ihn fragend an; er rief ihr zu: Es kann sein, daß er Lust verspürt, mit mir nach Sault St. Marie zu fahren!

Wer fährt um diese Zeit nach Sault St. Marie! rief sie zurück.

Er sah kaum auf und erwiderte: Schon gut, willst du gehen und ihn fragen!

Als sie ging, machte er sich auf der Diele zu schaffen und überlegte, wenn Tucy wach ist und noch immer im Fieber liegt, wird ihn die Angst packen und er muß sich Fanny offenbaren …

Louison kam singend den Flur hinab. Als sie die Diele betrat und ihn sah, lenkte sie hastig ihre Schritte zurück.

Louison! rief er. Sie kam langsam in die Diele zurück, ihr Gesicht war bleich. Er sagte: Ich stand am Zweispänner, als du vom Felde kamst, du schwenktest deinen Hut und wolltest mich nicht sehen.

Ich sah dich nicht, flüsterte sie.

Du sahst mich auch jetzt und wolltest wieder gehen! … Er wollte ihr noch härter kommen, doch ihre staunenden Augen machten ihn unsicher, er murmelte: Ich bedanke mich auch, daß du mir die Satteltaschen mit so guten Sachen fülltest.

Das war Fanny, sagte sie, ich weiß nicht, was sie mir einpackte.

Und er dachte: Sie schämt sich, daß sie mir Gutes erwies. Er verließ stumm die Diele. Eine Sekunde später aber hörte er ihren Gang hinter sich, sie kam ihm nach. Ich war es doch, flüsterte sie ihm zu, ich habe dir die Satteltaschen gefüllt, nicht Fanny.

Dann ist alles gut, Louison! sagte er beglückt. Hast du Allister auf dem Felde gesehen?

Nein!

Sahst du Cornelia?

Er nahm einen Blick in ihren Augen wahr, der ihn heiß durchfuhr. Er sagte leise: Du wirst ja so rot.

Sie flog ihm um den Hals und küßte ihn. Mit stolzen Schritten ging sie ins Haus zurück.

Kurze Zeit später kam Fanny in die Diele, sie fing an zu wirtschaften und Jens hörte sie mit Louison sprechen. Wo ist Jens? hörte er sie fragen. Darauf Louisons laute Antwort: Ich sah ihn nicht, vielleicht steht er vor dem Hause.

Ho! dachte er, sie macht einen kleinen Umweg um die Wahrheit und sie spricht so laut, um mich an ihre Küsse zu erinnern. Er betrat die Diele und tat so, als sei er sehr belustigt. Was macht der kranke Tucy? fragte er und sah in Louisons aufgeregte Augen. Fanny antwortete nicht sogleich, sie blies das Feuer im Kamin an und warf Holzscheite in die Glut. Auch danach sprach sie nicht, sie ging rasch einher, mit blanken Wangen und glatt frisiertem Haar, sie trug ein Kleid, das sie vordem nicht trug. Ihre starken Arme warfen Brote auf den Tisch, sie bückte sich nach einem Span auf dem Estrich, ihr Atem fauchte an seinem Gesicht vorbei.

Schneide Brot, Louison, sagte sie und warf weiteres Holz in den Kamin.

Welch ein Feuer muß das geben! dachte er. Will sie denn einen Ochsen braten! – – Die Flamme fraß das dürre Holz, die Hitze war unerträglich. Er blickte ihr neugierig und staunend zu, dann fragte er: Will Tucy nach Sault St. Marie?

Sie blieb im Schritt stehen und blickte ihn verwundert an, als erinnere sie sich jetzt erst seines Auftrages; sie sagte unwillig: Eine Unordnung war in der Kammer, es stank nach Lysol.

Ist Tucy wach?

Djib liegt vor seinem Bett, fuhr sie fort, ohne auf Jens' Frage zu antworten. Djib im Schlafzimmer! Ich werde von heute ab auf der Diele schlafen! Sie blieb plötzlich vor ihm stehen und sagte: Du hast ihn fünfmal geschnitten, schreit er, dreimal zu viel!

