Verner von Heidenstam
Die Schweden und ihre Häuptlinge
Verner von Heidenstam

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XXVII. Die Schlacht auf dem Brunkeberg

(1471)

Steu Sture reitet zum Kampf

In der Nacht des 10. Oktober 1471 loderten unzählige Feuer auf dem Brunkeberg. Der tapfere König Christian, der Stammvater des oldenburgischen Hauses, hatte mit seinen Dänen da ein Lager aufgeschlagen, um Stockholm zu erobern und Schweden in seine Gewalt zu bekommen. Hinter den Schanzkörben putzten die Soldaten ihre Schußwaffen. Die größten Kanonen, die Hauptstücke, waren prächtig verziert mit grinsenden Gesichtern und gähnenden Löwen. Einige waren lang und schmal wie Schlangen und wurden deshalb Serpentinen und Schlangen genannt. Die Knechte hoben sich lustig auf die Zehen, schlugen mit den Schuhsohlen drauf und hatten einen Kosenamen für jede einzelne Kanone. »Du Wolfshund!« riefen sie einem großen Mörser zu, der zu den Sternen hinaufgähnte. »Morgen gilt es, dir zu huldigen und sich vor dir zu beugen. König Christian hat gelobt, morgen werde er Sten Sture wie einen kleinen Jungen mit Ruten züchtigen.«

Vor dem Königszelt saß König Christian, ritterlich und von hoher kräftiger Gestalt, umgeben von den vornehmsten Adeligen Dänemarks, die sich durch tägliche Waffenspiele geübt und abgehärtet hatten. Über ihm flatterte das rote Tuch des Danebrogs mit seinem weißen Kreuz, das ruhmreiche Banner, das einstmals unter einem Kampfe vom Himmel herabgeschwebt war.

Weiter gen Norden war der Kamm des Brunkebergs dunkel und bewaldet. Dort lag eine Kapelle des heiligen Georg und ein Krankenhaus für Aussätzige. Wenn diese Kranken auf den Höhen umherwanderten, mußten sie immer eine Schnarre oder eine kleine Glocke schwingen, damit die Gesunden beizeiten entfliehen konnten. In dieser Nacht konnten nicht viele von diesen bedauernswerten Kranken in dem düstern Hause schlafen.

Als der Tag graute, blinkten Stahlhelme auf dem Wege von Järva. Sten Sture und seine Bauernscharen hörten dort die Messe und beichteten. Da glaubten sie zu sehen, daß von dem Christus am Kreuz auf dem Altar Blut herabrieselte. In der festen Überzeugung, für eine gerechte Sache zu streiten, sprangen sie auf und ergriffen die Waffen. Als Erkennungszeichen wickelten sie Stroh und Laub um ihre Helme. In diesem Augenblick kamen dreizehnhundert geharnischte Ritter als Hilfstruppen aus der Stadt über den Königsholm dahergezogen. Dann ritt Sten Sture herbei und hielt eine Ansprache an das Heer. Er war ein Hauptmann nach dem Sinne des Volkes: klug, zuverlässig, gerecht und gewissenhaft, und die Bauern fühlten, daß er ihr Freund war.

»Wenn ihr je wieder Frieden in Schweden haben wollt,« sagte er, »so steht heute fest zu mir, ohne zu weichen und zu wanken.«

»Das werden wir mit Gottes Hilfe!« beteuerten alle miteinander und erhoben die Hände. Sie stießen mit lautem Feldgeschrei die Schilde aneinander und zogen dann unerschrocken dem Sandhügel zu, während sie sangen:

In Gottes Namen streiten wir –
Nur seine Gnad uns führe hier!
Nach Stockholm jetzt wir ziehn –
Laß Christian nicht entfliehn!

Die Pfeile wurden fleißig auf die Bogen gelegt, und wer eine Handbüchse hatte, brannte sie mit der Lunte ab. Langsam stieg das schwedische Reichsbanner zwischen den Föhren aufwärts, und tausendstimmig sangen die Bauern das Lied vom heiligen Georg. Aber die Dänen hatten einen besseren Standpunkt; bald schwankte das schwedische Banner und mußte wieder den Hügel hinabgetragen werden. Noch ein zweites Mal rückten die Bauern vor und kämpften mit Speer und Schwert; aber sie mußten wiederum weichen. Da dachte Sten Sture, er wolle mit dem Feinde lieber auf offenem Felde zusammentreffen, und so zog er gegen die Dänen, die beim Sankt Klara-Kloster standen. Vor seinem Pferd her lief ein breitschultriger Bauer, der starke Bär genannt, und bahnte ihm den Weg mit gewaltigen Hieben.

