Verner von Heidenstam
Die Schweden und ihre Häuptlinge
Verner von Heidenstam

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XIX. Das Festmahl in Nyköping

(Anfang des vierzehnten Jahrhunderts)

Nyköpinghaus

Das Geschenk des Wechselbalgs

Die Vogelbeeren leuchteten prächtig rot in den Gehölzen, und das bedeutete einen harten Winter. Um nicht allzusehr frieren zu müssen, schleppte ein Bauer einen ganzen Fichtenstamm in sein Haus hinein und legte ihn auf den Herdrand. Der Stamm war so lang, daß er von der Türschwelle bis zur Feuerstelle reichte. Und je weiter der Stamm verkohlte, desto tiefer schob ihn der Bauer in die Glut hinein; so ging ihm das Feuer niemals aus.

In den kältesten Nächten hörte er bisweilen, daß die Zwerge sich herbeischlichen und ängstlich jammernd und schaudernd vor der Tür stehen blieben; aber sobald ihnen Hände und Füße ein wenig aufgetaut waren, stiegen sie lustig und vergnügt auf den Baumstamm hinauf. Dort saßen sie rittlings ihrer sechs bis acht, plump und häßlich mit runzligen, alten Gesichtern; und wenn ihre Kleider an dem Harz festhingen, lachten sie, bis sie nicht mehr konnten.

Der Winter wurde immer dunkler, und schließlich kam die Lucienacht herbei. Diese wollte kein Ende nehmen, sogar der Hahn verschlief sich und vergaß das Krähen. Und da kauerten auch alle acht Scheusale fest eingeschlafen auf dem Baumstamm. Als endlich die Sonne schien und den Bauern weckte, sprang er rasch aus dem Bettstroh und ergriff den Zwerg, der ihm am nächsten war.

»Jetzt geht es dir schlecht, du abscheulicher Hexerich!« rief der Bauer, schüttelte den Zwerg aus Leibeskräften und hielt ihn in den Sonnenstrahl. »Ich weiß wohl, wie man ein Ende mit euch macht!«

Und in dem Augenblick, wo der Sonnenstrahl den Zwerg vergoldete, zerplatzte dieser mit einem Knall und fiel zu einem Sack aus brauner Haut zusammen. Der Bauer hängte die Haut an die Wand und dachte, das könne eine gute Jagdtasche geben.

Bis dahin waren die Zwerge harmlos und bescheiden und artig gewesen. Aber in der nächsten Nacht stahlen sie dem Bauern sein Töchterchen Cicilla und legten eines ihrer eigenen Trollkinder an dessen Stelle. Der Bauer war aber Witwer.

»Wer bist du?« fragte er, als er erwachte und das kleine braune Wesen sah, das da im Stroh saß und an seinem schwarzen, zottigen Haar zerrte.

»Ich heiße Trulla-Ho,« antwortete der Wechselbalg und schwankte auf seinen kurzen, schiefen Beinen zum Milchtopf hin. Seine Arme aber waren so lang, daß die Hände auf dem Boden schleiften.

Sie aß und trank alles, was sie erreichen konnte, aber nichts wuchs an ihr, als der Bauch und der Kopf. Der Bauer konnte seine schöne blauäugige Cicilla nicht vergessen und grämte sich zu Tode. Da blieb Trulla-Ho allein in der Hütte zurück.

Der Pfad davor wuchs bald wieder zu, nur Hexen wagten sich dahin; diese hatten ihre Hütte in der Gegend und hielten sich im Walde auf. Es waren seltsame alte Einsiedlerinnen, die die Gesellschaft der Menschen scheuten, sich aber bei Trulla-Ho wohlbefanden. Von ihnen lernte Trulla-Ho auch viel geheimes Wesen, was ihr durch ihre Hexennatur nicht schwer wurde.

Eine Strecke von der Bauernhütte entfernt stand noch der Steinhaufen, wo Ura-Kaipa vor tausend Jahren begraben worden war. Um diesen Steinhaufen versammelten sich die Hexen an einem Gründonnerstag. In den kleinen Opfergruben auf dem obersten Stein strichen sie Butter und Fett aus ihren Salbenhörnern und setzten Dochte aus Hölzchen und Lappen hinein. Dann zündeten sie sie an; die Flämmchen flackerten, und hinter den Wurzeln eines umgestürzten Baumes schien der Vollmond hervor. Eine Hexe, die glaubte, sie sei in einen Fisch verwandelt, klappte unaufhörlich den Mund auf und zu, ohne zu sprechen. Und schließlich begann sie auf einem Diebesknochen, den sie unter einem Galgen aufgelesen hatte, zu blasen. Da bewegten sich die andern um den Stein wie eine Schar grauer Wolfsrücken; sie stimmten dabei einen Gesang an, der klang wie ein leises Wolfsheulen:

»Der Galgen grünt, der Schädel tanzt.
Blut trieft herab,
Hahnenfüße, Alraunwurzel,
Elfenblut.
Musulavi, avi extraborum,
sumulus sumin peccatorum,
ai ain et arri.
«

Ein bleicher Mann in goldschimmernder Kleidung kam zwischen den Büschen daher. Seine Augenlider waren gerötet wie von Weinen oder Schlaflosigkeit, aber er rieb wie geistesschwach die Hände gegeneinander und sah sich vergnügt und erfreut um. Die Knappen, die bei ihm waren, trugen Bogen und Falken, denn sie waren auf dem Heimweg von der Jagd. Die Knappen versuchten, ihn zurückzuhalten, aber er ließ es nicht zu.

