Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Manifest einer nicht geheimen, sondern sehr öffentlichen Verbindung echter Freunde der Wahrheit, Rechtschaffenheit und bürgerlichen Ordnung, an ihre Zeitgenossen

Nötige Einleitung

Das lesende Publikum wird dringend gebeten, das nachfolgende Manifest nicht etwa halb und flüchtig durchzublättern, sondern ihm vom Anfange bis zu Ende seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Man wird dann sehn, daß der Inhalt sehr wichtig ist, daß hier nicht brausende, von Phantasie erhitzte Jünglinge, sondern ernste, denkende Männer mit wohlüberlegter Rücksicht auf die Zeitumstände reden und daß hier eine Unternehmung angekündigt wird, die noch nicht zu berechnende Folgen haben kann. Es sind nur wenig Seiten, auf welchen wir in gedrängter Kürze Gegenstände zu verhandeln gesucht haben, worüber sich dicke Bücher schreiben ließen. Allein weil wir wünschen, daß diese Bogen auch von solchen Personen mögen gelesen werden, die der Anblick eines Buchs zurückscheucht, haben wir manches, was wohl einer größern Ausführung bedürfte, nur entwerfen wollen. Es würde uns sehr leid sein, wenn diese Kürze unserm Vortrage eine Art von Unbestimmtheit gegeben hätte, die zu Mißdeutungen verleiten könnte. Dies Besorgnis würde besonders die ersten Abschnitte des Manifestes treffen, in welchen Grundsätze aufgestellt werden, die seit einiger Zeit von unverständigen Leuten teils sehr gemißbraucht, teils übel sind verstanden worden. Aufmerksame Leser werden indessen bald gewahr werden, welche Anwendung wir in den folgenden Abschnitten von diesen Wahrheiten machen und wie sehr es uns am Herzen liegt, vor dem unzeitigen Reformations und Revolutionsgeiste zu warnen, der in schlecht organisierten Köpfen jetzt soviel Verwirrung anrichtet.

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Wenn eine Anzahl im Naturstande lebender Menschen, außer den häuslichen Familienbündnissen, noch durch andre gesellschaftliche Bande sich miteinander vereinigt, um, zu gemeinschaftlichem Beistande und gegenseitiger Schonung, dasjenige zu stiften, was wir die bürgerliche Gesellschaft, den Staat nennen, so ist vorauszusetzen, daß gewisse, ihnen allen oder den mehrsten von ihnen wichtig scheinende Bedürfnisse sie von der Notwendigkeit und Nützlichkeit einer solchen Einrichtung überzeugt haben, um entweder mit vereinten Kräften sich gegen einen auswärtigen Feind und Angreifer zu verteidigen oder durch Übereinkunft den innern Uneinigkeiten, Mißverständnissen, der Streitigkeiten über Gegenstände des Eigentums vorzubeugen und Einhalt zu tun.

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Insofern nun dies Bedürfnis einer Vereinigung zu irgendeiner Art von bürgerlicher Zusammenlebung von der ganzen Masse der Mitglieder gefühlt wird, so daß die erste Stiftung eines Staats durch freundschaftliche Verabredung geschieht, wird derjenige Vertrag geschlossen, den man den Gesellschaftsvertrag nennt. Es kann aber auch geschehn, daß einzelne, mit körperlichen oder geistigen Kräften vorzüglich ausgerüstete Menschen, welche ihren Privatnutzen oder das allgemeine Wohl durch eine solche bürgerliche Verbindung zu befördern trachten, diese Überlegenheit anwenden, um durch Gewalt, List, Überredung, oder durch veranlaßten Zwist, ihre Mitmenschen zu nötigen, die Vereinigung in eine größere Gesellschaft, in einen Staat, zu wünschen. In diesem letztern Falle (wenn nämlich eine solche Einrichtung nicht freiwillig durch allgemeine Verabredung oder durch den Beschluß der größern Anzahl, sondern durch die Einwirkung einzelner zustande kömmt) muß man dennoch voraussetzen, daß die größere Anzahl sich diesen Zwang gefallen lasse, sei es nun aus gutem Zutraun zu den Ratgebern oder aus Mangel an Übereinstimmung unter sich, aus Feigheit, Trägheit oder dergleichen. Ohne Einwilligung der Majorität wird also kein Staat gestiftet, und es lassen sich hieraus folgende Schlüsse ziehn:

  1. Bei Stiftung einer jeden bürgerlichen Verfassung liegt ein ausdrücklicher oder stillschweigender, von den gesamten Mitgliedern, oder der größern Anzahl derselben, geschlossener oder angenommener Vertrag zum Grunde.
  2. 2. Die Verbindung mehrerer Familien zu einem Staate ist daher ein Werk der Übereinkunft, nicht aber der Natur.
  3. Wenn die Menschen nicht entweder durch den Trieb, ihren Zustand dadurch vollkommner zu machen, oder durch Notwendigkeit gezwungen würden, auf diese Weise zusammenzutreten, so würden sie immer nur einzeln, paarweise oder in Familien abgeteilt leben, ohne miteinander gemeinschaftlich gewisse Zwecke zu erzielen.
  4. Am wenigsten kann die Einrichtung von der Natur herrühren, vermöge welcher eine kleinere, schwächere Anzahl die größere und stärkere, wider ihren Willen, nötigt, sich zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, oder gar zum Privatvorteile weniger einzelner, zu vereinigen.
  5. Ein jeder Gesellschaftsvertrag muß abgeändert, auch ganz aufgehoben werden können, wenn die Ursache, warum er geschlossen worden, der Zweck, das Bedürfnis, die Notwendigkeit desselben wegfällt oder wenn die Gesamtheit, oder die größere und stärkere Anzahl, ihren Willen zu der Aufhebung gelten macht, und es kann dabei der Privatvorteil der wenigen einzelnen nicht in Anschlag kommen, weil dieser gar nicht der rechtmäßige erste Zweck der Vereinigung gewesen sein kann.
  6. Ist aber eine Majorität nachgiebig genug gewesen, eine Staatsverbindung zu stiften, deren Zweck nicht das allgemeine Wohl, sondern der Vorteil, Glanz oder Wohlstand einiger wenigen auf Kosten und zum Schaden der Menge war, so ist ein solcher Vertrag an sich selbst null und nichtig, für niemand verbindlich und wird gewiß aufgehoben, sobald die Majorität zur Erkenntnis ihrer Übereilung kömmt.
  7. Auf Vernunft und freiem Entschlusse der Menschen also beruht der Grund sowie die Dauer einer jeden bürgerlichen Verbindung.
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Auf welche Weise nun auch ein Staat entstehn mag, so wird es doch allen verständigen Menschen, welche sich zu einer bürgerlichen Gesellschaft vereinigen, gleich einleuchten, daß von diesem Augenblicke an ein jeder von ihnen einen Teil seiner natürlichen Freiheit aufopfern oder vielmehr seinem, bis jetzt uneingeschränkt gewesenen freien Willen gewisse Grenzen setzen müsse, also daß er von nun an nicht mehr nehme und begehre, als er wünscht, daß andre wieder von ihm nehmen und begehren möchten; daß er seine Wünsche nicht, ohne Ersatz, auf Unkosten andrer befriedigen dürfe und daß er seinen Besitz, seine Ruhe und seine Sicherheit nur dadurch erkaufen könne, daß er den Besitz, die Ruhe und Sicherheit andrer ungestört lasse.

