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Leben einer modernen Schauspielerin

Eine moderne Hysterikerin war die Berliner Schauspielerin Maria O. Diese verehrte Künstlerin, als Mensch wie als Frau gleichbedeutend, ein Genie, versank unter den Wirkungen von Rauschgiften seelisch und körperlich, und ihre Erotik wurde immer problematischer. Wer sie aber sah, geriet in eine Art Hörigkeitsverhältnis zu dieser Frau, das letzten Endes in der unnatürlichen Kraft ihrer kranken Psyche wurzelte.

»Lulu starb,« schrieb F. Kr. in der »Berliner Nachtausgabe«. Aber die O. war keine Lulu. Keine Hemmungslose aus Trieb. Sie war kein Weibchen, kein Dirnentyp. Sie war eine Hysterikerin. Aber doch war sie die beste Darstellerin der Lulu von Wedekind.

»Das wilde Weibchen mit erotischen Launen, ungehemmten Instinkten. Wie diese Lulu der Bühne hat Maria O. den Männern, die das Leben in ihre Nähe brachte, mehr als ein schwieriges, ja unlösbares Rätsel aufgegeben. Denn ihr Name, der bisweilen als grelles Reklameschild von den Theaterdächern leuchtete, wurde ebensooft in unglückseligen Affären und traurigen Skandalen genannt.«

Aber ehe sie noch zur ganz großen Künstlerin reifen konnte, traten Unglück und Gift ihr in den Weg und versperrten den Aufstieg zu größtem Ruhm.

Das Gift hieß: Morphium! Ihm war sie rettungslos verfallen. Alle Entziehungskuren waren vergeblich. Sie konnte nicht spielen, wenn das tötliche Gift ihrem Körper fehlte. Erst im Morphiumrausch wuchs sie zur Bühnenekstase empor. Systematisch aber zerstörte sie ihre Gesundheit. Bald war sie nur noch ein Schatten ihrer einstigen Schönheit.

Sie floh vor dem Gift, das sie immer wieder einholte, durch halb Europa. Aber jeden Plan und jedes Glück zerstörte das Gift. Sie floh vor ihm in die Luft, wurde Fliegerin. Und mußte nach ein paar Wochen wiederum in der Irrenanstalt interniert werden. Brach aus, flüchtete in ihre schöne Wiener Wohnung, verschaffte sich wiederum das Gift, nach dem ihr Körper sich sehnte, und mußte dann neuerlich in der Zwangsjacke des Sanatoriums gehorchen. Ein tragischer Kreislauf.

Vielleicht hätte sie den Ruhm der Sarah Bernhardt erreicht, der sie nachstrebte. Vielleicht wäre ihr Bühnenruhm riesengroß und ewig geworden. Doch das Gift, das Gift hinderte jede Entwicklung.


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