Darauf wollte Jens nicht antworten, Louisons Augen sahen ihn erschrocken an. Er lächelte ihr zu, zu ihrer Beruhigung lächelte er. Aber es fraß in ihm, daß Tucy gesagt hatte, er hätte dreimal zu viel geschnitten. So fängt Tucy bei kleinem an, ihn schuldig zu reden. Er verbarg vor den Frauen seinen Zorn, verließ pfeifend das Haus, nahm sich ein Pferd und ritt ohne Sattel gemächlich am Hause vorüber. Sie sollten sehen, daß er ohne Sattel ritt, freudig und übermütig. –

Und während er durch die sonnigen Felder ritt, nahm sein Zorn an Bedeutung ab. Die Sonne roch nach Brand, Mücken tanzten in Schwärmen um seine Hände, er blies sie mit dem Rauch aus seiner Pfeife an, aber er störte sie nicht. Hier am Oberer-See wanken die Mücken in der Sonne auf und ab, kein Rauch und kein Wind rührt sie. Mit den Händen kann man zwischen sie fahren, sie lassen sich totschlagen. Neue Mückenschwärme wankten gegen sein Gesicht. Er ritt zum Weizenschlag, dorthin, wo jetzt kein Mensch war. Quer über Allisters Weiden ritt er, das hohe Gras streifte seine Schuhe. Und nie wird ein Stück Vieh dieses köstliche Futter fressen. Einmal wird es Allister umpflügen, dann wächst Weizen darauf und nach dem jahrelang nichts. Es kam ein Stück Feld, welches wieder Tucy gehörte, nur eine schmale Passage, der Zuweg zu Tucys Weizenschlag, er führte über eine Anhöhe. Von hier aus sah er Tucys Weizen, ein großes Feld, an dreihundert Hektar. Es war der beste Boden der Farm. Der Weizen hatte im Frühjahr keinen Schaden gelitten, wohl kamen einige Fröste und störten ihn im Wuchs. Kein Insektenfraß kam, keine Heuschreckenplage schädigte den Weizen. Bald ist aber auch dieses Feld nur eine Stoppel und die schweren Eggen ziehen wieder durch die Erde. Das Gras wird im Winde sterben, denn es geht dem Winter entgegen.

Sein Blick schweifte nach Süden, hinter großen Bäumen lag Allisters Gehöft, nur der weiße Giebel des steinernen Hauses war sichtbar. Dort steht jetzt Allister und blickt aus der Giebelstube mit dem Glas vor den Augen nach Tucys Weizen hinüber. Er hat fünfmal so viel Weizen wie Tucy und braucht nicht neidisch zu sein. Wie es heißt, hat Allister einen Dampfzug gekauft; ein Monteur aus Sault St. Marie soll auf der Farm sein, doch bringt er das Ungeheuer nicht in Gang. Allister will Gold machen, aber er muß sich mit seinem Weizen beeilen, denn er hat einen Weizen ausgesät, welcher fünf Tage früher reift, als gewöhnlicher Weizen. Es ist eine Züchtung von Johann Treller am Red River, und hier am Oberer-See sollte es sich erweisen, daß Trellers Weizen sogar sieben Tage früher reift; das sind zwei Tage eher als am Red River. Ist es aber die Seligkeit wert, einen Weizen zu haben, der sieben Tage eher reift! Wenn ein früher Herbst kommt und sich Schnee und Sturm breit machen, dann hat Johann Treller recht. Aber eine Trockenheit im Frühjahr kommt auch oft, fast jedes dritte Jahr, dann bleibt der schnelle Weizen taub, weil er in seiner Jugend nicht mit der Kraft sparte. Früh oder spät, nur Gott weiß das Richtige. Vielleicht auch Allister, der mit seinem frühen Weizen zehn Tage schneller auf den hungrigen Markt kommt und zwanzig und dreißig Cent am Bushel mehr verdient. Hoho! man weiß wirklich nicht, was man zu glauben hat. Aber Tucy hätte ruhig Saat von Allisters Weizen kaufen sollen. Der Fortschritt ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu einen Dampfzug auf Tucys Farm, der Hunderte von Hektar Prärie umreißt, erntet und drischt; und im Frühjahr rast die Maschine zur Einsaat los, früh, recht früh, damit Trellers Einsaat den ersten Sonnenstrahl erhascht. Es wäre ein Fortschritt …