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Diese Begriffe sind so einfach, daß man denken sollte, es bedürfte, um in der bürgerlichen Gesellschaft Ordnung zu erhalten, weiter keines Gesetzes als dieses: »Was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen!« Allein die Verschiedenheit der Stimmungen und Geistesrichtungen bringt bald eine Veränderung in dieser Angelegenheit hervor. Die Wünsche und Forderungen der Menschen durchkreuzen sich, und es bedarf einer noch zusammengesetztem Einrichtung, um diejenige Ordnung zu erhalten und diejenigen Vorteile zu erlangen, die man sich von der Stiftung einer bürgerlichen Gesellschaft versprochen hatte.

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Diese Veränderung geht nach und nach vor. Zuerst, solange die Verhältnisse nicht sehr verwickelt und die Bedürfnisse nicht sehr vervielfältigt sind, kann jeder leicht das, was er zu seinem und der Seinigen Unterhalte bedarf, und selbst das, was die Freuden seines sehr einfachen Lebens befördert, ohne große Anstrengung und ohne andern in den Weg zu treten, sich verschaffen. Der Zweck der kürzlich erst gestifteten Vereinigung, die Notwendigkeit der damit verbundenen gegenseitigen Gefälligkeit und Nachgiebigkeit ist auch noch allen Mitgliedern des neuen Staats so einleuchtend, daß, wenn etwa kleine Kollisionen entstehen, doch jeder gern dem Streite ausweicht. – Alles geht ruhig seinen Gang, ohne künstliche Anstalten. Allein schon in der folgenden Generation bekommen die Leidenschaften mehr Nahrung und größern Spielraum. Die Bevölkerung nimmt zu; mit ihr vermehren sich Tätigkeit, Bedürfnisse, Wünsche, und es treten in Ansehung des Eigentums ganz neue Fälle ein. Auch verschwindet nun allmählich die natürliche Gleichheit unter den Menschen. Der eine hat mehr Kraft, Fähigkeit oder Lust als der andre, für sich, für seine Familie und für das allgemeine Beste mitzuwirken; der Faule, Schwache, Ungeschickte und Unentschlossene wird daher dem Fleißigem, Stärkern und Geschicktem verbindlich und von ihm abhängig. Damit jedoch den Verwirrungen vorgebeugt und abgeholfen werde, die daraus entstehen, vereinigt sich die Gesamtheit abermals, um gewisse Vorschriften, Gesetze, Vorsteher des gemeinen Wesens und Strafen zu bestimmen und anzusetzen. Dies alles aber geschieht noch auf solche Weise, daß die Majorität wählt und entscheidet – kurz, daß man keine andre Souveränität als die des gesamten Volks anerkennt. Auch treffen, wenn von der Wahl solcher Personen die Rede ist, welche über Aufrechterhaltung der Ordnung wachen sollen, die Stimmen mehrenteils zum Vorteile der Tugendhaftesten und Weisesten unter ihnen zusammen. Diese gewinnen bald das Zutraun der Menge, und niemand macht ihnen ihre Plätze streitig; niemand beneidet sie wegen übernommener Ämter, die nur mit Arbeit, Last, Verdruß mancher Art und noch nicht mit äußern Vorteilen verknüpft sind.

Doch so bleibt es nicht lange; Leidenschaften mischen sich in das Spiel; Ehrgeiz, Eigennutz, Eitelkeit und Herrschsucht fangen an, ihre Wirksamkeit zu äußern. Die der Menge nach geringere, durch größere Tätigkeit und vorzügliche körperliche oder geistige Kräfte aber überlegene Anzahl sieht es bald ein, daß sich aus der Unvermögenheit, Schutzbedürftigkeit und Furchtsamkeit des großen Haufens der Schwächern Vorteil ziehn läßt. Und so werfen sich dann entweder einzelne oder verbündete Usurpatoren auf, die sich ein solches Übergewicht zu geben, das ganze Volk so zinsbar und so von sich abhängig zu machen verstehen, daß ihre Willkür an die Stelle der durch allgemeine Beistimmung gegründeten Gesetze tritt, indes sie selbst kein für sie verbindliches Gesetz anerkennen; daß die ganze Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft nur das Wohlleben der begünstigten kleinern Zahl, auf Kosten der für diese arbeitenden größern, befördert und daß endlich sogar, statt jener freien Wahl der Oberhäupter, das erschlichene Recht, die Nation nach Gutdünken zu mißhandeln, zu plündern und zu mißbrauchen, ein Erbstück gewisser privilegierter Familien wird. Weil aber die Vernunft sich gegen dies Unwesen empören und ihr Recht reklamieren könnte, beginnen jene Usurpatoren, auch auf die Vernunft des großen Haufens ihre Herrschaft auszudehnen und allerlei Mittel einzuschlagen, um diese zu umwölken, zu verschrauben und ihre Ausbildung zu hindern. Sie nützen hierzu sogar die vorwitzige Begierde der Menschen, über die Grenzen der irdischen, sinnlichen Kenntnisse hinaus, Blicke in die unsichtbare Welt und in die ferne Zukunft zu tun, werfen sich zu Lehrern des Volks auf, geben himmlische Offenbarungen vor, erfinden Religionssysteme, lassen durch schlaue Priester dem Volke den Wahn einprägen, daß ihr Herrschersberuf von der Gottheit selbst sanktioniert sei, daß die Nichtbefolgung ihrer willkürlichen Verordnungen den Zorn der höhern unsichtbaren Mächte reizen und noch jenseits des Grabes ihnen Strafen zuziehn würde. Auf diese Weise arbeitet dann der geistliche und weltliche Despotismus Hand in Hand auf das Elend der Völker los; was die Menschheit beglücken und vereinigen sollte, trennt und verbreitet Jammer unter sie. Im natürlichen Zustande durfte jeder auf Kosten des andern, wenn er nur die Kräfte dazu hatte, sich in den Besitz von allem setzen, was ihm wünschenswert schien; jetzt herrscht die herrlichste Ordnung, nach welcher Millionen guter Menschen arbeiten und dabei Hunger und Kummer leiden müssen, um einigen wenigen Schlaueren Überfluß und Wohlleben zu verschaffen. Der unselige Despotismus wird auch nach und nach in ein System gebracht; man bestimmt den Grad der Vernunft, den die untergeordneten Klassen zu erreichen Erlaubnis und Vorschub erhalten sollen, und was sie denken, reden und glauben dürfen. Benachbarte Staaten geraten miteinander in Krieg; nicht wenn von Verletzung wahrer Menschenrechte die Rede ist, sondern wenn die Leidenschaften und Begierden der verschiedenen Oberhäupter in Widerspruch fallen; die Kunst, ganze Generationen von der Erde zu vertilgen und Menschen, die sich gegenseitig nie beleidigt haben, einander ermorden zu lassen, wird auch zu einer Wissenschaft erhoben; Herrschsucht, Eigennutz, falsche Ehrbegierde und Eitelkeit lösen, zerreißen die ersten, heiligsten Bande; Brüder verfolgen Brüder; Mißtraun und Neid treten zwischen Eltern und Kinder; unwichtiger Meinungen wegen erwürgen sie einer den andern; Löwen und Tiger in den Wäldern leben in engerer Verbindung unter sich als die in der bürgerlichen Gesellschaft zur Eintracht vereinigten Menschen.

