Verner von Heidenstam
Die Schweden und ihre Häuptlinge
Verner von Heidenstam

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XXI. Magnus Smek

(1319 – 1374)

Eine Seite aus Magnus Smeks Gesetzbuch

Beim Morasteine

Eine Meile von Uppsala, nahe der Grenze des uralten Bezirks Tiundaland und Attundaland, liegt die Morawiese. Da wurden in alten Zeiten die neuen Könige gewählt und ihnen gehuldigt. Sehr berühmt und hochverehrt war der Königsstein mitten auf dem Thingplatz, sowie die zwölf anderen Steine, die den Königsstein in einem Kreis umgaben. Später kamen andere Zeiten, und allmählich wälzten die Bauern die Steine fort und mauerten sie in ihre Häuser und Schornsteine hinein. Vielleicht gibt es dort heute noch Häuser, wo der Rauch, der von den Fichtenscheitern unter dem Kaffeekessel aufsteigt, ein Stück von der Felsplatte schwärzt, auf der einst Könige vor Stolz und Freude erbebten. So vornehm kann es ein Bauer in Uppland haben.

Am 8. Juli 1319 lagen noch alle Steine auf ihrem Platze. Der flache Königsstein war durch eingetriebene Felssplitter etwas über den Boden erhöht. Die Gedenksteine früherer Königswahlen, auf denen Königsbilder, Kronen, Runen und Mönchzeichen ausgehauen waren, standen auch noch da.

Das war ein harter Tag für die Lichter des Löwenzahns und für alle die anderen Wiesenblumen, die zu Tausenden im Grase leuchteten, Lederstiefel und Holzschuhe und Pferdehufe trampelten und scharrten, und schließlich gab es auch nicht ein einziges Hälmchen auf der Wiese, das nicht zu fühlen bekommen hätte, daß an diesem Tage Königswahl war. Am Birkenwäldchen wurden ganze Ochsen am Spieß gebraten, und Bierfässer wurden aufgestellt, damit die Hungrigen und Durstigen sich stärken konnten.

Endlich wurde es still ringsum. Birger Persson von Finnstad, der Lagman der Uppländer, trat vor. Lagmänner aus anderen Gegenden des Reiches begleiteten ihn, und jeder Ritter hatte zwölf kundige und verständige Bauern bei sich.

»Frei soll jeder von euch den aufrufen, den er am liebsten zum Könige haben möchte,« begann Birger Persson. »Und dazu ist der würdig, der das Beste des gemeinen Mannes im Auge hat und die Ehre des Reiches verteidigen kann. Hat irgendein Königssohn oder königlicher Verwandter solche Tugenden aufzuweisen, dann müssen wir zuerst an ihn denken. Wer von euch sollte sich nicht an den ritterlichen Herzog Erik erinnern, der im Gefängnis den Hungertod erleiden mußte, ehe wir ihn zu befreien vermochten. Hier vor mir steht sein dreijähriges Söhnlein Magnus! Stellet ihn auf den Morastein! Von Mutterseite ist er zum Erben des Norwegischen Reiches geboren. Wählet ihn, und er wird einer der mächtigsten Könige der Gegenwart werden!«

Ein einstimmiger Beifallsruf schallte über die Wiese hin, und Mats Kätillmundsson trat mit dem zarten Königssohne im Arm rasch auf den Königsstein. Er streckte seine Finger über ein paar Reliquien aus dem Schrein des heiligen Erik und legte dann im Namen des Knäbleins mit weithintönender Stimme den Herrschereid ab:

»Ich schwöre den heiligen Eid,« lautete dieser, »daß ich Gott lieben, meinem Volke treu verbleiben, alle Aufrührer unterdrücken, und alle Stillen, die in Ruhe und Gesetzesuntertänigkeit für sich leben wollen, beschützen werde. Jeden, der dazu nicht bereit ist, werde ich zum Kriegszug außerhalb der Grenzen des Reiches zwingen, und ich werde den Kirchenfrieden, den Thingfrieden, den Frauenfrieden und den Hausfrieden halten und wahren. So wahr mir Gott helfe und der heilige Erik!«

Dann erhoben die Lagmänner die Hände und schwuren den Eid der Treue, und Herr Mats hob den Dreijährigen hoch empor über die Köpfe der Umstehenden. Da blieb kein Auge trocken, denn der Junge glich dem vielbeweinten Herzog. Alle drängten sich heran, ihm zu huldigen, sowohl redselige Sörmländer, als langbärtige Småländer.

