Ludwig Kalisch
Schlagschatten
Ludwig Kalisch

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Aus dem Schlaraffenlande.

I.
                    In dem Lande der Schlaraffen
Ist das Leben ganz süperbe;
In dem Lande der Schlaraffen
Ist der Müssiggang Gewerbe.

Süß ist hier der Lebenswandel,
Köstlich über alle Maßen;
Denn von purem Zuckerkandel
Sind geflastert ja die Straßen.

In den Gossen, in den weiten,
Fließet Wein von allen Sorten;
Und die Trottoirs, die breiten,
Sind von glatten Mandeltorten.

Doch vom Himmel stürzt Champagner,
Daß ein Jeder froh sich saufe,
Und sein Glück ist's, kommt hier Mancher
Von dem Regen in die Traufe.

Ist das Wetter noch so latschig,
Was verschlägt's, sich zu besprützen?
Bischof, Kardinal, wie quatschig!
Sieht man dann in allen Pfützen.

Wär' der deutsche Dreck so köstlich,
Ei, das gebe ein Geschlecke!
Doch der Adel wär' untröstlich,
Säß' das Volk in solchem Drecke.

―――
II.
In dem Lande der Schlaraffen
Ist das Leben unvergleichlich;
Die gebrat'nen Tauben fliegen
In die Mäuler überreichlich.

Und damit man überhoben
Sei der Gabeln und der Messer,
Fliegen Schnepfen und Kapaunen
Schon tranchirt in's Maul der Fresser,

Und noch viel bequemer ist es,
Daß man niemals braucht zu kauen,
Daß die Beefsteaks und die Cotelets
Sich von selber schon verdauen.

Und das prächtigste von allem
Ist es doch, bei meiner Seele!
Daß bei solchen Leckerbissen
Der App'tit Niemanden fehle.

Gern säh' ich dich, Vetter Michel,
In Schlaraffia verkehren,
Müßtest du nicht hier das Schönste,
Nicht das Beste hier entbehren.

Denn so glücklich die Schlaraffen,
Dennoch fehlt zu ihrer Größe,
Was, o Michel, dich begeistert –
Sauerkraut und Leberklöße!

―――
III.
In dem Lande der Schlaraffen
Ist das Leben sonder Tadel.
Hier gibt's keinen dummen Pöbel;
Jeder ist vom höchsten Adel.

Aber zu dem niedern zählt man
Thiere, die mit Schwänzen wedeln;
Leichter glaubt man hier die Bestien
Durch den Adel zu veredeln.

Und so sind hier Reichsbarone
Selbst die Pinscher und die Möpse;
Esel sind hier Herrn von Esel
Und die Hämmel Herrn von Schöpse.

D'rum bei groß und kleinen Bestien
Merkt man hier gar keine Roheit;
Wenn sie bellen, wenn sie schreien,
Schrei'n und bellen sie von Hoheit.

Eins nur fehlet in Schlaraffia,
Diesem schönsten Land der Länder,
Was in Deutschland niemals fehlet: –
Orden nur und Ordensbänder.

―――
IV.
In dem Lande der Schlaraffen
Gibt's auch Leutnants, und nicht minder
Gibt es hier sehr viel Kadetten,
Lauter feine, saub're Kinder.

Ihre Röcklein sind von Seide;
Ihre Helme, noch viel netter,
Sind von wasserdichtem Taffent,
Trefflich gegen feuchtes Wetter.

Ihre Handschuh' sind von Sammet;
Ihre Waffen, noch viel schmucker,
Sind, statt Schwerter und statt Lanzen,
Lorgnons nur und Operngucker.

Und sie geh'n zwar in Conzerte,
Aber nie in die Bataille;
Und damit sie Zeit ersparen,
Schnürt von selbst sich ihre Taille.

Und sie ziehn nicht zur Bataille,
Sondern nur zur Promenade;
Statt nach Feindesblut zu riechen,
Duften sie stets nach Pommade.

