Verner von Heidenstam
Die Schweden und ihre Häuptlinge
Verner von Heidenstam

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

III. Adils und seine Goldschmiede

(Im sechsten Jahrhundert n. Chr.)

Adils in seinem Königssaal

Die Ankunft an Adils Hof

Zwischen schroffen Bergwänden breitete sich dicht überwachsenes Moor aus, auf dem man nicht einmal mehr mit einem Einbaum herumplätschern konnte. Nun konnten die um das Moor ansässigen Waldbewohner zwar keine Fische mehr aus dem braunen Wasser herausziehen, aber sie merkten bald, daß aus dem Moore noch etwas anderes zu holen war, das ihnen nützlich sein könnte, nämlich Klumpen und Schollen rostigen Sumpferzes.

Während des Sommers versammelten sich deshalb eine Menge Schmiede an dem Sumpf, sie wohnten da in Reisighütten, die sie sich am Ufer errichteten. Sie schleppten mittelgroße Felsblöcke herbei, stellten sie in einem Kreise auf und bauten sich Schmelzöfen. In diese legten sie schichtenweise Brennholz und Erzklumpen, machten ein Feuer darunter und pusteten mit dem Blasbalg so lange drauf los, bis das Erz zu kleinen Brocken zusammenschmolz, die mit den Schmiedehämmern von den Schlacken losgebrochen und dann gehämmert, geschweißt und geschmiedet wurden.

Das ganze Arbeitsfeld wurde von einem Großschmied geleitet, der weit berühmt war und Tole hieß. Er hatte einen Lehrling, der hieß Öjar.

»Jetzt ist das Eisen in die Welt gekommen!« rief Öjar eines Tages und schlug mit dem Hammer drauf los, daß die Funken sprühten und bis in die Tannenwipfel hinaufstoben.

»Es gibt auch noch anderes, was in die Welt gekommen ist, und zwar schon vor langen, langen Zeiten, obgleich es euch neu sein wird,« erwiderte Tole, indem er die andern Schmiede zu seiner Hütte herbeirief.

Da lagen Helme aufgestapelt, die Tole mit Bronzeschildern geziert hatte, sowie ausgezeichnete Schwerter. Und die Schätze in Toles Schmiede waren nicht nur mit Ringen und Strichen verziert, Tole hatte es verstanden, künstlerisch ineinanderverschlungene Tierwesen und überdies auch Streiter und Götter darauf abzubilden. Aber nichts von all diesem wollte er heute seinen Mannen zeigen, sondern er streckte die Hand aus, in der zwei gelbe Körner lagen.

»Dies hier ist Gold,« sagte er zu den Umstehenden, »das ist das Kostbarste, was es gibt. Wenn ich nur so viel davon hätte, als meine Hand fassen kann, könnte ich mir die größte Halle mit Säulen und Hochsitz erbauen, und Häuptlinge würden meine Freundschaft suchen.«

Öjar war auch herbeigelaufen und hörte neugierig zu. Da wendete sich sein Meister an ihn und sagte:

»Wie oft schon habe ich dir von König Adils und dem an Gold reichen Uppsala erzählt, wo Gold und Kupfer in die Grabhügel geworfen wird. König Adils eiserner Speer ist mit Gold eingelegt und sein Schwertgriff ganz mit Gold überzogen; Gold glänzt an seinem Helm, Gold an seinem Trinkhorn, und wenn er mit seinen Mannen zusammensitzt, schüttelt er die Würfel in einem goldenen Becher.« Hier machte Tole eine Pause, um sich an der Verwunderung seiner rußigen Zuhörer zu ergötzen. Dann fuhr er fort:

»Heil dir Adils, Skilvingasohn, der mächtigste unter Sveas Männern! Er hat mir diese Körner hier geschickt. Mehr als diese wagte er nicht in unsere Einöde zu senden. Er wollte wissen, ob ich es mir getraue, solches Metall zu verarbeiten, und ob ich ihm den berühmten Ring Sveagris wieder herstellen könnte. Öjar, mein Lehrling, eile du voraus nach Uppsala und melde, daß ich kommen werde. Du weißt, es geht nur langsam bei mir, weil ich auf einem Bein hinke.«

Öjar tat einen Freudensprung und machte sich barfuß, wie er war, sofort auf den Weg.

