Verner von Heidenstam
Die Schweden und ihre Häuptlinge
Verner von Heidenstam

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XV. Unser Gast, wer war er?

(Im zwölften Jahrhundert)

Ein großmächtiger Jarl aus dem Folkungergeschlecht, mit Namen Birger Brosa, saß drei Tage vor Weihnachten beim Fackelscheine in seiner Halle. Da trat ein junger Priester bei ihm ein und ließ sich still auf der Bank an der Tür nieder.

Die Mannen übten sich im Wettspiel und Wettkampf mitten im Saal, und zuerst bemerkten nur wenige den Fremdling. Groß war daher die Überraschung, als er nach einer Weile plötzlich die Priesterschärpe ablegte und mit den Stärksten den Kampf aufnahm. Am Abend, als der Jarl sein Lager aufgesucht hatte, ließ er den Fremdling vor sich rufen.

»Wohl habe ich gehört, daß Priester eine Messe singen können,« begann der Jarl, der ein frohgemuter Herr mit roten Wangen war. »aber im Waffenführen sind sie gewöhnlich nicht so geschickt. Wer bist du, Fremdling?«

»Ich heiße Sverre,« sagte der Jüngling und setzte sich vertraulich auf die Bettkante. Er hatte eine angenehme würdige Haltung und seine Stimme einen unwiderstehlichen Wohllaut. »Meine Mutter wohnte auf den Färöern. Dort bin ich geboren, und dort habe ich, als ich heranwuchs, gelernt, meine Arme zu gebrauchen. Ich kletterte an schwindelnden Abgründen hin, Vogeleier und Daunen zu sammeln. Damals herrschten unruhige Zeiten in Norwegen, gerade wie jetzt auch; König Sigurds Mund ist eben jetzt stumm gemacht worden.«

Frau Birgitta, die Gattin des Jarls, die zwischen dessen Rücken und der Wand lag, zog den Wolfspelz um sich und richtete sich auf. Ihre samtene Nachtmütze war mit einer Menge goldener Quästchen eingefaßt, die sich mit ihren schon etwas ergrauten verwirrten Locken vermischten.

»Wisse, Jüngling, daß ich König Sigurds Schwester bin,« sagte sie, von ihren Erinnerungen tief ergriffen.

Nachdem das Gespräch so weit gekommen war, schwieg Sverre eine Weile. Dann blitzte ein Schalk in seinem Auge auf, und liebenswürdig, aber mit leichter Neckerei fuhr er fort: »Jawohl, du bist König Sigurds Schwester. Aber für dich ist es eine große Neuigkeit, daß ich, der hier auf der Bettkante sitzt und Sverre heißt, sein Sohn bin. Als ich erwachsen war, berichtete mir meine Mutter von meiner Geburt. Obgleich ich Priester werden mußte, stamme ich aus dem Geschlecht Harald des Schöngehaarten, gerade wie Ihr, Frau Birgitta. Und deshalb bin ich hierher gezogen zu Euch, meinen Verwandten. Ihr sollt mir zu meinem Recht in Norwegen verhelfen.«

Frau Birgitta lüpfte die warme Nachtmütze, um besser denken zu können. Aber der schlaue Jarl beruhigte sie und wendete sich dann an Sverre.

»Je länger ein Mensch lebt, von desto merkwürdigeren Dingen wird er Zeuge,« sagt er. »Aber es ist jetzt spät, Sverre, und Zeit, daß du dir eine Schlafstelle suchst.«

Einige Tage später überredete er seine Hofleute, sie sollten Sverre verführen, mehr zu trinken, als er ertragen könnte. Da füllten sie einen Krug mit sehr starken Meth, zwinkerten einander zu und sagten zu Sverre: »Du kannst glauben, daß wir uns über deinen Streich freuen. Bekenne uns jetzt, daß der Jarl Erling Stakke, oder irgend ein anderer Nordländer dich hierher geschickt hat, der ahnenstolzen Frau Birgitta einen Streich zu spielen.«

Aber Sverre merkte ihre List und brachte sie dazu, daß sie mehr tranken als er. Dann lockte er alles aus ihnen heraus, was ihm zu wissen von großem Nutzen sein könnte.