»Ich bin König Birger,« sagte er und lächelte die Hexen glückselig an. »Märta, meine Königin, würdest du ein einziges Mal einen solchen Aufzug sehen, dann könntest du auch lachen.«

»Wird deiner Königin denn das Leben gar so schwer?« fragte Trulla-Ho und ließ den Reigen anhalten.

Birger wurde schwermütig, und seine Augen irrten umher. »Sie ist ganz steif hier um die Lippen,« flüsterte er und drückte die Finger auf sein Gesicht. »Hast du vielleicht ein Mittel dagegen, Hexe?«

»Wenn du nur willst, kann sie bei einer zehnmal tolleren Hexennacht lachen,« sagte Trulla-Ho. Damit reichte sie Birger etwas Rinde, die sie zwischen zwei zusammengewachsenen Bäumen losgelöst hatte. »Zwietracht und Geschwisterhaß bergen sich zwischen diesen Bröselchen,« murmelte sie so undeutlich, daß niemand es verstehen konnte; etwas lauter aber fügte sie hinzu: »Streu ein paar Körnchen davon in den Met, wenn du mit deinen Brüdern zusammensitzest, König Birger!«

Er knüpfte das Geschenk in den Zipfel seines Mantels und setzte mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht seine nächtliche Wanderung durch den mondbeschienenen Wald fort.

Cicilla im Walde

Um Michaelis, wo die Lappenfrau auf den Felsen zu stehen pflegte, um die Waldvögel zu sich herzulocken, erschallte lautes Getöse im Königsschlosse zu Håtuna.

Das Septemberlaub wirbelte allmählich von den Bäumen herab und bedeckte die Erde mit einem gelben Teppich. Nur die Erlen spiegelten noch ihr dunkles Grün in der Mälarbucht. Eine Menge Boote fuhren von Hunhammar daher, und in dem vordersten standen die Herzöge Erik und Waldemar. Ein Jahr war verflossen, seit sie ihren Bruder überredet hatten, ihren edlen Pflegevater Tyrgills Knutsson gefangen nehmen zu lassen.

König Birger, der den Festtag auf Håtuna feierte und eben zu Tisch gehen wollte, bewillkommnete seine Brüder und ließ ihre Leute in der Herberge unterbringen. Dort bewaffneten sich die ungeladenen Gäste in aller Stille; und als es Abend geworden war, stürzten sie ins Schloß, nahmen den König und die Königin gefangen und entführten sie. Die Königin mußte sogar eine gute Strecke zwischen den Pferden herlaufen.

Einem getreuen Knappen, dem Småländer Arvid, gelang es indes, während des Kampfgetümmels Birgers sechsjähriges Söhnlein Magnus an sich zu reißen und mit ihm zu entkommen. Er hob das Kind auf seinen starken Rücken und ließ ihn darauf reiten.

»Kleiner Herzog,« sagte er, »heute abend ist es nicht der Waldvogel, der unruhig mit den Flügeln schlägt. Ich höre müde gehetzte Pferde dicht hinter uns keuchen, aber ich kenne Pfade, die kein Verfolger ausfindig machen kann. Weit ist der Weg durch die Wildnis und über die Seen zu deinem Ohm, dem Bruder deiner Mutter, Erik Menved in Dänemark, aber ich werde dich trotzdem zu ihm tragen, damit er dir Schutz gewähre. Er soll dich zum Ritter erziehen.«

Beim Tagesgrauen warf sich Arvid ermattet eine Weile aufs Moos und schlief ein. Da sah der kleine Magnus plötzlich etwas Seltsames: Ganz in der Nahe war der Hügel, in dem das Zwergenvolk lebte, und aus diesem heraus trat ein kleines Mädchen, das niedlichste Geschöpf, das man sich nur denken konnte. Obgleich sie aussah, als sei sie nicht älter als Magnus, mußte sie sich bücken, um nicht mit dem Kopf anzustoßen, als sie durch die Öffnung heraus schlüpfte. Nun breitete sie kleine gewobene Tücher zum Bleichen auf dem Boden aus; diese waren leuchtend hell und durchsichtig, daß das Heidekraut darunter hervorschimmerte.

