Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Zweites Kapitel

Reise des Kronprinzen von Abyssinien und seines Gefolges durch Deutschland

Eine so volkreiche und in allem Betrachte so interessante Handelsstadt wie Hamburg verdiente wohl, daß wir uns eine Zeitlang hier aufhielten; ich nahm also auf vierzehn Tage Quartiere für unsre ganze Suite in zwei großen Gasthöfen am Jungfernstiege und führte meinen Prinzen, in Begleitung seiner Cavaliers und meines Freundes, des Hofnarren und Ritters, in der Stadt herum.

Es war eine unbeschreiblich angenehme Empfindung für mich, als wir in Hamburg an das Land stiegen, nach so langer Zeit den vaterländischen Boden wieder zu betreten; und dies Gefühl wurde verstärkt durch die Überlegung, daß es grade der erste freie, von Despotismus aller Art unentweihte Staat war, den ich dem Kronprinzen von Abyssinien zeigen konnte. »Hier, mein Prinz!« sagte ich, als er beim Blockhause, wo man nach unserm Namen fragte, auf den albernen Einfall geriet, sich für einen Grafen oder dergleichen ausgeben zu wollen, »hier bedarf es keines Inkognito; hier sind wir alle gleich, und niemand bekümmert sich um Ihren Fürstenstand. Kaum wird Ihr schwarzes Gesicht in einer Stadt Aufsehen erregen, wo man gewöhnt ist, allerlei Arten von Figuren zu sehen, wo jedermann, unbesorgt um fremde Händel, sich nur um seine eignen Geschäfte bekümmert, wo kein Haufen müßiger Tagediebe und besoldeter Ausspäher den Schritten der Fremden auflauert, um dem neugierigen Fürsten oder seinem mißtrauischen Minister Nachricht davon zu geben, sobald ein fremdes Gesicht sich in der Stadt blicken läßt.«

Ich nahm überhaupt Gelegenheit, dem Prinzen richtige Begriffe von der Glückseligkeit einer nicht dem Namen nach, sondern in der Tat republikanischen Verfassung beizubringen. Gewiß kann der kleine Staat von Hamburg den übrigen deutschen reichsstädtischen Gebieten zum Muster dienen. Unsre deutschen Schriftsteller deklamieren zum Teil so gewaltig zum Vorteile der Monarchien und behaupten, früh oder spät arte doch ein Freistaat in eine Oligarchie aus und dann sei man schlimmer daran als unter der unumschränkten Herrschaft eines einzigen. Wenn doch die guten Leute nur einen Blick auf die Regierungsform in Hamburg werfen und sagen wollten, ob es möglich ist, bei der größten Ordnung und strenger Aufrechterhaltung der Gesetze freier, ungekränkter zu leben als dort! Und diese Verfassung hat nun unverändert, so manches Menschenalter hindurch, also fortgedauert. Man hört von keinen Klagen, von keinen Bedrückungen; man hat keine stolze Patrizierfamilien, die, wie in ändern Reichsstädten, den Ton angeben, die kleinen Fürsten spielen und vor deren unmündigen Knaben der bessere Bürger sklavisch den Hut abzieht. Man würde in Hamburg kaum wissen, daß es einen Adel in Deutschland gibt, wenn nicht einige Menschen dieser Art dort wohnten, die auf ihre Kutschen allerlei bunte Bestien gemalt haben, wodurch sie ihre Abstammung beweisen. Man läßt diesen Leuten ihren Wert; sind sie übrigens verständige Menschen, so wird ihnen mit Achtung begegnet, ohne daß man ihnen den elenden Vorzug einer adligen Geburt beneidet. Ich habe nie gehört, daß sich ein hamburgischer Bürger einen Adelsbrief gekauft hätte – und dennoch bemerkt man einen feinen Ton in allen Gesellschaften; und dennoch gehen alle Geschäfte ihren ordentlichen Gang; es herrscht keine Anarchie; die kleine Republik steht bei auswärtigen Mächten in hohem Ansehen; Kaiser und Könige schicken ihr Gesandten, und sie bleibt ungekränkt von ihren eifersüchtigen Nachbarn. – Warum sollte es unmöglich sein, daß diese wohltätige Verfassung in allen deutschen Staaten nach und nach, wenigstens in den Reichsstädten, allgemein eingeführt würde?