»Wer zu viel trinkt,« sagte er schließlich, »meint, er rede klug und spaßhaft, statt dessen aber schreit er mit lauter Stimme das heraus, was er am liebsten für sich behalten möchte. Aber am nächsten Tag, wenn er erwacht, tut ihm der Kopf weh, und er hat ein böses Gewissen. So wird es euch morgen gehen, ihr Hofleute!«

Die Söhne des Jarls und alle unverdorbenen jungen Leute rückten indes näher zu Sverre heran, damit ihnen keines seiner Worte entgehe. »Ein Mann, der so wahr spricht, muß auch das sein, wofür er sich ausgibt,« dachten sie.

Als aber die Hofleute dies merkten, gingen sie zum Jarl und sagten ungeduldig: »Unser Rat ist, du läßt den Abenteurer totschlagen, ehe er deinen eigenen Kindern den Kopf ganz verdreht.«

»Ich will ihm weder helfen, noch ihm schaden,« erwiderte der Jarl. »Was soll man glauben? Wenn er lügt, dann glaubt er wenigstens selbst an seine Lügen, das ist deutlich. Und das heißt ja fast so viel als wahr sprechen.«

Aber Frau Birgitta war nicht zufrieden mit dieser Antwort. »Der nächste beste Landstreicher könnte daherkommen und sagen: Ich bin ein Königssohn!« rief sie. »Aber ob es nun auch wirklich so ist, wie Sverre behauptet? Doch ich glaube, ich sehe einen Ausweg. Du weißt, daß ein paar Pelzhändler mir einen Lappen mit Namen Vittiko als Leibeigenen geschenkt haben. Der ist ein Zauberer und kann wahrsagen. Er soll Sverre in die Hand sehen und die Wahrheit daraus lesen.«

Der Jarl hatte nichts gegen diesen Vorschlag einzuwenden, und so ließ man Sverre und Vittiko holen. Vittiko war ein junger Lappe mit schlichtem schwarzem Haar und einer schönen braunen Farbe auf den hervorstehenden Backenknochen. In seinen Fellschuhen ging er mit wiegenden Schritten so leise wie im tiefsten Schnee. Bisweilen schaute er sich wie traumverloren um, war aller Gelehrsamkeit bar, aber mit allem Geheimnisvollen wohl vertraut; das lange Winterdunkel und das lange Sommerlicht waren ihm Vater und Mutter. Er nahm Sverres linke Hand in die seinige und betrachtete forschend einige Linien auf der Handfläche. Ab und zu lachte er laut auf, boshaft und mordlustig, und dann nickte er gutmütig wie der bescheidenste Mensch.

»Priester,« rief er, und seine Augen funkelten wie ein Sternenhimmel in dunkler Winternacht, »zum Häuptling bist du geboren!«

»Ich weiß nicht, Sverre, ob mich diese Worte traurig oder dankbar stimmen sollen,« sagte der Jarl mit seinem vielsagenden Lächeln. »Sie geben weniger Auskunft über deine Vergangenheit als über deine Zukunft, aber diese ist allerdings auch das Wichtigere. Nimm den listigen Vittiko als Wegweiser mit, wenn du von hinnen gehst, und bezahle ihn königlich, wenn du einmal dazu imstande bist.«

Schwermütig ging Sverre von dem Schlosse des Jarls, ohne weitere Begleitung als den lappländischen Zauberer. Ihr Weg führte sie zu unbewohnten Sennhütten, wo die Erdgeister unter dem Fußboden klopften, sowie durch tiefe dunkle Wälder. Einstmals nahm sie ein Priester auf und gewährte ihnen ein Nachtlager; diesem schenkte Sverre zum Dank seine eigene Priesterschärpe und sein Meßbuch.

Aber bald bekamen die beiden anderes zu denken. Der Weg führte durch Wärmland, und hier stießen sie auf eine Schar junger norwegischer Wegelagerer und Abenteurer in zerrissenen roten Hemden, und um die Beine hatten sie nichts als Birkenrinde, weshalb sie auch Birkenbeine genannt wurden.