Das kleine Mädchen war Cicilla, jenes Bauerntöchterchen, das die Zwerge gestohlen hatten. Sie konnte sich nicht mehr an ihre frühere Heimat erinnern, aber die Unterirdischen hatten sie im Sand getauft und ihr ein silbernes Becherlein als Patengeschenk gegeben. Die Zwerge fürchteten sich vor dem Blitz und wagten sich nicht bei trübem Wetter heraus, wenn die Sonne von Wolken verhüllt war, aber in dem Hügel drin trieben sie allerlei Kurzweil und waren sehr vergnügt.

Als Cicilla den Knaben Magnus sah, hielt sie ihn für einen Zwerg, der auf Besuch kommen wollte; sie reichte ihm die Hand und sagte: »Komm nur herein.«

Da kroch Magnus mit ihr in den Hügel hinein, und die Zwerge holten kleine Trinkhörner herbei und Näpfe mit grünen Blättern und getrockneten Beeren. Auf jedem Näpfchen lag eine Beere.

»Mich täuscht niemand,« sagte der Zwergkönig listig, nachdem er das Horn zweimal mit ein paar Tropfen Gewürzwein, der auf den Höfen gestohlen war, gefüllt hatte. Das Horn aber war nicht größer als der kleine Finger an einem Kinderhandschuh. »Ich bin noch nicht so alt, daß ich zwei Hochwälder hätte verfaulen sehen, und ich weiß auch, wer du bist, Herzoglein. Das ganze Land wird einstmals dein gehören, wenn du nur am Leben bleibst. Wohin gedenkst du denn jetzt auf deinem zweibeinigen Pferd zu reiten?«

»Zu Erik Menved,« antwortete Magnus.

»Ist das ein Großbauer?«

»Nein, Alter, Erik Menved ist ein ritterlicher König. Denk an das, was du von meinem Großvater, dem verehrten ritterlichen Magnus Ladulås gehört hast. Dann kannst du dir denken, wie Erik Menved sein muß!«

»Ich will es versuchen,« erwiderte der Alte und strich sich durch seinen langen Bart. »Das kleine Mädchen hier ist auch keine Tochter von uns Unterirdischen, und sie wächst so rasch, daß sie bald keinen Platz mehr in der Höhle hier hat. Was sollen wir denn dann tun? Das ist das Ärgerlichste an euch Menschenkindern, daß ihr so groß werdet.«

»Dann muß ich wohl kommen und sie holen!« rief Magnus so laut und keck, daß der getreue Arvid erwachte. Erschrocken ergriff er seinen Schützling bei den Füßen, die gerade noch aus dem Hügel herausschauten, und schwang ihn sich auf den Rücken. Aber Magnus zog seinen Dolch heraus, und während er dahingetragen wurde, ritzte er von Zeit zu Zeit ein Zeichen in die Fichtenstämme.

Cicilla schaute ihrem neugewonnenen Spielkameraden mit wehmütigem Blicke nach, bis er zwischen den Zweigen verschwunden war. Seit sie heranwuchs, hatte sie jetzt zum erstenmal einen Menschen gesehen. Und nun fühlte sie, daß sie selbst eine menschliche Seele hatte. Von dieser Stunde an war es ihr nicht mehr recht wohl bei den täppischen Wichtelleutchen, und sie ging oft einsam und verlassen umher.

Eines Abends zog sie ihr silbernes Becherlein heraus. Die Trolle hatten zu ihr gesagt: »Möchtest du einmal Antwort haben auf eine Frage, die dich sehr beschäftigt, dann gehe zu der Stunde, wo Tag und Nacht sich scheiden, zu einer Quelle, ans der noch nie ein Mensch getrunken hat, und fülle den Becher mit Wasser.«

Cicilla kannte eine solche Quelle, die klar und still zwischen hohen Felsblöcken herausquoll. Vorsichtig bog sie die Farrenkräuter auseinander und füllte das Becherlein mit dem noch niemals getrübten Wasser.

Da blinkte es auf dem Boden des Bechers hell auf, und wie durch ein Guckloch hindurch sah Cicilla in einen Prächtigen mit Rittern gefüllten Saal hinein. Eine edle Gestalt mit traurigen Zügen saß auf dem Hochsitz und hielt Magnus auf seinen Knieen.

»Das muß Erik Menved sein,« dachte Cicilla. »Nun weiß ich, daß Magnus bei einem guten Vater ist. Ich möchte wissen, ob er mich vergessen hat?«

Vor dem Hochsitz stand der Småländer Arvid und gab unter Tränen Bescheid. Cicilla beugte sich vor, um besser hören zu können; aber in demselben Augenblick erlosch der Tagesschein hinter den Tannenwipfeln, und das Wasser spiegelte nur noch den leeren grauen Himmel wieder. Da steckte sie das Becherlein in ihren Gürtel und summte vor sich hin: »Schwer ist es, einsam zu sein, wenn die Sonne im Walde versinkt!«

Königin Märta lacht

König Birger und die Königin Märta wurden auf Nyköpinghaus gefangen gehalten; als aber Erik Menved sich anschickte, ihnen mit seinen Rittern zu Hilfe zu kommen, erhielten sie ihre Freiheit wieder. Trotzdem herrschte noch immer Uneinigkeit zwischen den Brüdern, und die Herzöge entrissen Birger den größten Teil des Landes. Nachdem sie dann jahrelang im Streit miteinander gelegen hatten, kamen sie schließlich überein, Frieden zu machen und sich zu versöhnen.

