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Hypnose, Monatsregel und Ekstase

Wir kennen aus neuester Zeit den Fall Erichsen, in dem das Gericht den Nachweis erbracht zu haben glaubt, daß Erichsen ein Dienstmädchen hypnotisiert hat, um unsittliche Handlungen an ihr vorzunehmen.

Tatsache ist, daß bestimmte Frauen der Suggestion und Hypnose erschreckend leicht unterliegen. Dr. Ellis führt die (auch von ihm nachgewiesene) hypnotische und magische Begabung des Weibes auf die physiologischen Mysterien der Weiblichkeit zurück.

In wilden, barbarischen Kulturzuständen wird der Frau vielfach ein ganz eigentümlicher Einfluß auf die gesamte Natur zugeschrieben. So sagt Plinius in seiner »Historia naturalis« (Buch VII, S. 13): »Bei der Annäherung eines in diesem Zustande (Menstruation) befindlichen Weibes wird das Fleisch sauer. Samenkörner, die sie berührt, werden unfruchtbar, Pfropfenreiser sterben ab, Gartenpflanzen welken, und von dem Baum, unter welchem sie sitzt, fallen die Früchte ab etc. etc.«

In Bordeaux und in den Rheingegenden müssen es die Frauen noch heutigen Tages vermeiden, zur Zeit ihrer monatlichen Periode den Weinkeller zu betreten (A. Bastian gibt in dem Vorwort in »Oceanien«, Berlin 1883, eine ganze Reihe ähnlicher abergläubischer Vorstellungen). Plinius meint: »Hagelwetter, Wirbelwinde, ja selbst Blitze werden aufgehalten, wenn ein Weib, das seinen Monatsfluß hat, den Körper entblößt, dasselbe gilt für alle Arten von stürmischem Wetter, und auf der See beruhigt sich das größte Unwetter, sobald sich eine Frau entblößt, selbst wenn sie nicht ihre Periode hat. Ebenso sterben Raupen, Würmer und Käfer, und fällt das Ungeziefer von den Getreideähren ab, wenn sich ein Weib zur Zeit ihrer Periode nackt auszieht und über die Felder geht.«

Viele dieser abergläubischen Vorstellungen haben sich in Italien bis auf unsere Zeit erhalten. So soll es nach Bastanzi in der Ortschaft Belluno Sitte sein, daß einmal im Jahre ein Priester und ein nacktes junges Mädchen am frühen Morgen durch die Felder gehen (gewöhnlich getrennt voneinander), um die Raupen zu vertreiben.

Ähnliche Gebräuche sind über die ganze Welt verbreitet. Das Erstaunen, das die Frauen in früherer Zeit erregten und heute noch erregen, hat den Einfluß mächtig gestärkt, den sie durch die hier als hypnotische Phänomene im weiteren Sinne bezeichneten Erscheinungen ausgeübt haben.

Ein großer Teil des Reizes, den die Frauen auf das männliche Geschlecht ausüben, besteht in ihrer Tendenz zu hypnotischen Leistungen, wie wir sie hier erörtern. Diese Mysterien zu beobachten, sind Männer nie müde geworden, und das hat in der Literatur des männlichen Geschlechts unauslöschliche Spuren hinterlassen.

