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Wenn es aber eines Beweises für die ungeheuerliche Hörigkeit bedürfte, in der die Frau zum männlichen Geschlecht und zu den sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen des modernen Staates steht (und immer stand), so ist es die effektive Notzucht in ihren verschiedensten Formen und Erscheinungen.
Ich nenne jede gewaltsame durch physische Kraftentfaltung erreichte Besitzergreifung eines Frauenkörpers zur Befriedigung geschlechtlicher Lust Notzucht. Ich nenne aber auch den durch wirtschaftliche Überlegenheit des Mannes, durch Erpressung, kurz, jeden durch irgendein Druckmittel erreichten Geschlechtsverkehr mit einer Frau gegen ihren inneren Wunsch und gegen ihre erotische Gefühlseinstellung Notzucht.
Um zu beweisen, wie sehr das Weib auch heute in diesem Sinne hörig ist, brauchte nur eine Statistik über genotzüchtigte Männer und genotzüchtigte Frauen im Sinne meiner Auffassung nebeneinandergesetzt zu werden. Es ergibt sich das Verhältnis 1: 100 000. Es ergäbe sich die selbstverständliche, aber darum nicht weniger groteske Tatsache, daß es kaum einen genotzüchtigten Mann gibt (und auch nur im Sinne wirtschaftlichen oder sozialen oder vielleicht kriminellen Druckes. Ich denke hier an die Tatsache, daß in Zwangserziehungshäusern und in Zuchthäusern junge Menschen durch ältere Gefangene zu homosexuellem Verkehr gezwungen werden). Daß aber genotzüchtigte Frauen in jedem zivilisierten Lande Legion sind – ziffernmäßig gar nicht zu erfassen, ist sicher.
Notzucht ist so alt wie der Geschlechtstrieb. In den frühesten Zeiten des Menschengeschlechts, Jahrtausende hindurch bei Völkern primitiver Lebens- und Kulturauffassung, raubte und schändete man Frauen. Man nannte das im günstigsten Falle: Raubehe. Das heißt, geraubte Mädchen traten in das Verhältnis ehelicher Frauen zu ihren Räubern. Viele aber auch nicht. Der Raub der Sabinerinnen war ein Akt von Massen-Notzucht, und was in Zeiten der Aufhebung jener schwachen und unzuverlässigen Gesetze, die die Bestie Mensch in Zaun halten sollen, in Revolutionen und Kriegen und auch unter der unbeschränkten Gewalt von Tyrannen geschah und geschieht, das ist eines der dunkelsten Kapitel der menschlichen Erotik. Fast alle Machthaber mißbrauchten ihre Gewalt gegen die Frauen. Nero, Caligula, Commodus und viele andere römische Cäsaren waren hemmungslose Schänder der Frauenehre. Lessing hat in der »Emilia Galotti« einen alltäglichen Vorgang in einem jener kleinen italienischen Fürstentümer geschildert. Die Frau wird, angeblich von Banditen, auf der Straße geraubt und in das Schloß des Gewaltmenschen geschleppt. Ihr Schicksal ist durch nichts aufzuhalten. Scheußliche Tragödien haben sich in den Schlupfwinkeln mittelalterlicher Räuber und Korsaren abgespielt. Wir wissen aber, daß auch heute keine Landstraße sicher ist vor Wüstlingen, die ihr Ziel erreichen, wenn sie nur genügend körperliche Kraftanstrengung entfalten. Es ist interessant zu beobachten, daß einfache Frauen gewöhnlichen Empfindens, aber keinesfalls gemeiner Gesinnung, eine besondere Schwäche für Gewaltmenschen haben und Gefahren, in die sie sich selbst begeben, oft blind mißachten. Ihr Instinkt ist merkwürdig animalisch, Vorliebe für Kriminelle (ohne daß ihnen diese Tatsache zu Bewußtsein kommt) ist hinreichend erwiesen.
Diese nicht abzustreitende Tatsache hat viele Autoren bewogen (auch Richter befinden sich unter ihnen), Begriff und Ausführung der Notzucht sehr skeptisch zu beurteilen.
