Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Zehnter Abschnitt

Politische Grundsätze des Ordens

Es ist schon gesagt worden, daß wir uns bestreben müssen, in allen Ländern für uns und unsre Mitverbundnen zeitliche Vorteile, Geld, Rang und Ehrenstellen zu erlangen; in den geheimen Instruktionen unsrer Mittel-Obern aber sind noch besondre Vorschriften gegeben, wie man sich dabei, nach Zeit und Umständen, verhalten soll. Es ist ferner gesagt worden, daß unsre Art zu würken nur in monarchischen Staaten anwendbar ist. Die politischen Grundsätze, welche wir hier entwickeln wollen und für deren Ausbreitung und Verteidigung die Mitglieder eifrig sorgen sollen, sind daher keine andre als die, welche allen getreuen Untertanen in monarchischen Staaten tief in die Seele geprägt werden müssen, um, besonders in diesen heillosen Zeiten, dem einreißenden Freiheitsdrange zu steuern und zu verhindern, daß die trügliche Vernunft sich nicht anmaße, über die Rechte der Herrscher, Vornehmen und Reichen zu räsonieren, indem das Fundament dieser Rechte bloß allein auf Glauben, Autorität und uralten Besitz beruht, folglich keiner weitern Beleuchtung bedarf.

Lasset es euch doch an das Herz legen, ihr treuen Mitglieder des ehrwürdigen Pinselordens, wie sehr euer eignes Interesse dabei obwaltet, daß alles mit dem Regierungswesen in der Welt so bleibe, wie es ist! Sehet doch das Beispiel an dem abtrünnigen Amerika, wo man jetzt nicht einmal mehr weiß, was für ein Ding ein Edelmann ist; wo die Leute, unempfindlich gegen Glanz, Titel, äußere Ehre, Orden und Stand, an nichts denken als an Handel, Wissenschaften, Künste, Ackerbau und dergleichen bürgerliche, gemeine Gegenstände, wo also, und da noch obendrein an keinen Krieg zu denken ist, niemand sein Glück machen kann, der nicht im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen oder seine besten Jahre mit den trocknen Pedanterien der Wissenschaften verderben will! Es ist unbegreiflich, wie bei solchen Einrichtungen ein so großes Land bestehn kann, da man bis jetzt wenigstens immer gehofft hatte, es würden nur kleine Staaten sich einfallen lassen, bei einer republikanischen Verfassung gedeihen zu können. Werfet einen traurigen Blick auf Frankreich, wo die vermaledeiten Vernunftmenschen es, allem Widerstande ungeachtet, auch dahin gebracht haben, daß wir ganz außer Brot gesetzt sind und Tausende unsrer lieben Mitglieder, unter Anführung der durchlauchtigsten Brüder, die jetzt in Koblenz Pinselloge halten, am Rheine mit leeren Taschen herumwandern und sich mit dem Gedanken an eine Armee begnügen müssen, wozu sie, leider! nichts als die Röcke und Flinten zusammenbringen können, über welche sie mit blutendem Herzen Musterung halten! Was würde aus uns werden, wenn es in allen Ländern so herginge? wenn es keinen geerbten Adel, keine Hofleute, keine Mönche, Domherrn und Ritter mehr gäbe? wenn jedermann verdienen müßte, was er genießt? wenn die Fürsten andre Grundsätze annähmen und selbst auf den Gedanken gerieten, ihre Macht nur der Sanktion der Gesetze, persönlicher Erhabenheit und Tugend, der allgemeinen Liebe und freiwilligen Hingebung sich glücklich dünkender, froher, nicht unterjochter Menschen zu verdanken? Was würde aus uns werden?

Nie genug zu bestreiten sind folgende ketzerische, vom Satanas eingegebene, neumodische Sätze: »Daß Fürsten und Regenten nur von der freiwilligen Wahl und Übertragung des gesamten Volkes ihre Rechte auf die Herrschaft zu Lehn tragen; daß niemand sich wider Willen in des andern Schutz und Botmäßigkeit begeben könne, als wenn er dazu mit Gewalt gezwungen würde; daß nun aber unmöglich ein Mensch Tausende mit Gewalt zwingen könne, sondern vielmehr der eine sich nach dem Willen der Tausende richten müsse; daß, wenn aber diese Tausende untereinander darüber einig würden, sich von dem einzigen regieren zu lassen, die Würkung dieser Übereinkunft sogleich aufhören müßte, sobald der größere Haufen die Rechte, welche er übertragen gehabt, wieder zurücknähme; daß die Macht des einen über viele also immer nur konventionell und allein durch die allgemeine Gewalt existiere, folglich von dieser abhängig sei; daß, wenn eine solche Übereinkunft auf unumschränktes Zutraun zu den Vorzügen, Tugenden und Kräften des gewählten Herrn beruhete, der Kontrakt aufhörte, sobald das Zutraun wegfiele; daß dies persönliche Zutraun und die daraus entstehende Herrschaft ebensowenig von dem Herrscher auf andre übertragen und vererbt werden, als die Untertanen die Verbindlichkeit zu gehorchen ihren Kindern und andern, die nichts versprochen, ja, die zur Zeit des Vertrags noch gar nicht existiert hätten, auflegen können; daß Verträge, welche mit den ältesten, heiligsten Gesetzen der gesunden Vernunft streiten, niemand binden und daß sich nichts verschenken lasse, was uns nicht eigen sei.« - Diese in der Hölle selbst erfundnen Sätze müssen wir ohne Unterlaß bestreiten und dagegen nachstehende echte Glaubenslehren treuer Untertanen in monarchischen Staaten allgemein ausbreiten.