Spät am Abend kam er in Uppsala an und wanderte suchend zwischen den Häusern umher; schließlich wählte er sich eine Schlafstätte in einer Scheune.

Fast noch im Einschlafen träumte er schon von dem Golde, wovon Tole gesprochen hatte. Das Heu stach ihn in die Beine und durch den großen Schlitz seines Hemdes, daß er bald wieder erwachte. Und als er dann aufs neue einschlief, sah er gleich lauter Gold vor sich; doch wieder stach ihn das Heu, daß er abermals auffuhr. Ärgerlich stand er schließlich auf und trat vor die Scheune.

Der Himmel erglühte in rotem Schein, obgleich es mitten in der Nacht war, und unter dem Opferbaum gingen einige Männer stumm auf und nieder und rechten den Platz. Öjar redete sie an, aber sie legten den Finger auf den Mund und flüsterten:

»Thors Tag bricht an. Weißt du nicht, daß es verboten ist, an diesem heiligen Tag laut zu sprechen, oder unnötige Worte zu wechseln? Suchst du aber die Opferquelle, Schmied, dann findest du sie dort drüben hinter dem großen Baume.«

Danach kümmerten sie sich nicht mehr um Öjar, sondern arbeiteten weiter mit ihren Rechen. Öjar aber ging neugierig zu der Quelle hin und sah da, daß der Boden im Wasser mit schimmernden Kostbarkeiten bedeckt war, die da hineingeworfen worden waren.

Öjar füllte rasch seine Hände mit Wasser und wusch sich das Gesicht damit, obgleich der Ruß herabtropfte und die Quelle trübte. Seine Haut war indes vom jahrelangen Ruß geschwärzt, und sein Gesicht blieb fast so schwarz wie vorher.

»Wenn man sich mit solchem Wasser wäscht, muß einem wunderbare Kraft verliehen werden,« murmelte er. »Ihr guten Wassergeister, die ihr diese Quelle bewachet, ich habe nur einen Wunsch, mit welcher Strafe meine Tat auch immer geahndet werden möge, nämlich recht oft Gold in meinen Händen zu halten.«

Als er die Quelle verließ, fühlte er sich kecker und stärker denn zuvor, und sobald es heller Tag war, ließ er sich das Königsschloß zeigen.

Über ganz Uppsala lag eine düstere Stille, denn es war Thors Tag. Niemand durfte außerhalb des Hauses eine Arbeit oder sonst eine häusliche Beschäftigung vornehmen, weder zetteln noch weben, weder spulen noch Garn winden. Der Mühlstein wurde an diesem Tage nicht im Kreise gedreht, und niemand fuhr in einem Wagen. Aber überall war gescheuert und gekehrt, denn in der nächsten Nacht konnte es geschehen, daß Tor oder auch Freja selbst zu Besuch kamen, und dann hörten die Hofbewohner diese die ganze Nacht hindurch spinnen, bis der Morgen graute.

Alle im Königssaale sahen sehr ernst aus, und Adils saß groß und finster neben der Feuerstelle. Obgleich es Sommer war, brannte doch ein schwaches Feuer zum Reinigen der Luft und zum Schutz gegen böse Geister im Saale. Adils war reich geschmückt, und sein braunes Haar war über die Schultern heruntergekämmt. Seine Gattin Yrsa war eben damit beschäftigt, es ihm zu schneiden mit einer breiten eisernen Schere, wie man sie heute noch auf dem Lande findet und die Wollscheren genannt werben. Mit solchen Scheren wurde in jenen Zeiten das Haar der Könige geschnitten.