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Mehr oder weniger gleichen alle Staatsverfassungen diesem Bilde. – Ein fürchterlich trauriger Anblick! Sollte denn aber auf dem unglücklichen Menschengeschlechte ein ewiger Fluch ruhn? Sollte die Erfahrung so vieler Jahrhunderte uns nicht belehren, daß nur gegenseitige Duldung, Mäßigkeit, Gefälligkeit, bei freiem Gebrauche der Vernunft, allgemeine dauerhafte Glückseligkeit verbreiten können? Es haben Philosophen in jedem Zeitalter freilich geträumt, die Welt werde nicht immer in Verderbnis tiefer sinken, sondern vielmehr, eben durch jene fürchterliche Erfahrungen unterrichtet, zu stets größerer Vollkommenheit hinaufsteigen; es werde einst das Menschengeschlecht wieder, jedoch mit gebildeterer Vernunft, zu der Einfalt seiner ersten Kindheitsjähre zurückkehren und das wahre Glück nur da suchen, wo allein es zu finden ist, in der Weisheit und Tugend. Alsdann werde es ferner keiner künstlichen Anstalten zu Beförderung dieses Glücks bedürfen. Jedermann werde das innere und äußere Bedürfnis, edel und klug zu handeln, fühlen; Staatsverfassungen und Fürsten und Pfaffen und Gesetze und Strafen und Krieg werden von der Erde verschwinden. – Es ist süß, tröstend, erquickend, so zu träumen; aber solange unser geistiges Wesen in diesem sinnlichen Körper wohnt, werden Begierden und Leidenschaften ihren Kampf gegen die Vernunft nicht aufgeben. Es bleibt uns daher die traurige Gewißheit übrig, daß der größte Teil der Menschen nicht fähig ist, nach freiem Willen zu handeln, ohne die Ordnung des Ganzen zu stören; daß sie, obgleich alle mit gleichen Rechten geboren, dennoch nicht alle in gleichem Grade an dem Genüsse der reichen Freuden dieses Erdenlebens Anteil nehmen können; daß immer die Majorität der an körperlichen oder geistigen Kräften Schwächern und unter sich nie dauerhaft zu Vereinigenden sich von der Minorität der Stärkern, Klügern, Tätigern und Entschlossenem muß leiten lassen; daß es für diese, wie für jene, bestimmter Gesetze, Strafen und Zwangsmittel bedarf, um das Gleichgewicht zu erhalten, und daß man also der Staatsverfassungen nicht entbehren kann. – Nur fragt es sich: was für ein System der bürgerlichen Einrichtung soll man wählen, das nicht zu neuen Mißbräuchen führte und mehr Unglück stiftete als das Leben unkultivierter, nicht in Staatskörper vereinter Naturmenschen?

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Dem verständigen Menschenfreunde wird es nicht schwer, mit einem Rückblicke auf die bisherigen Systeme dieser Art, sich das Ideal einer Staatsverfassung zu denken, die jeder billigen Forderung genugtun würde – nicht auf blinden Gehorsam, sondern auf Vernunft, nicht auf Willkür, sondern auf klare, vom ganzen Volke gebilligte Gesetze gestützt. Man nehme dabei immer und einzig die Beförderung der allgemeinen Glückseligkeit zum Hauptgegenstande, welchem das Wohlbehagen der einzelnen ohne Unterschied untergeordnet sein muß! Man habe keinen andern Zweck als den, Ordnung, Ruhe, nützliche Geschäftigkeit, Sicherheit des Lebens und des Eigentums und Genuß unschuldiger Freuden zu befördern! Man schränke die Freiheit keines einzigen Bürgers mehr ein, als nötig ist, um die Harmonie im Ganzen zu erhalten, verlange keine Opfer als die, von welchen der Vorteil dem Opfernden mit zuteil wird, enthalte sich aller willkürlichen Bestimmungen und Verordnungen über gleichgültige Handlungen, die auf den Hauptzweck keinen Einfluß haben, besonders über die Meinungen, den Glauben und über mündliche und schriftliche Mitteilung der Gedanken! Man benehme keinem die Gelegenheit, seine Kräfte, Talente, Kenntnisse und seine Tätigkeit nach seiner Weise anzuwenden und daraus jeden Gewinn zu ziehn, der niemand schädlich ist! Alle müssen ein gleiches Recht auf alle Vorzüge und Annehmlichkeiten haben, welche die gesellschaftliche Verbindung gewähren kann, außer wenn moralische oder intellektuelle Gebrechen sie dieser Vorteile unwürdig machen! Man suche die Mitglieder des Staats in solche Lagen zu versetzen und darin zu erhalten, in welchen nicht nur innere, sondern auch äußere Belohnungen dem Edeln und Weisen zuteil werden, knüpfe also das Bestreben, gut und verständig zu handeln, an das Interesse eines jeden an und begünstige Einfalt, Reinigkeit der Sitten und echte Menschen- und Bürgertugend! Man gebe wenige, aber bestimmte, deutliche Gesetze, die nicht viel zweifelhafte Fälle übriglassen, und halte strenge auf die Unverletzlichkeit und Heiligkeit derselben! Ist es notwendig, daß über noch nicht bestimmte Gegenstände neue Verordnungen gegeben werden müssen, so geschehe dies nie ohne Beistimmung der Majorität oder deren Stellvertreter! Man wähle die besten Mittel, diesen wirklichen Willen der wirklichen Majorität, der dann für den allgemeinen Willen gelten muß, zu erfahren, und die möglichste beste Art von Repräsentation! Sowohl die höchsten als die geringern Vorsteher müssen der freien Wahl des Volks, dem Zutraun ihrer Mitbürger, keinem ganz unbedingten Erbrechte, ihre Würden zu verdanken haben! Ob nur ein einziger oder wieviel ihrer sein sollen und auf wie lange Zeit, das hängt von besondern und Lokalrücksichten ab. Sie seien aber ohne Unterschied der Nation verantwortlich, von Zeit zu Zeit Rechenschaft von ihrem Haushalte zu geben schuldig, selbst dem Gesetze unterworfen und durch dieses in Ansehung der Gewalt eingeschränkt, nicht befugt, in Staatsangelegenheiten willkürlich und geheim zu handeln! Endlich gestatte man einzelnen Ständen und Personen keine Exemtionen, Monopolien und keine Privilegien als zum Vorteile der Fleißigern und Tugendhaftern!

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Auf dem Papiere nun ist eine solche Staatsverfassung leicht entworfen, anders aber steht es um die Ausführung derselben. Viel edle Männer haben bei Gründung oder Verbesserung älterer und neuerer Regierungsformen jene Vorschriften vor Augen gehabt; aber teils gelang es ihnen nur unvollkommen, ihren Plan durchzusetzen, teils arteten auch diejenigen Konstitutionen, die unserm Ideale am nächsten kamen, bald durch das rastlose Spiel der Leidenschaften, durch Herrschsucht, Habsucht, Unentschlossenheit, Verkehrtheit, Inkonsequenz und durch Zwist unter den Menschen aus. Ist es Wunder, wenn diese Beobachtungen selbst den wohlwollendsten Philosophen zuletzt dahin bringen, zu behaupten: es sei der größere Haufen der Sterblichen nur gemacht, von einigen dazu Berufenen wie Blinde geleitet, durch Zwangmittel in Ordnung gehalten zu werden; die Masse des Volks ertrage weder einen gewissen Grad von Aufklärung noch zuviel Wohlstand und Freiheit; um von dieser und von seiner Vernunft keinen Mißbrauch zu machen, müsse man das Volk, wenn nicht in völliger Dummheit und Armut, doch auf einer nicht zu überschreitenden Stufe von Mittelmäßigkeit und Eingeschränktheit halten. Diese Grundsätze nun sind in ihrer größten Ausdehnung nicht nur Jahrhunderte hindurch von Pfaffen und Fürsten in Ausübung gebracht worden, sondern auch neuere Vorfälle, unglücklich ausgefallene Staatsumwälzungen, Ausschweifungen und Verwirrungen, in welche ein Volk geriet, wenn es die lange getragenen schweren Fesseln des Despotismus abschütteln wollte, nachher aber dies Ungemach nur gegen das größere einer fürchterlichen Anarchie vertauschte, Sittenlosigkeit, die so oft in dem Gefolge einer liberalern, von wirklichen Vorurteilen entfesselten Denkungsart zugleich mit auftrat – das alles hat, selbst unter den bessern Menschen eine Art von Mißtraun gegen alle Volksaufklärung erweckt, hat Wörter, welche die edelsten Schätze der Menschheit bezeichnen: echte Erleuchtung, bedingte Freiheit und Gleichheit, Menschenrechte, Republikanismus und jede Reform, jede auch noch so nötige Verbesserung in Staatsverfassungen, verdächtig gemacht. Der Mißbrauch hat Zweifel gegen den wohltätigsten Gebrauch erweckt, und in keinem Zeitalter vielleicht ist das System, die Fortschritte der Vernunft zu hindern und aller geistigen Ausbildung, dem Gebrauche einer unschädlichen Freiheit und Behaglichkeit, vorzüglich aber der uneingeschränkten Mitteilung seiner Gedanken und Meinungen in den sogenannten untern Volksklassen Fesseln anzulegen, ängstlicher befestigt worden als gerade in unserm Jahrhunderte.