Dieses mysteriöse Etwas ist von Diderot, der selbst ebensoviel vom weiblichen Temperament besaß als vom männlichen, in seinem rhapsodischen Fragment »Sur les femmes« in sympathischer Weise beschrieben worden: »Was uns an den Frauen in Erstaunen setzt, sind ihre Anfälle von Eifersucht, ihre Liebesleidenschaft, ihre Ausbrüche natürlicher Zärtlichkeit, ihre abergläubischen Instinkte und die eigene Art und Weise, in der sie an populären epidemischen Bewegungen teilnehmen. Sie sind herrlich wie Klopstocks Seraphim und zugleich furchtbar wie Miltons Engel der Finsternis. Ich habe bei Frauen Grade von Liebe, Eifersucht, Aberglauben und Wut gesehen, wie sie Männer nie erreicht haben. Ein Mann saß nie in Delphi auf dem heiligen Dreifuß. Nur ein Weib war für die Stelle der Pythia geschaffen, nur ein Weib war imstande, das Nahen des Gottes zu fühlen, von leiser Unruhe und Erregung in einen Zustand schäumender Raserei überzugehen und nach dem Aufschrei ›Ich fühle ihn, ich fühle ihn, der Gott ist da!‹ den göttlichen Willen in Worten zu verkünden. Jedes Weib trägt ein Organ in sich, das, indem es die schrecklichsten Krämpfe verursacht, sie selbst zu einem willenlosen Wesen macht und Phantome aller Art in ihr hervorrufen kann. In ihren hysterischen Delirien erinnert sie sich an alles Vergangene, tut sie Blicke in die Zukunft, kurz, alle Zeiten sind ihr gegenwärtig. Nichts hängt inniger zusammen als Ekstase, Visionen, prophetische und poetische Gabe und Hysterie. Madame Guyon entwickelt an einzelnen Stellen ihres Buches ›Torrents‹ eine Beredsamkeit, die ihresgleichen nicht hat. Die heilige Theresa sagt von den Teufeln: ›Wie unglücklich müssen sie sein! Sie können ja nicht lieben!‹ Ein Weib war es, das, in der einen Hand eine Fackel, in der anderen einen Krug, barfüßig durch die Straßen Alexandrias schritt und sagte: ›Den Himmel will ich mit dieser Fackel anzünden und die Feuer der Hölle auslöschen mit diesem Wasser, damit der Mensch Gott nur um seiner selbst willen liebe‹. Nur ein Weib kann auf solche Gedanken kommen. Aber diese glühende Einbildungskraft, dieses scheinbar unbezähmbare Temperament kann durch ein Wort ernüchtert werden. Äußerlich zivilisierter als Männer, sind sie in ihrem Innern echte Wilde geblieben und gehören alle mehr oder weniger zur Sippe Machiavellis. Das Weib der Apokalypse, auf dessen Stirn das Wort ›Geheimnis‹ geschrieben stand, kann als Symbol des Weibes im allgemeinen gelten.«

Daß die Frau physiologisch und psychisch viel leichter dazu neigt, sich einem fremden Willen zu unterwerfen als der Mann, zeigen unzählige Beispiele aus dem Leben. Ellis schreibt dies der »Suggestibilität« des Weibes zu.

siehe Bildunterschrift

Männliche Idealfigur
Stephan von Calcar

Selbst unter Bienen soll es vorkommen, daß, wenn ein räuberischer Bienenschwarm in einen fremden Stock einfällt, um den Honig zu vernichten, die Besitzer dieses Stockes von der Raublust angesteckt werden, scharenweise ins Lager der Feinde übergehen und ihnen dabei helfen, ihre eigene mühevolle Arbeit zu zerstören. Dieselbe unvernünftige Suggestibilität zeigt sich, wenigstens in ihren Anfangsstadien, auch beim gesunden Menschen. Eine englische Gefängnisoberaufseherin teilte mit: wenn die unter ihrer Aufsicht stehenden Gefangenen Wutanfälle bekämen und alles zu zerschmettern und zu zerstören anfingen, müsse sie sich die größte Mühe geben, um sich nicht an diesem Zerstörungswerk zu beteiligen. Ähnliche Impulse haben viele an sich selbst kennengelernt. Bei der Hysterie ist diese Tendenz bis zur Unwiderstehlichkeit gesteigert und wird oft durch die schwächsten Suggestionen, sei es von außen her, sei es von innen heraus, hervorgerufen, so daß wir einer Erscheinung gegenüberstehen, die Huchard, der einer etwas älteren Schule angehört, »moralische Ataxie« nennt. Féré nennt, mit einer Anspielung auf diese Neigung zu fast unkontrollierbaren Reaktionen auf Reize aller Art, das hysterische Individuum den »Frosch in der Psychologie«.