Königin Märta aber gab sich im stillen ganz anderen Träumen hin. Sie wollte eine Rache ersinnen, die nicht so leicht wieder vergessen würde, und deshalb schickte sie zu den Hexen im Walde. Da zäumte Trulla-Ho sich ein Kalb und ritt nach Nyköpinghaus.

Hier wurde sie ins Gefängnis geführt. Auf der Treppe kam ihr die Königin entgegen, die trug ein mit Lumpen gefülltes Sieb in den Armen. Hinter ihr stand Birger, die Hände zwischen den Knieen, und seine Augen funkelten vor Neugierde.

»Wenn du eine Hexe bist,« sagte die Königin, »dann triff den Herzog Erik, daß er krank wird und stirbt.«

Da machte sich Trulla-Ho aus den Lappen eine Puppe, die sie mit Sand Erik taufte, und dann verschaffte sie sich einen Bogen und Pfeile aus Eschenholz. Als aber sie den vernichtenden Zauberschuß tun wollte, krachte es in dem Bogen, und sie stammelte: »Verzeihe, Königin Märta, ich kann nicht. Der Herzog ist ein geweihter Ritter, und einen solchen trifft mein Pfeil nicht.«

Zornig warf die Königin das Sieb weg und rief: »Bleibe stehen, wo du stehst, ich werde mir schon selbst zu helfen wissen!« Damit ging sie mit dem Könige ins Schloß zurück.

In den Kellern waren viele Hexen und andere Gefangene, die standen den lieben langen Tag hindurch am Gitterfenster, und wenn die Wachen vorübergingen, jammerten sie und bettelten um einen Bissen Brot. Da erfuhren sie auch, was draußen vorging, und das waren in der Tat wichtige Dinge. Herzog Waldemar, der seine Verwandten schon lange nicht mehr gesehen hatte, war zu Besuch gekommen. Jetzt wollte er wieder abziehen, da stellte sich die Königin neben sein Pferd und wischte sich die Augen.

»Laß uns allen Groll vergessen,« schluchzte sie. »Sage Erik, es sei mir ein großer Schmerz, daß Birger und ich so selten mit ihm zusammen sind. Gott weiß, daß ich ihn wie meinen leiblichen Bruder liebe.«

Hierauf begab sich Waldemar zu Erik, und kurz vor Weihnachten ritten die beiden Brüder durchs Schloßtor herein.

»An Warnungen hat es nicht gefehlt,« sagte Erik und schlug lustig auf sein Schwert. »Aber das ermuntert ein Ritterherz, und es gibt einen herrlichen Durst zum Mahle. Meinethalben mögen die kleinen Leute Angst haben!«

Birger kam den Brüdern mit offenen Armen auf der Treppe entgegen und führte sie, an jeder Hand einen, in den Saal hinein. Ein langer Zug festlich gekleideter Knappen trug Wein und Met und unzählige Gerichte auf, und die brennenden Kerzen waren nicht zu zählen. Und dann begann das Festmahl zu Nyköping mit Horngeschmetter und Trommelschlag.

»Wer lacht denn da?« fragten die Gefangenen einander drunten im Gefängnis. »Nur selten lacht jemand so laut und so von Herzen.«

Da antwortete Trulla-Ho: »Ich erkenne die Stimme; es ist die Königin Märta. Sonst kommt der Königin das Lachen äußerst schwer an. Aber ich ahne, was ihr der König heute abend in den Wein getan hat. Diese Würze hat er von mir bekommen.«

Spät am Abend begab sich das Gefolge der Herzöge nach seinen Herbergen in der Stadt, aber die Sättel und Rüstungen und die Waffen ließen sie im Torhäuschen liegen. Der Hausmeister kam mit dem Schlüsselbund; er war ein häßlicher, unerschrockener, befehlshaberischer Mann, aber König Birger treu ergeben. Seine Kleider bauschten sich, als habe er vier Pelze übereinander an; er trug die Habichtsnase hoch, und der Helm mit dem weißen Federbusch saß ihm tief im Nacken. Als der letzte Mann hinausgetreten war, schlug er das Tor zu.

»König Birger,« sagte er zugleich, denn er sah, daß an der Mauer ein Schatten hinglitt. »Hier streifst du unschlüssig auf dem Hofe umher und läßt dir die Stirne kühlen, bis du schließlich der Rache vergissest, die du dir im stillen bei jedem Schluck Met aufs neue zugeschworen hast. Schlag heute nacht zu! Beim nächsten Gastmahl bist sonst du vielleicht der, der in Stock und Eisen gelegt wird.«

Er steckte seinen Arm in den des Königs und führte ihn mit sich ins Schloß hinein. Nun war es eine Weile ganz still ringsum; die Gefangenen dachten, es würde in dieser Nacht nichts mehr geschehen, und fingen an, ihr Lagerstroh zurecht zu machen.