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Ist es aber gerecht und billig, deswegen die wohltätigsten Heilsquellen zu verstopfen, weil Bösewichte diese Quellen vergiften können? Kann einzelnen Menschen oder gewissen Kasten und Innungen das Recht übertragen und auf sie vererbt werden, ein Monopolium über geistige Schätze auszuüben, die von der Hand der Natur zum Genusse für alle ausgespendet worden sind? Wohin könnte nicht ein solches Monopolium führen? Wer stünde uns dafür ein, daß immer die Weisern und Bessern sich in den Besitz desselben erhalten und daß nicht vielleicht einige dieser kostbaren Werkzeuge grade in die Hände der schlauesten Bösewichte fallen und von ihnen als Waffen gegen die arglosen Bessern gebraucht werden würden? Wenn es wahr ist, daß nur wenig Menschen fähig sind, einen wahrhaftig nützlichen, unschädlichen Gebrauch von der Geistesfreiheit zu machen, folgt denn daraus, daß diese Fähigkeit oder Unfähigkeit ganzen Klassen und Abteilungen von Bürgern eigen sein und bleiben müsse, bis in Ewigkeit? Sollte es nicht allen Menschen, ohne Unterschied des Standes, in welchem sie zufällig geboren werden, freistehn müssen, über solche Gegenstände, die der ganzen Menschheit die wichtigsten sind, sich zu unterrichten, nachzudenken, ihre Meinung zu sagen und ihre Gedanken gegenseitig auszutauschen? Der unvernünftige Pöbel kann freilich nur mit Gewalt, nicht durch innere Bewegungsgründe, in Ordnung gehalten werden; allein muß es denn durchaus in jedem Lande einen Pöbel geben; und wenn auch nicht alle Menschen zu Philosophen, Gelehrten und Staatsmännern gebildet werden können, ist es nicht dennoch die Pflicht jeder Regierung, durch Begünstigung einer vernünftigen Volkserziehung, dafür zu sorgen, daß allen Bürgern die Gelegenheit dargeboten werde, wenigstens bis auf einen gewissen Grad gleich aufgeklärt über solche Wahrheiten zu werden, die auf ihre ganze menschliche und bürgerliche Existenz, auf ihre Verhältnisse und Pflichten, unmittelbare Beziehung haben? Endlich, ist es denn nicht wirklich ein gänzlich falscher Satz, daß echte Wahrheit Unheil zu stiften vermöge, größeres Unheil als jener Geistesdespotismus, jenes Vernunftmonopol? Und nun vollends unechte Weisheit - wie sollte die gefährlich werden können, solange jeder helle Kopf die Freiheit behält, ihr die Larve abzuziehen?

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So leicht diese Fragen zu beantworten sind und soviel Gutes auch schon von den besten Köpfen unsers Zeitalters darüber ist gesagt worden, so scheint es doch, als wenn die geistlichen und weltlichen Machthaber sich von gewissen Wahrheiten nicht wollen überzeugen lassen, sondern fester als je darauf beharren, die Volksaufklärung zu hindern und in dem großen Haufen alles Freiheitsgefühl zu ersticken. Pflicht wird es daher, diesen zu sagen, daß, wenn sie auch in der Theorie recht hätten, sie doch mit der Ausübung nie zustande kommen würden; daß es hierzu zu spät ist, daß sie im Begriff stehen, das Übel ärger zu machen und die Zügel, an welchen sie bis jetzt ziemlich unsanft die Nationen geleitet haben, gänzlich aus den Händen zu verlieren. Dafür hat selbst der Despotismus gesorgt, muß, ohne es zu wollen, immer dafür sorgen, muß dem großen Plane der Schöpfung, das Gleichgewicht der Macht in der Welt zu erhalten und den größten Teil des Menschengeschlechts nicht in eine ewige Sklaverei versinken zu lassen, wider Willen, befördern. Denn wenn ein einziger den Vorsatz hat, Millionen nach seiner Willkür zu lenken, und diese Geschäfte systematisch treiben will, so bedarf er notwendig dazu einer Menge untergeordneter Werkzeuge; diese müssen, um seine Plane ausführen zu können, vernünftige, mit Talenten und Kenntnissen ausgerüstete Menschen sein. Um dergleichen zu bilden und zugleich aus Eitelkeit, begünstigt er Wissenschaften, Künste, überhaupt feinere Kultur und Aufklärung. Allein diese, wenn erst die Bahn gebrochen ist, rückt dann schneller fort, greift weiter um sich, erstreckt sich auf Gegenstände von ganz andrer Art, als worauf der Despotismus gerechnet hatte. Die Menschen fangen an, über ihren Zustand, über ihre Verhältnisse, Rechte und Pflichten nachzudenken, wollen nicht mehr sich im Blinden leiten lassen, nicht mehr alles auf Autorität annehmen. Sind sie zu arg gedrückt und mißhandelt worden, so erwacht nun das Gefühl der Unwürdigkeit der Rolle, welche sie bis dahin gespielt haben. Sie wagen es, die Urkunden zu beleuchten, worauf ihre Tyrannen das Befugnis, sie also herabzuwürdigen, gebauet hatten, und wenn sie diese unecht und erschlichen finden und nun endlich der Gedanke in ihnen erwacht, daß sie doch eigentlich der stärkere Teil seien, es folglich in ihrer Macht stehe, sich einer schimpflichen Knechtschaft zu entziehn, dann kömmt es nur darauf an, daß ein paar unternehmende, unruhige Köpfe sich an die Spitze stellen, um den Umsturz der bisherigen Verfassung zu bewirken. Allein mehrenteils fällt eine solche Umwälzung sehr unglücklich aus. Es ist nicht die reine, heilige Vernunft, sondern Rache ist es, welche hier um den Sieg kämpft, und Menschen, denen nicht die echte Aufklärung, sondern Verzweiflung die Augen geöffnet hat, sind am wenigsten imstande, eine wünschenswerte Ordnung der Dinge herzustellen.