Es ist sehr schwer, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wo Notzucht begann, und wo der Widerstand des Weibes freiwillig erlosch. Abgesehen von den ganz eindeutigen Überfällen von Frauen (besonders auf Landstraßen oder [seltener] in einzelnen, abgelegenen Gehöften, bei Aufständen, Pogromen usw.), sind Anzeigen von Frauen, die vergewaltigt wurden, vielfach mit Vorsicht aufzunehmen. Aber die männliche Einstellung geht in der instinktiven Ablehnung des Gedankens einer Notzucht in Fällen, wo das Weib vielleicht durch stärkere Gegenwehr sich hätte retten können, zu weit. In jedem Manne steckt noch der alte Raubritter und Weiberräuber. Daß auch in den Frauen hereditäre Triebe, man möchte sagen Erinnerungen an frühere Hörigkeit mitspielt, erschwert das Beurteilen der weiblichen Psyche in jedem Einzelfalle.
Quantner führt in einem kürzlich erschienenen Werk »Die Sittlichkeitsverbrechen« einige Strafen gegen Schänder von Frauen, besonders Kindern an. Die Theresiana besagt im Artikel 76: »Da wer unmündige, unsinnige, aberwitzige, schlafende oder betrunkene Weibspersonen auch ohne ihre Widerstrebung fleischlich bekennete,« das sollte mit Auspeitschung oder sonstiger schwerer Leibesstrafe, in Fällen besonderer »Vermessenheit, Gefährde und verursachten Ärgernisses« auch wohl mit der Todesstrafe gesühnt werden. Die sächsische Ordnung sagt: »Wann eine ledige Mannsperson eine Wahnwitzige, sinnlose Weibsperson beschläffet, sol er derselbigen nicht allein nach billicher ermessigung einen Underhalt machen, sondern sol auch darüber mit Staupenschlägen verwiesen werden.«
Die Pfalzgräfische Ordnung hielt es für erforderlich, diese Eventualität besonders zu betonen. Es heißt da: »Welcher eine Sinnlose, Wahnwitzige Person beschläfft, der sol dieselbige mit gebührlicher underhaltung zuversehen, angehalten, darzu unseres Landes verwiesen werden. Im Fall aber ein gewalt oder Ehebruch mit geübt worden, sol man obgemelte Straffen des Ehebruchs, und Notzucht erkennen.«
Man kann bei Strafen nicht von übermäßiger Härte sprechen, zieht man beispielsweise die teilweise barbarischen Strafen wegen Eigentumdelikts zum Vergleich heran. Strafverschärfung war immer, ob mit der Notzucht ein Ehebruch verbunden war – also nicht das geschändete Weib war die Hauptsache, sondern die öffentliche Moral im Sinne der geltenden Auffassung von der Heiligkeit der Ehe.
»Sehen wir uns die Strafen näher an,« sagt Quantner, »dann werden wir finden, daß auch keineswegs daran überall festgehalten wurde, daß die Vergewaltigung nicht einwandfreier Weiber als erlaubt zu gelten habe. Nach Nürnberger Stadtrecht ging man hiervon stets ab, wenn ein Jude die Tat begangen hatte. Man peinigte ihn dann in jeder denkbaren Weise, strafte ihn wohl auch am sündigen Gliede, hing ihn dann verkehrt, d. h. mit den Beinen nach oben, auf und ließ ihn durch Hunde zerfleischen. Eine sehr alte Strafe für Notzüchter war die Enthauptung durch die ›Diele‹, das war eine alte Hinrichtungsmaschine, die wir wohl als die Vorläuferin der Guillotine ansehen dürfen. In den alten Saalfelder Statuten heißt es: ›Wirt ein man begriffen an der waren tat, daz hier abstozen mit einer winbrechen dele.« Diese Bestimmung stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im Jahre 1235 tut Dreyer derselben Maschine in der Stadt Deudermonde Erwähnung. Auch dort fielen ihr die ›Notzöger‹ zum Opfer.