Adils ließ seine Augen streng auf Öjar ruhen und drückte den Finger auf den Mund, zum Zeichen, daß er nicht laut reden dürfe. Aber Yrsa flüsterte er zu:

»Ich errate, daß dieser Mann der große Schmiedemeister Tole ist, nach dem ich geschickt habe. Übergib ihm den Ring Sveagris, damit er ihn zusammenschweiße. Und schenke ihm auch von meinen eigenen Kleidern. In einem so ärmlichen Hemde darf sich ein so großer Künstler nicht in meinem Hofe sehen lassen. Er soll der Oberste meiner Goldschmiede werden.«

Yrsa öffnete eine Truhe, nahm einen goldenen Armring heraus, sowie Adils schlechteste Kleider, denn sie wußte recht wohl, wie geizig ihr Gemahl war. Die Sachen im Arm ging sie auf die Tür zu. Der Saal war sehr lang, und als sie endlich vor Öjar stand, sang sie leise, daß Adil es nicht hören konnte:

»Schmied' ein Schwert meinem Sohn,
Dem schlagfertigen Held,
Der in der Herberge sitzet.
Warn' ihn und hüte dich!
Die Felldecken richten sich auf,
Die Säulen verdrehen die Augen!«

Das waren dunkle Worte, aber Yrsas Stimme klang überaus traurig und aufrichtig. Umherziehende Handelsleute hatten Öjar oftmals von dem Königshofe und von Yrsa erzählt. Yrsas erster Gemahl war in einem Kampfe gegen Adils gefallen, dann hatte dieser die Witib mit sich fortgeführt, obgleich sie ihm nur gezwungenerweise ihr Jawort gegeben hatte. Ihr Sohn aus erster Ehe, der große Heldenkönig Rolf Krake von Lejre auf Seeland, war nun mit seinen zwölf besten Mannen eingetroffen. Der saß jetzt in der Herberge und wartete auf die Herausgabe seines väterlichen Erbes, das ihm Adils vorenthielt. Deshalb nahm Öjar schweigend den Ring Sveagris und die Kleider in Empfang und ging damit in die Hofschmiede.

Bald darauf entstand ein schrecklicher Tumult an der Tür des Königssaales. Der rechte Tole stand davor, der den weiten Weg von dem Moor bis Uppsala nur langsam zurückgelegt hatte. Als er seinen Sack mit den Hämmern und anderm Handwerkszeug vom Rücken warf, war es, als fahre Gott Thor selbst mit seinem Donner über die Schwelle.

Adils gebot ihm mit einem Wink, sich still zu verhalten; aber Tole hatte nun so viele Jahre lang, in guten sowohl als in schlechten, den dröhnenden Hammer geführt, daß er nur schwer verstand, wenn jemand leise sprach. Er hinkte heran auf seinem kurzen Bein und machte bei jedem Schritt eine halbe Drehung. Dazu strich er mit der Hand an seinem Hemde auf und ab, um den Ruß wegzuwischen. Und dann hielt er die Hand hinters Ohr und schrie so laut er konnte, er verstehe kein Wort.

Da vergaß sich Adils, und er sprang auf.

»Soeben habe ich den großen Schmied Tole mit all der Ehre empfangen, die einem so berühmten Künstler zukommt,« sagte er. »Aber dies hier ist ein Sklave, den er mitgenommen hat, und der jetzt den Thorstag bricht, weil er meint, er soll auch prächtige Kleider bekommen. Schweig, keine Widerrede! Führt ihn in die Schmiede und fesselt ihn mit einer Kette an die Wand, bis er sich bessere Hofsitten angewöhnt hat. Dort soll er mit einfacheren Goldschmieden Tag und Nacht solche Arbeit verrichten, wozu er taugt, aber laßt ihn mir nie wieder vor Augen kommen!«

Da hob Tole seinen klirrenden Sack auf, warf ihn wieder über die Schulter, und die Wächter führten ihn in die Schmiede. Dort legten sie ihm eine schwere Kette um den Fuß und fesselten ihn an die Wand.

In der Schmiede

Öjar war zu hochmütig geworden, um seinen früheren Meister zu begrüßen. Ihm den Rücken zukehrend, stand er am Amboß und versuchte den Ring Sveagris zusammenzuschweißen. Aber er war kein ausgelernter Schmied und mußte den Ring Tole überlassen.