Da flammten plötzlich in dem Gange, der zum Schlafgemach der Herzöge führte, Fackeln auf, und Schwertergeklirr ertönte.

»Hör auf, Bruder Waldemar, hier hilft kein Widerstand!« hörte man Herzog Erik rufen.

Und gleich nachher wurden die Herzöge, barfuß, mit gefesselten Händen und von Wachen umgeben, die Gefängnistreppe hinuntergeführt. Sie hatten ihre Röcke übergeworfen, aber sonst keine Kleider an, und hinter ihnen drein rief Birger: »Denkt an das Spiel von Håtuna! Denkt an das Spiel von Håtuna!«

Die beiden Herzöge wurden in ein Gewölbe eingeschlossen, und als es Tag war, brachte man auch ihre Mannen aus den Herbergen der Stadt dahin. Alle miteinander, wohl zwanzig an der Zahl, wurden in einer Reihe in denselben Stock gelegt. Draußen auf dem Hof sah es aus wie auf einem Jahrmarkt. Da saß die Schloßmannschaft im Kreis herum und warf das Los um die Pferde und Rüstungen der Gefangenen, und sie durchwühlten auch deren Säcke. König Birger schlug die Hände zusammen und schrie wie ein Wahnsinniger: »Der heilige Geist segne meine Königin! Jetzt ist Schweden mein!«

Während der nächsten Tage flüsterten Brunke und die Königin Birger viele böse Ratschläge ins Ohr, so daß er schließlich seine Brüder in ein düstereres Gefängnis ganz unten im Turm auf dem nackten Felsen werfen ließ. Da wurden sie an die Mauer angekettet zu beiden Seiten einer Lache voll stinkenden Wassers. Und als der Stock wieder um Herzog Eriks Bein gelegt wurde, flog ihm ein Splitter ans Auge, daß ihm das Blut über die Wange und die Brust herabfloß.

Die Gefangenen am Gitterfenster sahen, wie Birger mit gewappneten Scharen davonzog, aber als er zurückkehrte, war ihm das Lachen vergangen. In Stockholm hatten die Bürger die Stadttore vor ihm verschlossen und ihn davongejagt. Von Ort zu Ort, von Hof zu Hof flog das Gerücht von dem Gastmahl zu Nyköping und der Qual und Not der Herzöge. Und nun versammelten ihre Freunde, Mats Kåttilmundsson, Lagman Birger Persson auf Finnstad und andere von den Edelsten des Landes, Westgoten, Uppländer und Småländer, und feuerten sie zum Aufruhr an.

König Birger stand mit hochgezogenen Schultern im Schloßhof und preßte die eisernen Handschuhe zwischen den Fingern. Bald richteten sich seine Augen auf den Sand zu seinen Füßen, bald hinauf zu den Wolken.

»Lasset die Pferde satteln!« befahl er unsicher. »Stegeborg hat feste Mauern und einen guten Hafen für Segelschiffe, wenn es schließlich schlimm gehen sollte. Ich verachte meine Feinde und alle Bewohner meines einstigen Landes.«

»Verachtung,« sagte Brunke und pflanzte sich mit in die Seiten gestemmten Fäusten vor dem König auf, »Verachtung ist ein Wort für schwache Männer und schlaffe Lippen. Es wird am häufigsten von denen gebraucht, die verspottet werden und nichts erwidern können. Sei froh, daß ich mein Schwert schwingen kann, wenn du wahnsinnig vor Angst mit deiner Verachtung aufs Pferd steigst und spornstreichs entfliehst.«

»Er glaubt, ich zögere,« murmelte Birger und wendete sich ab. Rot vor Zorn ging er in den Turm und drehte den Schlüssel mit lautem Krachen herum, bis das Schloß vollständig geschlossen war. Dann schleuderte er den Schlüssel mit der Kraft des Zornes in den Bach, der braun und tief an den steilen Mauern vorüberfloß.

Unter grabesstillem Schweigen stieg er alsdann zwischen der Königin und Brunke zu Pferd und eilte mit seinem ganzen Gefolge davon.

Noch eine Weile hörten die Gefangenen die Herzöge drunten in dem Gewölbe miteinander sprechen, aber dann wurde es ganz still. Es war mitten in der Sommerszeit, und die Waffen der Aufrührerischen blinkten schon auf den umliegenden Höhen. Da ließ der Burghauptmann die Turmtür erbrechen und die abgezehrten Leichname der Herzöge heraufholen. Man legte sie auf eine mit Goldbrokat belegte Bahre. Diese wurde vor die Belagerer hingestellt, damit sie sich überzeugen sollten, daß hier kein Kampf mehr etwas nützen könnte. Ach, war das der stolze Erik, der da so gealtert und zusammengefallen auf der Bahre lag? Entsetzt drängten die Mannen sich um die Toten und gelobten mit lauter Stimme, daß von dem ganzen Nyköpinger Schlosse kein Stein auf dem andern bleiben solle.