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An diesem allen ist freilich der Despotismus selbst schuld, und um nun dem Übel zu steuern, das nur er allein angerichtet hat, wählt er – leider! ist das in unsern Tagen der Fall – grade die verkehrten Mittel. Weise Regenten und Machthaber zittern nicht und haben nicht Ursache zu zittern, bei allen Vorfällen dieser Zeit. Sie wirken selbst mit fort in der Aufklärung, wissen diese auf den rechten Weg zu lenken, verlieren nie die Zügel aus den Händen und wechseln nur von Untertanen. Statt daß sie vorher, wie Zuchtmeister, einen Haufen roher, vernunftloser Geschöpfe durch Furcht gefesselt hielten, herrschen sie nun, und um so sichrer, als die Weisesten ihres Volks, durch Achtung und Liebe, über verständige, ausgebildete Menschen. Sie modeln die Form ihrer Regierung nach dem Geschmacke des Zeitalters um; die Sache bleibt dieselbe. Die Masse der Menschen läßt sich ja auch so gern und leicht lenken, ist sowenig zum Aufruhre geneigt, insofern man nur irgend glimpflich zu Werke geht, besonders in dem kältern Teutschland; das Volk vereinigt sich nicht leicht zu wirklichen Meutereien, wenn auch noch soviel einzelne Unzufriedene darunter sind. Es ist in allen Ländern so sehr an Druck gewöhnt, daß es arg kommen muß, wenn es seine Last unerträglich finden soll. Ein kleiner Schritt von seiten der Regierung, zur Erleichterung der Untertanen, begleitet von Äußerungen, die väterlich und liebreich klingen; eine Rede vom Throne herab, voll philanthropischer Deklamationen; dabei im äußern Popularität, Freundlichkeit und ein einfacher, häuslicher, prunkloser Ton am Hofe – und Bauer und Bürger geben den letzten Heller heraus. Allein nicht einmal soviel Klugheit zeigt der größte Teil unsrer jetzigen Regenten. Von Pfaffen und andern boshaften, eigennützigen, hartherzigen und stumpfsinnigen Menschen irregeleitet, wähnen sie, durch Zwangmittel bewirken zu können, was keine menschliche Macht auszurichten imstande ist, nämlich die weitern Fortschritte der wohltätigen Aufklärung zu hemmen, die Barbarei der finstern Zeiten und das Reich des Aberglaubens und der Dummheit wieder herbeizuführen. Nun werden Einschränkung der Denk- und Preßfreiheit, Zensuredikte, Ausspäher, Auflaurer auf arglose, vertrauete Gespräche, Inquisitionen gegen unschädliche Schwätzer, Zurücksetzung, Verfolgung, Verleumdung freimütiger Männer – alles wird in Bewegung gesetzt und die bescheidensten Klagen und Vorstellungen zum Frevel gestempelt, um jenen verruchten Zweck zu erreichen. Aber vergebens! Der Funken hat nun einmal gezündet und ist durch kein Mittel wieder zu verlöschen. Wer die Geschichte aufmerksam studiert hat, wird eingestehn müssen, daß ein so hoher Grad von wahrer Geisteskultur in allen Ständen vielleicht noch nie in der Welt so allgemein gewesen ist wie jetzt. Um diese wieder zu zerstören, müßten auf einmal ganze Generationen von der Erde vertilgt und alle Buchdruckereien vernichtet werden. Man kann wohl auf eine kurze Zeit an einem Orte, durch Furcht, die Menschen zum Schweigen bringen; allein um desto lauter erheben sie ihre Stimme in einer andern Gegend, unter günstigern Umständen oder in glücklichern Zeiten. Und diese Umstände, diese Zeiten bleiben nicht aus. Es gibt noch immer solche weisere Fürsten, wie wir sie vorhin geschildert haben, bei denen Vernunft und Wahrheit Schutz finden, wenn Wahrheit und Vernunft irgend eines Schutzes bedürften. Die Verstandesausbildung der Masse wirkt dann auch auf die Kinder und Jünglinge der höhern, privilegierten Stände. Diese nehmen selbst menschlichere, mildere und freiere Grundsätze an, werden, wenn sie einst zu Männern heranwachsen, die Retter der Menschheit und die Zerstörer des Dummheitssystems. Jene Verbote, Einschränkungen und Bedrückungen aber reizen zum Widerstande, erbittern die Gemüter, erheben Meinungen, die bis dahin nur noch der Gegenstand theoretischer Abhandlungen waren, zu festen Grundsätzen, zu Glaubensartikeln, an deren Verteidigung man Gut und Blut wagt, verwandeln ruhige Forscher in feurige Sachwalter der bedroheten guten Sache, verbinden Menschen, die bis dahin voneinander getrennt waren, zu gemeinschaftlicher Gegenwehr gegen die Geistesdespoten und erwecken einen Wahrheits- und Freiheitsfanatismus, der mit den fürchterlichsten Folgen droht. Nur noch kurze Zeit dürfen die verkehrt gesinnten Machthaber in ihren übel berechneten strengen Maßregeln fortfahren; und wir sehen in mehr als einem Lande Auftritte von so abscheulicher Art, wie wir sie in Frankreich kürzlich erlebt haben. Allein dahin darf, dahin muß, dahin soll es gewiß nicht kommen. Es ist Zeit, ernstliche Vorkehrungen dagegen zu treffen, und das ist jetzt, wie man hören wird, durch die Vereinigung fest entschlossener Freunde der Wahrheit, Rechtschaffenheit und bürgerlichen Ordnung geschehn.

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Die Unzulänglichkeit und Zweckwidrigkeit aller öffentlichen Anstalten zum Wohl der Welt, die Ausartung aller Staatsverfassungen und bürgerlichen Verträge, der Mißbrauch der oberherrlichen Gewalt, der Unfug der Machthaber und die Betrügereien derer, die sich zu Lehrern des Volks aufwerfen, das alles ist längst ein Gegenstand der Besorgnisse und Bestrebungen redlicher Menschenfreunde gewesen. Weil diese jedoch bei ihren Bemühungen, dem Übel entgegenzuarbeiten, von allen Seiten Widersprüche, Hindernisse und Verfolgungen voraussahen, stifteten sie geheime Verbindungen, die lange Zeit hindurch, ohne den erzielten Nutzen zu stiften, der ganzen kultivierten Welt zum Steckenpferde und Spielwerke gedient haben – aber wahrlich zu einem sehr gefährlichen Spielwerke! Es läßt sich nicht leugnen, daß einige dieser geheimen Bündnisse zu den edelsten Zwecken, von uneigennützigen, redlichen und vernünftigen Männern, sind errichtet worden, die aber, bei dem Innern Bewußtsein der Unschuld ihrer Absichten, weder die Folgen hinlänglich berechnet, noch sich die sehr wichtige Frage gehörig beantwortet haben: »inwiefern überhaupt der Staat gestatten könne, daß in ihm andre kleine Staaten entstehen, deren Mitglieder sich einander die Verbindlichkeit auflegen, ihre Zwecke und Mittel (die immer, mehr oder weniger, die Zwecke der größern Staatsverbindung durchkreuzen) vor dem Publico und selbst vor der Obrigkeit geheimzuhalten?« Wohin dann auch solche Bündnisse führen, das hat uns die Erfahrung, besonders in diesem Jahrhunderte, gelehrt. Von einer Seite zu zweckloser Zeit- und Geldverschwendung, zu Ausbreitung eines verderblichen Kabalen-, Sekten- und Verfolgungsgeistes; von der andern, neben allen möglichen Gebrechen und Ungehörigkeiten der bürgerlichen Verfassung, denen abzuhelfen sie doch eigentlich errichtet waren, zu Mißbräuchen und Betrügereien von ganz neuer Art. Denn eben diese geheimen Verbindungen gaben allen Leidenschaften weitern Spielraum und verschafften den Schwärmern, Schurken, Ränkespielern und herrschsüchtigen Bösewichtern jeder Art einen Wirkungskreis, wie sie ihn noch nie gehabt hatten, ihr Wesen im verborgenen zu treiben. Hier entwarf ein listiger Kopf in der Stille den Plan, durch seine Machinationen die Hände in alle Regierungen zu bekommen und seine Kreaturen mit Zurücksetzung besserer Menschen, in die wichtigsten Staatsbedienungen einzuschieben. Dort spiegelte ein Phantast seinen Jüngern den Entwurf zu einer allgemeinen Monarchie, zu einer Theokratie, einem Sittenregimente, einem Tausendjährigen Reiche oder dergleichen vor, in welchem er jedoch sich die Hauptrolle vorbehielt. Bald wollten verkappte Jesuiten oder andre Schelme dies Vehikel nützen, um die ganze Welt wieder unter das Joch der römischen Hierarchie zurückzubringen, oder, indem sie leichtgläubige Pinsel mit Ammenmärchen von Goldmacherei und Geisterseherei ankörnten, Aberglauben und Dummheit im Volke verewigen und dabei im trüben fischen. Diese verschiedenen Banden gerieten dann miteinander in Streit; jede verlangte das Monopolium, die Menschen am Narrenseile zu führen, ausschließlich für sich zu behalten, verketzerte, verleumdete und betrog die andre, suchte die kleingesinnten Großen der Erde in das Interessse ihrer Albernheiten zu ziehn und überschwemmte das Publikum mit ihren unbedeutenden Streitschriften. Statt daß also diese geheimen Reformationsanstalten der Welt hätten nützen sollen, beförderten sie vielmehr die allgemeine Verwirrung und dienten jeder Bosheit zur Larve.