Wir sahen des Abends die Bürgerwache aufziehen, die des Nachts, zu Bewachung der Stadt, die Lohnsoldaten ablöset. Mein junger Prinz erlaubte sich einige mutwillige Scherze über die Verschiedenheit der Kleidung und Bewaffnung dieser guten Leute; ich hielt es für Pflicht, ihm hierüber einen kleinen Wink zu geben. »Diese Menschen«, sprach ich, »scheinen mir tausendmal ehrwürdiger als die bezahlten Krieger in den einförmigen Sklavenröcken mit ihren mechanischen Uhrwerksbewegungen. Jene bewachen ihr und ihrer Brüder Eigentum und ihre Rechte, und es ist ziemlich einerlei, in welchem Rocke sie das tun; es ist wahrlich ein närrisches Vorurteil, daß man denjenigen höher achtet, der ernährt und gekleidet wird, als denjenigen, welcher ihn ernährt und kleidet; allein ich begreife wohl, daß es zum Systeme des Despotismus gehört, da man nun einmal dieser künstlichen Werkzeuge so notwendig bedarf, einen hohen äußern Wert darauf zu legen, um, durch den Reiz der Ehre, freie Menschen anzulocken, sich für wenig Geld zu Unterjochung ihrer Brüder mißbrauchen zu lassen. Der von Vorurteilen freie Mann nennt die Sache bei ihrem rechten Namen; er verlangt nicht umzustürzen, was auf einmal nicht zerstört werden kann, aber er will, daß man das notwendige Übel (wenn es denn wirklich notwendig ist) nicht höher schätze als das ursprüngliche Gute; daß man nicht hochmütig mit seinen Ketten prahle und nicht diejenigen höhne, die so glücklich sind, dieses traurigen Schmucks nicht zu bedürfen.«

Ich merkte wohl, daß, außer Soban (so hieß der Hofnarr) und mir, nur wenige von unsrer Gesellschaft Sinn für solche Wahrheiten hatten und daß die Hofschranzen mächtig die Nasen rümpften; aber ich hielt es für Pflicht, so zu reden, und werde es immer für Pflicht halten. Man bekehrt die Despoten und ihre Kinder nicht, aber man erweckt doch ernsthafte Gedanken in ihnen, daß sie sich vielleicht scheuen, noch weiter zu greifen, indem sie ahnden, es könne einmal dem ganzen Volke einfallen, ihre Rechte und Pflichten ein wenig näher zu beleuchten. Erlangt man das, so hat man doch wahrhaftig schon viel gewonnen; es wird dann wenigstens nicht ärger, als es jetzt ist; und am Ende muß man doch auch dafür sorgen, daß gewisse natürliche Begriffe unter dem Haufen von konventionellen nicht gänzlich verlorengehen.

Ich habe oben gesagt, daß wenige von unserer Gesellschaft Sinn für kühne, unverstellte Wahrheit hatten. Ich muß doch aber hiervon den geheimen Sekretär des Kronprinzen ausnehmen, der Manim hieß, ein sehr verständiger Mann und richtiger Beobachter war. Er fing in Hamburg ein Tagebuch an, in welchem er alles aufzeichnen wollte, was ihm in Deutschland im Guten und Bösen merkwürdig vorkommen würde, und ich werde zuweilen etwas daraus anführen.

Dem Plane gemäß, den ich zu unsrer Reise entworfen hatte, wollten wir von Hamburg über Braunschweig und Berlin durch einen Teil von Sachsen nach Frankfurt am Main, dann in den Rheingegenden umher, hierauf nach Bayern und Österreich reisen und zuletzt zurück bis Kassel, wo der Kronprinz in Kriegsdienste treten, und zwar, nach Peter des Großen Beispiele, von unten auf dienen sollte. Da ich indessen Vollmacht hatte, diesen Plan nach Gutdünken zu verändern, so beschloß ich, die Reise zu teilen, gleich von Berlin aus nach Kassel zu gehen und dort den Prinzen in Tätigkeit zu bringen. Ich hatte oft gehört, welche klägliche Rolle zuweilen die Fürstensöhne spielen, wenn sie unmittelbar aus der väterlichen Residenz in die große Welt kommen und sich an fremden Höfen zeigen, welche lächerliche Prätensionen sie dann mit sich herumtragen und wie wenig Nutzen sie von ihren Reisen ziehen. Da ich doch gern einige Ehre mit meinem Prinzen einlegen wollte, so hielt ich es für besser, daß er erst im Dienste ein bißchen geschmeidig gemacht, mit verschiednen menschlichen Verhältnissen bekannt und an militärische Subordination gewöhnt würde. Wenn die Leser sich zu erinnern belieben, welche Schilderung ich im funfzehnten Kapitel des ersten Teils dieses Buchs von Seiner Hoheit gemacht habe, so werden sie meinen Entschluß nicht anders als billigen können. Wir besuchten auch desfalls auf dieser Reise gar keine Höfe, sondern besahen nur andre Merkwürdigkeiten, Hospitäler, Philanthropine, Werk- und Spinnhäuser und dergleichen in den Städten, durch welche wir reiseten.