Der kleine Magnus bekam Angst und begann zu schluchzen, aber Herr Mats drückte ihn an seine bepanzerte Brust, strich ihm zärtlich über die Locken und sagte: »Solltest du weinen, Kleiner, du, der Glücklichste im ganzen Norden?« Da beruhigte sich Magnus wieder, denn er war an solche Umarmungen von stahlbekleideten Rittern schon gewöhnt.

So gut die Herren es vermochten, hielten sie ihm den goldenen Reichsapfel in dem einen und das schwere geneigte Schwert im andern Händchen fest. Die kleinen Finger des Kindes konnten den Schwertgriff kaum zur Hälfte umspannen.

Als die Huldigung vorüber war, kamen Spiel und Lustbarkeit an die Reihe, und es wurde fleißig auf das Andenken des Herzogs Erik getrunken. Schließlich zogen die Scharen heimwärts, und da tönte schon das Glockengeläute von Uppsala herüber, mit dem dort der Erzbischof den König in der von Macht und Herrlichkeit strahlenden Kirche empfing.

Die Herzogin Ingeborg

Auf dem Wege, der sich bei Warberg an Hallands Uferfelsen hinschlängelt, ritt oftmals ein stattlicher Reiter mit seiner jungen Gattin. Er hieß Knut Porse, und seine unerschrockene Begleiterin war die Mutter des Königs, die junge Herzogin Ingeborg, Tochter des Königs Håkan von Norwegen. Porse war in ihrer Freundschaft hoch gestiegen, und schließlich hatte die Herzogin die Witwenhaube abgelegt und ihm die Hand gereicht. Verwegen sprengten die beiden durch Dorngestrüpp und über Steinblöcke, und dazwischen sprachen sie von ihren Kämpfen mit den mächtigen Herren, die auf allen Wegen und Stegen mit ihren Scharen plündernd umherzogen und Unfrieden anstifteten.

»In einem Lande, das von einem Kinde regiert werden soll, herrscht keine Ordnung,« sagte die Herzogin und riß ihren Mantel los, der sich in einem Dornbusch verfangen hatte. »Herzog Erik hatte davon geträumt, sich hier unten an der Westküste ein eigenes Reich zu gründen, und dieser Gedanke wird mir mit jeder Stunde lieber.«

Als sie auf ihr Schloß zu Warberg zurückgekehrt waren, wurden Wachskerzen angezündet und der Hof versammelt. Aber während der Mahlzeit erhob sich plötzlich die Herzogin mit nachdenklichem Gesicht und schloß sich mit Porse ins Turmgemach ein, um zu beratschlagen. Auf der Bank neben der Feuerstelle erzählte sie von ihrem Vater König Håkan in Norwegen und berichtete, wie weise er zu seinen Lebzeiten sein Reich regiert habe. Wie um sich dieser Gedanken zu entschlagen, begann sie plötzlich die schöne Sage von Blanzeflor, die ihre Mutter sie gelehrt hatte, auswendig herzusagen, aber mitten drin stockte sie und stützte sinnend den Kopf in die Hand. »Nein,« rief sie, »nein, ich bin nicht wie meine Mutter, mir macht eine alte Sage keine Freude. Ich will Macht und Land haben!«

Porse stand am Tisch und blätterte in einem neuen Schuldbrief. »Dein armer Sohn,« sagte er, »ist unter keinem glücklichen Stern geboren, obgleich, das Volk damals auf der Morawiese so laut schrie. Die goldene Krone schwebt über Armut. Der Übermut und die Zwistigkeiten der Folkunge haben Säcke und Schreine geleert, und verhungerte Ritter sind gefährlich. Jetzt wäre der rechte Augenblick gekommen, die hungrigen Wölfe zu sammeln. Ach, hätte ich doch tausend blanke Rüstungen!«

Und ganz trotzig drückte er, während er also sprach, das große nordische Reichssiegel, das die Herzogin im Verwahr hatte, unter den Schuldbrief.