Denn sie wollen keine Schlachten,
Sondern Herzen nur gewinnen;
Drum statt Bomben, werfen Blicke
Sie nur auf Putzmacherinnen.

Und sie wollen nur auf Bälle,
Aber nicht in die Walhalla;
Drum sieht man sie nie im Harnisch,
Sondern nur in vollster Galla.

Und so ist ihr Leben herrlich.
Aber schade, jammerschade!
Eins doch fehlt zu ihrer Wonne
Und das ist – die Wachtparade!

―――
V.
In dem Lande der Schlaraffen
Ist es lieblich zu regieren,
Weil sich in Regierungssachen
Die Schlaraffen nicht meliren.

Auch gibt's hier gar keine Blätter
Voll der schnödesten Negirung;
Wenn man Gott lobt in Schlaraffia,
Lobt zugleich man die Regierung.

Dreimal schwingt man hier tagtäglich
Weihrauchfässer der Regierung;
Deßhalb kennt man in Schlaraffia
Nicht Censur und Confiscirung.

Polizeiagenten hasset
Die schlaraffische Regierung;
Drum auch wissen die Schlaraffen
Nichts von grober Maltraitirung.

Und die Literaten trinken
Smollis hier mit der Regierung;
Und man kennt nicht in Schlaraffia
Manuskriptenvisitirung.

Und so gehen die Schlaraffen
Arm in Arm mit der Regierung;
Denn nur Güte weht in ihrer
Allerkleinsten Publizirung.

Doch nur eins hat die Regierung
Noch bis dato arg verschuldet,
Daß sie – schwer fällt mir's zu sagen –
Leider keine Spielbank duldet!

―――
VI.
In dem Lande der Schlaraffen
Sind die anmuthsvollsten Frauen;
Selbst die Houris und die Peris
Sind nicht lieblicher zu schauen.

Rund von Gliedern, schlank von Wuchse,
Wiegen sie sich auf den Hüften
So manierlich und so zierlich
Wie die Elfen in den Lüften.

Ihren Händchen ist an Weiße
Frischster Schnee nicht zu vergleichen;
Und die Lilje muß an Klarheit
Ihren vollen Armen weichen.

Ihre Füßchen, nett und niedlich
In der Haft der feinsten Seide,
Reizten ohne allen Zweifel
Göttin Fanny selbst zum Neide.

Stürmisch von den Achseln flattert
Ihrer Locken wilde Welle;
Und ihr Auge strahlt viel sanfter
Als das Auge der Gazelle.

Und die Grübchen in den Wangen
Und das Grübchen in dem Kinne
Brächten selbst das Herz der Heil'gen
In die Gluthen heißer Minne.

Sieht man solch ein Weib, so wähnt man,
Daß es just vom Paradies kommt;
Denn Natur hat es gekleidet,
Nicht die Kunst, die von Paris kommt.

Doch laßt mich die kleinen Mäulchen
Dieser Schönsten nicht vergessen!
Solch ein Mäulchen ist gebildet
Nur zu küssen, nicht zu essen.

Und was sonst noch an den Holden
Künstlerisch ist aufzufassen,
Will ich schüchtern und bescheiden
Andern Pinseln überlassen. –

Deßhalb werdet ihr nicht staunen,
Daß bei solchen Zauberreizen,
Nicht mit Huld'gung und Anbetung
Die Schlaraffensöhne geizen.

Lassen sich Schlaraffendamen
Nur von weit'ster Ferne sehen,
Sieht man die Schlaraffenmänner
Vor Entzücken gleich vergehen.

Und sie singen Complimente
Nur nach Noten, höchst melodisch;
Sprechen sie dann auch vom Wetter,
So geschieht's nur episodisch.

Reden Männer hier von Frauen,
Sieht man gleich ihr Aug' erblitzen;
(Deßhalb bleibt auch auf den Bällen
Keine einz'ge Dame sitzen.)

