Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Zwanzigstes Kapitel

Zurüstungen zu der Reise des Kronprinzen. Abreise des Verfassers mit ihm von Gondar

Nun rückte denn die Zeit immer näher heran, wo ich den großen Beruf erfüllen sollte, den Kronerben von Abyssinien auf Reisen zu führen. Da der Zar Peter der Große von Rußland unser Vorbild bei diesem Zuge war, so wurde alles, was Voltaire und andre glaubwürdige Männer davon erzählt hatten, fleißig gelesen und darnach unser Plan eingerichtet. Die Schätze des Reichs wurden nicht geschont; ein Überfluß an Gold und Juwelen war da; man machte Geschäfte mit ägyptischen Kaufleuten, die uns mit Wechsel- und Kreditbriefen auf alle die Hauptstädte versahen, durch welche wir reisen würden; und so wurde dieser ökonomische Punkt geschwinder aufs reine gebracht, als es wohl bei ähnlichen Reisen andrer Potentaten geschehen ist; es kam nun nur noch auf die übrigen Einrichtungen an.

Mein Herr Vetter zeigte sich dabei als ein wahrer Minister. Sorgenvoll und zerstreuet ging er umher, während dies große Geschäft schwer auf ihm lag; und die Konferenzen sowohl mit Seiner Majestät als den übrigen Staatsräten nahmen gar kein Ende. Die Zeitungsschreiber redeten von nichts anderm mehr, so uninteressant und langweilig dies auch auswärts zu lesen war; die abyssinischen Poeten sangen sich heiser und beeiferten sich, die frommen Wünsche der Untertanen in Reime zu bringen; die Hofleute aber kabalierten und schmiedeten Ränke, um einer vor dem andern zum voraus die Ehre zu erlangen, mit von der Reisegesellschaft zu sein und die übrigen davon zu verdrängen.

Was die Wahl dieser Reisegesellschaft betraf, so ernannte sie der Negus, teils aus eigner Bewegung, teils auf den Vorschlag meines Herrn Vetters. Mich bat niemand als der alte ehrliche Hofnarr, ein Vorwort für ihn einzulegen, damit er mitgehen dürfte; ich verwendete mich zu seinem Besten, und der König willigte ein. Ich fand in der Folge keine Ursache, mich das reuen zu lassen, denn er war in der Tat der Klügste von der ganzen Gesellschaft; der Hofmarschall übernahm es, unterdessen sein Amt in Gondar zu verwalten. Er schickte sich dazu recht gut und arbeitete nur in einer ändern Manier als der eigentliche Hofnarr, indem dieser andre Leute zum besten zu haben pflegte, der Hofmarschall hingegen dadurch belustigte, daß er sich zum besten haben ließ.

Als nun die ganze Liste der Begleitenden aufgesetzt war, fand sich's, daß sie mehr als sechzig Personen ausmachten. Unter diesen waren außer mir nur noch sechs Weiße; die übrigen waren teils so wie der Prinz selbst, schwarz, teils olivenfarbig; und so wie ihr Äußerliches, so waren auch ihre Gemütsarten sehr verschieden. Manche von ihnen, an den Ufern des Nigers geboren, waren schön von Gestalt und sanft von Sitten; andre, die von der Zahnküste abstammten, häßlich, wild und grausam. Ich wurde mit Vollmachten, Instruktionen und mit uneingeschränkter Gewalt über alle diese Leute versehen, die, wie die sämtlichen Untertanen des Königs, Sklaven waren. Was man mir übrigens in Ansehung des Zwecks und der Einrichtung unsrer Reise, der Art, den Prinzen zu behandeln und seine Schritte und Beobachtungen zu leiten, vorschrieb, war nicht in allen Stücken nach meinem Geschmacke; allein so geht es ja immer denen, die Fürstensöhne führen; ich nahm mir also vor, soviel möglich diesen Anweisungen zu folgen.

Sodann war mir verordnet, wieviel Stück deutscher Gelehrten, Philosophen, Pädagogen, Fabrikanten, Dichter, Maler, Bildhauer, Tonkünstler usf. ich bei unsrer Zurückkunft mitbringen sollte.

Nach dem Muster der Reise des Zar Peters wurde ich als abyssinischer Gesandter an alle Höfe und Republiken, die wir besuchen würden, bevollmächtigt; der Kronprinz aber sollte sich inkognito in meinem Gefolge befinden.

Wie denn bei Höfen alle wichtige Schritte, die vorgehen sollen oder vorgegangen sind, sich mit Festen, Schmausereien und Farcen anfangen und endigen, so gab es denn auch in der Residenz und im ganzen Lande bei dieser Gelegenheit sehr viel Schauspiele, Bälle, Erleuchtungen, Galatage und Kirchengebete.

Endlich erschien der Tag des Aufbruchs; der Zug war prächtig anzusehen; ich habe eine weitläuftige Beschreibung davon aufgesetzt, aber mein Herr Verleger weigerte sich, sie hier mit abdrucken zu lassen. Der Mann nimmt es ein bißchen genau mit seinem Honorario und weiß nicht, wieviel vernünftige Leute an der Schildrung solcher Feierlichkeiten Vergnügen finden. Des alten Negus Majestät begleiteten uns, nebst zahlreicher Suite, bis an die Grenze; den 1. Mai 1772 reiseten wir aus Gondar ab. - Das Weitre ist im zweiten Teile dieses Buchs zu lesen.


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