»Bist du der, wofür du dich ausgibst?« fragten sie. »Dann sei gegrüßt! Sei unser Häuptling! Östen Meyla ist gefallen. Sei du unser Anführer!«

»Es sieht nicht aus, als könnten wir viel ausrichten,« erwiderte Sverre, und sein seelenvolles Gesicht wurde noch düsterer. »Nein, geht zu Birger Brosa und wählt einen von seinen Söhnen. Durch ihre Mutter haben sie dasselbe Erbrecht an Norwegen wie ich.«

Einige Botschafter wurden nun nach dem Jarlhofe geschickt, aber sie kehrten mit dem vorsichtigen Rate zurück, die Birkenbeine sollten lieber Sverre wählen.

»Wenn du nun nicht unser Häuptling werden willst,« rief da die ganze Schar, »dann mußt du selbst sterben!«

Da mußte Sverre einwilligen. Aber was war das für eine Schar! Nur wenige hatten ordentliche Waffen, viele waren verwundet und die meisten kaum erwachsen. Es waren im ganzen kaum siebzig Mann; aber Sverre ernannte sogleich einige als Hauptleute und Knappen und wies auch den andern verschiedene Rangstufen an; Vittiko aber mußte der Leibeigene bleiben.

»Hast du uns zu vornehmen Hofleuten gemacht,« sagten die Birkenbeine zu Sverre, »dann können wir dir nur gehorchen, wenn du selbst vornehmer bist als wir.« Und so gaben sie ihm den Königsnamen.

»Jetzt ist jeder Augenblick wichtig,« sagte Sverre. »Und wie er so ernst und stattlich vor seinen verarmten Leuten stand, sah er mehr und mehr einem sehr weisen Manne ähnlich. »Daheim in Norwegen herrscht der Jarl Erling Stakke, der seinen Sohn Magnus zum König hat krönen lassen. Erling ist rücksichtslos und hart und reich an Feinden. Darum sollen einige der Stärksten von euch voraneilen und die Birkenbeine, die nach Telemarken geflohen sind, überreden, sich nordwärts von hier mit mir zu vereinigen.«

Hierauf zog er durch den Zwölfmeilenwald im nördlichsten Wärmland nach dem Älsdal und von da durch einen zweiten Wald, der ebenso groß war, nach Malung in Westdalarna, und dann wieder durch einen fünfzehn Meilen großen Wald nach Ostdalarna. Vittiko, der seine Fellkleider nicht gewechselt, seit er sie zum ersten Male auf den Leib gezogen hatte, war fast ebenso braun wie der braune Erdboden, und man konnte ihn kaum noch davon unterscheiden. Er kroch und schlich zwischen den Gebüschen umher, listig und leichtgläubig, gefährlich und ungefährlich zugleich, und alles, was er sagte, war bald wahr, bald unwahr. Einmal erreichte die Schar mitten in der Nacht eine Ortschaft. Da blies Vittiko zauberkundig auf seine Finger, und sogleich flammten diese auf wie fünf angezündete Kerzen.

»Wer bist du, du Hexerich, der mit einem solchen Leuchter umherzieht?« fragten die Bauern, die halbangekleidet zu ihren Häusern herausschauten. Sie waren noch Heiden, und Thors und Odins Bildnisse standen ausgeschnitzt auf den Türpfosten.

»Ich bin der Lappen größter Häuptling,« antwortete Vittiko, »und heruntergekommen, mir einen König zu holen, damit ich droben auf den Bergen jemand zu Gesellschaft hätte.«

Aber die Bauern hatten noch nie einen König gesehen und wußten kaum, ob das ein Vogel oder ein Mensch war.

»Seht nur, seht!« fuhr Vittiko fort und leuchtete mit seinen brennenden Fingern über die Birkenbeine hin. »Birkenrinde um die Waden, zerrissene Kleider; steckt man bei denen die Hand zu einem Loch hinein, kommt sie an dem andern gleich wieder heraus. Und klopft man ihnen auf die Taschen! Kein roter Heller ist darin, ja nicht einmal eine vertrocknete Brotrinde. Begreift ihr denn nicht, ihr Dalmänner, daß es Hofleute sind ... Und so sieht ein König aus! Nur noch das Oberleder auf den Schuhen, zerfetzte Sohlen, schwarze Fersen. Aber höflich und freundlich, der muß unser König werden, sonst schlagen wir ihn tot ... Und nun macht Feuer unter die Kessel!«