siehe Bildunterschrift

Weibliche Idealfigur
Stephan von Calcar

Dr. Condolly Normann (der »Schwäche, verbunden mit Irritabilität«, die Hauptmerkmale des hysterischen Charakters nennt) gibt folgende Beobachtungen über »hysterische Manie«, eine Form des Irreseins, die in Verbindung mit Hysterie vorkommt: »Bei hysterischer Manie ist das Gemüt außerordentlich erregbar, die Qualen der Melancholie fehlen, die Depressionszustände gehen nur wenig in die Tiefe. Eine geringfügige, vorübergehende Verstimmung ruft sofort Tränen hervor, oft unter lautem Schreien und den Äußerungen tiefsten Kummers, und doch ist das zugrunde liegende Gefühl ganz flüchtig. Wir haben es hier mit einer gewissen Hyperästhesie zu tun, die sich in allzu schneller Reaktion auf jeden affektiven Reiz äußert ohne eine entsprechende Gefühlsunterlage. Daneben finden wir ein in hohem Grade reizbares Temperament, jedoch ohne den Zustand beständiger Zornmütigkeit, wie er in anderen Formen der Manie auftritt. Das Gemüt ist reizbar und unbeständig bis zum Äußersten, der Ausdruck der Gefühle zeichnet sich durch einen eigentümlich launischen und unbestimmten Charakter aus, wie er sich überhaupt in dem ganzen Benehmen des Patienten zeigt. Jeder Impuls setzt sich mit erschreckender Geschwindigkeit in Handlung um. Wenn das Individuum überhaupt noch imstande ist, feste Entschlüsse zu fassen, so geben oft Launen und plötzliche Impulse die Motive zu Handlungen ab.«

Clouston definiert die Hysterie als »Verlust des seitens der höheren intellektuellen und moralischen Funktionen auf die sexuellen Instinkte des Weibes ausgeübten hemmenden Einflusses (Edinburgh Med. Journ., Juni 1883). Der Verlust der gesamten, von den höheren Zentren ausgeübten Kontrolle ist ohne Zweifel ein wesentlicher Charakterzug der Hysterie wie der hypnotischen Erscheinungen im allgemeinen, jedoch ist nach Ansicht vieler ein sexuelles Element in der Hysterie nicht unbedingt vorhanden. Früher ist das sexuelle Element in der Hysterie etwas übertrieben worden, heutzutage dagegen herrscht die Tendenz, es allzusehr beiseite zu setzen. Irgendwelche sexuelle Reizung in grober Form oder ein in die Augen fallendes Leiden der Geschlechtsorgane ist jedenfalls bei der Hysterie nicht wesentlich, obwohl sich viele hysterische Symptome auf sexuellen Ursprung zurückführen lassen. Lombroso behauptet (Das Weib als Verbrecherin), daß es sich bei den Verbrechen Hysterischer meist um das sexuelle Leben handelt. Oft finden wir eine gewisse Perversität der sexuellen Gefühle, indem die Hysterische ein heftiges Verlangen nach Liebe und Zärtlichkeit seitens des anderen Geschlechts hat, während doch die normalen sexuellen Beziehungen ihr gleichgültig oder widerwärtig sind.

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Vampir
Max Klinger

Die Hysterischen von heute und die »Besessenen« von ehedem stimmen in der Angabe überein, daß sie sehr häufig erotische Träume haben, daß die erträumten Liebesabenteuer aber viel häufiger Schmerz als Lust gewähren. Die irrtümliche Annahme eines besonderen Zusammenhanges zwischen Hysterie und den Geschlechtsorganen ist wahrscheinlich aus der zweifellosen Tatsache entstanden, daß die organisch sexuelle Sphäre des Weibes von größerer Ausdehnung ist als die des Mannes. Wenn daher die höheren kontrollierenden Zentren sich in einer Art von Lähmungszustand befinden, so dürfen wir erwarten, Erscheinungen aller Art, die sich auf sexuellen Ursprung zurückführen lassen, beim Weibe in den Vordergrund treten zu sehen. Es ist das bei Hysterie und vielen nervösen und geistigen Erkrankungen der Fall.