Er ritt zum Weizen hinüber. Es zeigte sich, daß der Weizen noch nicht reif zum Schnitt war. Es gab Stellen, wo er noch grün war, und andere Stellen, wo er schon weiße Spreu zeigte. Er ritt um den ganzen Schlag, dann wandte er sich nach Norden, um Allisters Weizen zu sehen, und er wird sich nicht in der Richtung irren, obgleich er nur Gras und Himmel sieht. Nach einer Zeit erkannte er Allisters Karpfenteich, er setzte über Gräben und ritt in weitem Bogen an der Prärie entlang. Dort stand Tucys Vieh, er sah Knight mit dem Milchwagen fahren. Das Vieh. Es äste auf der unendlichen Weide, aber es brachte der Farm nicht viel ein. Allister hält nur einige Kühe. Einmal wollte er mehr Vieh halten, das war vor vier Jahren, als der Weizen vom frühen Schnee befallen wurde und grün geerntet werden mußte. Damals fehlte Allister das Vieh, das er mit grünem Futter hätte fett machen können. Die Lehre hat er aber nicht beherzigt, er baute noch mehr Weizen.

Ein alter Ziehbrunnen stand in der Prärie. Jens kannte die Stelle, nun mußte er westwärts reiten. Aber der Ziehbrunnen lockte ihn, der Querbaum hob sich grau aus dem hohen Gras, im Frühjahr laichen die Unken im Brunnenloch und gegen Abend geht ihr Signal durch die Prärie. Hohes Gras wuchert um den Brunnen. Der Hufschlag klang hohl, als er am Brunnen vorüberritt. Es gab einen Widerhall, ganz leise. Jens rief ein Wort hinter sich, ein dünnes Echo antwortete ihm aus dem Brunnen.

Nun lag auch Allisters Gehöft in seinem Rücken, das Honigland von St. Martin begann, Weizendüfte durchzogen die Luft. Dort stand Allisters früher Weizen, das Feld lag still in der Sonne. In einem langen Rauschen wälzte sich das Licht über die Ähren, kein Mensch ringsum. Steil und mit geduckten Köpfen stand die Menge der Halme.

Er stieg vom Pferd. Fürwahr, der Weizen war reif! Er zerrieb eine Ähre in der Hand, die Goldkörner klapperten hart, das Korn war klein und schwer wie Gold.

Die Hitze lastete auf dem Kornfeld, und Jens pflückte Ähre um Ähre. Für Tucy, dachte er, ich will sie Tucy zeigen. Ein paar Tage noch, dann fällt der reife Weizen aus der Ähre. Ohne Zweifel weiß es Allister auch, er zählt sicher die Minuten, bis sein Dampfzug läuft. Jetzt wäre es eine Gelegenheit, sich vor Allister hinzustellen und Rache für sein Lachen zu nehmen. Herr Allister! Ihr früher Weizen fällt ja aus. Ich verstehe etwas von Dampfmaschinen, weil ich von jung auf zur See gefahren bin, aber ich denke nicht daran, der Maschine auf die Beine zu helfen …

Der Weizen sah aus wie eine glühende Insel, und obgleich die Blüte lange vorbei war, stieg in Abständen Staub aus dem Weizen auf, das war der Mohn, welcher sich stäubte. Ein Wind flog über das Honigland, ein Wind, den die Sonne schickte. Lange war kein Laut zu hören. Jens saß wie betäubt an der Erde, sein Pferd graste und rupfte Mohn aus dem Weizen. Die Sonne schickte abermals einen Wind aus, er trug Laute an sein Ohr, ein Knarren und Pfeifen und den dumpfen Hufschlag eines Pferdes. Zuerst sah er den Kopf eines Pferdes über die Erhebung kommen, das Pferd warf im Gang den Kopf zur Seite; daran erkannte er, daß das Pferd eine schwere Last zog. Ein zweirädriger, hoher Wagen wurde sichtbar. Am Wagen stellte er fest, daß es nur Allister sein konnte. Er legte die Hand über die Augen und sah drei Menschen im Wagen, eine weibliche Gestalt. Aber dieses Pfeifen kannte er, es war keineswegs das Pfeifen eines Menschen, es kam von einer heißgelaufenen Radachse. Drei Menschen, überlegte er, darunter Cornelia und Allister. Wer ist der Dritte? Einen Atemzug lang dachte er an Tucy, es eilte ihm kalt durchs Herz.

Der Wagen kam und pfiff. Jens sah, wie ärgerlich Allister war, daß gerade jetzt sein Wagen pfiff, Allister sprang als erster aus dem Wagen, und ehe er auch nur Jens ansah, stellte er sich vor das Rad, trat dagegen und fluchte laut. Cornelia hob flüchtig die Peitsche zum Gruß, sie lächelte den Herrn an, der neben ihr saß. Sie flüsterte ihm etwas zu. Wie, wenn sie gesagt hätte: dieser da ist ein Knecht von Tucys Farm … Er wurde rot und blickte wütend Allister entgegen, der ihm zurief: Kontrollieren Sie meinen Weizen! Das lassen Sie sich nicht einfallen. Morgen wird geschnitten, morgen läuft der Dampfzug!