Bald wurden indes die Lichter in der Burg zu ganz anderem als zu frohen Festen angezündet. Auf der Treppe und in einer langen Reihe über den Hof hin stellten sich Mönche auf, die unter den hereingezogenen Kapuzen Gebete murmelten. Und auf einer Bahre, die jetzt aufgehoben wurde, lag kalt und bleich der Herzogin Gatte, ihr geliebter Porse, der ganz unvermutet von Krankheit und jähem Tod betroffen worden war. Das Banner, das über seinem erträumten Heere hätte flattern sollen, hing schwer und schlaff um die Stange, und vor dem Leichenzuge ritt ein schwarzer Ritter, in der Hand Porses Schwert mit abwärts gekehrter Spitze – das Schwert, das eine Königskrone hätte erobern sollen.

Zum zweitenmal trug die Herzogin jetzt Witwentracht, als sie mit ihren schweigsamen Knappen den Strand entlang ritt. Dicht unter dem Pfade lagen die weißlichen Riffe, um die das Meer schäumte und brandete. Es war helles aber stürmisches Wetter, und die Herzogin mußte an ihre zwischen Helmbüschen und Lanzen und Gefängnissen verbrachte Jugend denken. Über den Äckern auf der andern Seite des Pfades erhoben sich Hallands sonderbar geformte Hügelketten wie grauschwarze Scharen von Büßern und Witwen. Der Herzogin war es, als bewegten sie sich und zögen mit ihr, während sie so stumm dahinritt, und unwillkürlich fragte sie sich, was das wohl zu bedeuten habe.

Vor ihr auf dem Sattel saßen ihre beiden Söhnlein, die Kinder Porses. »Wenn nur sie am Leben bleiben dürfen,« schluchzte sie und drückte die Kleinen unter dem Mantel innig an sich, »Mögen die Heiligen mir Verlassenen helfen!« Dann richtete sie sich wieder gerade und stolz auf.

Das große Reich

Als Magnus neunzehn Jahre alt war, ritt er, wie es die Sitte heischte, auf der Erikstraße in gerader südlicher Richtung durch das Land. Es mußte zur Winterszeit geschehen, wo man auf dem Eise vorwärts kommen konnte.

In Sörmland lagen die Seen so dicht beieinander, daß er zwischen den entblätterten Eichengehölzen bisweilen vier auf einmal zählen konnte. Dann breitete sich unter dem Kolmården eine sonnige Ebene aus. Da kamen die Ostgoten bedächtig und selbstbewußt aus ihren reichen Höfen heraus und luden ihn zu Speise und Trank ein. Sie waren neugierig, seine Königin zu sehen, die junge Blanka von Namur, die er vor kurzem auf dem Schlosse zu Bohus geheiratet hatte.

Die Königin machte sich beständig mit ihrem Schleier und ihren Spitzen zu schaffen. Unaufhörlich mußten die Mägde von den Pferden steigen und ihr helfen.

»Soll sie die guten Gerichte nicht auch versuchen?« fragten die Bauernfrauen, sich an Magnus wendend, als sie merkten, daß die Königin kaum ein Wort von ihrer Sprache verstand.

»Gebt es mir an ihrer Statt,« antwortete Magnus, der mit runden Kinderwangen auf seinem Pferde saß, friedfertig und gutmütig. Das Haar fiel ihm in üppigen Locken unter der Krone über die Schulter herab. Gerade so wollten die Ostgoten ihren König haben.

Aber bald führte der Weg steil aufwärts über Holaveden, und ein Schneesturm fegte daher. Vielhundertjährige Eschen breiteten ihr Geäste über heilige Opferquellen. An den untersten Zweigen hingen Krücken und Kreuze, aber höher droben erlegte Wölfe und Häher. Aus einem gespaltenen Stamm schaute ein fast ganz verborgenes, mit einem Heidekrautkranz geschmücktes Marienbild hervor, und weiße Geißen kletterten auf dem Schutt und den Steinen umher.

