Ludwig Kalisch
Schlagschatten
Ludwig Kalisch

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Festrede.

Gehalten

bei der hundertjährigen Feier

der

Erfindung der Prügelmaschine.

Meine Herren! Der Gegenstand, dem ich hier einige Worte widmen will, berührt uns Deutsche so sehr, daß ich dreist Ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen darf. Ich will mich indessen kurz fassen.

»Ho meh dareis anthropos uh pedeuetai« sagt ein gebildeter Grieche, was in unserer herrlichen Sprache ungefähr heißt: Prügel sind aller Weisheit Anfang. Meine Herren, die Erfahrung lehrt uns, daß man durch Prügel die wildesten Bestien nicht allein vollkommen zähmt, sondern daß man dieselben sogar auf eine Stufe fast menschlicher Cultur bringen kann. Durch Prügel lernt ein 19 russischer Bär deutsche Walzer tanzen; durch Prügel lernt jeder Esel die schwersten Lasten tragen und durch Prügel wird selbst der Löwe so weit gebracht, daß er vor seinem Wärter im Staube kriecht. Nachdem ich von diesen Bestien gesprochen, komm' ich endlich auf den Hund. Meine Herren, es ist hier nicht unsere Sache, den langen Streit der Naturforscher zu entscheiden, ob sämmtliche Hunderaçen ursprünglich von einem ersten Hundepaar abstammen und in der Folge in Mops, Doggen, Dachs, Pudel und andere Geschlechter ausgeartet, oder ob diese verschiedenen Hundegeschlechter bereits am Schöpfungsfreitag vorhanden gewesen. Unsere Absicht ist es hier nur, zu beweisen, wie sehr sämmtliche Hunderaçen durch Prügel cultivirt werden. Früher hat es schon Bewunderung erregt, wenn irgend ein Hund seinem Herrn die Pfeife nachgetragen, oder ein Schnupftuch apportirt, oder ihm die Pantoffel unter dem Sopha herbeigeholt. Jetzt, meine Herren, haben wir vollkommene Hundetheater und der Freund der dramatischen Kunst sieht hier zu seiner nicht geringen Genugthuung, mit wie viel Wahrheit ein Pudel die Rolle des ersten Liebhabers durchführt, mit wie viel Energie ein Bullenbeißer einen Tyrannen agirt und mit wie viel Präcision ein Windhund einen Junker darstellt. Ja, ich selbst habe zu meinem nicht geringen Erstaunen auf Hofbühnen von 20 einem Königshündchen die schwierige Parthie eines Tartüffe gesehen; während ein Mops ihm zur Seite die Rolle des ersten Ministers in solcher Vollendung gab, daß man sagen mußte, er habe Alles geleistet, was nur immer ein Hund zu leisten vermag. –

Wenn man nun, meine Herrn, durch Prügel unvernünftigen Thieren sogar menschliche Kunstvollkommenheit beibringt; wenn durch Prügel Bestien zu Menschen werden: so ist es ganz natürlich, daß in gleichem Grade die Menschen durch Prügel vervollkommt, daß sie, wo nicht zu Göttern, doch wenigstens zu Halbgöttern geprügelt werden können. Da nun der Deutsche unter allen Völkern am meisten der Vervollkommnung fähig, so war man auch in Deutschland am meisten von der Nothwendigkeit und dem Nutzen der Prügel überzeugt. Allein Prügeln und Prügeln ist zweierlei. Man wußte lange nicht, welches Mediums man sich beim Prügeln bedienen sollte. Manche riethen zur Peitsche, theils weil sie das Erkennungszeichen des deutschen Adels sei, theils weil sie selbst Ochsen und Pferde zum Fortschritt bewegt. Manche riethen zur Knute, weil diese einen wohlthätigen Reiz auf die Haut ausübt und dieselbe vor bösen Ausschlägen bewahrt. Andere, und zwar die meisten, riethen zum Stock, weil dieser erstens für die ehrliche deutsche Haut am besten geeignet und weil zweitens das schöne 21 Wörtchen »Stock« in unserer Sprache den höchsten Grad eines Zustandes bezeichnet. Namentlich waren die Anhänger der Homöopathie für den Stock; denn sie behaupteten, daß man den Stocktauben, Stockblinden und Stockdummen vermittelst des Stockes Gehör, Gesicht und Verstand verschaffen könnte. Einige Naturforscher stellten folgende geistreiche Ansicht auf: So wie der Kabeljau erst durch die geschickte Zubereitung zum Stockfisch werde und als solcher in der ganzen Welt als höchst genießbar geschätzt wird, eben so müsse man jeden ächten Sohn Germania's erst in einen Stockdeutschen, d. h. in einen durch den Stock gezogenen Deutschen verwandeln, wenn er ein gangbarer Artikel werden soll. Solchen Ansichten war nicht mehr zu widersprechen und man war von dem Nutzen des einzuführenden Erziehungsmittels so sehr überzeugt, daß man nicht bald genug damit beginnen zu können glaubte.