Nicht weit von Dresden stießen wir auf einen Haufen großer und kleiner Knaben, begleitet von einigen erwachsenen Leuten; alle zu Fuße und sämtlich einförmig gekleidet. Sie schienen sehr munter zu sein und machten allerlei Bockssprünge, weswegen wir sie denn für eine Gesellschaft von Seiltänzern oder etwas Ähnliches hielten, die einen Jahrmarkt besuchen wollten. Indessen erfuhren wir bei genauer Erkundigung, daß es die Zöglinge eines Erziehungsinstituts nebst ihren Lehrern waren, die jetzt eine Lustreise von zwanzig Meilen unternommen hatten, um sich in Sachsen umzusehen.

Das Wetter war angenehm, und ich schlug meinem schwarzen Prinzen, mit welchem ich in einer zweisitzigen Kutsche allein saß, vor, auszusteigen, den Rest des Wegs bis Dresden in Gesellschaft dieses fröhlichen Haufens zu machen und indes das Gefolge vorauszuschicken. Er willigte ein, und wir sahen uns bald umgeben von diesen artigen Kindern, die sich an unsern ausländischen Figuren nicht genug ergetzen konnten und, nachdem wir uns mit ihnen in Gespräche eingelassen hatten, uns tausend neugierige, doch bescheidne Fragen vorlegten, deren Beantwortung einige von ihnen auf der Stelle in ihre Tagebücher aufzeichneten. Da ich so lange Zeit aus Deutschland entfernt gewesen war und sich unterdessen der Ton in den öffentlichen Erziehungsanstalten und überhaupt die Grundsätze der Pädagogen sehr verändert hatten, so war mir alles, was ich sah und hörte, neu. Ich gesellte mich zu einem der Lehrer und erkundigte mich genau nach der Art, wie jetzt die Jugend in solchen Philanthropinen (der Name gefiel mir ungemein) gebildet und unterrichtet würde. Die Erläuterungen, die er mir darüber gab, setzten mich wirklich in einige Verwunderung, weil sie sich gar nicht zu meinen altväterischen Begriffen von Erziehung passen wollten; doch da ich, ohne mich zu rühmen, wohl behaupten kann, daß ich nicht eigensinnig auf meiner Meinung bestehe, sondern mich gern eines Bessern belehren und von Vorurteilen zurückbringen lasse, so wagte ich nur behutsam einige Einwürfe und ließ mir die Zurechtweisung des Pädagogen wohl gefallen.

Ich meinte nämlich, diese Art von Erziehung passe nicht so recht eigentlich zu unsern übrigen bürgerlichen Verfassungen; es könne doch wohl nicht schaden, wenn man die Jugend an ein wenig mehr Zwang und Pedanterie gewöhnte, da sie in der Folge in allen Verhältnissen sich dergleichen gefallen lassen müßte.

Ich hörte ferner mit Verwunderung, daß es den stärkern Knaben erlaubt sei, die schwächern zu Leistung der niedrigsten Dienste zu zwingen; daß die, welche mehr Taschengeld als andre bekämen, die ärmern als Lakaien besoldeten (denn wirklich sahe ich einen armen kleinen Grafen, der dem baumstarken Sohne eines Bierbrauers ein schweres Bündel nachtragen mußte); daß, weil man also durch Geld sich große Gemächlichkeiten oder, nach den Umständen, Befreiung von Mißhandlungen erkaufen konnte, die jungen Leute unter sich einen Handel trieben, wobei nicht selten einer den andern übervorteilte. Die Lehrer machten mir aber begreiflich, wie nützlich es wäre, daß die Kinder mit diesen Verderbnissen, die im großen in der Welt, wo doch Reichtum und Stärke die Haupttriebräder wären, allerorten herrschten, früh bekannt würden.