Vor den Felsklüften schwankten und klangen die Eisschollen auf dem Wettersee. Aus der Ferne drang schon die Musik der Småländer herüber, die dem Könige entgegenzogen, an ihrer Spitze der Lagman von Tiohärad; aber das Schneegestöber war so heftig, daß man sie nicht wahrnehmen konnte. Der Schnee stach und brannte wie glühende Nadeln, und die Federbüsche der Ritter flatterten nach rückwärts über die Helme. Da vergaß Blanka ihre Schleier, sie schlug den Mantel zurück und ließ sich den Sturm frei ins Gesicht blasen. Sie hatte von ihrer südlichen Heimat her noch so viel Wärme im Blut, daß sie nicht fror, obgleich ihr der Schnee jetzt wie eine weißwollene Mütze auf dem dunklen Haare lag.

Magnus faltete die Hände und betete im Sturme laut zu Gott um Kraft, immer das Böse mit Gutem zu überwinden. Sein Pferd machte vor einer kleinen Opferkirche, die neben einer Quelle aufragte, Halt. Es war eine Thingstelle, und an einer Kette hingen einige geschwärzte, mit alten Gesetzesrunen bedeckte hölzerne Tafeln.

»Die Mächtigen haben vergessen, was althergebrachtes Recht gebietet,« sagte er zu den Bauern, als diese herangekommen waren. »Ich aber will mit euch zu Rate sitzen und eure Wünsche anhören. Und ich will die Gesetze der verschiedenen alten Landschaften sammeln, damit wir ein einiges Gesetz und eine einige Sprache im Reiche bekommen.«

Die Småländer begleiteten ihn um den Wettersee herum, wo sie auf die Westgoten trafen. Diese sagten zu der Königin: »Du leuchtest röter in der Sonne als eine Blume,« und versprachen, sie nach echtem Hochzeitsbrauch zu begrüßen. Darauf gingen sie in den Glockenturm und ließen das Glockenspiel ertönen, indem sie mit kleinen Steinen auf das Erz schlugen. Das klang ganz lustig und klar durch das helle Winterwetter. Zwischen den Hügeln schauten da und dort die alten Kirchen aus der allerersten christlichen Zeit in stiller Heiligkeit hervor.

Schließlich erklang von Skara die berühmte Glocke Santabena herüber, und alle in dem Königsgefolge machten das Zeichen des Kreuzes. Als der König selbst in seinem blauen Mantel in der Kirche stand, legte er den Eid ab: »Damit die Seelen meines Vaters und meines Oheims Frieden finden, soll fortan weder Mann noch Weib leibeigen sein oder so genannt werden. Gleichwie uns, so hat auch Gott die Leibeigenen erlöst.«

Nun ging die Reise durch den öden Tiveden nach Närkingar und Westmän, und bei Sagån warteten die Uppländer mit ihrem Lagman.

Birger Persson von Finnstad lag damals schon in seinem Grab zu Uppsala, aber sein Sohn, Herr Israel, war Lagman an seiner Statt und stand ernst da mit seinem Ritterschwert. In Felle gekleidete Finnenhäuptlinge hatten sich auch von ihren abgelegenen Bergen eingefunden. Mit der vornehmen Zierlichkeit und dem ihnen eigenen liebenswürdigen Lächeln, die auch die geringste Gebärde bei diesem alten Volke adeln, begrüßten sie das Königspaar.

»Magnus, dein Reich ist groß und schön,« sagte die Königin, als sie wieder im Schlosse zu Stockholm saß und sich in die weichen Kissen ihres Sitzes zurücklehnte.

»Und doch bist du erst in einem kleinen Kreis mitten im Lande herumgeritten,« erwiderte er. »Unser Reich reicht vom Ladogasee über die Ostsee, Schweden und das norwegische Hochgebirge bis zur Nordsee und von der Küste Schonens bis zum Eismeer.«

Als aber die Königin immer noch nicht begreifen konnte, wie groß das war, winkte der König einem Predigermönch, namens Asmundus. Der Mönch war ein guter Schneeschuhläufer, stark und waghalsig, zugleich aber auch ein großer Gelehrter.