»Schmiede auch zwölf gute Schwerter!« befahl er ihm kurz, während er selbst Adils Kleider anzog. Sie waren immerhin sehr schön, obgleich es die schlechtesten in der Truhe gewesen waren. Öjar wußte nur nicht, wie er sie anziehen sollte. Unten an den Beinkleidern saßen kurze Strümpfe. Aber das gefiel ihm nicht, und er riß die Strümpfe ungeduldig ab, denn er wollte barfuß gehen, wie er es gewohnt war. Und besser ging es auch nicht mit dem Mantel. Dieser sah auf der inneren Seite viel prächtiger aus als auf der äußeren, und so hing Öjar ihn verkehrt um, mit dem Futter nach außen. So warm war er noch nie bekleidet gewesen, die hellen Schweißtropfen standen ihm auf der Stirne, und er ergriff einen großen mit Wasser gefüllten Eimer, um zu trinken. Als er ihn jedoch begehrlich an seine trockenen Lippen führte, schnürte sich ihm der Hals zusammen, und er konnte keinen Tropfen schlucken. Er versuchte es mehreremale, aber es war, als preßten ihm unsichtbare Hände die Kehle zu.

»Die erzürnten Wassergeister strafen mich, weil ich ihre Quelle verunreinigt habe,« dachte er erblassend und stellte den Eimer weg, noch ebenso durstig wie vorher.

Die andern Schmiede schürzten die Lippen und sahen ihn grimmig an, wagten aber doch nicht, mit Adils Günstling offenen Spott zu treiben. Auch Tole sagte nichts, sondern dachte nur:

»Sage ich die Wahrheit und man glaubt mir, dann nimmt ihm Adils das Leben. Glaubt man mir aber nicht, dann nimmt er es mir. Kenn ich dem Hörensagen nach Adils recht, dann läßt er uns beide töten, sobald er in Zorn gerät. Deshalb ist es wohl am besten, ich schweige.«

Und Tole schwieg; er schwieg, während er schmiedete, und schwieg auch, wenn er sich auf dem Hammerstiel ausruhte. Deshalb sprachen auch die andern nicht mit ihm – ausgenommen ein einzigesmal, und zwar in der ersten Nacht.

Während Tole an dem Ring Sveagris arbeitete, verbreitete dieser einen wunderbar hellen Schein, der durch die Hände des Schmieds drang, daß sie wie durchsichtig wurden. Nachdem Tole dann den Ring leicht und gewandt zusammengeschweißt hatte, hängte er ihn zwischen die vielen fertigen und halbfertigen Goldschmiedearbeiten, die rings an den Wänden an Nägeln aufgehängt waren. Der Ring leuchtete ununterbrochen hell wie eine Lampe, und Tole hämmerte weiter an seiner Arbeit.

Da sagte plötzlich einer der Goldschmiede: »Höre, du alter Grobschmied. In früheren Zeiten zog Adils weit umher auf siegreichen Vikingerzügen, aber immer meinte er, sich noch nicht genug Ruhm erworben zu haben, obgleich er der Mutigste aller Männer und ein gefürchteter mächtiger König geworden war. Als er nun seine Jugend dahinschwinden sah, ohne daß er sich einen so großen Heldennamen erworben hatte, wie mehrere seiner Vorfahren in demselben Alter, verdüsterte sich sein Gemüt.«

»Ich glaube, ich habe davon gehört,« sagte Tole, indem er ein glühendes Eisen auf den Amboß legte.

»Da geschah etwas, das mich jetzt noch erzittern läßt, wenn ich davon rede,« fuhr der Schmied fort. »In Vendel, eine Tagereise von hier entfernt, haben viele von Adils Vorfahren und Verwandten ihre Ruhestätte erhalten. So gleißende Häuptlingshelme und blendende Schätze, wie in Vendel die Erde bedeckt, sind wohl an keinem andern Orte in ganz Nordland niedergelegt worden. Eines Abends, als Adils dort vorüberschritt, sah er, daß aus dem vornehmsten Heldengrab etwas hervorschimmerte, und als seine Mannen die Erde wegschaufelten, drang ihnen ein wunderbar heller Glanz entgegen, daß sie eine ganze Weile wie geblendet davor standen.«

Tole vergaß seine Arbeit; er legte die Zange weg und lauschte mit gespanntem Ohre.