Jens sagte: Dann ist es noch nicht zu spät, Allister.

Wie! erwiderte Allister, Sie haben also doch spioniert. Hol' euch der Teufel, ihr neidischen Leute. Der Weizen fällt nicht aus. Hat Tucy Sie hierher geschickt?

Mich schickt keiner, erwiderte Jens freundlich, aber doch so laut, daß es Cornelia hören mußte.

Allister blickte ihn mißtrauisch an, doch Jens achtete seiner nicht, er sah auf den Herrn im Wagen, der ihn sehr amüsierte. Er hatte einen breiten Strohhut auf dem Kopf, der ihm sichtlich zu klein war. Als er sich nun anschickte, aus dem Wagen zu steigen, fiel ihm der Hut vom Kopfe. Er war dick und von stattlicher Figur, es machte ihm Schwierigkeit, aus dem Wagen zu klettern. Und da er sich einen Sprung nicht zutraute, stellte er sich dummerweise mit einem Fuß auf eine Radspeiche, der Wagen schob sich voran, eine Weile hing der dicke Mann mit einem Fuße im Wagen, während das andere Bein mühsam die Erde suchte. Allister sprang ihm zu Hilfe und setzte das Bein auf die Erde.

Einen Augenblick lächelte Cornelia. Als sie Jens' Blicke fühlte, sah sie ärgerlich fort und sprang leicht aus dem Wagen.

Nun ja, dachte er und blickte innig auf Cornelia und den Fremden, seine Gedanken verbanden die beiden, die schmale Cornelia mit dem dicken Herrn. Ein höhnisches Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Der Fremde mochte vierzig Jahre alt sein, hatte ein fröhliches Gesicht, schmale Lippen und einen grauen Schnurrbart mit sauberen Enden. Allister hob selber den Strohhut von der Erde und reichte ihn mit einer achtungsvollen Gebärde dem Fremden. Kurz und barsch stellte er ihn vor: Paul Vancour, Getreidehändler.

Jens starrte Herrn Vancour ins Gesicht. Auf den ersten Blick schien es, als habe Vancour eine Hasenscharte, aber er irrte sich, es waren nur die dünnen Haare des Schnurrbarts. Die Oberlippe war ohne Fehler, nur die dünnen Haare machten sie unansehnlich. Er hatte eine Nase, welche etwas schief stand, große Ohren und schöne blaue Augen. Alles lebte und lachte an ihm so nachdrücklich, daß man ihm gut sein mußte. Als ihm Vancour die Hand reichte, war er erstaunt über die dicken Finger; seine Hand war glatt und warm, rosige Runzeln bedeckten die Finger des Getreidehändlers.

Sie sind Getreidehändler aus Sault St. Marie? fragte er.

Vancour blickte ihn lachend an, er sagte mit einer sorglosen tiefen Stimme: Nicht aus Sault St. Marie, aus Buffalo, Herr! Sie meinen vielleicht meine großen Frachtkähne, welche in Sault St. Marie liegen! Fräulein Allister sagte mir, daß Sie ein Steuermann zur See sind.

Ja, Seemann, sagte er und dachte, wie kommt Vancour aus Buffalo hierher auf die einsame Farm. Laut sagte er: Aus Buffalo!

Aus Buff–al–lo! sagte Vancour scherzend und ging mit Allister zum Weizen. Er hatte Locken im Genick, übrigens fiel auch eine Locke über seine breite Stirn. Ein schöner Mann, er hat einen Nacken wie ein Stier und krauses Haar, seine Hände sind weich und warm. Und dieser selbstbewußte Allister redet ihn unterwürfig an, mit einer sanften Stimme sagt er: Das ist Trellers Weizen, Herr Vancour, wenn es beliebt, noch einige Schritte zu tun, die Körner in der Hand zu wiegen …