Immer aber war es Bedingung, daß die Genotzüchtigte selbst klagte. Das war etwas ganz anderes als der Strafantrag im heutigen Sinne: Die Vergewaltigte mußte einfach unmittelbar nach der Tat mit gerauftem Haar und zerrissenem Gewande – das waren die Spuren der Tat und zugleich Beweis des geleisteten Widerstandes – dem ersten besten ihr Begegnenden das Geschehene klagen. Im alten Bremer Statut heißt es: ›Nodighet en man en wif, wil se dhat beclagen, dhat schal se don an dher stunde the it ir beschen is, vrowen unde mannen, we that ir begeghnet, also dhat se bethugen moghe‹. Nach anderen Bestimmungen heißt es: ›Die notzwungen jungfrau sol mit zerfalnem haar unde traurigen ansehen, wie sie von den is gangen und zu dem ersten mensch, so sie zukommen mag, desgleichen zu dem andern, denselben ir schmach unde unwird anzeigen.‹ Im Welrichstädter Weisthum heißt es: ›Wo eine genothzucht würde, so soll sie laufen mit gesträubten haare, ihren schleier an der hand tragen, allermenniglich wer ihr begegnet umb hülfe anschreien über den thäter, schweigt sie aber dismal still, soll sie hinfür auch still schweigen.‹ Das heißt also: wenn sie unmittelbar nach der Tat nicht geklagt und niemandem das mitgeteilt hatte, was ihr geschehen war, dann hatte sie die Möglichkeit der Klage verwirkt. Man würde ihr dann keinen Glauben mehr geschenkt haben. Das war eine ganz berechtigte Maßregel, denn es ist auch in früheren Zeiten vorgekommen, daß Weiber sich zu Leichtfertigkeiten verstanden, und dann später, um die Schande von sich abzuwälzen, behaupteten, es sei ihnen Gewalt angetan worden. Nach ostfriesischem Landrecht wurde als Beweis verlangt: daß die Verletzte bei der Tat geschrien haben mußte. Es ist da gesagt: ›Wan men ein frouwens person vorkräftiget, dat se schriet, ropt unde dat volk so reddet, war ir dan gescheen is openbair und darto darf man neune tuigen.‹ Es gab eine ganze Reihe ähnlicher Vorschriften zur Sicherung des Beweises. Niemals aber konnte eine Frau einfach vor den Richter treten und behaupten, es sei ihr zu einer bestimmten Zeit Gewalt angetan worden, denn man wollte unter allen Umständen sicher gehen. Das ist übrigens auch nicht auffällig, denn das alte Recht stellte auch bei anderen Straftaten ziemlich weitgehende Anforderungen an den Kläger. Der Unterschied, den man zwischen der ›handgetat‹, das heißt einem auf frischer Tat betroffenen Verbrechenden, und der ›übernächtigen Tat‹ mache, erklärt dies hinlänglich. Die Carolina bestimmte im Artikel 119: ›So jemand ein unverleumbden Ehefrauwen, Wittwen oder Jungfrauwen mit gewalt, und wider jren willen, jhr Jungfräuwlich Ehr neme, derselbig Ubelthäter hat das Leben verwirckt, und sol uff Beklagung der Benöthigten in aussführung der Missetat, einem Räuber gleich, mit dem Schwert vom Leben zum Tode gerichtet werden. So sich aber ein solches obgemelts Misshandels freffentlicher und gewaltiger weiss, gegen einer unverleumden Frauwen oder Jungfrauwen unterstünde, und sich der Frauw oder Jungfrauw sein erwehrte, oder von solcher beschwerniss sonst erettet würde, derselbige Ubelthäter sol uff beklagung der Benöthigten, in aussführung der Misshandlung, nach gelegenheit und gestalt der Person, und unterstandenen Missthat gestrafft werden, und sollen darin Richter und Urtheyler, raths gebrauchen, wie vor in andern Fällen mehr gesetzt ist‹. Es ist also wegen der vollendeten und der bloß versuchten Tat Bestimmung getroffen. Im ersteren Falle ist der Täter wie ein Räuber zu bestrafen, im zweiten nach willkürlicher Satzung. Stets galt aber nur die gegen unverleumdete Frauenspersonen begangene Tat als Verbrechen.