»Von seinen Waffen umgeben und den Helm auf dem Kopf, lag der tote Held langausgestreckt in einem Boote,« fuhr der Schmied fort. »Um seinen Arm schlang sich ein Ring, dessen beide Enden wie ein Rüssel geformt waren, und von diesem Ring ging der Glanz aus, der die andern Kostbarkeiten überströmte. Dieser Ring war der Sveagris dort drüben. Er hatte schon viele, viele Jahre im Grabe gelegen und da allmählich den hellen Glanz bekommen. – ›Dies ist ein geheiligter Ort und ein Sveakönig ist kein Grabschänder,‹ sagte Adils. ›Aber ich deute dieses als einen Wink von den schweigenden Schatten, daß sie mir den Ring Sveagris als ein Erbstück schenken wollen, damit ich ihn als ein Zeugnis von der Macht der Skilvingar tragen soll.‹ – Damit legte er den Ring um seinen Arm und gelobte den Schatten, alle anderen Könige wenigstens an Reichtum und Gold zu überstrahlen. Schmiede nun und hämmere, so viel du willst, Alter, das stört uns nicht, aber hänge auf eine Seite einen Schinken vor Sveagris, sonst läßt uns der helle Schein nicht schlafen.«

Tole tat, was von ihm verlangt wurde, und Tag und Nacht schmiedete er nun kunstreich Schwert um Schwert.

Die Saat auf der Fyrisau

Ehe Rolf Krake nach Uppsala ritt, saß er zur Winterzeit ruhig in Lejre mit seinen Berserkern. Auf dem Hofe in Lejre lag ein großer Stein, und wer immer Rolfs Dienstmann werden wollte, mußte diesen Stein aufheben können. Dicht neben dem Hochsitz saß der riesenhafte Held Svipdag, der allein so viel ausrichtete, wie zwölf Berserker zusammen. Er war früher einer von Adils Streitern gewesen, war es aber überdrüssig geworden, einem so geizigen Herrn zu dienen.

Bald fand sich auch der ebenso berühmte Bodvar Bjarke von Norwegen ein.

Als Bodvar zu Lejre in den Saal trat, kauerte in einem Winkel ein elender schwacher armer Junge hinter einem Haufen Knochen, dem die Mannen am Tische ihre abgenagten Knochen zuwarfen. Bodvar nahm den Jungen mit sich, obgleich er an allen Gliedern zitterte, und stellte ihn hinter seinen Sitz. Als die Knochen nun wieder herbeisausten, fing Bodvar einen großen Schenkelknochen auf, der ihn beinahe selbst getroffen hatte, und schleuderte ihn mit solcher Gewalt dem, der ihn geworfen hatte, an die Stirne, daß er tot umfiel. Hierauf gab er seinem Schützling Kleider, ließ ihn das Blut eines erlegten wilden Tieres trinken und nannte ihn Hjalte. Von diesem Tage an war Hjalte ebenso mutig und stark wie die andern.

Mit solchen Streitern zog Rolf Krake nach Uppsala. Die Mannen folgten ihm gerne, denn er war leutselig, freigebig und gerecht und ebenso sanftmütig gegen die Schwachen wie furchtbar gegen seine Feinde. Sie wußten, daß Adils ein zauberkundiger Opferer war, aber Yrsa half ihnen glücklich über die Falltüren und andere Hinterhalte im Königshof hinweg, und nun saßen sie alle zusammen in der Herberge.

Es war ein langer Saal, in dem die Pfosten mit bemalten Frauengesichtern verziert waren und hinter den Schlafbänken überall Felldecken lagen. Die Männer übergossen sich mit eiskaltem Wasser, oder hielten die bloßen Arme über das Feuer, um sich abzuhärten. Schließlich nahmen sie ihre Waffen zur Hand, schlugen laut und fröhlich aufeinander ein, ohne sich zu verwunden, denn Schlag wurde von Schlag aufgefangen.