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Züchtigung
L. Korinth

In einer Broschüre »Zum Selbstmordproblem« kommt Medizinalrat Dr. Rehfeldt zu dem Schluß, daß weibliche Personen sehr häufig kurz vor oder während der Menstruation Hand an sich legen. Das sei aber kein Beweis dafür, daß der Selbstmord immer eine minderwertige geistige Qualität zur Voraussetzung haben müßte. »Eine solche Kombination ist ein Verkennen der tief in das Seelenleben hineinreichenden Vorgänge bei der Menstruation, die ein durchaus normales Geschehnis im weiblichen Körper ist, das, eine Empfängnis vorbereitend, vom Eierstock und seinen Drüsengeweben ausgehend, auf den gesamten Organismus einwirkt und darum auch das Gemüt mit berührt. Bei einer großen Zahl von Mädchen und Frauen bewirkt die normal verlaufende Menstruation regelmäßig neben geringeren oder stärkeren körperlichen Beschwerden auch eine mehr oder minder bedeutende Steigerung der seelischen Erregbarkeit oder eine leichtere oder schwerere Depression, ohne daß darum bei diesen Personen auch sonst Krankheitserscheinungen im Seelenleben wahrgenommen werden könnten.«

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Drama um das Korsett
»Le Rire«

Es ist also mit Sicherheit anzunehmen, daß Frauen, besonders zu bestimmten Zeiten, sehr leicht einem verbrecherischen hypnotischen Einfluß unterliegen. Viele Autoren leugnen dies unter Beiseitelegung von beweisbaren Vorgängen, so, wie man den Frauenhandel noch leugnet, weil man sich mit seinen Ursachen nicht zurechtfindet – vom Standpunkt des Mannes aus, der stets geneigt ist, in dem Weibe nur ein auf Geschlechtshunger abgestimmtes Instrument zu sehen. Ich schrieb in meinem Werk (»Das Verbrechen«, Sittengeschichte menschlicher Entartung, Parthenon-Verlag, Leipzig):

Wir stehen hier vor geheimnisvollen Toren. Wir treten in Neuland ein, noch immer heißumstritten. Was sagt das Gesetz?

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Im Bann
Gloria-Film

Das neue St. G. B. sieht für Notzucht durch Hypnose Ziff. 1 des alten § 176 vor. Dr. Moll, der temperamentvoll die Möglichkeit einer Notzucht durch Hypnose bejaht, hat seiner Meinung in der Broschüre »Hypnose und Verbrechen« klar und deutlich Ausdruck gegeben. Er betrachtet auch dann eine Notzucht als gegeben, wenn durch Hypnose die Frau in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmt, im übrigen aber ihrer Sinne mächtig ist und auch die Erinnerung an alle Vorgänge bewahrt. Er unterscheidet zwischen hypnotischer Suggestion und Nachsuggestion. Die Nachsuggestion kann man kaum mehr als einen Zustand ansprechen, bei dem Hemmungen von solcher Kraft, wie natürliches Schamgefühl und sittlicher Charakter, mit Erfolg ausgeschaltet werden können. Anders liegt der Fall bei vollendeter Hypnose – ein Zustand, in den ein Mensch ohne genügende Vorbereitung kaum gesetzt werden kann. Moll bestreitet denn auch energisch die Möglichkeit einer Notzucht im Zustande der Nachsuggestion.

siehe Bildunterschrift

Die Versuchung
Louis Malteste

Daß eine solche Straftat verübt werden kann, bejaht nunmehr auch das Gesetz ausdrücklich, indem es dem künftigen Strafgesetzbuch unter § 176, Ziff. 1 (Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Gewalt) auch die Hypnose einreiht. Bisher galt für einen ähnlichen Zustand (Willens- oder Bewußtlosigkeit) Ziff. 2 des § 176 als ausreichend. Bemerkenswert ist, daß sich dieser Passus auf den außerehelichen Beischlaf bezieht.