Da führten die gastfreien Bauern die Wanderer in ihre Häuser und bewirteten sie. Aber Sverre saß gedankenvoll auf der Bank und überlegte, ob es ihm wohl gelingen würde, seine wilden Birkenbeine durch Ordnung und Mannszucht allmählich zu den besten Kriegern heranzubilden. Ausgeruht und dankbaren Herzens, aber ohne irgend eine Bezahlung zu leisten, zog die Schar schließlich weiter nach Jämtland, wo sie gerade bei Frühlingsanbruch eintraf. Die Birkenbeine tranken das klare kühle Wasser der Seen und stillten sich den Hunger mit Rinden und den Beeren, die unter dem Schnee erhalten geblieben waren. Um vorwärts zu kommen, mußten sie sich auf Flößen über die Flüsse hinüberschaffen, und als sie schließlich übers Hochgebirge nach Nidaros in Norwegen hinunterzogen, wagten sie aus Furcht vor Entdeckung fünf Tage lang weder zu schlafen, noch sich etwas zum Essen zu verschaffen.

Und doch wurde ihr Heranrücken in der Stadt ruchbar; jetzt aber kamen ihnen die Birkenbeine aus Telemarken zu Hilfe. Da holten die Häuptlinge in der Stadt das Banner des heiligen Olof aus der Kirche und rückten mit ihren Kriegern aus; aber sie entflohen eilig, als sie das Sausen der Pfeile der gefürchteten Birkenbeine hörten. Der Mann, der das Banner trug, lief so eilig davon, daß er zwei Männer umrannte, und zwar so heftig, daß der eine davon starb und der andere ein Krüppel auf Lebenszeit wurde; er selbst fiel auch, und die Birkenbeine rissen die Fahne an sich. Mit dieser an der Spitze zog Sverre in Nidaros ein, voll Dank gegen die Jungfrau Maria und den heiligen Olof, der ihnen diesen unerwarteten Sieg verliehen hatte.

Nun wurde Sverre auf dem Örething zum Könige über ganz Norwegen ausgerufen und ihm gehuldigt. Aber der Jarl Erling Stakke lebte noch, und sein Sohn Magnus war auch König von Norwegen. Unter beständigen Abenteuern mußte Sverre sich auf Schiffen oder in Bauernhöfen verstecken, und so kam er schließlich übers Gebirge zu den Hälsingern. Die versammelten sich zahlreich in voller Rüstung, um ihm den Durchzug zu verweigern. Sverre zog ihnen mit seinen Leuten in geschlossenen Reihen entgegen. Da gaben die Hälsinger Sverres Leuten die Erlaubnis, auf dem Thing zu Hälsinge für ihren Herrn zu reden, nur er selbst dürfe nicht sprechen. Ja, es wurde ihm nicht einmal erlaubt, auch nur den Mund zu öffnen, so sehr fürchteten die Hälsinger seine berühmte Beredsamkeit! Da ließ Sverre zwei Pferde vorführen und befahl seinen Leuten, sie zu schlachten.

»Jetzt soll es in allen Landen ruchbar werden,« sagte Sverre, »daß ihr Hälsinger ein geiziges Volk seid, und daß christliche Leute ihr Leben nicht bei euch fristen können, sondern sich gegen Gott versündigen müssen, weil sie nur Pferdefleisch zu essen haben.«

Da schämten sich die Hälsinger. Und als Sverre nun so vor ihnen stand, in einer seidenen Mütze, im Panzer und rotwollenen Hemd, und klar und klug, sowie ein wenig spöttisch nach seiner Gewohnheit zu ihnen sprach, konnten sie ihm nicht widerstehen, sie mußten seine Freunde werden.

Nach einiger Zeit tauchten die roten Hemden der Birkenbeine wieder auf den Höhen über Nidaros auf, und Sverre sagte zu seinen Leuten:

»Jetzt ist die Stunde gekommen, wo wir den Lohn für alle unsere Arbeit und Mühe einheimsen werden. Drunten in der Stadt liegen Erling Stakke und Magnus mit ihrem Heer. Und ich sage euch: Jeder von euch soll die Kostbarkeiten und Wertsachen dessen bekommen, der während des Kampfes unter seiner Hand fällt.«

Da lief ein Mann, der keine andere Waffe als einen Dreschpflegel über der Schulter trug, eilig der Stadt zu.