Öjar trat unter die Tür mit den zwölf Schwertern beladen, die Tole geschmiedet hatte. Er hatte sich wohl überlegt, was er hier sagen wollte.

»Ich bin der Großschmied Tole,« wollte er sagen. »Sieh, was ich dir angefertigt habe, König Rolf. Bezahle mich nun freigebig.«

Aber statt dessen schleppte er jetzt nur die Schwerter auf die Schwelle und konnte kein Wort über die Lippen bringen. Noch niemals hatte er vor einem Helden gestanden, und die Luft um ihn her schien plötzlich reiner und höher zu werden. Rolf erschien ihm so stark, und dabei doch so offen und gut, vor solch einem Manne mußte jede Unwahrheit verstummen. Seine Nähe allein übte eine wunderbare Macht aus, und zum erstenmal fühlte Öjar seine eigene Kleinheit und Nichtigkeit. Da fiel ihm plötzlich Yrsas Warnung ein, und er rief:

»Held! Held! Die Felldecken richten sich auf, und die Säulen haben Augen!«

»Ich sehe dir an, daß dies das einzige Wahre ist, was du seit langer Zeit gesprochen hast,« erwiderte Rolf und teilte sogleich die Schwerter unter seine Mannen aus mit den Worten: »Eure eisernen Stecken sind beim Spielen stumpf geworden, und wenn ich mein eigenes gutes Schwert Skavnung nicht hätte, wäre ich froh, wenn ich unter diesen Waffen wählen dürfte.«

Dann trat er hinter die Schlafbänke und schlug mit dem flachen Schwerte tüchtig auf die Felle los. Da richteten sich diese auf, und unter ihnen hervor krochen Adils Diener, die darunter im Hinterhalte gelegen hatten. Unter lustigem Spott trieb Rolf sie zum Saale hinaus. Dann schlug er auf die Pfosten, die einen hohlen Ton von sich gaben, und richtete alsdann die Spitze seines Schwertes auf die Augen der geschnitzten Gesichter. Diese zuckten und blinzelten, und statt der Augen zeigten sich nur noch zwei leere schwarze Löcher. Adils Abgeschickte hatten sich mit ihren Waffen in den Säulen versteckt gehabt, und die im Saale Befindlichen hörten nun unter dem Boden ein Wühlen und Scharren, wie von fetten Maulwürfen, die sich durch ihre unterirdischen Gänge hindurchzwingen.

Aber kaum war es unter der Erde still geworden, als durch die Lichtöffnungen im Dache ein so dichter Feuerregen herein wirbelte, daß die Funken umherstoben, wie die Flocken eines Schneegestöbers. Adils Mannen hatten die Saaltür von außen verrammelt, rings um das ganze Gebäude Holz aufgeschichtet und es angezündet. Der Rauch drang von allen Seiten herein, und die Helden waren in Gefahr zu ersticken. Da galt es einen raschen Entschluß! Auf Bodvars Vorschlag stellten sich alle an der Saaltür auf, drückten mit ihren Rücken die Zimmerbalken hinaus und bahnten sich dann mit großen Sätzen einen Weg durch die Flammen.

In erster Linie wendeten sie sich dem Stalle zu, wo sie ihre Pferde eingestellt hatten. Aber Adils hatte den Pferden die Schwänze abhauen lassen und sie auf das schändlichste zugerichtet. Da nahmen die Helden Adils zwei vorzüglichste Pferde Slungarn und Korpen, die ihm sehr teuer waren, sowie andere gute Springer, warfen sich darauf und ritten auf die Straße. Hier wimmelte es von bewaffneten Männern.

Indessen eilte Yrsa mit einem großen silbernen Horn, das sie mit Adils Kleinoden gefüllt hatte, in die Schmiede. Noch war es nicht ganz bis zum Rande voll geworden. Sie nahm die goldenen Schmiedewaren, die an der Wand hingen, herunter, und ganz oben darauf legte sie den Ring Sveagris.