»Du willst, daß ich dein Reich beschreibe, o König,« sagte Asmundus. »Heute kann ich das nicht, aber laß mir Zeit, zu überlegen. Ich will alle Grenzen abschreiten und an allen Küsten hinfahren, bis ich um dein ganzes Reich herumgekommen bin. Dann kehre ich hieher zurück, und dann erst kann ich deiner Königin alle die bebauten und unbebauten Länderstrecken beschreiben, über die du herrschest. Gottes Friede sei mit dir! Ich begebe mich sogleich auf den Weg.«

Ein Jahr verging, mehrere Jahre vergingen, und noch hörte man nichts von Asmundus.

»Ein so mächtiger König wie du, Magnus, sollte auch einen glänzenden Hof halten,« sagte bisweilen die Königin einschmeichelnd, und ihr faltenreiches, schleppendes Gewand wallte um sie her wie eine goldene Woge.

Dann preßte Magnus wohl verlegen den Schlüssel seiner leeren Schatztruhe zwischen den Fingern, aber er konnte ihr nichts verweigern.

Lebhaft, redselig und schön war sie, und während sie bei der Messe neben ihm kniete und sich bekreuzte, dachte sie an ihre Hermelinmäntel und an ihre Perlenketten. Bisweilen fuhr sie jäh zusammen; das war, wenn sie hinter den brennenden Kerzen zwei strenge Augen warnend auf sich gerichtet sah. »Frau Birgitta zürnt uns,« flüsterte sie. Aber so bald der fromme Gesang zu Ende war, eilte sie mit einem kleinen Reliquienschrein oder einer andern Gabe zu Birgitta hin.

»Das Leben ist so kurz und wir sind noch so jung,« stammelte sie. »Liebe Verwandte, sei nicht so streng gegen uns.«

Birgitta sah sie freundlich an und sagte: »Alles, was die Folkunge verbrochen haben, muß Magnus sühnen. Armes kleines Herz, lerne beizeiten die Dornenkrone tragen.«

Birgitta war jetzt mit Ulv Gudmarsson verheiratet. Aber sie wurde immer ernster, und die Hofleute begannen sie allmählich zu fürchten, ja sie zu hassen. Da nahm sie den Pilgerstab in die Hand, wanderte auf Felsenpfaden zum Schrein des heiligen Olof in Nidaros und von da nach noch abgelegeneren Wallfahrtsorten. Mönche und Hausgeistliche berichteten Blanka von ihren Reisen; diese aber hörte kaum zu; sie trippelte auf dem mit Blumen bestreuten Boden umher und tanzte bei Harfen- und Lautenklang.

Als Birgitta zurückkehrte, trug sie einen groben Strick um die Mitte, und das härene Hemd war oben am Halse sichtbar. Hingerissen von einer Ehrfurcht, die sie sich nicht erklären konnten, warfen sich einige von den Mägden vor ihr nieder und küßten den Saum ihres ärmlichen Friesmantels. Der König saß auf seinem Sitz, auf jedem Knie eines seiner Söhnlein, Erik und Håkan, aber bei Birgittas Anblick stand er auf und folgte ihr in seine Gebetskammer. »Ich weiß, daß dein treuer Gatte, Herr Ulv, seinem Fasten und seinen Kasteiungen erlegen ist,« sagte der König.

»Ja, ich habe ihn in ein Mönchsgewand gehüllt, und er schläft in Frieden in Alvastra,« erwiderte sie und sah dabei so bleich und durchsichtig aus, daß sie Magnus mehr wie ein Geist als ein Mensch vorkam. »Jetzt ziehe ich nach Rom, in die Stadt der Märtyrer, des Papstes Bestätigung zu dem Kloster einzuholen, das ich in Vadstena erbauen will. Du bist arm, König Magnus, aber schenke mir zu meinem Kloster, daß du noch ärmer werdest. Ich selbst habe nichts, das ich dir zum Abschied geben könnte, als meinen abgegriffenen Rosenkranz; es werden bald schlaflose Nächte für dich kommen, wo du diesen Rosenkranz mit Inbrunst beten wirst.«

Sie sprach noch lange mit dem König, warnte, gab ihm guten Rat, drohte. Dann ging sie; aber eine dumpfe Beklemmung hielt die Sinne des Königs noch umfangen, als Birgitta schon das Schloß verlassen hatte. Er begab sich hinunter und brachte den Bettlern vor dem Tor selbst Almosen, demütigte sich und wusch ihnen die Füße.