Aber meine Herren, in Deutschland eilt nichts als die galoppirende Schwindsucht. Aus Furcht sich zu übereilen, geht ein ächter Deutscher langsam voran und ehe das Gute bei uns Eingang findet, muß es erst tausend Schlagbäume von Erörterungen, Einwürfen und Bedenken passiren. Man stritt nämlich wiederum eine lauge Zeit, auf welchen Theil des deutschen Körpers der Stock am 22 wohlthätigsten anzuwenden sei. Nun sprachen sich einige Gelehrte für die Fußsohlen aus, weil diese dadurch eine außerordentliche Härte erlangen und somit sehr geeignet werden, die dornenvolle Bahn des Lebens zu durchwandeln; allein man ließ bald diese Ansicht fallen, aus Furcht vor den Schustern, die dadurch um ihr Brod gekommen sein würden. Die zweite Ansicht, den Stock auf den Hirnkasten zu appliciren, wußte sich schon durch den einzigen Umstand keine Geltung zu verschaffen, daß der Stock dadurch seine Wirkung ganz verfehle, indem er aus den vernageltesten Köpfen offene machen und so den Regierungen nur Schwierigkeiten bereiten würde. Nach langen Besprechungen und vielem Disputiren, kam man endlich zur allgemeinen Ueberzeugung, daß derjenige Körpertheil, ohne welchen selbst die unbestrittenste Legitimität keinen Thron gehörig ausfüllen kann, sich am besten als Tummelplatz für die Wirksamkeit des Stockes erweise, besonders da der Deutsche unter allen Völkern der Erde bekanntlich das meiste Sitzfleisch habe. Nun erhob sich aber wieder ein neuer Kampf der Ansichten, nämlich, welcher Holzart man den Vorzug geben sollte. Nachdem Einige für die Birke, Viele für das spanische Rohr und Andere für andere Holzarten gestimmt, erhob sich plötzlich eine, von wahrhaftiger Vaterlandsliebe beseelte Stimme für die Eiche. Das war ein glücklicher Gedanke! 23 Denn nicht allein, daß die Eiche ein deutscher Baum und das Sinnbild deutscher Kraft ist, so bietet auch noch ihre Rinde den besten Gerbstoff und eine deutsche Haut wird gewiß ganz unverwüstlich, wenn sie durch Eichenknoten gegerbt wird. Das Minimum der Prügel-Zahl setzte man auf sechsunddreißig und so stieg man immer, indem man diese Zahl mit zwei, drei und vier multiplizirte; damit der Deutsche, wenn er geprügelt wird, sich an die deutschen Bundesstaaten erinnere, die in ihrer Einheit sämmtlich an seiner Erziehung und Fortbildung Theil nähmen.

So, meine Herren, wurden die Deutschen viele Dezennien hindurch an dem deutschen Eichenstocke herangezogen und es zeigte sich hier zum erstenmale, wie herrlich es gelinge, wenn der Deutsche nicht immer als nebelnder Theoretiker verfährt, sondern wenn er auch Manches a posteriori behandelt. Allein das Consumo der Eichen war endlich so stark, daß es bald in den heiligen deutschen Eichenwäldern viel lichter zu werden anfing, als in den Köpfen der größten deutschen Gelehrten und die Zahl der mit dem Stocke zu behandelnden Hintertheile die der Eichenknoten bei weitem übertraf. Da verbreitete sich tiefe Trauer über ganz Germania. Aber nil mortalibus arduum est! d. h., in Deutschland ist alles möglich. Es ward hell in der Seele eines deutschen Genius und er 24 erfand eine Maschine, eine sinnreiche, herrlich-konstruirte Prügelmaschine, durch welche die Detailprügel ganz abkamen, da die deutschen Häute jetzt sehr bequem en gros losgeschlagen werden konnten. Man bedurfte keiner deutschen Flegel mehr, um deutsche Früchte zu dreschen, und bald wurde die deutsche Prügelmaschine eine Staatsmaschine. Sie übertraf auch die kühnsten Erwartungen und der große deutsche Erfinder darf den andern großen Erfindern kühn an die Seite gestellt werden. Namentlich hat sich die Prügelmaschine, durch welche man hundert Individuen zugleich befriedigen kann, höchst wohlthätig in Bezug auf den Kriegerstand erwiesen. Denn wenn der Soldat schon geschlagen wird, bevor er in die Schlacht geht, so steht ihm in derselben nichts mehr Schlimmeres bevor und er braucht also nichts mehr zu fürchten. – –

Hundert Jahre sind nun seit jener großen Erfindung verflossen, die sich so trefflich zum Heil der Deutschen bewährt hat und das dankbare Vaterland feiert nur seinen eigenen Ruhm, indem es den unverwelklichen Ruhm Desjenigen feiert, dessen Geist es bewirkte, daß die deutsche Nation stets schlagfertig da steht.

Es lebe der Erfinder der Prügelmaschine!

 


 


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