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Hörige des Teufels

Die strengen Kasteiungen in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters, die Unwissenheit, in der das Weib über den eigenen Körper dahinlebte, blieben nicht ohne Rückschlag auf die libido.

Als die Folgen einer plötzlich auftauchenden Erotomanie sich überall zeigten, schrieb man diesen natürlichen Vorgang einfach dem Teufel und seinen Helfershelfern, den Dämonen, zu.

Mit der Einführung dieser Dämonen wurde der Grundstein zu einer Liebesauffassung gelegt, die sich später in den Hexenprozessen so schrecklich dokumentierte. Das Werk dieser »Dämone« war übrigens schon sehr früh von Erfolg gekrönt.

Die Seuchen der »Teufelsbankette« und »Hexentänze« sind sexuelle Hörigkeitsexzesse. Diese unglücklichen Frauen waren, soweit sie wirklich (in ihrer Phantasie natürlich) die Ekstasen mit Teufeln durchlebten, Hörige einer kranken Vorstellung, Hörige eines Wunsch-Sexus.

siehe Bildunterschrift

Caroline, Königin von England, eine der leidensreichsten Frauen der englischen Geschichte

Wenn wir uns kurz mit den Hexenprozessen befassen, so nur deshalb, weil es sich bei diesen »Hexen« wirklich um Hörige handelt. Viele haben sich eingebildet, Geliebte des Teufels zu sein. Es waren arme Hysterikerinnen. Diese »Teufelsliebchen« und »Satansbräute« waren Hörige eines kranken Sexus, Erotomaninnen schwerster Form. Was man sich in der Bekämpfung dieser angeblich »Besessenen« geleistet hat, ist oft genug beschrieben worden.

Die zahlreichen Akten, die wir aus den mittelalterlichen Prozessen besitzen, berichten über eine Menge Verurteilungen von Hexen und Zauberinnen zu Rad, Feuertod und Galgen.

Es ist keine bloße Vermutung, wenn man auf Grund des zugänglichen Materials annimmt, daß diese Hexensabbathe die Folgen einer vorausgegangenen widernatürlichen Askese waren.

Der Hexensabbath, als mysteriöser Kultus betrachtet, ist gleichwohl nicht mittelalterlichen Ursprungs. Wir lesen bei Horaz bereits von nymphomanischen Ausschweifungen bei Hexenzusammenkünften, und Petronius erzählt im zweiten Bande seiner Buhlgeschichten höchst merkwürdige Einzelheiten von Zauberinnen, die die Ausübung ihrer Kunst hauptsächlich ins erotische Gebiet verlegten.

Ein besonderer Ritus waren die Hexenzusammenkünfte bei den alten Druiden, die eng mit der Religion der Kelten in Verbindung standen und wohl nur den eindringenden Römern gefährlich erscheinen konnten, die in ihnen ein Bollwerk gegen die Romanisierung des Privatlebens erblickten und deshalb sofort den Kampf dagegen aufnahmen.

So ordnete bereits Tiberius die strengsten Maßregeln gegen diesen Kultus an, die Kaiser Valens in ihrer ganzen Ungerechtigkeit in Kraft treten ließ, wie man denn auch wohl die ersten Hexenverbrennungen als sein Werk betrachtet.

Als Erbe der alten römischen Eroberer nahm dann die Kirche, der ebenfalls die freien festlichen Zusammenkünfte, die in einer alt-heidnischen Zeit wurzelten, gefährlich erscheinen mochten, den Kampf mit nicht viel größerer Heftigkeit auf, so daß man die letzten Spuren des Heidentums im fünften Jahrhundert n. Chr. als unterdrückt betrachten kann.

Schließlich lebte die Erinnerung an den Kultus eines naiven Kulturvolkes nur mehr in mystisch-pietistischen Vorstellungen fort.