Darum ist auch höchst zufrieden
Das Schlaraffenweib wie keines;
Doch zu ihrem vollsten Glücke
Mangelt leider nur noch eines.

Ach, es bricht mir fast das Herze;
Doch ich darf es nicht verhehlen,
Daß den armen Schlaraffinnen –
Die ästhet'schen Kränzchen fehlen.

―――
VII.
In dem Lande der Schlaraffen
Sind voll Bildung alle Frauen;
Selbst bei deutschen Professoren
Kann man keine größ're schauen.

Was in der Natur verborgen,
Spüren ihre feinen Näschen;
Und mit ihren Liljenohren
Wachsen hören sie das Gräschen.

Im Homer und Cicero sind
Wohlbewandert diese Wesen;
Ja, sie schreiben sich auch selber
Die Romane, die sie lesen.

Orthograph'sche Schnitzer trüben
Niemals ihren Herzensfrieden;
Und in ihrem Manuskript sind
Krumme Linien stets vermieden.

Und um eine Kunst noch könnten
Deutsche Frauen sie beneiden,
Daß die Federn, die sie brauchen,
Sie sich selber auch noch schneiden.

Wenn sie am Claviere sitzen,
Wird ein Lißt sogar begeistert;
Und wenn sie die Harfe spielen
Fühlt sich Bochsa übermeistert.

Und in Wasserfarben malen
Sie das allerschönste Viehstück;
Und in einem Nu verfert'gen
Sie in Oel das feinste Kniestück.

Alles können diese Frauen;
Doch – ich sag's mit feuchten Blicken –
Alles können sie, doch leider,
Leider – keine Strümpfe stricken!

―――
VIII.
In dem Lande der Schlaraffen
Gibt's der Schauspielhäuser viele,
Sehr geschmackvoll und höchst kostbar
Aufgeführt in griech'schem Style.

In den äußern Säulenhallen
Herrscht schon Ordnung, dor'sche nämlich;
Aber in dem Innern selber
Sind die Sitze höchst bequemlich.

Kein Jucheh gibt's hier hartsitzig,
Sondern nur die weichsten Logen;
Drinnen lächeln die Schlaraffen
Wie die siegestrunk'nen Dogen.

Und an ihrer Seite sitzen
Holde Frau'n mit bloßen Nacken;
Und sie lächeln und sie essen
Maccaronis, frisch gebacken.

Holde Frau'n mit bloßen Nacken,
In den Ohren Diamanten,
Um den Hals die schönsten Perlen,
An dem Busen Brüss'ler Kanten.

Sehr beliebt sind hier die Opern
Donizetti's und Bellini's;
Im Orchester aber geigen
Lauter Prüme's und Paganini's.

Und die Sängerinnen, herrlich,
Ueppig wie die griech'schen Musen,
Tragen lauter ächte Steine,
Aber keinen falschen Busen.

Ganze Nachtigallennester
Zwitschern ihnen aus der Kehle;
Jeder ihrer Triller ist nur
Eine taktgeborne Seele.

Ihre Rolle kennt vollkommen
Selbst die Jüngste noch von Allen;
Und sie werden um so schöner
Desto öfter sie gefallen. – –

Auch die Sänger, stets bei Stimme,
Meiden jegliches Gekreische
Und was anlangt ihre Waden –
Sie sind Fleisch von ihrem Fleische.

Auch wenn sie nicht memoriren,
Kommen sie doch aus dem Takt nicht;
Und so brav ist Jeder ihrer,
Daß er niemals den Contrakt bricht.

Doch das Lob der Tänzerinnen
Kann man nicht genug erheben;
Ach, sie scheinen, wenn sie hüpfen,
In den Lüften nur zu schweben.

Sie verhüllen, wenn sie tanzen,
Ihre Glieder ganz vestalisch;
Sie bewegen ihre Beine
Sittlich nur, ja, fast moralisch.

Nicht wie tanzende Skelete
In des Trikots schäb'ger Hülle;
Nein, man sieht sie im Balette
Nur in Hülle und in Fülle.