»Ich lese Ehrlichkeit in deinen Augen,« sagte sie atemlos und schluchzend zu Tole. »Dies ist das väterliche Erbteil, das nach Recht und Gerechtigkeit meinem Sohne gehört. Übergib es ihm, wenn er vorüberstürmt.«

Yrsa hatte kaum Zeit, den Schleier um sich zu schlagen und in das Königsschloß zurückzukehren, als der Kampflärm auch schon näher kam. Da trat Tole so nah an die Tür, als ihm die Kette um seinen Fuß erlaubte, und streckte das Horn hinaus.

»Krake nennen wir einen abgezweigten kleinen Baumstamm, und wie ein solcher siehst du aus, du, der du an der Spitze reitest!« rief er Rolf Krake zu.

Und während er ihm das Horn reichte, sagte er ihm, von wem es komme. Rolf nahm das Horn, bezeugte aber keine Freude darüber, sondern murmelte, es wäre ihm lieber gewesen, wenn der Schmied seine Mutter zu ihm auf den Sattel gehoben hätte.

Als Rolf eine Strecke weit auf die Fyrisau hinaus geritten war, sah er Rauchwolken aufsteigen, die bald die Hügel von Uppsala verhüllten. Speere und Helme blitzten auf, und Adils, der düstere Asensproß, jagte selbst mitten in der Reiterschar auf seinem wildesten Renner daher.

»Nun werde ich auf der Fyrisau eine Saat säen, die die Sveamänner rasch ernten werden,« höhnte Rolf und streute das Gold aus dem Horn auf den Weg.

Die Sveamänner sprangen auch gleich von ihren Pferden und hoben die Kleinode auf, obgleich Adils rot vor Zorn ihnen zurief, sie sollten weiter reiten. Adils war nun der vorderste seiner Schar, aber als er schon so nahe war, daß sein Renner Rolfs Pferd in die Lenden biß, warf Rolf auch den schimmernden Ring Sveagris auf den Boden. Da konnte Adils nicht mehr widerstehen; er bückte sich, um den Reif mit dem Speer zu erreichen.

»Huldvoller ist Yrsa gegen König Rolf gewesen als gegen mich!« seufzte er.

»Jetzt habe ich dem reichsten unter den Sveaern den Rücken gebeugt!« rief Rolf und versetzte Adils einen schimpflichen Hieb von hinten unter den Rücken. Dann hob er selbst Sveagris auf und entkam unbeschädigt mit seinen Mannen.

Adils konnte sich nicht im Sattel halten. Er mußte sich herunterheben lassen und vorgebeugt im Gras stehen, während seine Wunde verbunden wurde. Neben ihm saß Öjar mit seinem zusammengerafften Gold, das er in seinen Mantelzipfel gebunden hatte, und versuchte aus dem Graben zu trinken. Aber wieder schnürte sich ihm der Hals zusammen, und er konnte nicht schlucken, obgleich er fast vor Durst verschmachtete.

Mit einem angstvollen Wimmern sprang er auf und ging mit unschlüssigen zögernden Schritten in die Hofschmiede zurück. Da blieb er vor dem Amboß stehen, legte leise seine Hand auf Toles und sagte:

»Lieber alter Meister, du, der vorzüglichste aller Schmiede, wie habe ich so undankbar gegen dich sein können, gegen dich, der immer wie ein Vater gegen uns Lehrlinge gewesen ist! Hier habe ich nun so viel Gold, daß ich es kaum zu tragen vermag, und doch bin ich der unglückseligste Mensch, der je mit dir gesprochen hat. Nimm das Gold zum Ersatz für alles, was du durch mich hast leiden müssen.«

Aber Tole schüttelte gleichgültig den Kopf und wollte in seiner Arbeit fortfahren. Doch Öjar fiel vor ihm auf die Kniee nieder, zerbrach ihm seine Ketten und küßte ihm reuevoll die rußigen Füße.

Da warf Tole schweigend seinen Sack mit dem Handwerkzeug klirrend über die Schulter und hinkte davon. Öjar sah ihm nach, und als Tole hinter den Tannen auf dem Wege nach den Reisighütten im Walde verschwand, ging er an die Opferquelle, riß seinen Mantelzipfel auf und warf mit bebenden Händen all das Gold ins Wasser hinein.