Die Herren gingen weiter und Jens hörte noch entfernt, wie Allister weiter mit Herrn Vancour flötete. Der Händler mochte in der Hitze schön stöhnen, er ging nach der Art schwerer Männer breitbeinig, sein Gang federte. Jens beobachtete genau die stampfenden Beine Vancours und machte einige Schritte in Vancours Fußtapfen; plötzlich bückte er sich zur Erde, als suche er etwas. Er legte mit den Händen das Gras frei, eine ganze Zeit blieb er so an der Erde und lauschte hinter sich. Was suchen Sie? tönte Cornelias Stimme. Er schwieg und legte weiter mit den Händen Gras auseinander. Erst als sie neben ihm stand, erhob er sich. Ach, es war nichts, murmelte er. – Welcher Teufel aber gab ihm dieses Spiel ein; er zeigte mit dem Finger auf Vancours Fußtapfen, lachte und sagte heiser: Ich habe eben des Herrn tiefen Fußabdruck gemessen, er wiegt über zwei Zentner. Man sieht es ihm nicht an, er geht wie ein Luftballon.

Er forschte in ihrem Gesicht, aber sie bewegte keine Miene, ihre Augen waren geradeaus gerichtet, an ihrer Nase fiel ihm etwas auf, sie hatte eine kleine weiße Narbe an ihrem rechten Nasenflügel. Ihre Augen schimmerten. Sie trug eine weiße Bluse, welche hoch am Halse mit einer dünnen silbernen Rose verschlossen war, in der Rose leuchtete ein Rubin.

Er streifte mit der Hand ihren Arm. Blicken Sie mich an, Cornelia, sagte er heiser, ich habe den Abend nicht vergessen. Heute abend werde ich an derselben Stelle warten!

Sie sah ihn an, ihr Mund zuckte, sie fragte: Was haben Sie eigentlich gegen Paul Vancour?

Ich? gegen Paul? nichts gegen Paul! Er ist ein famoser Mann. Haben Sie die schöne Locke gesehen, die seine Stirne ziert und seine breiten Hände?

Sie blickte ihn belustigt an. Ja, seine Hände?

Erregt faßte er ihre Hand und streichelte ihre Finger. Er flüsterte: Du guter Gott, du guter Gott … und umschloß fest ihre kleine Hand. Ihre Augen leuchteten ihm entgegen, ihre Lippen waren leicht geöffnet, er fühlte den zärtlichen Druck ihrer Finger. Er ging ganz behutsam zu Werke, das Blut rauschte ihm zu Herzen, und doch gab er ihre Hand frei und legte seine Hände auf den Rücken.

Sie sind frei, Cornelia! sagte er mit einer dumpfen Stimme. Aber sie lächelte plötzlich und sagte: Nein … ich bin nicht frei!

Er wurde blaß. Wie? flüsterte er und lachte. Etwas bebte in ihm. Er verbeugte sich vor ihr und war willens zu gehen, aber er machte den ersten Schritt nicht. Ihre Wangen glühten und die winzige Narbe an ihrem Nasenflügel zitterte. Ihre Hand tastete nach seinem Ärmel, plötzlich faßten ihre Finger seine Hand. Die Herren gingen weiter am Weizen entlang, alles geschah in ihrem Rücken.

Morgen abend, flüsterte sie dicht an seinem Ohr. An derselben Stelle, erwiderte er und küßte sie. Nach einer Zeit flüsterte sie: An dieser Stelle? Er aber meinte den Gerstenschlag. Sie bebte und sagte: Wie gut, daß ich fragte, ich hätte am Weizen gewartet, während Sie auf der Gerste …

Er blickte sie versteckt an, ihre Augen waren dunkel, durch ihre Wangen jagte das Blut, selbst ihr weißer Hals zeigte einen roten Flecken. Er dachte, ein jeder muß es sehen, wie es um sie steht. Er blickte sie fest an mit dem Willen, daß sie erbleichen sollte. Durch ihre Wangen aber ging eine noch dunklere Röte.

Die Herren kehrten um. Allister schien in gehobener Stimmung zu sein, er sprach laut und warf seine Hände dabei.

An diesem Abend! flüsterte sie. – Nein, morgen abend, an dieser Stelle, sagte er und entfernte sich um einige Schritte von ihr. Er fühlte in seinem Gang eine hüpfende Kraft und lachte in sich hinein. Vancour blickte ihn mit lustigen Augen an, er schwitzte auch nicht, wie es sich Jens vorgestellt hatte, sein Gesicht war etwas bleich, er sagte: Ein Gang wie dieser am Weizen entlang tut meiner Seele wohl.

Sie meinten doch, das Geld tut Ihrer Seele wohl! höhnte Jens.