Von den Schweden hart bedrängt, mußten sich die Dänen unter heftigem Kampf den Hügel hinauf zurückziehen. Da wogte ihnen Feuer und Rauch entgegen. Ihre Schanzwerke brannten! Unter dem mutigen Knut Porse waren sie von den Bürgern der Stadt gestürmt worden. Mitten im heißesten Streit stand König Christiern in seiner glänzenden Rüstung und kämpfte wie ein Held. Mit eigener Hand schlug er Knut Porse nieder, daß dieser eine Weile wie tot auf dem Boden lag. Aber schließlich war er selbst so stark verwundet, daß ihm das Blut aus dem Munde quoll und ihn seine Mannen vom Schlachtfelde wegführen mußten.

Seltsame Streifen zeigten sich am Himmelsgewölbe, und die Schweden riefen: »Das ist das Schwert des heiligen Erik!« Die beiden Reichsfahnen waren nun aufeinander gestoßen. Fünfhundert dänische Edelleute lagen blutend um den Danebrog her, als die Schweden schließlich die heilige Fahne an sich rissen und sie auf die Erde neigten.

Als aber nun der Feind auch im Rücken von einer schwedischen Schar angefallen wurde, die indessen um den Berg herum und durch den Wald auf der Nordseite herangezogen war, entflohen die Dänen, in riesige Staubwolken gehüllt, nach dem Blasienholm hinunter. In wilder Flucht stürmten sie auf eine Brücke, die über den Neckstrom führte. Sie war aber heimlich von Schweden durchsägt worden, und so stürzte der ganze Haufe mit lautem Getöse ins Wasser. Wer noch nicht gefallen oder ertrunken war, mußte die Waffen strecken und sich auf Gnade oder Ungnade ergeben. An diesem Tage kam also Sten Sture ohne die ihm von König Christiern angedrohten Schläge davon.

Angstvoll klopfenden Herzens hatten die Frauen und Jungfrauen vom Stockholmer Schloßturme die Schlacht beobachtet. Mit Freudentränen eilten sie hinunter, Freunde und Verwandte zu begrüßen, die jetzt mit Sten Sture dahergezogen kamen. Hoch und nieder umarmte sich, und die Kirchenglocken läuteten. Unter Gesang und Gottesdienst dankten die Schweden Gott und dem heiligen Georg für diesen Sieg, der ihr Land gerettet hatte.

Freiwillige Gaben wurden eingesammelt; und davon wurde später im Dom der wundervolle heilige Georg mit dem Drachen aufgestellt, der bis zum heutigen Tage sein Schwert noch nicht gesenkt hat. Sten Sture wurde dann ein weiser Reichsverweser. In seiner Zeit wurde das erste Buch in Schweden gedruckt und in Uppsala die erste Hochschule des Nordens gegründet. König Christiern fand es am klügsten, bis auf weiteres, seine Ruten im Walde wachsen zu lassen. Aber nach seinem Tode hatte Sten Sture viele Kämpfe mit dessen Sohn Hans auszufechten, der sogar zum König von Schweden gekrönt wurde. Die dänische Königin wurde schließlich im Stockholmer Schlosse eingeschlossen, wo sie sich wie ein Mann verteidigte. Erst als die Gewölbe und Keller voller Toten lagen, ergab sie sich.

Sten Sture begleitete sie bis an die Landesgrenze, aber auf dem Heimwege erkrankte er und starb. Da verkleidete sich der Stadtvogt als Kaufmann und führte den in Felle gehüllten Leichnam auf einem Schlitten heimlich nach Stockholm. Ein Diener, dessen Gestalt und Haltung an Herrn Sten erinnerte, mußte die Kleider und die Ritterkette seines verstorbenen Herrn anlegen und sich auf dessen Pferd setzen. Der alte Reichsverweser war oft von einer Augenkrankheit geplagt gewesen. Deshalb band sich der Diener eine Binde um die Augen, und in jeder Nachtherberge verdunkelte er das Zimmer und ging sogleich zu Bett. Das Unglück, das die Schweden durch den Tod ihres Reichsverwesers betroffen hatte, wurde dadurch erst bekannt, nachdem der Leichnam in Stockholm angelangt war. Bis dahin hatten die schwedisch gesinnten Großen Zeit gehabt, die Angelegenheiten einigermaßen zu ordnen und zu regeln, und als Reichsverweser wurde Herr Svante Nilsson gewählt, dessen Vater der Freund und Waffenbruder des alten Herrn Sten gewesen war und der überdies mütterlicherseits von einem Ritter namens Sture abstammte.

Im Dome zu Strängnäs ist Sten Stures Grab, und Schweden hat nie aufgehört, diesen Helden als einen seiner größten und edelsten Männer zu ehren.


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