Einige der Männer hoben die Bahre auf ihre Schultern und trugen sie nach Stockholm zu den Witwen der Herzöge. Dort wurde am Tage Unserer-lieben-Frau das Leichenbegängnis im Dome gehalten.

Die Belagerer drangen indes bald in das Nyköpinger Schloß ein. Zornsprühende Bauernhaufen begannen sofort das Werk der Zerstörung mit Äxten und Brechstangen, und bald loderte das Feuer zum Himmel. Die entkommenen Hexen kletterten auf den Mauern umher, krächzten und zeterten wie Krähen und Elstern. Mit wilden Augen saß die zauberkundige Trulla-Ho auf dem Turmkranz und sang:

»Ja brenne, brenn wie Heu und Stroh,
Graues Nyköpinghaus.
Aufs neue kannst du einst erstehn
Wohl aus dem Schutt heraus.
Doch seufzen wird es aus dem Grund
Bei Nacht und Sturmgebraus,
Nie wohnet Freude mehr in dir,
Nur Not und Schmerz und Qual,
Gewissensangst nur find sich hier
Und Tränen ohne Zahl!«

Magnus kommt mit Erik Menveds Rittern

Cicilla stand mit ihrem silbernen Becherlein an der Quelle im Walde. Sie war jetzt erwachsen, und als sie in ihrem Becher forschte, erstaunte sie über die Maßen. Sie erschaute die immer deutlicher werdenden Züge eines jungen Ritters, der von unzähligen glänzenden Helmen umgeben auf einem gewundenen Pfad daherritt. Obgleich die Zweige ihn ab und zu verdeckten und obgleich Jahre vergangen waren, erkannte Cicilla doch, daß es ihr Herzog war. Sie sah ihn so lange an, bis er schließlich ihren Blick fühlte und ihn im Geiste sah. Da nahm sein Gesicht einen glücklichen Ausdruck an, und er ließ das Pferd rasch ausgreifen.

Nun barg Cicilla das silberne Becherlein in ihrem Gürtel. Sie nahm die kleinen Hände der Zwerge in die ihrigen und sagte ihnen Lebewohl, obgleich sie bitterlich weinten. Sie erklärte ihnen, sie sei jetzt zu groß, um noch länger bei ihnen in der engen Höhle zu wohnen, und dann begab sie sich auf die Wanderschaft.

»Er hat wirklich wiederkommen wollen,« sagte sie, als sie die Zeichen sah, die er in die Baumstämme geritzt hatte. »Jetzt müssen diese Zeichen mir den Weg weisen.« Viele davon waren verwachsen, aber schließlich gelangte sie mit ihrer Hilfe doch auf einen breiten Weg. Und siehe, da kam eben Magnus mit sechshundert glänzenden Rittern von König Menveds Hof dahergeritten! Beim Anblick des Mädchens sprang er rasch aus dem Sattel und begrüßte sie.

»Du bist willkommen,« sagte Cicilla verlegen. »Hier zu Lande gibt es nicht viele rechtschaffene Menschen.« Darauf wurde sie sehr ernst und flüsterte aufgeregt: »Ich weiß alles von den Zwergen. Dein Vater ist der größte Bösewicht unter den Folkungen ... kommst du um seinetwillen?«

»Es ist eben doch mein Vater,« erwiderte Magnus und schlug die Augen nieder. »Jetzt ist er von allen verlassen; für ihn und für mein Reich muß ich kämpfen.«

Cicilla sah, daß das Bild einer halberwachsenen Jungfrau mit einer goldenen Krone auf dem Haupte auf seinen Schild gemalt war, daß aber das Bild mit mehreren Dolchstichen zerfetzt war. Magnus bemerkte ihr Erstaunen über dieses Bild und sagte mit finsterer Stimme:

»Man hatte mich mit Ingeborg, der Tochter Hakans von Norwegen verlobt, die vorher Erik bestimmt gewesen war. Aber Erik hat sie mir wieder genommen, deshalb habe ich ihr Bild aus meinem Schilde zerschnitten. Jetzt ist sie seine Witwe. Alles hat man mir genommen, die Braut und das Reich.«

»Warum trägst du denn den Schild noch?«

»Um mich daran zu erinnern, wie man mit meinem Leben gespielt hat. Ich sage dir, bliebe mir eine einzige treu um meiner selbst willen, und wärest selbst du es, Cicilla, in deinem geflickten Rock aus Eichhornfellen, dann wüßte ich, wen ich am Tage des Sieges neben mich auf den Hochsitz heben würde.«

Er hob drei Finger auf, und ein heller Schein flog über seine Stirne. Dann schwang er sich wieder aufs Pferd und ritt mit seinen Streitern weiter.

»Das Wort eines fahrenden Ritters gleicht den Sommerwolken,« sang sie leise vor sich hin und wanderte weiter.