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So stehen die Sachen noch jetzt; und da die Erbitterung unter den beiden Hauptparteien, nämlich unter den Vernunftfreunden und den Dummheitbeförderern, mit jedem Tage wächst, dabei auch die Maßregeln, welche man gegen diesen Unfug nimmt, immer bedenklicher werden, so daß alles darauf angelegt zu sein scheint, entweder eine ärgere Geistesdespotie einzuführen, als noch je in der Welt gewütet hat – ein Bestreben, das freilich ganz durchzusetzen nicht möglich ist, doch aber in einzelnen Ländern eine Zeitlang viel Unglück stiften und den Fortschritten aller möglichen Kenntnisse nachteilig sein kann –, oder aber das geduldige Volk, durch den unerträglichsten Druck, endlich aus dem Schlummer zu wecken, zum Aufruhre zu reizen und uns der noch viel grausamem Tyrannei eines halbaufgeklärten Pöbels preiszugeben: so ist es denn nun wohl einmal Zeit, daß die verständigern Freunde der Wahrheit, Rechtschaffenheit und Ordnung zusammentreten, um diesem Unwesen durch erlaubte, das Licht nicht scheuende Mittel ein Ende zu machen, die Rechte der freien, gesunden Vernunft gegen Torheit, Betrug und Unterdrückung in Schutz zu nehmen und mit vereinten Kräften an Herstellung der bürgerlichen Ordnung, des Friedens und der brüderlichen Duldung zu arbeiten. In vierundzwanzig Städten von Teutschland haben sich schon kleine Zirkel solcher Männer zusammengefügt, sind miteinander in fortdauernden Briefwechsel getreten und laden jeden redlichen und klugen Mann ein, ihrem patriotischen Bunde beizutreten, der schon jetzt stark genug ist und noch immer stärker werden wird, wenn Personen sich an uns schließen, die vielleicht aus Mutlosigkeit und aus Furcht vor den hämischen Neckereien einer gewissen Rotte bis jetzt stumm und untätig geblieben sind, nun aber erfahren, daß eine Legion entschlossener, fester Wahrheitsfreunde ihnen die Hand zum gemeinschaftlichen Schutze reicht. Wir werden desfalls ruhig erwarten, welchen Eindruck dies Manifest auf den bessern Teil des Publikums macht, und erfahren wir, daß würdige Männer uns näher kennenzulernen wünschen, so werden wir schon Mittel finden, uns diesen zu nähern.

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Das Personale der jetzt schon tätigen Mitglieder der Gesellschaft namentlich zu kennen, daran kann dem Publico wenig gelegen sein; genug, wenn es unsre Zwecke und die Mittel kennt, deren wir uns bedienen. Es bleibt aber jedem Mitgliede die Freiheit unbenommen, wenn seine Lage es ihm erlaubt, sich als Teilnehmer öffentlich zu nennen. Manche würdige Männer werden durch ihre äußern Verhältnisse davon abgehalten, ja, andre können und dürfen überhaupt an einer solchen Verbindung nicht teilnehmen, ohne den Regierungen, unter denen sie stehen und denen sie Gehorsam schuldig sind, verdächtig und verantwortlich zu werden. Diesen raten wir, sich nicht mit uns einzulassen, denn es streitet durchaus mit unserm Zwecke, daß wir irgendeine Handlung unternehmen, die den Gesetzen der Länder, darin wir leben, sollten diese Gesetze auch noch so unweise sein, entgegen ist. Aber freimütig unsre Meinung über dergleichen Gesetze zu sagen, das werden diejenigen unter uns ohne Scheu tun, die in Provinzen wohnen, wo keine Verbote solche Äußerungen zu Verbrechen machen.

15

Und nun noch einmal! Es ist hier gar nicht von einer geheimen Verbindung die Rede, in welcher hochwürdige Schelme als Obere hinter dem Vorhange stehen und einen Haufen leichtgläubiger Jünger wie Marionetten handhaben, nicht von Einführung eines gewissen Systems, das einige Köpfe zusammengeflickt haben, um es durch Schüler, die selbst nicht denken können noch wollen, der Welt aufhängen zu lassen, sondern von einer Gesellschaft solcher Männer, die nur über den einzigen Grundsatz ganz einig sind, daß keinem Erdensohne der Weg versperrt werden dürfe, das edeleste Geschenk des Himmels, die gesunde Vernunft, frei und ungehindert über alle Gegenstände zu Rate zu ziehn, Männer, die sich einander beistehen, um dies Kleinod sich nicht rauben zu lassen, im übrigen aber keine gewisse Formen vorschreiben, sondern es einem jeden überlassen, nach seiner individuellen Überzeugung, das, was er für Wahrheit hält, zu lehren und auszuüben, nach seiner Weise so, wie es seine Lage und seine Verhältnisse erlauben; folglich niemand die Verbindlichkeit auflegen, sondern ihm nur Gelegenheit geben, mit Sicherheit zum Besten des Ganzen – das heißt zum freien Gebrauche der Vernunft und zu Beförderung der Rechtschaffenheit und bürgerlichen Ordnung – mitzuwirken.

16

Wir mischen uns daher keinesweges in politische und kirchliche Händel. Was für eine Regierungsform und was für ein Religionssystem in diesem oder jenem Lande die Oberhand haben möchte, darüber können einzelne Mitglieder unsrer korrespondierenden Gesellschaft vielleicht Wünsche und Meinungen hegen und äußern; allein wir nehmen daran keinen Teil. Nur das sind wir männlich durchzusetzen fest entschlossen, daß in unserm lieben Vaterlande, wie und von wem es auch regiert werde, kein Geistesdespotismus Wurzel fasse und kein vorsätzlicher Betrüger das Volk verführe. Wo wir daher dergleichen wittern, da warnen wir laut und öffentlich davor, entlarven den im Finstern schleichenden Betrug und übernehmen die Verteidigung jedes, seiner Meinungen wegen, verfolgten und verleumdeten Mannes; auch dann, wenn wir seine Grundsätze nicht billigen. Keiner von uns aber hält sich für unfehlbar, und indem wir ein Recht zu haben glauben, unsre Gedanken frei und offen mitzuteilen, so ist es auch gar nicht unsre Absicht, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die uns ebenso frei und öffentlich widerlegen wollen, sei es in einem ernsthaften oder satirischen und spottenden Tone; denn auch wir behalten uns das Recht vor, diese verschiedenen Wege nach den Umständen einzuschlagen. Und so, wie wir bereit sind, der bürgerlichen Ordnung und der Unterwürfigkeit gegen Obrigkeit und Gesetze Gut und Blut zu opfern, so predigen wir Aufruhr, Rebellion und Krieg (doch nur mit geistigen Waffen) gegen alle Unterdrücker der göttlichen, heiligen, gesunden Vernunft.