Aber die mächtigen Herren umringten ihn und sagten: »Anders war dein Vater, der tatendurstige Herzog Erik. Du beugst dich in den Staub vor ein paar Bettlern, aber gegen uns Herren bist du ungefällig. Mit teurem Gelde hast du die Bezirke in Schonen von Waldemar Atterdag gekauft, damit das Reich groß werde. Jetzt sitzst du in Schulden, und viele von unseren Verwandten, die deine Bürgen geworden sind, hält Waldemar als Geißeln im Gefängnis.«

»Mein einziger Wunsch ist, allen gerecht zu werden,« erwiderte Magnus, indem er von ihnen wegging.

»Er tut dem Volke schön,« raunten die Ritter einander zu. »Bettelkönig, König Magnus Smek!«

In dieser Zeit tauchten Kometen und andere Wahrzeichen am Himmel auf. Ein stinkender Nebel wogte über die Felder hin, und aus der Erde stieg ein verpesteter Geruch auf von all der Verwesung, die sie in ihrem Schoße barg. Auf den Straßen johlten umherziehende Gaukler Schandlieder über den Papst, die Priester und alles, was heilig genannt wurde. Junge, schöne Gesichter wurden gelblich und matt, und auf der Zunge hatte man einen bittern Geschmack. Bei Nacht schnatterten die Elstern, und das bedeutete Tod. Die Heiligenschreine wurden unter Gebet um die Kirchen herumgetragen; die Klöster und Krankenhäuser konnten die Kranken und Hungernden nicht mehr fassen; zu Tausenden lagen sie auf den freien Plätzen und auf den Häuserstufen.

Der schwarze Tod

Eines Morgens wurde die Tür des Saales im Königsschlosse heftig aufgerissen, ein Predigermönch wankte ermattet herein und sank auf den Teppich aus Renntierfell nieder. Da saß er und wiegte sich wie im Schmerz hin und her. Sein Mantel war in Fetzen und sein Bart lang wie der eines Eremiten; aber alle Anwesenden erkannten ihn: es war Asmundus. Die Knappen liefen rasch mit einem Becher Wasser herbei, aber erschrocken wies Asmundus ihn zurück.

»Auch das Wasser ist verpestet,« stammelte er. »Laßt mich nur sitzen, nur eine Weile ruhen! Ich bin die Landesgrenze entlang gegangen. Das Reich ist noch größer, als ich mir je hätte träumen lassen. Dunkle Winterwochen, wo die Sonne nie aufging! Helle Sommerzeiten, wo die Sonne noch um die Mitternacht brannte! Öde felsige Küsten, wo das Eismeer dröhnte! Wer hat ein solches Reich wie du, o König Magnus! Und was habe ich nicht alles erlebt! Aber kommt mir nicht zu nahe!« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern und fuhr fort: »Die Pest ist im Lande! Das Pestmädchen tanzt mit blutroten Wangen und einem Besen in der Hand vor den Scharen her. Und wo sie den Platz vor einem Hause sauber fegt, in dem sterben alle. Und der Pestjunge tanzt neben ihr mit seiner Harke. Und wo er harkt, da sterben wenigstens die meisten. Sind diese beiden böse Geister, oder sind sie besessen? Ich weiß es nicht. Aber gesehen hab ich sie. Die Pest ist schon hier in der Stadt!«

Er runzelte die Stirne und betrachtete eine der Mägde mit scharfem Blick. »Warum sitzest du so müßig da und bist doch noch jung?« sagte er lachend und richtete sich mühsam auf. »Ja, du bist schon von der Krankheit angesteckt, Kleine. In drei Tagen um diese Zeit liegst du in deinem Leichentuch. Die Pest ist hier in der Burg.«

Er ergriff seinen Sack und den abgegriffenen Stab und eilte hinaus, ohne sich umzusehen.