Man darf daher, so sehr man eine Verschärfung des Gesetzes gegen Notzucht und eine höhere Bewertung der Frauenehre begrüßen darf, nicht an der Gefahr falscher Bezichtigungen vorübergehen: »Ein nicht ausgeglichenes Sexualleben, das nach Erfüllung drängt,« bezeichnet Dr. Plaut als Hauptursache solcher Anzeigen und fährt fort:

siehe Bildunterschrift

Nachher
Hogarth

»Alle diese Momente müssen für die forensische Begutachtung und Bewertung, sei es von seiten des Kriminalisten oder des Richters oder des Gutachters, in hohem Maße berücksichtigt werden. Es ist sehr beachtlich, wenn J.R. Spinner meint, man müsse die Psychologie der anzeigenden Frau berücksichtigen, um zu dem Schlusse zu kommen, daß die tatsächlich genotzüchtigte Frau von dem Attentat entweder sofort Anzeige macht oder den Vorfall ganz verheimlicht. Sie reagiert entweder maximal auf das Trauma, oder aber sie gibt den Hemmungen Raum, die sie hindern, sich überhaupt in den Mittelpunkt eines geschlechtlichen Geschehens zu stellen. »Es ist praktisch schwer zu bestimmen, wo jener Kampf um Besiegung der natürlichen Hemmungen der Frau aufhört und eine rohe Gewalt, die den ernstlichen Widerstand niederringt, beginnt. Vergessen wir nicht, daß Notzuchtsbeschuldigungen in sehr vielen Fällen aus ganz anderen Gründen erhoben werden: hier spielen Eifersucht, Leichtsinn, Unvorsichtigkeit, unerfüllte Hoffnung auf Heirat, Alkoholgenuß, Ausbleiben der materiellen Unterstützungen usw. eine wichtige, nicht zu übersehende Rolle.«

Es paßt also vollkommen in das Bild, das das Weib dem Manne gegenüber bietet, daß in Zeiten häufiger Lustmorde auch eine Überfallpsychose eintritt, wie beispielsweise Kriminalpolizeirat Gennat anläßlich seiner Untersuchung des Düsseldorfer Frauenmörders in den »Kriminalistischen Monatsheften« schildert.

Am Halse gewürgt und darauf in die Düssel geworfen, war angeblich ein junges Mädchen, das abends einen Herrn kennengelernt hatte. Sie waren mehrere Stunden beieinander – der Kavalier hatte sie schließlich in die Gegend des Torfbruches geführt. Dort hätte er sich plötzlich auf sie gestürzt. Nur mit Mühe habe sie sich aus dem Wasser gerettet – ihr Koffer mit Sachen sei vollständig in Verlust geraten. Täter: »der Düsseldorfer Massenmörder«. Lösung: Die junge Dame hatte mehrere Nachtstunden mit ihrem Begleiter vertrödelt – plötzlich von ihm verlassen, wußte sie nicht, wie sie ihre nächtliche Anwesenheit in jener Gegend erklären sollte ... Angesichts eines Lichtschimmers aus einem Hause in der Ferne war ihr Plan aber schnell gefaßt: einige Kratzspuren am Halse waren leicht hervorgerufen – gleich darauf sprang sie unter Hilferufen mit ihrem Koffer in den Bach.

Kurze Zeit später bemühten sich die Hausbewohner um »das neue Opfer« des Mörders.

Während des Stadiums der »Überfall-Psychose« verging fast kein Abend, an dem nicht Mitglieder der Mordkommission mit dem Überfall-Kommando ausrücken mußten, um neugemeldete »Überfälle« zu überprüfen ...

Revierbüro: 12jähriges Schulmädchen mit Mutter. Kind angeblich durch Mann mit einem Messer bedroht – Mann habe dann noch eine Frau überfallen und ins Dunkle geschleppt ... Freie Phantasie des durch Erzählungen geängstigten Kindes.

Und jede Zeitungsnotiz über einen neuen Überfall erzeugt abermals »Überfälle«.

Eine Frau, von ihrem Manne vernachlässigt und »unverstanden«, erstattet Anzeige wegen Überfalls – ganz phantastische Darstellung –, augenscheinlich Demonstration dem Ehemann gegenüber. Wenn er sah, wohin das führte, wenn er die Frau abends stets allein ließ, mußte er sich doch ändern! ... In diesem Falle kein Geständnis – durchaus begreiflich: die Frau kämpfte ja um ihr Lebensglück. Hätte sie ein Geständnis abgelegt, hätte sie nicht nur nicht den angestrebten Zweck erreicht – im Gegenteil: ihren Mann vielleicht für immer verloren.


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