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Unsre Art zu verfahren aber ist folgende: In jeder der oben erwähnten vierundzwanzig teutschen Städte tragen diejenigen dort wohnenden Männer, welche an der Vereinigung teilnehmen wollen, einem von ihnen auf, den Briefwechsel zu übernehmen, welches, wie man hören wird, gar kein beschwerliches Geschäfte ist. Folglich haben wir vierundzwanzig korrespondierende Mitglieder, wovon jeder einem Zirkel von Freunden und Bekannten, den er nach Gutdünken sich wählen und erweitern mag, die erhaltenen Nachrichten mitteilt und ihre Aufträge empfängt. Jeder dieser Korrespondenten hält einen oder mehr Bogen Papier in Bereitschaft, worauf er, wenn er Lust und Muße dazu hat, alles dasjenige in kurzen Worten notiert, was er dem Zwecke der Gesellschaft angemessen findet; also Nachrichten, Anfragen, Forderungen, Vorschläge, auch, wenn er will, kleine Abhandlungen über verschiedene Gegenstände. Dies Heft schickt er zweimal im Monate, nämlich in der Mitte und am Ende desselben, nebst dem aus einer nahe gelegenen Stadt vierzehn Tage früher mitgeteilt erhaltenen Hefte dem Mitgliede, an welches er in der nächsten Stadt ist gewiesen worden, mit der Post franko hin. Hierin besteht seine ganze Arbeit. Hat er nichts aufgeschrieben, so muß er wenigstens das Erhaltene zu der gehörigen Zeit weiter befördern und ein leeres Blatt, mit seiner Nummer bezeichnet, dabei- Jegen. Wenn also, zum Beispiel, der Korrespondent No. 6 in Gotha von dem Korrespondenten No. 5 in Eisenach zu Ende des Monats Mai ein Heft geschickt erhält, so teilt er den Inhalt seinen in Gotha wohnenden Freunden mit, zeichnet das Nötige heraus, legt am 15. Junius sein Heft, oder sein leeres Blatt, hinzu und schickt es an den Korrespondenten No. 7 nach Erfurt. Um eben diese Zeit erhält er abermals von No. 5 ein Heft, welches er zu Ende des Junius an No. 7 abgehn läßt. Diese unbedeutende Arbeit ist die einzige, wozu sich ein Mitglied verbindlich macht. Alle übrige Wirksamkeit hängt gänzlich von seiner Willkür ab, mit Rücksicht auf die Lage, in der er sich befindet. Wer nicht Muße oder Ordnungsgeist genug hat, diese geringe Arbeit pünktlich zu besorgen, tut besser, wenn er einem ändern Freunde in seinem Wohnorte die Korrespondenz aufträgt. Sobald No. 6 nicht zu rechter Zeit von No. 5 die Hefte bekömmt, zeigt er dies dem Freunde No. 7 an und sucht, wenn eine freundschaftliche Erinnerung vergebens ist, sogleich mit No. 4 Abrede zu nehmen, daß sie in der Stadt, wo No. 5 wohnt, einen andern Korrespondenten erhalten und dem Nachlässigen nichts mehr zugeschickt werde. Können sie niemand finden, der den Platz ersetzt, so wird die Stadt vorerst übergeschlagen und bei jeder Verschickung von No. 4 an No. 6 ein leeres Blatt, mit No. 5 bezeichnet, beigelegt. Desfalls müssen notwendig vier in der Reihe aufeinander folgende Korrespondenten sich dem Namen nach kennen. Von den übrigen ist dies wenigstens nicht erforderlich, obgleich das Personale, sowie überhaupt alles, was unsre Gesellschaft angeht, kein Geheimnis zu sein braucht. Weil jedoch einzelne Mitglieder besondre Ursachen haben können, nicht bekannt werden zu wollen, so wird keines von den herumgeschickten Heften mit dem Namen des Absenders, sondern nur mit seiner Nummer bezeichnet. Jedes Heft kömmt auf diese Weise nach Verlauf eines Jahrs (und zwar vielleicht begleitet von mancher interessanten Anmerkung und Erläuterung oder auch wohl Widerlegung, die irgendeines der andern Mitglieder hinzugefügt hat) in die Hände des ersten Absenders zurück. Und grade deswegen kann die Anonymität einiger Korrespondenten zuweilen Nutzen haben, indem dadurch die Äußerungen und Urteile, zum Vorteile der Wahrheit, freier ausfallen.

18

Es bleibt uns noch übrig, einen Begriff von dem Inhalte dieser Hefte zu geben; durch ein Beispiel wird dies am deutlichsten geschehn können. No. l mag auf sein Papier folgendes geschrieben haben:

Wenn nun No. 2 dies Heft erhält, so teilt er den Inhalt, auf eine ihm beliebige Weise, seinen an demselben Orte wohnenden Freunden, binnen den vierzehn Tagen, da er es behalten darf, mit. Hat niemand Muße oder Lust, sich darüber zu äußern, so wird es nur zu rechter Zeit weiter befördert. Will aber jemand etwas dabei bemerken, so befestigt No. 2 das Blatt, worauf dies geschrieben steht, an das Heft und schickt es also, nebst seinem eignen Hefte, fort. Wir wollen eine Probe von einem solchen hinzugefügten Aufsatze entwerfen:

19

Aus dieser Skizze möge man unsre Grundsätze, Zwecke und Mittel wahrnehmen! Man wird daraus sehn, daß diese Verbindung sehr viel Gutes zu bewirken imstande ist; denn was vermögen nicht allein schon die vereinten Kräfte von vierundzwanzig, in demselben Lande lebenden Männern, deren jeder wieder einen Zirkel von Freunden und Bekannten in Tätigkeit setzt? Dagegen kann durch diese Gesellschaft, als Gesellschaft, nichts Böses unternommen werden. Wenn einzelne Mitglieder dergleichen im Sinne hätten, so würden sie in der Verbindung keinen Vorschub, sondern vielmehr Widerstand finden. Indem wir Publizität, Denk- und Preßfreiheit beschützen und in Glaubenssachen und Meinungen keinen andern Oberherrn als die freie, gesunde Vernunft anerkennen, so respektieren wir doch in allen bürgerlichen Verhältnissen die Gesetze und deren Handhaber und erlauben uns auch nicht die kleinste Übertretung obrigkeitlicher Verordnungen. Wenn wir die Volksverführer, Betrüger und diejenigen, welche die Augen der Regenten zu verblenden suchen, entlarven und öffentlich angreifen, so machen wir es uns doch nicht weniger, sondern vielmehr mit doppeltem Eifer zum angelegentlichsten Geschäfte, die Wohltäter des Menschengeschlechts in allen Ständen ebenso öffentlich auszuzeichnen, fest überzeugt, daß das Lob edler Handlungen wirksamer das Gute befördere als ein zu eifriges Bestreben, jede Untat zu rügen. Wenn es uns endlich am Herzen liegt, wichtige Wahrheiten in Umlauf zu bringen, wir auch überzeugt sind, daß hierdurch nie eigentlich Unheil gestiftet werden kann, so ist es doch keineswegs unsre Meinung, den natürlichen Schritten der Aufklärung vorzugreifen oder die sehr unzweckmäßige Arbeit zu übernehmen, Lehren zu predigen, für die der Genius der Zeit noch nicht empfänglich ist und die in schief organisierten Köpfen Verwirrung stiften könnten.