Es wimmelte von Bettlern auf dem Wege. Der eine hatte sich Brettchen unter die Füße gebunden und schleppte sich so dahin, ein anderer hinkte auf einem Stelzfuß, einige aber musizierten und führten Tanzbären daher. Dazwischen kam eine Schar, wohl hundert an der Zahl, mit ihrem besonderen Bettlerkönig an der Spitze, der sich ein rotes Tuch fest um den Kopf genäht hatte. Als die Bettler Cicillas Schönheit sahen, nahmen sie sie mit auf die Höfe und Jahrmärkte und ließen sie da singen.

Wohin sie auch kam, überall ertönte ein Gemurmel der Bewunderung, und zwar nicht am wenigsten bei den Belagerern vor Stegeborg. König Birger hatte sich mit der Königin und Brunke auf ein Schiff geflüchtet und war nach Gotland gefahren, Herzog Magnus aber war mit Erik Menveds tapferen Kriegern in der Festung eingeschlossen worden. Cicilla erkannte ihn oft aus der Ferne, wenn er auf der Mauer stand, ein neunzehnjähriger schlanker Jüngling mit in der Mitte gescheiteltem langem blondem Haar. Aber bei jedem Male war sein Gesicht sorgenvoller, denn Hungersnot und Seuche wüteten innerhalb der Festungsmauern. Wie gerne hätte ihm Cicilla einen der Körbe voll Beeren gereicht, die sie und die anderen Bettlerinnen bei den Belagerern herumtrugen; aber das konnte sie eben nicht.

Indessen hatte sich Brunke einige gotländische Schiffe verschafft, an die er der Reling entlang Schutzbretter nagelte. An Bord dieser Schiffe brachte er dann König Birgers letzte Krieger und viele wohlgefüllte Tonnen mit Lebensmitteln. Als er aber in die ostgotländischen Schären hineinsteuerte, wurde er plötzlich von Schiffen umringt und sein eigenes Schiff in Brand gesteckt, daß er selbst ins Wasser springen mußte und ergriffen wurde. Magnus und seine ausgehungerten Leute hatten nun keine Wahl mehr, sie mußten die Tore öffnen und sich ergeben. Als er herausritt, streckte er die Hände nach Cicilla aus; aber gleich sprangen die Sieger mit ihren Speeren dazwischen, und obgleich man ihm Schutz und Sicherheit versprochen hatte, führten sie ihn doch als Gefangenen nach Stockholm und warfen ihn dort in den Turm.

An dem Tag der elftausend Jungfrauen versammelte Mats Kättilmundsson, der als Reichsverweser gewählt worden war, die andern Großen und hielt Gericht über Magnus. An demselben Tage vor fünfundvierzig Jahren hatte der Vater der Folkunge, der mächtige Birger Jarl, nach einem siegreichen Leben seinen Geist ausgehaucht.

Seit die Belagerten die Waffen gestreckt hatten, war es still um Stegeborg her, und die Bettlerscharen mußten sich allmählich nach andern Orten umsehen, wo Leben war und Handel getrieben wurde und sie auf reichliche Almosen hoffen konnten. Langsam zogen sie von Ort zu Ort, und an einem klaren Herbsttage tauchten plötzlich die höchsten Kirchturmspitzen von Stockholm über den Hügeln auf. Die Zwerge im Walde hatten Cicilla die Bedeutung des Kreuzeszeichens nicht erklärt, und sie erbebte, als der Gesang der Nonnen aus dem Klarakloster zu ihr herübertönte. Jenseits des aufgeweichten Bodens war ein Sandhügel mit einem Galgen darauf. Dort war Brunke schließlich enthauptet worden, zur Strafe für seine bösen Ratschläge bei dem Gastmahl zu Nyköping. Die daherkommenden Bauern nannten den Hügel deshalb auch den Brunkeberg. Aber jetzt machte der Weg eine Biegung, und Stockholm tauchte auf mit seinen Mauern und Türmen und grünen Rasendächern. Cicilla, die gewöhnlich schweigsam und zerstreut als die letzte in der Schar dahinwanderte, wurde von dem unerwarteten Anblick so ergriffen, daß sie froh erregt rascher ging. Aber sie hatte noch nicht viele Schritte gemacht, als sie auf dem Heiligen-Geist-Holm von einer Volksversammlung aufgehalten wurde.

Soldaten standen um einen ausgebreiteten Teppich und bildeten mit ihren Speeren eine spitzige Mauer. Und aus dem Kreise heraus tönten die Worte: »Tritt vor, Herzog Magnus, und bezahle, was dein Vater verbrochen hat!«

Cicilla versuchte, sich auf die Zehen zu stellen, um besser sehen zu können, aber es wurde ihr schwarz vor den Augen, und sie sank auf die Kniee nieder.

