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Ein Sittenbild aus dem Jahre 1859

Will man die Stellung des Mannes, die zu allen Zeiten überragende Stellung des Mannes gegenüber der Frau begreifen, so bietet das Leben allein das wahre unverfälschte Material. Als unsterbliches Dokument für die Einstellung des Mannes zur Liebe, zur Ehe, zum Weibe selbst setze ich das Plädoyer des Verteidigers John Graham in dem Sickles-Prozeß in Washington im Jahre 1859 hierher. Sickles hatte den Verführer seiner Frau auf offener Straße niedergeschossen. – Der Verteidiger führte aus, sich emphatisch an die Geschworenen wendend:

»Es sind wenige Wochen verflossen, seit der Körper eines menschlichen Wesens im Todeskampf auf den Straßen Ihrer Stadt gefunden wurde. Es war der Körper eines Ehebrechers. An einem Tage, der zu heilig ist, um durch weltliche Arbeit entweiht zu werden, an einem Tage, wo es verboten ist, selbst ehrbare Arbeit zu verrichten, an einem Tage, an dem er sich über die Gemeinheit seiner Natur hätte erheben sollen (!), an dem Tage, wo er, wenn er es nicht an anderen Tagen tat, seine Gedanken zum Himmel hätte richten sollen, an diesem Tage finden wir ihn, wie er in den sündhaftesten Absichten das Haus belagert, wo das Gesetz das Weib seines Nachbars zu ihrer Sicherheit und Ruhe untergebracht hat.

Der beleidigte Vater und Gatte stürzte sich auf ihn in dem Augenblick seiner Schuld, und unter der Einwirkung des Wahnsinns vollzog er an ihm ein Gericht, das ebenso gerecht als kurz war.

Der Streitpunkt, den Sie hier zu entscheiden haben, ist, ob diese Tat ihren Urheber den Gesetzen des Landes verantwortlich macht oder nicht. Bei der Entscheidung dieses Streitpunktes haben Sie, meine Herren Geschworenen, ein tiefes und feierliches Interesse. Sie befinden sich hier, um den Wert des Ehebettes festzustellen. Sie befinden sich hier, um auszusprechen, wie hoch dieses geheiligte Lager von einer achtbaren und einsichtsvollen amerikanischen Jury geschätzt wird.

Sie haben zu entscheiden, ob der Verteidiger des Ehebettes ein Mörder ist!

Man könnte sagen, Sickles hätte ja, wenn auch nicht kriminalrechtlich, doch zivilrechtlich gegen Key klagen dürfen, und letzterer würde zur Bezahlung einer Geldstrafe verurteilt worden sein. Allein welches Ehemannes Wunden können durch schmutziges Geld aus den Taschen dessen, der die Wunde schlug, geheilt werden?

Dringt ein Mann wider Ihren Willen in Ihr Haus und legt sich dort auf Ihr Bett, so ist das ein rechtswidriger Eingriff, Sie dürfen den Mann mit Gewalt hinauswerfen. Liegt er aber neben Ihrer Frau und raubt ihr, was sich nicht mehr ersetzen läßt, so sollen Sie sich nach der Behauptung des Anklägers nicht wehren dürfen? O nein! Es gibt verwandtschaftliche Beziehungen, in denen das Gesetz dem einen Teile Verantwortlichkeiten auferlegt, deshalb aber auch ihm eine gewisse Macht einräumt. Solches sind die Bande zwischen Gatte und Gattin. Diese Bande beruhen auf göttlichen Gesetzen, und der Mann muß sein Weib, weil sie das schwächere Gefäß ist, schützen. Das ist sein Recht und seine Pflicht.

Ein altes Sprichwort heißt: ›Gebrechlichkeit, dein Name ist Weib.‹ Ein Mann, der die Zuneigung der Gattin eines anderen gewinnt, ist ebenso schuldig wie der, welcher sie entehrt. Des Gatten Pflicht ist es, über die Zuneigung der Gattin zu wachen, zu verhüten, daß ihre Liebe ihm nicht durch Ehebruch gestohlen werde. Die Sünde ist ebenso groß, wenn sie beistimmt, als wenn sie das Opfer der Gewalt wird. In England waren Ehebruch und Hurerei nach dem 13. Statut Eduards 1. Sünden nach dem gemeinen Recht, aber sie wurden zur Bestrafung dem geistlichen Gerichtshof überwiesen. Jetzt erklärt das britische Parlament den Ehebruch für eine Todsünde, die wegen des bedrohten Seelenheils des Ehebrechers geistlich zu strafen ist.

Urteilen Sie, daß ein Mann, der dem Ehebrecher das Leben nimmt, das seinige verwirkt haben soll, so führen Sie den schwersten Schlag gegen die Sittlichkeit, der jemals auf diesem Festlande von einer amerikanischen Jury geführt worden ist.

Die Person und der Leib der Frau sind Eigentum des Mannes, die Frau hat gar kein Recht, dieses Eigentum zu vergeben und in ihre Entehrung einzuwilligen, tut sie es dennoch, so hat der Mann gegen den Ehebrecher das gleiche Recht wie gegen den Menschen, der seiner Frau Gewalt antut.

siehe Bildunterschrift

Schwarze Messe
G. Smit

Als der Allmächtige einen tiefen Schlaf auf Adam fallen ließ und eine von seinen Rippen nahm und daraus das Weib bildete, brachte er sie zu Adam und Adam sprach: ›Das ist das Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Man wird sie Männin heißen, darum sie vom Manne genommen ist. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden ein Fleisch sein.‹ Dieselbe Sprache führt der Heiland gegen die Pharisäer: ›So sind sie nun nicht zwei, sondern ein Fleisch. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.‹

Das sechste Gebot lautet: ›Du sollst nicht ehebrechen‹, und das zehnte: ›Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib‹. Im 3. Mos. 20. 10 und 5. Mos. 22 ist die Strafe für den Ehebruch festgestellt und gesagt: ›Wer die Ehe bricht mit jemandes Weib, der soll des Todes sterben, beide, der Ehebrecher und die Ehebrecherin.‹

siehe Bildunterschrift

Orchideen
J.J. Vrieslander

Die größte Verletzung, die ein Mann dem anderen zufügen kann, ist die Schändung seines Weibes. Der Ehebrecher bringt unechte Leibeserben in die Familie, er vermischt die rechtmäßigen Kinder mit Bastarden. Das ist genug, um einen Mann rasend zu machen. Kann aber ein Mann, der bis zum Wahnsinn gereizt wird, verantwortlich gemacht werden für das, was er unter dem Einfluß des Wahnsinns tut?«

Die Geschworenen sprachen Sickles frei.


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