Ihre Brust sogar verbergen
Undurchsichtige Modesten,
Und fast eis'ge Sittenreinheit
Blickt aus jeder ihrer Gesten.

Doch nur Opern und Balette
Gibt man hier und nur Komödien;
Weil das Leben hier so lustig,
Kennt man hier nicht die Tragödien.

Und die Mimen, wahre Meister
Selbst im allerkleinsten Drama,
Dünken dennoch sich nicht größer,
Als der große Dalai-Lama.

Dessentwegen trägt auch Alles
Hier den ächtesten Kunststempel;
Deßhalb sind auch die Theater
Hier wahrhaftige Kunsttempel.

Doch ein Mangel ist noch spürbar!
Trotz solch schönen Elementen,
Fehlen nämlich den Schlaraffen
Doch noch – deutsche Rezensenten.

―――
IX.
In dem Lande der Schlaraffen
Ist der Handel sehr im Flore;
Riesenwagen, schwer befrachtet
Drängen sich stets durch die Thore.

Aber in dem weiten Hafen
Welch ein Toben, welch ein Tosen!
Hohe Masten, bunte Flaggen,
Kühngemuthete Matrosen!

Hohe Masten, bunte Flaggen,
Kühngemuthete Matrosen,
Rothe Wämser, runde Hüte,
Weite, weiße Linnenhosen!

Und die schweren Krahnen knarren
Und die sehn'gen Packer keuchen;
Lächelnd steh'n die Handelsherren
Mit den runden dicken Bäuchen.

Lächelnd, schweigend. Denn sie sind nicht
Uebermüthige Spektakler;
Hochgebildet und kunstsinnig
Ist sogar hier jeder Makler.

Selbst die Krämer in Schlaraffia
Sind an Großmuth wahre Engel,
Und bescheiden wie das Veilchen
Ist hier jeder Ladenschwengel.

Und nach Schmierseif und nach Käse
Und nach Thran und Pfefferdüten
Stinkt die hies'ge Handelswelt nicht;
Nein, sie riecht nach Rosenblüthen!

Und der Geist der Poesie nur
Durch die Handelsbücher schwebet.
Hoch elegisch klingt ihr Credit;
Süß idyllisch tönt ihr Debet.

Ja, die hies'ge Handelswelt hält
Nicht die Poesie für Häcksel.
Drum im Hochschwung zarter Lyrik
Ist verfaßt hier jeder Wechsel.

Von Bankrott und Fallimenten
Hört man nichts bei den Schlaraffen;
Denn so viel wie möglich ist hier
Jeder Handelsmann rechtschaffen.

Keine Zölle, keinen Schlagbaum
Sieht man im Schlaraffenlande;
Keine Controleure gibt's hier,
Drum auch keine Contrebande.

Und von Tag zu Tage steiget
Hier der Handel kühnen Strebens;
Etwas aber sucht man hier, ach!
In der Handelswelt vergebens.

Etwas, das dem hies'gen Handel,
Wie ich glaube, Noth noch thäte.
Er hat alles; doch ihm fehlen
Leider die – Commerzienräthe.

―――
X.
In dem Lande der Schlaraffen
Sind die Lüfte süß und labend.
Herrlich ist hier jeder Morgen,
Doppelt herrlich jeder Abend.

Kaum noch, daß in Flammenwolken
Sich die müde Sonn' gehüllt hat
Und durch ihre letzten Strahlen
Jedes Herz mit Lust erfüllt hat:

Naht der Mond, der bleiche Schwärmer,
In dem Antlitz süßen Kummer;
Aber tausend goldne Sternlein
Werden wach aus ihrem Schlummer.

Steigen aus den Wolkenbettchen,
Reiben sich die Augenlieder;
Blicken schweigend, blicken lächelnd
Auf die dunkle Erde nieder.