Das Tollste an »Gerechtigkeit« leistete sich die Pfalzgräfische Ordnung, die bestimmte, daß – im Falle der Notzucht, begangen an einem Kinde – »der Täter mit Ruten gehauen, das Mägdlein aber nach Gelegenheit der Sachen gestraft werden soll.« Das heißt, auch die Genotzüchtigte ist schuldig, selbst wenn es sich um ein armes Kind handelt – eine Heuchelei und Sinnlosigkeit, die ganz übereinstimmt mit dem zögernden Vorgehen, das die Gesetzgebung überhaupt gegen Notzüchter zeigt.
Das heutige Recht besagt (§ 176):
»Mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren wird bestraft, wer:
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.«
Und: »Mit Zuchthaus wird bestraft, wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben eine Frauensperson zur Duldung des außerehelichen Beischlafs mißbraucht, nachdem er sie zu diesem Zwecke in einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand versetzt hat.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter einem Jahr ein.«
Quantner meint in einigen kritischen Bemerkungen, er möchte die bloße Vornahme unzüchtiger Handlungen nicht mehr zur Notzucht selbst, sondern nur zu den Versuchshandlungen rechnen, »da sie nichts sind als der Anfang der Ausführung dieses Verbrechens«. Denn daß jemand gegen eine erwachsene Person durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben nichts erzwingen wollte als die Duldung unzüchtiger Handlungen, bei denen er jeden Gedanken an die Vollziehung des Beischlafs von vornherein ausgeschlossen hätte, das erschiene doch widersinnig und widernatürlich. Anders liege die Sache, wenn Kinder als Objekte des Verbrechens in Frage kommen. Immer werde nur der zu einer Gewalttat oder zu einer gefährlichen Drohung sich entschließen, der die ihm verweigerte Befriedigung seiner sinnlichen Begierden auf keine Weise zu unterdrücken vermöge. –
»Wer aber eine Frauensperson vergewaltigt, der wird sich niemals auf die bloße Vornahme unzüchtiger Handlungen beschränken, wenigstens wird dies nicht Zweck seines Vorgehens sein. Es kann sehr wohl vorkommen, daß jemand eine Frauensperson überfällt, sie zu Boden wirft, sie unsittlich berührt und dennoch den Beischlaf nicht vollzieht, weil seine Erregung eine derartige hochgradige war, daß bei ihm eine Pollution erfolgte. Dann wird man aber immer annehmen müssen, daß seine Handlung der Anfang der Ausführung war, oder man wird zu prüfen haben, ob er nicht mindestens in seiner Zurechnungsfähigkeit beschränkt war. Die unzüchtigen Handlungen allein zum Gegenstand einer Strafandrohung zu machen, das kommt mir ungefähr so vor, als wollte man im § 243, der vom schweren Diebstahl handelt, nicht das Stehlen, sondern nur das Einschleichen in fremde Gebäude, das Erbrechen von Behältnissen usw. verbieten und den Täter dafür auf zehn Jahre ins Zuchthaus senden, während doch alle diese Dinge in der Praxis, und zwar mit vollstem Rechte, nur als Anfang der Ausführung, also als Versuch, angesehen werden. So wenig man aber einem Angeklagten, der bei Nacht in ein fremdes Haus eingebrochen hat, glauben wird, er habe lediglich das Einbrechen, nicht aber den Diebstahl bezweckt, so wenig wird man auch dem, der an einer Frauensperson gewaltsam unzüchtige Handlungen vornimmt, glauben dürfen, es habe ihn nichts ferner gelegen als der Gedanke an die Beischlafsvollziehung. Man wird sich nicht darauf beschränken, den Einbrecher lediglich wegen Hausfriedensbruchs oder eventuell wegen Sachbeschädigung zu verurteilen – das freiwillige Zurücktreten von der Tat kann hier nicht in Betracht kommen. Aber da, wo wirklich mit Gewalt unzüchtige Handlungen vorgenommen worden waren, wo doch also tatsächlich der Tatbestand des § 176 al. 1 ganz erfüllt war, ist schon wiederholt dennoch die Verurteilung nur wegen tätlicher Beleidigung erfolgt, weil das Gericht selbst der Ansicht war, daß es viel zu hart gewesen wäre, in der Handlungsweise des Angeklagten ein mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bedrohtes Verbrechen zu erblicken. Auch das Reichsgericht hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß das Verbrechen gegen den § 176 mit § 185 ideell konkurrieren könne (vgl. z. B. Urteil vom 2. Juni 1893).