Aber einer der Birkenbeine rief ihm nach: »Ach du, mit Erling Stakke kämpfen, ist etwas anderes als Korn dreschen!«

Aber der Mann rief, ohne sich umzuwenden: »Die Waffen, mit denen ich kämpfen will, erhalte ich erst in der Stadt drunten, jetzt trägt sie noch irgend ein Jarlmann.«

Vittiko folgte dem Manne nach und schlich sich in die Stadt hinein, um zu spähen. Am Ufer lag ein Schiff, worin der Jarl übernachtete. Er hatte auf einem Kreuzzug einen Schwerthieb in den Hals bekommen, so daß er von da an den Kopf schief tragen mußte, daher hatte er auch den Beinamen Stakke. Aber Vittiko sah, daß die Schatten des Jarl und der andern Männer auf dem Schiffe ohne Kopf waren, und er dachte: »Dies ist ein Zeichen, morgen werden sie alle sterben.«

Jetzt hörte Vittiko den Jarl sagen: »Es wäre sicherlich am klügsten, ich versammelte die zerstreute Mannschaft hier auf dem Schiff und stieße vom Land ab, aber es ist mir ein unerträglicher Gedanke, daß dieser Priester Sverre auf meines Sohnes Königsstuhl sitzen soll.«

Er ging also an Land. Auf dem Kirchhof vor der Christuskirche traf er auf seinen Sohn und dessen Hauptleute. Sie knieten nieder und beteten; dann sagte Erling Stakke: »Steht auf und nehmt eure Waffen! Es kann euch beschieden sein, bald lange genug hier liegen zu müssen.«

Die Luren wurden geblasen, aber es kamen weniger Leute herbei, als Erling Skakke erwartet hatte; im ganzen kaum über sechshundert Mann.

»Wo seid ihr jetzt alle?« fragte der Jarl, als seine Schar unter dem Kampfe zurückzuweichen begann und er selbst einen Stich durch den Leib bekam, der ihn sterbend zu Boden streckte.

König Magnus, der mit den Fliehenden dem Schiffe zueilte, beugte sich noch über seinen Vater, küßte ihn auf die Stirne und sagte: »Wir treffen uns wieder, Vater, am Tage der Freude.«

Im nächsten Jahr saß Birger Brosa an einem Abend mit seinem Gesinde in der Halle. Die Tagesarbeit war beendet, und ringsum herrschte Schweigen. Es war ein kühler, feuchter Frühlingsabend, der erste, an dem man kein Licht anzuzünden brauchte. Alle waren froh gestimmt, obgleich sie in ihre Pelze gehüllt waren und durch die offene Tür nur die kahlen Bäume sahen, die noch kleine unentwickelte Knospen hatten.

Da erschien plötzlich auf den Stufen eine aus Waffen, Harnischen, Kleidern und nachschleppendem silberbeschlagenem Zaumzeug bestehende Gestalt. Oben darauf steckte ein Helm ohne einen Kopf darin, und die ganze Erscheinung sah aus wie ein Gespenst aus einem Hünengrab. Doch auf der Schwelle wurde plötzlich alles abgeworfen, und dann stand Vittiko da, gelbbraun und glücklich mit allen seinen Siegeszeichen vom Schlachtfeld um sich her. »Ich habe keinen Jarlmann gefällt,« sagte er, »habe aber doch meine Ernte vom Boden aufgelesen.«

Birger Brosa stand hausväterlich von der Bank auf und begrüßte ihn. »Das war ein langer Weg, den du ihm gezeigt hast,« scherzte er. »Aber nun gib auch Antwort auf eine ernste Frage. Wer war unser Gast?«

»Zum Häuptling war er geboren,« antwortete Vittiko, mit einem tiefen Atemzuge. »Alles andere sind Rätsel. Aber das sage ich, einen größeren König haben die Norweger nie gehabt, und es wird viel Wasser ins Meer fließen, bis sie wieder so einen bekommen.«


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