Aber auf der dunkeln Erde
Schwebt's mit unsichtbaren Flügeln;
Leise flüstern schlanke Tannen
Auf den Bergen, auf den Hügeln.

Doch im Thale welch ein Lispeln!
Welch vertrauliches Gekose!
Auf der Nachtigall Geständniß
Horcht die liebetrunkne Rose.

Und im Laub der duft'gen Linde
Horcht der lose West, der schlaue,
Was der lock're Zeisig zwitschernd
Wohl der Lilje jetzt vertraue.

Und aus sammetweichem Moose
Summend flattern rings die Käfer,
Wecken aus den schönsten Blüthen
Noch die allerletzten Schläfer. – –

Weiht sich so die ganze Schöpfung
Ihres Schäferstündchens Feier,
Nun dann lüftet in Schlaraffia
Süße Sehnsucht ihren Schleier.

Dann bemerkt man küssend, schnäbelnd,
Wie in morgenländ'schen Mährchen,
An den Schaltern, vor den Fenstern
Nur verliebte, junge Pärchen.

Rosenlippen, Liljenhändchen,
Weiche Arme, seidne Wimpern,
Zartes Kosen, süßes Plaudern
Und melodisch Saitenklimpern.

Und ein Kichern und ein Seufzen
Und ein Schleichen auf den Sohlen
Und ein Rauschen der Gewänder
Und ein tiefes Athemholen!

Und so geht es alle Abend,
Und so geht es bis zum Morgen,
Der zu neuer Lust stets ladet,
Aber nie zu neuen Sorgen.

Glaubt ihr nun, daß solche Nächte
Nicht im höchsten Grad poetisch?
Daß nicht selbst für kalte Herzen
Solches Treiben sehr magnetisch?

Doch fehlt eins noch diesen Nächten,
So durchweht von Liebesgluthen;
Nämlich die Nachtwächter dürfen
Schon seit Jahren nicht mehr tuten. –

―――
XI.
In dem Lande der Schlaraffen
Sind die Leute fein erzogen;
Dessentwegen wird man ihnen
Wider Willen fast gewogen.

Welche Bildung im Gespräche!
Im Benehmen welche Feinheit!
Selbst beim Niedrigsten von ihnen
Auch die Spur nicht von Gemeinheit!

Alle sind gar wohl bewandert
In Natur- und Weltgeschichte,
In Chemie und Sprachenkunde;
(Ein'ge machen auch Gedichte!)

Selbst die allerkleinsten Knaben
Commentiren schon den Nepos;
Und gar viele Burschen schreiben
Schon im zehnten Jahr ein Epos.

Das ist freilich nicht so häufig;
Doch gilt das als feste Regel:
Wenn ein Bub zwölf Jahr geworden,
Liest er Schelling gleich und Hegel.

Ja, hier sind die Gassenjungen
Theils nur heft'ge Hegelianer,
Theils (es grenzt an's Fabelhafte!)
Schwärmerische Schellingianer.

Doch es wissen die Parteien
Die Begeist'rung so zu zügeln,
Daß sie niemals auf der Straße
Sich beschimpfen oder prügeln. –

Wenn sie aber fünfzehn Jahr sind,
Haben sie auch noch bis dato
Aus dem Kopf stets herzitiret
Aristoteles und Plato.

Manche huld'gen auch Spinozen;
Manche aber denken kantisch;
Doch trotz solcher tiefen Kenntniß,
Ist kein einziger pedantisch.

Aber diese Bildung ist nicht
Nur beschränkt auf eine Klasse;
Nein! sie ist das Gut und Erbe
Hier des Volks, der ganzen Masse.

Brauch' ich euch noch jetzt zu sagen,
Daß ein solches Volk volksthümlich?
Daß sein Lob auch wirklich löblich
Und sein Ruhm auch wirklich rühmlich? –

Dennoch fehlet diesem Volke,
Was durchaus nicht fehlen sollte,
Was – wär' mir Talent beschieden –
Ich ihm gerne geben wollte.