Die leichterregte Sinnlichkeit besonders des südfranzösischen Volkes, durch jahrhundertelange Vergewaltigung zu Hysterie und Visionen erzogen, griff auf den Kult seiner Vorfahren zurück, und an geheimen Orten verbanden sich Männer und Frauen zu ungezügelter Liebe, die um so perversere Formen annahm, je mehr und je länger sie Generationen hindurch an freier Entwicklung gehindert war. Daß das Weib den Anlaß zu diesen Ausschreitungen gegeben hat und auch der eigentlich organisierende Teil war, ist leicht begreiflich. Denn erstens neigt besonders das Weib zu visionären Erscheinungen, und zweitens war eben die Frau durch die merkwürdigen Moralgesetze noch viel mehr an Ausübung ihres Liebesbedürfnisses gehindert als der Mann.

siehe Bildunterschrift

»Illustrart-Familieblad«

Überdies ist die Leidenschaft des Weibes, einmal zur Empörung gebracht, bei weitem stärker als die des Mannes. So kam es, daß der Mann in allen diesen »Sabbathen« eine mehr passive Rolle spielte, wenngleich ihm der Anteil an dieser freien Verbindung keineswegs verloren ging.

Berücksichtigt man den Zweck dieser Zusammenkünfte, so hat man auch die natürlichste Erklärung für die naturalistische Darstellung der »Hexen«, die bekanntlich stets nackt und auf Besen – den Attributen gewisser Obscönitäten – reitend dargestellt wurden.

Daß die Schriftsteller des Mittelalters als die Kinder ihrer Zeit dem Aberglauben der Zauberei vollauf Rechnung getragen haben, ist nicht wunderlich, umsomehr, als sie größtenteils unter dem Banne des Klerus standen und wohl kaum gern das Schicksal der Hexen geteilt hätten. Wenn uns also Bodin versichert, daß richtige Hexen sich gar nicht erst zu salben brauchten, um zum Sabbath zu fahren, sondern daß der einfache Besen hierzu schon genüge, so dürfen wir ihm diese allzugroße Naivität nicht verübeln.

Gregor IX. schrieb 1234 einen Hirtenbrief an die Bischöfe von Hildesheim, der von derartigen Absonderlichkeiten strotzt, daß man diesem gebildeten Mann den ernsten Glauben an die Unnatürlichkeit dieser Dinge nicht einmal abstreiten kann.

Daß diese Hexensabbathe nichts weiter waren als Saturnalien, beweisen verschiedene Geschichten, die uns ebenfalls Bodin überliefert hat, und die alle von der Verführung der Männer durch die Frauen zur »Zauberei« handeln. Die Geschichten sind aber alle durchsichtig genug, um teils Racheakte betrogener Liebhaber, teils Denunziationen über Bacchanalien erkennen zu lassen.

Allmählich jedoch artete dieser Sabbath unter dem Einfluß der allgemeinen Perversität zu Exzessen aus, die alles eher waren als die reine Befriedigung des Fleisches.

siehe Bildunterschrift

Bacchanal
Karl Kundmann

Das war aber nicht verwunderlich zu einer Zeit, in der die reine Sinnlichkeit zur Sünde und die roheste Entartung oft genug durch mystizistische Zutat zur Tugend gestempelt wurde.

Da entstanden der Satanskult und die berüchtigte »schwarze Messe«.

Wie es bei diesen Versammlungen zuging, kann man nicht mehr getreu wiedergeben. Doch bieten die Chronik von Monstrelet, Paris 1572, und Remigius in seinen drei Büchern der Dämonolatrie, sowie die Schriften des Marquis de Sade Monstrositäten genug.

siehe Bildunterschrift

Lied des Lebens
Ufa

Man wundere sich nicht, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts Geheimbünde in ganz Frankreich bestanden. Das Leben an den Höfen, die Pest, Hungersnöte usw. trieben die Leidenschaften der so lange unterdrückten Geschlechtslust zur Raserei. Hysterie und in ihrem Gefolge Flagellantismus, Sodomie, Tribadie wurden Künste, die mit allem Raffinement gelehrt und betrieben wurden, und da man sich öffentlich diesen Ausartungen nicht hingeben konnte, so tat man es in geheimen Zusammenkünften, im »Hexensabbath«.

Lohende Scheiterhaufen und schreckliche Folterungen waren die Antwort der Inquisition auf die Herausforderung der »Vollendeten«, wie sich die Anhänger dieser Sekten nannten.

Man darf hier von einer »Massenhörigkeit« sprechen, von einer sexuellen Hysterie, die ihresgleichen suchen kann. Aber die hysterische Frau ist immer die Trägerin sexueller Übertreibungen gewesen.

siehe Bildunterschrift

»Du, ich weiß, wie man Kinder bekommt.«
»Aber ich weiß, wie man keine bekommt!«
»Simplizissimus«


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