Von einer ändern Seite fürchtete ich, der Freiheitssinn, den ich an ihnen wahrnahm, und die Hinwegsetzung über allen Zwang, den Konventionen, Stand und eine gewisse im Leben nötige Geschmeidigkeit auflegen, möchten die Knaben in eine solche Stimmung setzen, daß sie hernach im Zwange des bürgerlichen Lebens sich sehr unbehaglich und unglücklich fühlten.

Ich fand es zwar sehr gut, daß die Kinder nicht verzärtelt, sondern an Wind und Wetter gewöhnt, auch zu mäßigen Bewegungen und nützlichen körperlichen Übungen angehalten werden, aber das konnte ich nicht fassen, warum man Menschen, die sich den Wissenschaften widmen und einen großen Teil ihres Lebens am Schreibpulte hinbringen sollen, mit soviel Sorgfalt in den brotlosen Künsten des Schwimmens, Springens, Ringens und Kletterns unterrichtet, wodurch ihnen eine sitzende Lebensart verhaßt gemacht wird und wovon sie in unsern Tagen nie Gebrauch machen können, auch wohl, wenn der Fall der Not eintritt, mehrenteils von ihrer Geschicklichkeit verlassen werden.

Ich erfuhr mit Mißvergnügen aus einzelnen Gesprächen der Knaben untereinander, die sich von mir nicht beobachtet glaubten, daß, ungeachtet der strengen Aufsicht im Erziehungshause, welche der Herr Pädagoge so hoch pries, die Kinder zuweilen Gelegenheit fänden, des Nachts hinauszuschleichen, die Garten- oder Hofmauern zu ersteigen, um, wenn sie nicht noch etwas Ärgers treiben, wenigstens – Obst zu stehlen.

Ich warf die Frage auf, ob es nicht gut sein würde, wenn man das Gedächtnis der Kinder, ein wenig mehr, als jetzt üblich sei, mit einigem mechanischen Auswendiglernen schärfte und wenigstens eine Sprache, zur Grundlage der übrigen, nach Regeln lernte.

Überhaupt kam es mir vor, als wenn das Studium der toten Sprachen bei diesem Manne in keinem so großen Ansehen stünde, als ich wünschte und aus eigner Erfahrung heilsam gefunden hatte.

Der Pädagoge machte mich auch mit einer neuen von einem gewissen Herrn Basedow erfundnen Methode, die Kinder das Lesen zu lehren, bekannt, die ich anfangs für Scherz oder unwürdige Spielerei hielt, nachher aber den großen Nutzen davon einsah. Herr Basedow hatte nämlich Brezel backen lassen, welche die Figur von Buchstaben hatten. An diesen den Kindern so interessanten Gegenständen nun zeigte er ihnen, aus welchen Zügen ein A, ein B etc. besteht und wie man zum Beispiel aus einem lateinischen W sogleich ein V machen kann, wenn man die Hälfte davon herunterbeißt. Dies ist in der Tat recht artig und wurde von mir in mein Tagebuch notiert. Übrigens aber waren wir doch darin einig, daß es besser ist, wenn man die Kinder gewöhnt, ernsthafte Sachen ernsthaft zu treiben, Vergnügen an Überwindung von Schwierigkeiten zu finden und nicht an allen Dingen die leichtesten Seiten aufzusuchen.

Was nun das Reisen des ganzen Instituts betrifft, so fürchtete ich, es könnten manche Leute glauben, die Lehrer hätten mehr Vergnügen und Nutzen davon als die Zöglinge; die Eltern kostete das unnützes Geld; die Knaben wären in dem Alter doch noch nicht imstande, zweckmäßige Beobachtungen zu machen; auf der Reise sei es unmöglich, die jungen Leute so genau zu bewachen; sie könnten also in den Wirtshäusern und sonst manches sehen und hören, das sie besser nicht hören und nicht sehen sollten.

Überhaupt aber glaubte ich zu finden, daß die Erziehung in solchen Philanthropinen zuviel Kostenaufwand erforderte; folglich, dachte ich, käme diese Wohltat armem Eltern nicht zustatten, und die reichen täten besser, ihre Kinder unter ihren Augen erziehen zu lassen.