Ja, es fehlet diesem Volke
(Wollt' das Schicksal, ich könnt's ändern!)
Ja, es fehlt ihm, leider Gottes!
Immer noch an – Volkskalendern.

―――
XII.
In dem Lande der Schlaraffen
Gibt's gar viele, viele Dichter,
Aber nur originelle
Kein nachäffendes Gelichter.

Keine jämmerlichen Skribler,
Die für niedern Pöbel schreiben,
Keine geistigen Kastraten,
Die mit Reimen Unzucht treiben.

Die wie Hunde nach den Brocken
Schäb'gen Beifalls gierig schnappen
Und die Kinder ihrer Laune
Kleiden in gemauste Lappen.

Keine Wichte, deren Verse
Wie besoff'ne Bauern holpern,
Deren lahme Strophen über
Ihre eignen Füße stolpern.

Deren Muse herscharwenzelt
Mit geschminkter Wang' und Stirne,
Wackelnd mit wattirtem Hintern
Wie die frechste Freudendirne.

Keine Lumpen, keine Lümpchen,
Keine ehrvergess'nen Gecken,
Die mit Hunden und mit Hündchen
Hoher Fürsten Teller lecken.

Die um hoch empor zu ragen,
Sich bedienen langer Stelzen,
Und beim Lesen ihrer Werke
Selbst vor sanfter Rührung schmelzen:

Nein, im Lande der Schlaraffen
Sind die Dichter gluthentflammte,
Kühne, hochschwungreiche Dichter,
Wahre Musengottentstammte.

Oden singen sie und Hymnen
Und nicht minder Dithyramben
In den herrlichsten Trochäen,
In den allerreinsten Jamben.

Und es fließen ihre Verse
Süß gleich frischem Honigseime;
(Selbst auf das verfluchte Mensch noch
Finden sie die schönsten Reime!)

Und sie dichten zarte Mährchen
Und nicht minder kluge Fabeln;
Geistreich über alle Maaßen
Sind sie aber in Parabeln.

Und Romane und Novellen
Dichten sie und Novelletchen,
Und in ihren Mußestunden
Wunderliebliche Sonettchen.

Doch wenn sie an Kopfschmerz leiden
Und ihr hoher Geist auf Ferien,
Schreiben sie ein Dutzend Bände
Voll schlaraffischer Mysterien.

Ja, sie schütteln ihre Werke
(In Schlaraffia will's der Brauch so –)
Mir nichts, dir nichts aus dem Aermel!
(Wollte Gott, ich könnt' es auch so!)

Glaubt nicht, daß dies Lob der Dichter
Nur in etwas übertrieben;
Nein, sie sind bei weitem größer,
Als ich eben sie beschrieben.

Dennoch – wer sollt' es wohl glauben? –
Eins will ihnen nicht gelingen;
Nur ein putzig, lumpig Dingchen
Können sie nicht fertig bringen!

Diese großen, kühnen Dichter,
(Wahrlich, es ist eine Schande!)
Bringen dennoch sammt und sonders
Kein politisch Lied zu Stande.

―――
XIII.
In dem Lande der Schlaraffen
Ist das Leben ganz süperbe;
In dem Lande der Schlaraffen
Will ich leben, bis ich sterbe.

Ich, ein lang Herumgehetzter,
Ein an Leib und Herzen wunder,
Werd' hier täglich untersetzter;
Stündlich wird mein Kinn hier runder.

Morgens früh und Abends späte
Stets beim Schmaus, bei Freudenfesten:
Platzen jetzt mir schon die Nähte
Meiner Röcke, meiner Westen.

Kaum bin ich ein halbes Jahr hier,
Nahm ich schon so zu an Dicke,
Daß am Ende ich wohl gar hier
Noch im eig'nen Fett ersticke.

Doch um dies Malhör zu hindern,
Denk' an Deutschland ich zu Zeiten;
So hoff' ich mein Fett zu mindern
Und mir Kummer zu bereiten.