Es hatten einige unsrer Mitglieder den Plan entworfen, ein eignes Journal, das die Gesellschaft herausgeben sollte, zu Beförderung ihrer Zwecke zu schreiben; allein die größere Anzahl hat diesen Vorschlag standhaft verworfen. Dadurch würde die Gesamtheit die Privatmeinungen einzelner Mitglieder gleichsam sanktionieren und sich dafür verantwortlich machen; das ist unsrer Absicht gänzlich zuwider. Wir wollen für jeden gern das Recht erkämpfen, seine Meinung frei sagen zu dürfen, jedoch allein auf seine Rechnung und Verantwortung. Aller Sekten-, Ordens- und Systemgeist ist uns ein Greuel.

20

Und nun noch vier Worte: Eines an Personen, die unsrer Gesellschaft beitreten wollen; eines an das Publikum; eines an die Regenten und eines an gewisse andre Leute.

  1. Jeder rechtschaffene und verständige Mann, der teil an unsrer Gesellschaft nehmen will, wird uns willkommen sein. Die Mittel, sich uns zu nähern, werden wir zu verschaffen bemüht sein, sobald wir sehen, welchen Eindruck dies Manifest auf den bessern Teil des Publikums macht. Sollten aber solche Menschen, die von Ehrgeiz, Eigennutz, von irgendeiner andern unedeln Leidenschaft oder von Parteiwut regiert werden, sollten Unruhstifter, Fanatiker, Sektierer, von welcher Art sie auch sein möchten, Fürstenschmeichler oder unvernünftige Freiheitsapostel, sich in unsern Schoß werfen wollen, um entweder unter unserm Schutze ihre gefährlichen Torheiten und Bosheiten auszubreiten oder gar unsre Gesellschaft als Werkzeug zu Beförderung ihrer unreinen Absichten zu gebrauchen, so würden solche Leute sich in ihrer Rechnung sehr betrügen. Nicht nur würden sie bei uns keinen Vorschub finden, sondern auch Gefahr laufen, von uns öffentlich dem Publico dargestellt zu werden. Überhaupt bitten wir jedermann recht ernstlich, auf gar keine Verschwiegenheit von unsrer Seite in Dingen zu rechnen, die uns nicht unschuldig scheinen könnten, und raten daher, uns nichts zu vertraun, was keine Beleuchtung verträgt.
  2. Und nun, da das Publikum sieht, wie offenherzig wir unsre Zwecke und Mittel seiner Prüfung vorlegen, dürfen wir auch hoffen, daß es uns Gerechtigkeit widerfahren lassen, uns keine gefährliche, hinterlistige Absichten zutraun und uns nicht mit den ungestümen Schreiern verwechseln, noch diese für Mitglieder der Gesellschaft halten werde, die von Zeit zu Zeit, zum Schaden der guten Sache der Wahrheit, als Verfechter auftreten. Wir billigen so wenig ihren Unfug, daß wir vielmehr alle verständige Männer ersuchen, dagegen und überhaupt gegen jeden Verführer und Betrüger laut die Stimme zu erheben. Wir wünschen, das Publikum möge auch über uns wachen, damit wir das, was wir ihm versprechen, leisten und uns nie von den Grundsätzen entfernen mögen, die wir hier entwickelt haben.
  3. 3. Gut gesinnte, weise Fürsten und Regierungen haben, wie das schon ist gesagt worden, nichts von uns zu besorgen. Wir ehren und befolgen nicht nur alle ihre Verordnungen über solche Gegenstände, die ihrer Gewalt unterworfen sind, sondern weisen auch diejenigen Schriftsteller und Ratgeber, welche die Grenzen der obrigkeitlichen Macht zu schmälern, sowie die, welche dieselbe über Gebühr auszudehnen suchen und dadurch das Volk zur Widerspenstigkeit reizen könnten, zur Ordnung zurück. Edle Fürsten dürfen uns daher wie ihre eifrigsten Anhänger betrachten; böse hingegen fürchten wir nicht. Wir fordern sie auf, unser auf Wahrheit, Redlichkeit und Pflicht gestütztes Werk zu zerstören. Freilich können sie einzelne freimütige Männer necken und verfolgen; allein was schadet das dem ewigen Reiche der Wahrheit, der es nie an entschlossenen Verteidigern und Rächern fehlen wird? Mit allen ihren Edikten und Inquisitionen, mit ihren Gerichtshöfen und Schergen, ja, mit ihren ungeheuren Heeren besoldeter Maschinen sind sie doch zu ohnmächtig, auch nur eine einzige nützliche Wahrheit wieder aus der Welt zu schaffen. Das Reich der Dummheit, der Vorurteile und der Autoritäten ist nun einmal zu Ende. Hier ist nicht mehr zu fragen, ob es besser sein würde, wenn die Völker sich noch, wie ehemals, im Blinden führen ließen – es ist zu spät; es geht nicht mehr, und es mag auch wohl recht gut sein, daß es nicht mehr also geht. Wären manche Regierungen nicht so unempfänglich für bessern Rat, so würden sie sich davon überzeugen lassen, daß hier keine gewaltsame Mittel helfen und daß, wenn sie nur in der Kultur ihres Zeitalters mit fortrücken und sich das Zutraun ihrer Mitbürger erwerben wollten, sie immer an der Spitze stehn, das Heft nie aus den Händen verlieren und durch die von ihren Trabanten so sehr verschriene Aufklärung selbst sichrer als je regieren könnten. Allein das heißt tauben Ohren predigen, und darum sind wir dann heilig und männlich fest entschlossen, wenigstens dafür zu sorgen, daß sie unserm lieben Vaterlande durch ihre verkehrten Maßregeln kein solches Elend aufladen sollen, als Frankreich, durch die Folgen des unleidlichsten Drucks, jetzt leiden muß.
  4. Nun noch das Wort an gewisse Leute! – Wer diese Leute sind? – Wir wollen mit ihren Namen dies Blatt nicht besudeln; es sei genug, zu sagen, daß wir jene Bande unberufener, lichtscheuer Zionswächter, Ketzermacher, Illuminaten-, Demokraten- und Jakobinerjäger im Sinne haben. Diesen wollen wir nur sagen, daß wir hoffen, sie werden auch uns die Ehre erweisen, uns als gefährliche Aufrührer anzuklagen. Das wird uns überaus angenehm sein und unsre Sache sehr befördern. Haben sie bis jetzt mit ihrem Zetergeschreie den Zweck nicht erlangt, auf den sie gerechnet hatten, ist vielmehr Schande, Spott und Verachtung ihr wohlverdienter Gewinn gewesen, so können wir ihnen doch zum Troste sagen, daß sie, ohne es zu wollen, etwas Gutes gestiftet haben. Sie sind es nämlich hauptsächlich gewesen, die durch ihr Toben die würdigsten und tätigsten unter unsern Mitgliedern aus dem Schlummer geweckt und zu dem Entschlusse gebracht haben, diese Verbindung zu stiften, um endlich einmal dem Unfuge der Obskuranten ein Ende zu machen und die Feinde der Wahrheit, Rechtschaffenheit und bürgerlichen Ordnung mutig zu bekämpfen.

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