Alle diese Zweifel nun hob mir der Lehrer mit Höflichkeit, Gründlichkeit und Bescheidenheit, drei Eigenschaften, die man, nebst der Uneigennützigkeit, wie ich höre (jedoch vermutlich mit Unrecht) einigen neuern Pädagogen zuweilen hat streitig machen wollen.

Im ganzen waren wir beide doch der Meinung, daß nicht alles Neue gut und nicht alles Alte zu verachten sei; daß die Menschen in Deutschland, wie allerorten, sehr geneigt seien, von einer Übertreibung in die andre zu fallen; daß in der Erziehung durchaus keine allgemeine Vorschriften Platz haben können; daß also die Pädagogik nie eine positive Wissenschaft werden könne; daß es jedermann freistehen müsse, über dies Geschäft, über diese allgemeine Menschenangelegenheit, seine Meinung zu sagen; daß die Methoden in solchen Instituten immer höchst mangelhaft bleiben werden, solange die Aufseher derselben entweder sich dadurch bereichern wollten, diese Unternehmung als eine Finanzoperation ansähen oder aus Mangel an Fonds gezwungen wären, nach einer großen Anzahl Zöglinge, deren Eltern reich wären, zu streben, ihre Einrichtungen anzupreisen, auszuposaunen, die Fehler derselben zu bemänteln und denen mit Grobheiten das Maul zu stopfen, die mit Recht oder Unrecht etwas daran tadelten; endlich, daß die alte Erziehung doch auch sehr viel große Männer gebildet hätte und daß wir beiden selbst, die wir davon redeten, Ursache hätten, die Methoden unsrer ehmaligen Lehrer nicht zu verachten; daß man übrigens, was die neuere Erziehung geleistet hätte, erst gegen Ende dieses Jahrhunderts nach dem Erfolge würde beurteilen können.

Ich gestehe, daß ich mich freundschaftlich hingezogen fühlte zu dem wackern Erzieher, und da ich von meinem allergnädigsten Könige Auftrag hatte, auch ein Paar Pädagogen mit dem nächsten Transporte nach Abyssinien zu schicken, so tat ich meinem neuen Freunde den Antrag, einer von diesen zu sein, und überließ ihm die Wahl des andern. Allein er schlug mein Anerbieten aus, so verführerisch es auch, wie er sagte, für ihn war. Dagegen aber empfohl er mir zwei andre Männer, wovon der eine kürzlich sich mit dem Direktor eines solchen Instituts verunwilligt hatte, wobei es zu einigen Schlägen gekommen war, der zweite aber das Unglück gehabt hatte, zu bekannt mit einem Fräulein zu werden, in deren Elternhause er Erzieher gewesen war, weswegen er denn hatte flüchten müssen. Da mein Freund beiden Männern übrigens ein sehr gutes Zeugnis gab, so nahm ich keinen Anstand, ihm die Bedingungen mitzuteilen, unter denen ich sie annehmen dürfte, und wir verabredeten, daß sie sich binnen vier Wochen in Kassel bei mir einfinden sollten.

Indes wir nun also miteinander plauderten, hatten sich die Knaben mit meinem Prinzen unterredet. Dieser war, wie man weiß, über siebenzehn Jahre alt, aber sehr verzärtelt und schwach an Kräften. Er hatte, wie es schien, bei den jungen Leuten seinen Fürstenstand gelten machen wollen; sie aber waren nicht gewöhnt, darauf etwas gutzutun; auf einige Stichelreden, die man desfalls gegen ihn vorgebracht hatte, war er grob geworden; ein nervichter Junge nahm dies krumm, und ehe ich es hindern konnte, sahe ich den Prinzen von seinem Gegner zur Erde gestreckt. Ich sprang herzu und erlösete ihn, dem diese Lektion sehr mißbehagte, und hielt mit Mühe ein paar herbeieilende Bediente des Prinzen ab, sich in das Spiel zu mischen. Da übrigens hier an keine Bestrafung des Verbrechens der beleidigten Majestät zu denken war, so blieb uns nichts übrig, als in den Wagen zu steigen und von dannen zu fahren; und so kamen wir in einer Stunde in Dresden an.


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