Mag mein Gruß dich jetzt erreichen,
Land der Biedern, Land der Treuen!
Wo die Zöpfe, wo die Eichen
Sich der vollsten Kraft erfreuen.

Ja, dir send' ich meine Grüße,
Land der Eichen, Land der Zöpfe!
Großes Land der Hasenfüße
Und der schlafmützwarmen Köpfe!

Auch mein Gruß euch deutschen Schafen!
Großes Glück ist euch verheißen.
Ihr dürft blöcken, ihr dürft schlafen,
Und ihr dürft in's Gras auch beißen.

Flieht nur jede Stallumwälzung,
Jede Weidenüberschreitung!
Wahrt vor Räude eure Pelzung,
Folgt der Hunde treue Leitung.

Flieht auch jegliche Aufwallung;
Seid wie immer nur unschuldig!
Wird zu eng euch auch die Stallung,
Nur geduldig! nur geduldig!

Sollte liberale Seuch' doch
Einen eurer auch erhaschen:
Nur nicht ängstlich! Man wird euch noch
Allen gern den Pelz dann waschen. –

Du auch sei mir viel gegrüßet,
Stärkster Strom im frömmsten Reiche,
Vater Rhein! Zwar stets gebüßet
Hast du Deutschlands dumme Streiche;

Doch es fließen, schön verschlungen,
Deine Fluthen frisch und heiter;
Alle Verse, dir gesungen,
Sind so tief nicht, wenn auch breiter. –

Dich, o Mainz, auch grüß' ich herzlich;
Froh ist deiner Söhne Wandel.
Doch berührt mich's fast zu schmerzlich,
Daß darnieder liegt dein Handel.

Käm's auf mich blos an – auf Ehre!
Nicht mehr wollt' ich ruhig schlafen,
Bis sie fix und fertig wäre;
Deine Bahn nach Ludwigshafen.

Doch du mußt, du sollst sie kriegen!
Mach' dir deßhalb keine Sorgen.
Ihr seid Deutsche; wollt ihr fliegen?
Kommt's nicht heute, kommt's doch morgen! –

Goldnes Mainz, du liebes Städtchen,
Arm an Gold, doch reich an Scherzen:
Alle deine schönen Mädchen
Grüß' ich jetzt aus tiefstem Herzen.

Herzlichst sei mein Gruß entboten
Deinen sämmtlichen Jungfrauen,
Deinen schwarzen, blonden, rothen
Und nicht minder deinen – grauen.

Goldnes Mainz, gedenke meiner!
War ich doch, dir zu Gefallen,
Deiner größten Narren einer,
Wo der größte nicht von allen!

Mag der Herr dich immer segnen
Mit dem allerschönsten Segen!
Und läßt er dein Land beregnen,
Sei es stets ein goldner Regen!

Mag er deine liebe Jugend
Schützen vor der Thorheit Laster
Und durch Demuth und durch Tugend
Leiten auf ein bess'res Pflaster!

Mögen dir aus Himmelsfernen
Stets die Sternlein heiter funkeln!
Mögen deine Stadtlaternen
Niemals wieder sich verdunkeln!

Mögen treffliche Direktors
Dein Theater stets benützen!
Mögen lauter kühne Hektors
Dir dein Ilium beschützen!

Mag das Glück sich niederlassen,
Lieben Mainzer, zu euch allen!
Mag in euren frohen Gassen
Nie der Zapfenstreich verhallen!

Mögen eure Junggesellen
Sich bei Zeiten noch beweiben
Und so viele Nähmamsellen
Nicht mehr trostlos sitzen bleiben!

Mögen euch die schönsten Braten
Duften zu den vollsten Flaschen
Und von blanken Randdukaten
Ewig strotzen eure Taschen!

Nun lebt wohl und lebt in Frieden!
Eßt und trinket mit Behagen!
Denn das trefflichste hienieden
Ist und bleibt ein guter – Magen.

 


 


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