Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Dritter Abschnitt

Von Ausbreitung und Vermehrung des Ordens

Unser Hauptaugenmerk, zu Erhaltung und Vermehrung der Gewalt des Ordens, muß auf die Ausbreitung desselben und also auf die Aufnahme würdiger Mitglieder abzielen. Wir haben aber drei Gattungen von Mitgliedern: zuerst solche, die von der Natur schon für unsern Orden geschaffen zu sein scheinen. Sie würken aus Instinkt zu unsern Zwecken, ohne der gesetzmäßigen Aufnahme zu bedürfen. – Wir nennen sie geborne Pinsel. Dann zweitens solche Männer, die, sei es auch aus kleinem Privateigennutze (denn welche menschliche Tugend ist ganz unvermischt?), unsre Fortschritte befördern und unsre Feinde, die Aufklärer und dergleichen Gesindel, verfolgen, weil diese zugleich ihren Planen im Wege stehen. Auf solche Weise können wir uns rühmen, an den mehrsten geistlichen Korps, besonders an den Jesuiten, sodann an den mystischen Gesellschaften, vorzüglich den Rosenkreuzern, endlich an sehr viel unumschränkten Beherrschern der Völker und überhaupt an allen denjenigen eifrige Freunde zu haben, denen das freie Unwesen der menschlichen Vernunft hinderlich ist – und solche Mitverwandte nennen wir unsre respektive Affilierte, Ordensfreunde und Beschützer. Die dritte Gattung ist die der würklich aufgenommenen Mitglieder, und von diesen wollen wir noch etwas weitläuftiger reden.

Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, erinnern wir, der Schwachen wegen, daß, wenn wir gewissen Ständen, Nationen und Menschenklassen eine vorzügliche Empfänglichkeit für unser System zuschreiben, wir damit keinesweges gesagt haben wollen, daß grade alle Personen aus dieser Klasse für unsre Verbindung taugten. Nein! so eitel dürfen die Herrn nicht sein. Nehmen wir zum Beispiel gern Geistliche auf, haben wir an dem Pater Kochem und Busenbaum und Götz in Hamburg die größten Stützen unsers Ordens gehabt, so darf doch nicht etwa ein Mann wie Zollikofer oder Zaubser sich einfallen lassen, an die Aufnahme zu denken. Ebensowenig dürfen, wenn wir unsern Widerwillen gegen Leute äußern, die sich mit Erforschung der Natur abgeben und sich gewöhnt haben, nichts für wahr anzunehmen, als wovon Vernunft und Erfahrung ihnen den Beweis geben, wie zum Beispiel Ärzte und Mathematiker, so dürfen doch, sagen wir, darum einzelne Subjekte aus diesen Klassen nicht daran verzweifeln, den Zutritt zu uns zu erlangen. Auch unter ihnen gibt es hie und da würdige Mitglieder des Ordens, besonders wenn sie sich auf eine Bahn versteigen, die außer ihrer Sphäre ist; und noch neulich haben wir einen großen, berühmten Arzt aufgenommen, der, nachdem er lange unser abgesagtester Feind gewesen war, sich auf einmal bekehrte, von Staatssachen schrieb, alle seine bisherigen Freunde, die Anhänger der gefährlichen Vernunft, mit Ungestüm von sich stieß und zu unsrer Fahne überging. Allein bei diesen letztern ist die äußerste Vorsicht anzuwenden, wie überhaupt bei der Aufnahme neuer Mitglieder. Ein einzelner Pinselstreich qualifiziert noch nicht zum Eintritte in unsre Verbrüderung. Hätte unser lieber geistlicher Bruder St... sich nicht weiter hervorgetan, als daß er sich im achtzehnten Jahrhunderte zum Klerikus eines Ordens aufnehmen ließ, der schon im vierzehnten gänzlich erloschen war, und hätte er dann, als dies ruchbar wurde, offenherzig gesagt: »Ich bin getäuscht worden, so gut wie ihr«, so wäre er ein sehr unbrauchbares Subjekt für uns gewesen; aber er beharrte, der Gute, der Edle, achtete nicht auf Spott und Schimpf der Weltkinder, und das stempelte ihn zu einem der würdigsten Mitglieder. Wir sind stolz darauf, ihn den Unsrigen nennen zu dürfen; unsern teuren Gönnern, den Vätern der Gesellschaft Jesu, haben wir freilich dies Glück zu danken; aber daraus folgt noch nicht, daß der liebe Bruder St... deswegen ein Jesuit wäre, wie es die Weltkinder haben aussprengen wollen, sollten auch einmal allerlei artige Aufnahmezeremonien mit seinem äußerlichen Menschen vorgenommen worden sein. Nein! uns, und nur uns allein, gehört er an; wir lassen uns ihn nicht nehmen. Überhaupt bemerken wir, daß die leidigen Aufklärer oft diese beiden Verbindungen verwechseln und Leute, die nur bei uns aufgenommen sind und vielleicht einmal gelegentlich jenem Orden einen kleinen Dienst geleistet haben, in den Ruf des Jesuitismus bringen.

Übrigens soll man vorzüglich bei Anwerbung neuer Mitglieder auf folgende Menschenklassen sein Augenmerk richten, weil die Erfahrung lehrt, daß größtenteils diese am mehrsten Empfänglichkeit für unser System haben und uns am nützlichsten in der Welt werden können; nämlich auf sehr vornehme und reiche Leute, Fürsten, Edelleute, vor allen Hofleute und Landjunker, Juristen, besonders bloße Zivilisten, Patrizier in Reichsstädten, schöne Geister, vorzüglich die, welche die Verfertigung kleiner Lieder und Epigrammen zu ihrer Lieblingsbeschäftigung machen, Domherrn, Canonici, Ordensritter und Mönche, Residenzstadt-Prediger, solche Ärzte, die mehr die Paläste der Großen und die Toiletten der Damen als die Hütten der Armen besuchen, mit Fürsten in Briefwechsel stehen und auf keine Anfrage antworten, die nicht ein Goldstück zur Beilage hat, Prinzen-Hofmeister, Stallmeister, Jäger, Tanzmeister, Virtuosen, die herumreisen und sich vor Geld hören lassen, Sprachmeister, Mitglieder frommer Sekten und mystischer Gesellschaften. In welchen europäischen Ländern und Provinzen aber unsre Arbeiten vorzüglich zu gedeihen pflegen, das ist teils schon gesagt worden, teils braucht man nur noch zu bemerken, daß dies besonders da der Fall ist, wo die eben genannten Menschenklassen über die andern Bürger ein entschiednes Übergewicht haben, so daß diese auf keine Weise dahin gelangen können, irgendeine bedeutende Rolle zu spielen.


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