»Er ist unschuldig!« rief das Volk. »Er hat für seinen Vater und für sein ererbtes Reich gestritten. Er ist noch so jung, soll er nun sterben?«

Ein Schwert funkelte – dann traten vier Ritter vor und hoben König Birgers toten Sohn auf, legten ihn auf eine Bahre und bedeckten ihn mit einem goldenen Tuch. Von singenden Priestern und Mönchen mit brennenden Kerzen begleitet, trugen sie ihn in die Kirche auf den Holm der grauen Mönche, wo der Denkstein über Magnus Ladulås Grab weggehoben worden war.

König Birger war indessen mit der Königin Märta nach Dänemark geflohen. Aber da starb plötzlich Erik Menved in seiner besten Kraft hinweg von allen seinen großen Träumen. Einige Monate zuvor war Menveds Gattin, die Königin Ingeborg, Birgers Schwester, aus einem Leben voller Enttäuschungen abgeschieden, ohne ihrem Gemahl einen Sohn geschenkt zu haben. Verlassen, ohne Land, ohne Freunde, wurde Birger bei der Nachricht von dem Tode seines Sohnes von schweren Gewissensqualen und tiefem Kummer heimgesucht, und schon im nächsten Jahre war seine letzte Stunde herangekommen. Seine Witwe überlebte ihn um zwanzig düstere einsame Jahre; beide erhielten ihre Gruft neben Menveds Gemahlin in der Kirche zu Rungsted.

Mit jedem Tage nahm die Zahl der Bettler in Stockholm zu. Jammernd zogen sie durch die Straßen und lagerten sich mit ihren Bündeln auf dem Marktplatz oder vor den Toren der Stadt. Sie redeten von der Not, die sich als Strafe der Sünden über die ganze Erde ausbreite. Laut predigend prophezeiten sie eine Zeit der Schrecken, bei der selbst das jüngste Kind keinen fröhlichen Ton mehr hören lassen und jedes Haus von Schmerz und Jammer widerhallen würde. In den Kirchen drängten sich die Betenden und Opfernden, die den Himmel um Erbarmung anflehten und die fürchteten, der Untergang der Welt stehe ganz nahe bevor.

Frühzeitig gealtert folgte Cicilla in ihren Lumpen den Bettlern von Tür zu Tür, und jetzt war sie nicht mehr schön genug, um vorzutreten und zu singen. Eines Abends stand sie mit den andern vor dem Torbogen eine Hauses, wo ein berühmter Kupferschmied und Glockengießer in seiner Werkstatt stand. Er hatte einen grauen spitzen Bart und trug einen schwarzen Mantel. Man raunte sich von ihm zu, er habe den Stein der Weisen gefunden und könne aus Gold einen klaren Trunk schmelzen, der alle Krankheiten zu heilen vermöge.

»O Demokritos, o Pytagoras, o du, Rajmundus Lullus!« murmelte er, während er die Hände nach den Metallklumpen, den Flaschen und Vogelschädeln auf den Wandbrettern ausstreckte. Das waren die Namen von großen Gelehrten, aber das Volk hielt es für Beschwörungen und gab sich alle Mühe, die fremden Worte zu behalten.

Jetzt arbeitete er an einem hohen siebenarmigen Leuchter, der zum Andenken an Eriks und Waldemars Leichenbegängnis aufgestellt werden sollte. Der Fuß des Leuchters sollte Folkungelöwen vorstellen, und der Meister war schon dabei, ihn zu gießen. Unaufhörlich traten Männer und Frauen herein und warfen kleine Gaben aus Zinn und Kupfer in den Schmelzofen. Als der feurige Strom schließlich durch eine Rinne im Boden zu der Gießform hinlief, fiel der Meister mit seinen Gesellen auf die Kniee, sie falteten die Hände und beteten: »Gott gebe den Seelen der Folkunge Gnade und Frieden!«

Da entstand eine Bewegung unter den Bettlern. Cicilla drängte sich vor in den hellen Schein, der ihre Züge verklärte und in überirdischer Blässe leuchten ließ. Sie zog aus ihrem Gürtel ihr silbernes Becherlein, und alle ringsum verwunderten sich, daß sie in den vielen Jahren, wo sie Hunger und Not gelitten hatte, imstande gewesen war, eine solche Kostbarkeit aufzuheben. Das Becherlein war das einzige, was sie auf der Welt besaß, und ruhig, ohne ein Wort zu sagen, ließ sie ihre Liebesgabe in die leuchtende Rinne hineingleiten. Einen Augenblick noch schimmerte das Silber weiß und glänzend, dann vermischte es sich mit dem glühenden Strom. Da verschwand es, gerade wie ihr eigenes armes Schattenleben während der großen Kämpfe spurlos verronnen war. Sie zog die oft geflickte Mütze übers Gesicht herein, trat zurück und ging hinaus in die Dunkelheit, und von da an hörte niemand mehr etwas von ihrem Schicksal.

Der siebenarmige Leuchter steht jetzt auf dem Altar im Dom zu Stockholm. Wenn die Lichter in dem Leuchter brennen und ihre Strahlen wie kleine Dornenkränze schimmern, dann laßt uns ab und zu einmal der unglücklichen Folkunge gedenken!


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