Am Abend trat er in den Königssaal. Adils lag vorgebeugt im Bett, und die Methörner standen unberührt auf dem Tisch. Alle im Saale verhielten sich schweigsam, und im hintersten Teil saß Yrsa hinter dem Vorhang, denn sie wollte den König weder sehen noch mit ihm sprechen.

Öjar stellte sich unten vor dem Bett auf.

»Adils, du bist gütiger gegen mich gewesen, als ich verdiene,« begann er. »Ich bin ein Glücksjäger und ein Dieb, während der wirkliche Großschmied Tole als Gefangener mit der Kette an die Wand geschmiedet war. Um mir den Erfolg zu sichern, wusch ich mich in der Opferquelle und trübte deren klaren Spiegel. Hast du je eine schändlichere Missetat vernommen? Der grausigste Tod, den du mir bestimmst, ist nicht Strafe genug, und entsetzlich habe ich schon gelitten von dem unauslöschlichen Durst, der mich von jenem Augenblicke an verzehrt.«

Jetzt erhob sich einer der Mannen. »Wenn ich sprechen darf, Adils,« begann er, »dann verschone deinen Günstling! Er hat nicht mehr verbrochen als wir. Hier liegst du mit deiner schimpflichen Wunde und stöhnst wie wir, und das Schamgefühl überwältigt uns, als würden wir mit schwarzem Pech übergossen. Habsüchtig haben wir das Gold zusammengerafft und es versteckt, und jetzt erwürgt uns der Durst; denn der brennendste Durst, der einen Menschen verzehren kann, ist der Durst nach der verlorenen Heldenehre!«

Adils schwieg, und keiner hob die Hand gegen den Heiligtumschänder. Die Türen blieben geschlossen, und die Harfen hingen vergessen an den Säulen. So verging ein Tag um den andern, eine Nacht um die andere, Jahr um Jahr. Der Rauch stieg wie früher aus König Adils Haus auf, aber nie mehr drang der Ton der Freude heraus, und er selbst zeigte sich nur selten unter dem Volke.

Eines Winters, als sich eine große Menge zum Disaopfer versammelt hatte, führten die ungeduldigsten ein Pferd vors Schloß und schrieen, Adils solle zeigen, daß er nun wieder im Sattel sitzen könne.

Von düsteren Ahnungen gequält, kleidete Adils sich an und bestieg das Pferd; aber er ließ die Zügel hängen und war sehr gealtert. Obgleich seine Augen fast erblindet und von einem Häutchen überwachsen waren, das nur einen grauen Schimmer hindurchdringen ließ, sah er doch vieles, was den andern nicht sichtbar war. Er sah, daß die gute Schutzgöttin, die treulich jeden von der Wiege bis zum Richterstuhl in die Unterwelt geleitet, auch jetzt neben seinem Pferde herging, aber abgewandt, die Hände wie weinend vors Gesicht geschlagen. Und Adils wußte, was das bedeutete.

Es hatte stark gefroren in dieser Winternacht, und der Himmelswagen funkelte in hellem Glanz am Firmament. Adils saß zusammengesunken im Sattel und schwankte hin und her, je nachdem das Pferd sich bewegte. Er ritt einmal in dem von Steinen eingefriedeten runden Platz herum, wo das Opfer gehalten werden sollte; aber plötzlich stolperte das Pferd, der König stürzte herab und schlug mit dem Kopf auf den nächsten Stein auf; die Hirnschale zerbarst, das Gehirn spritzte heraus. Und da lag nun der mächtigste und reichste der Skilvinger ausgestreckt auf dem Eisfelde.

Die Sveaer eilten mit ihren Fackeln herbei, reichten einander über dem blutigen Leichnam die Hände und gelobten, daß sie von nun an den eisernen Pflug und das eiserne Schwert mehr ehren wollten, als die goldenen Spangen an den Armen. Und dies Gelübde hielten sie, denn darnach geschah noch vieles im Norden, und dieses Buch ist noch lange nicht zu Ende.


 << zurück weiter >>