Die Gewalt und Würde der Könige und Fürsten stammt gar nicht von einem gesellschaftlichen Vertrage oder dem freien Willen der Nationen, sondern noch aus den Zeiten des jüdischen Volks her, dem Gott selbst Könige gab, die gesalbt wurden. Folglich ist die königliche Würde göttlichen Ursprungs, welches auch schon daraus erwiesen werden kann, weil noch heutzutage die mehrsten Könige gesalbt werden. Ihre Person ist also heilig, unverletzlich, denn sie sind Statthalter Gottes. Die Untertanen und deren Leben und Güter, alles ist in ihre Hände gegeben, und so wie ein Vater Herr ist über das Vermögen seiner unmündigen Kinder, welches ihm eigen gehört, und so, wie er ihnen zu Vormündern nach seinem Tode bestellen kann, wen er will, so darf ein König seinem Volke Beherrscher geben, darf die Untertanen mit allem, was ihnen angehört, vertauschen und verkaufen. Auf diesen unleugbaren Satz beruht denn auch die größere und mindere Macht aller unsrer kleinem Herrn, Fürsten, Grafen und Edelleute, welche ihnen von den Königen durch Verträge und Friedensschlüsse ist übertragen worden. Diese Verträge, obgleich freilich nur einzelne Menschen sie geschlossen haben, sind dennoch, ohne Beistimmung des Volks, gültig, weil die Könige in ihren hohen Personen den ganzen Staat vorstellen und die Untertanen mit Haut und Haare ihr Eigentum sind.

Zur gerechten Züchtigung der Völker läßt es der Himmel zuweilen geschehn, daß die Beherrscher der Nationen die verächtlichsten und schwächsten Geschöpfe sind. Da könnte nun freilich ein vorlauter Vernunftmensch meinen, es sei erlaubt, in diesem Falle einen andern Herrn zu wählen; allein mitnichten! Statthalter ist Statthalter, er sei auch qualifiziert und konditioniert, wie er wolle, und solche Zuchtruten und Geduldproben sind dem Pöbel sehr heilsam. Sie pflegen dann Werkzeuge der Strafgerichte zu werden, auch aus Privatleidenschaft Kriege anzufangen (wie, zum Beispiel, um nicht von neuern Zeiten zu reden, der König Lothar von Lothringen, des Kaisers Lothars mittelster Sohn, einen blutigen Krieg bloß deswegen führte, weil man ihn zwingen wollte, keine Beischläferin zu halten). Freilich kostet dergleichen auch vieltausend Unschuldigen das Leben; aber was ist das gegen das Beste des Ganzen? Es sind Fügungen des Himmels, gegen dessen Gesalbten man nicht murren darf. Nun möchte wohl ein naseweiser Klügler anheben und sagen: »was uns die Könige von Palästina angingen und wie der König Rehabeam in Juda seine Gesalbtheit und Monarchenrechte auf den König Ludwig von Frankreich habe vererben können«. Aber diesen Aufrührern dient zur Nachricht, daß, ohne Rücksicht auf jene ebräischen Majestätsrechte, der langjährige Besitz und die Unterwerfung unsrer Vorfahren die heutigen unumschränkten Herrn zu Ausübung jeder willkürlichen Gewalt berechtigen. Möchte denn auch das alles auf einen Vertrag beruhn, so müssen doch die Kinder der Väter Verträge halten. Froh können wir sein, wenn unsre Vorfahren noch so ziemlich leidliche Bedingungen für uns gemacht haben, zum Beispiel: daß ein Fürst keinen von uns hängen lassen darf, wenn – er ihn nicht habhaft werden kann, und daß doch in den mehrsten Ländern Parlamente, Landschaftskollegia und Gerichtshöfe gestiftet sind, die das, was der Herr befiehlt, erst in eine ordentliche methodische Form bringen. Gesetzt, es wäre in Friedensschlüssen zwischen zwei Königen ausgemacht worden, daß der eine dem andern jährlich zehntausend Paar Ohren und Nasen seiner Untertanen liefern müßte, ja, so wollte ich doch sehn, ob die Nachkommenschaft nicht verbunden wäre, solche teuer beschworne Friedensschlüsse zu halten, die überhaupt jedermann verbinden, außer diejenigen, welche sie geschlossen haben, weil diese an keinen Eid, der nur gemeine Leute fesselt, gebunden sein können.

Doch warum wollten wir uns bemühn, solche sonnenklare Sätze noch zu beweisen und weitläuftiger auseinanderzusetzen? Wir schreiben ja nur für treue Pinselseelen, denen es nicht einfällt, sich von den Aufrührern im Volke verleiten zu lassen.

Indessen kann keine Art von Vorsichtigkeit von selten der Regenten schaden, um zu bewürken, daß das gemeine Volk weder Mut noch Zeit gewinne, auf unruhige Gedanken zu kommen. Desfalls muß darüber gewacht werden, daß die sogenannte Aufklärung, diese fürchterliche Hyder, nicht in die niedern Klassen eindringe, und dafür gesorgt, daß die Erziehung und der Unterricht der verschiednen Stände gehörig gegeneinander abstechen! Man steure der gefährlichen Denk- und Preßfreiheit, und da die erwerbende Klasse, besonders der Baurenstand, eigentlich allein bestimmt ist, die Einkünfte des Staats aufzubringen, so belege man diese Klasse so zweckmäßig mit Abgaben und Arbeit, daß diesen Leuten der unnütze Kitzel vergehe! In den mittlern Ständen hingegen befördre man den Luxus! Der Bürger wird leicht übermütig, wenn man ihm erlaubt, im Wohlstande zu leben, und fängt an, sich frei zu fühlen und zu glauben, er könne unsrer entbehren, wenn er gesund, mäßig und ohne große Bedürfnisse ist. – Und das sei nun genug über die politischen Grundsätze des Ordens.


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