Ich habe es erlebt, daß in einem Falle das Berliner Amtsgericht einfach wegen Beleidigung zu erkennen hatte, obwohl der Täter ein Mädchen auf der Haustreppe überfallen, unzüchtige Handlungen und den vollendeten Beischlaf begangen hatte, die Tat also eigentlich aus § 177 hätte beurteilt werden müssen. Es war aber festgestellt worden, daß das Mädchen zwar keinen Anlaß zu einer Annäherung gegeben hatte, daß es aber durch die unzüchtigen Handlungen des Angeklagten soweit erregt worden war, daß es der Beischlafsvollziehung keinen wesentlichen (!) Widerstand mehr entgegensetzte.«
Man darf Quantner, der an anderer Stelle freilich sich sehr skeptisch über Vergewaltigung äußert, durchaus beipflichten. Der Richter urteilt gerade bei Notzuchtsdelikten sehr leicht nur als Mann. Ich möchte hier, zur Bekräftigung dieser Behauptung, ein seltsames Reichsgerichtsurteil aus den letzten Jahren erwähnen. Im Organ des deutschen Anwaltsvereins, der »Juristischen Wochenschrift«, 1926, wurde dieses Urteil des höchsten deutschen Gerichtshofes veröffentlicht. Das Reichsgericht selbst schildert den Tatbestand folgendermaßen:
»Der Angeklagte saß neben der 25jährigen Zeugin J. im Waldgebüsch auf dem Erdboden. Plötzlich legte er die Zeugin zu Boden, faßte ihr unter die Röcke, wobei ihr das Beinkleid zerrissen wurde, und griff ihr an den Geschlechtsteil. Die Zeugin wehrte sich, und es gelang ihr, aufzuspringen, worauf der Angeklagte, der sein Glied entblößt hatte, von der Zeugin abließ und diese sich entfernte. Bei seinem Vorgehen hatte der Angeklagte die Absicht, mit der Zeugin den Beischlaf zu vollziehen.« (Wohlverstanden: das betreffende Mädchen war dem Angeklagten so gut wie unbekannt!) Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten »wegen tätlicher Beleidigung« – nur wegen tätlicher Beleidigung. Der Angeklagte legte Berufung ein (!). Das Reichsgericht hob auch dieses Urteil auf, denn (wörtlich) »die festgelegte Sachlage ließ die Möglichkeit zu, daß es an dem inneren Tatbestand fehle, insofern dem Angeklagten die Rechtswidrigkeit seines Tuns nicht anzurechnen war, weil er glaubte, daß die Zeugin J. sich seinem Tun nicht ernstlich widersetzen werde.
Die Zeugin J., eine Person im Alter von 25 Jahren, konnte wirksam über ihre Geschlechtsehre verfügen, und der Angeklagte war möglicherweise des Glaubens, ein ablehnendes Verhalten der Zeugin werde nicht ernstlich gemeint sein (!).
Das Fehlen des sicheren Anhalts weist nur nach, daß eine etwaige Annahme des Angeklagten in der erwähnten Richtung sich auf unsicherer Grundlage aufbaute, nicht aber, daß sie nicht vorhanden war.«
Wenn man für die inferiore Stellung der Frau auch heute noch Beweise braucht – dieses eine Urteil genügt. In seltsamem Kontrast dazu stehen moderne Sittlichkeitsprozesse und Blutschandeprozesse. Das neue St. G. B. geht allerdings in seiner Auffassung über Notzucht viel weiter. Es sieht vor allem auch in der Ausnützung wirtschaftlicher Überlegenheit gegen eine sich sträubende weibliche Person, also in der Erzwingung des Beischlafes durch den Chef oder einer übergesetzten Persönlichkeit ein strafverschärfendes Moment, ja die Ausnützung der wirtschaftlichen Überlegenheit selbst zur Erreichung der Hingabe von Angestellten wird heute bestraft. Ganz besonders aber hat das neue Strafrecht den Beischlaf, der durch Hypnose erzwungen wird, unter Strafe gestellt.