Vancour horchte auf und sagte mit trauriger Miene: Junger Mann, so gemein habe ich es nicht gesagt. Im Augenblick sah ich weniger das Geld, sondern die Frucht von Trellers Weizen.

Allister lachte: Und das Geld, lieber Freund! Was nutzt uns der Weizen, wenn er auf den Feldern steht. Wenn er nur erst geköpft wäre!

Herr Vancour sagte mit einer Sorge in der Stimme: Ha, Ihr Dampfzug …!

In Jens lachte es, also doch der Dampfzug!

Eh Jens! sagte Allister, Sie sind Seemann, verstehen Sie etwas von einer Dampfmaschine? – Ja, sagte Jens in Gedanken. Er sah, daß Cornelia noch auf demselben Fleck stand, an dem er sie verlassen hatte. Jetzt war ihr Gesicht bleich, nur ihr Mund lächelte. – Wie! rief Allister, Sie verstehen etwas von Dampfmaschinen und lassen mich seit Tagen mit diesem elenden Schlosser aus Sault St. Marie allein!

Ich wußte es nicht, log Jens und blickte auf Cornelia.

Zehn Dollar die Stunde! sagte Allister, wenn Sie die Maschine in Gang bringen …

Und ein Douceur von mir, sagte Vancour. Mir tut der Weizen leid, nicht das Geld!

Ich komme am späten Abend, sagte Jens und erinnerte sich gewaltsam an Tucy, doch fühlte er keine Sorge mehr in seiner Brust. Am späten Abend, meine Herren! Sorgt für Windlichter!

Ah, er will sich teuer machen, rief Allister. Jens blickte ihn lächelnd an und fragte: Warum geht denn die Maschine nicht?

Warum? Im Feuerloch tropft es, das Wasser fegt durch die Nähte, der Dampf hält nicht!

Jens überlegte und sagte: Besorgt einen runden Stahl, der in die Feuerrohre paßt. Man muß die Rohre anwalzen, wenn sie tropfen. Haben Sie Mennige, Allister?

Mennige, was ist das?

Wir werden ja sehen, meinte Jens. Habt Ihr Werg und Firnis?

Ja, ja! sagte Allister. Verteufelte Herren, die Seeleute mit ihren Fremdwörtern.

Wagenfett haben Sie jedenfalls nicht, sagte Jens, Ihr Rad pfeift am Wagen! – – Allister zuckte zusammen, sein Haar sträubte sich, aber Jens fuhr spottend fort: dafür haben Sie fette Karpfen, die mit Pferdefleisch gefüttert werden. Mac Allister, ich bringe Ihnen den Dampfzug in Gang, es müßte denn mit dem Teufel zugehen. Haltet nur alles bereit, was ich gesagt habe: Eine Walze vom Durchmesser der Feuerrohre, Werg, Firnis, Pech und ein Stück Blei, eine Lötlampe. – Allister zählte an den Fingern mit, Herr Vancour hörte mit ganzem Ohr zu, was Jens sagte. Vancour! rief Cornelia, hörten Sie, was er sagte! Zählen Sie es auf! Vancour wurde rot im Gesicht, er lächelte und wiederholte alles genau, wie es Jens gesagt hatte. Sie nickte mit dem Kopf und schritt zum Wagen.

Warum? fragte Jens leise Herrn Vancour, warum haben Sie das getan? Nein, so alt wie Sie sind! Ein Mädchen kommandiert und Sie leiern ihr etwas vor … Vancour blickte ihn verlegen an, seine Lippen zogen sich nach unten. Sie haben recht, murmelte er. Wie ein Papagei. Aber hören Sie, ein Mann wie ich kann sich das leisten. Ich habe fünfzehn Frachter auf den Seen fahren. Was macht es mir da aus, wenn ich als Papagei …

Allister schlich sich an und Vancour schwieg. Sein Gesicht sah unglücklich aus. Jens entfernte sich still, Cornelia saß im Wagen und spielte mit der Leine. Ihre Augen gingen an Jens vorüber. Herr Vancour schien schnell wieder in gute Stimmung gekommen zu sein, er hatte Jens' Strafpredigt abgeschüttelt und lachte mit Allister. Sie schritten zum Wagen und beachteten Jens nicht weiter. Als der Wagen wendete, winkten die Herren mit den Händen, Cornelia war mit ihrer Leine zu Gange.

Heute abend! schrie Allister zurück.


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