Als er zu dem Bettlerhaufen hinunterkam, entblößte er seinen Rücken und schlug ihn mit seinem Gürtel blutig. Da geißelten sich auch die andern und folgten ihm eiligen Laufes zur Stadt hinaus.

»Wohl entfliehen wir!« rief er. »Aber wohin? Jetzt wird tausendjährige Sünde gestraft, und nirgends gibt es mehr eine Freistatt. Selbst in Avignon, wo der Papst seinen Sitz hat, reichen die Kirchengüter nicht mehr hin, und in der Erde ist eine so große Unruhe, daß ganze Städte einstürzen.«

Die Höfe, an die der Haufen kam, waren menschenleer, die Betten waren gemacht, die Vorratshäuser standen offen, die Schlüssel lagen neben den Schatztruhen. »Die Müdigkeit überwältigt mich,« sagte Asmundus, »aber ich wage es nicht, mich in die von den Verstorbenen verseuchten Betten zu legen. Ich bin am Verhungern, und das Essen steht auf dem Tisch, aber ich wage nicht zu essen. So wollen wir wenigstens das Silber aus der Truhe nehmen, daß wir etwas haben, um Brot zu kaufen, wenn wir je gerettet werden.«

Und er, der so redliche und gute Klosterbruder, füllte seinen Säckel wie ein Räuber.

Die Geißelbrüder banden sich Kreuze aus Baumzweigen und trugen sie hoch über den Köpfen, um damit den stinkenden Nebel zu beschwören. Neue Bettlerscharen wankten von allen Seiten herbei, aber die einen fürchteten sich vor den andern und streckten ihre Kreuze wie Speere vor sich hin. Asmundus Schar lichtete sich von Stunde zu Stunde. Die jüngeren starben zuerst, dann die älteren, schließlich war er der einzige, der noch übrig blieb!

In einer Nacht sah er vor einer Ortschaft einen großen Scheiterhaufen brennen. Verstohlen schlich er sich darauf zu. Der Ortspfarrer, ein ergrauter Mann mit überaus milden Zügen, stand mit auf den Rücken gebundenen Händen daneben. Aber in seinen Augen war das Licht des Verstandes erloschen.

»Werft mich ins Feuer!« rief er. »Ich habe das Pestgift in die Brunnen gelegt, sowie auf mein Handtuch, das ihr bei der letzten Messe geküßt habt!«

Aber hinter dem Feuer tanzte ein rotwangiges Mädchen und kehrte eifrig mit einem Besen.

Asmundus zog die Kapuze herein, um nicht mehr sehen und hören zu müssen; fast wäre er von einem schwarzen Ritter, der an ihm vorübersprengte, umgerissen worden.

»Wohin, wohin?« rief er ihm zu.

»Botschaft für den König von der Herzogin Ingeborg,« antwortete der Reiter, ohne anzuhalten. »Zwei Söhnlein hatte sie aus ihrer Ehe mit Porse, und beide liegen auf der Bahre! Gottes Geißel verschont keinen.«

Bei Tagesanbruch gelangte Asmundus an eine Burg. Die Fallbrücke war aufgezogen, und die Gucklöcher waren mit Brettern vernagelt, wie mitten unter einer Belagerung, obgleich kein anderer Feind zu sehen war als der gelbe Nebel, der um die Mauern herwogte. Auf dem Turm stand ein Wächter.

»Ich verhungere,« stieß Asmundus hervor und hob seinen Beutel mit dem klingenden Raub aus den Höfen in die Höhe. »Laß mich ein, o gib mir zu essen und ein Obdach, dann soll dies alles dir gehören!«

»Das Pestgift sitzt auch in dem geprägten Bilde auf einer Silbermünze,« erwiderte der Wächter schwermütig und spannte drohend den Bogen. »Es fliegt umher und heftet sich an alles an, wie die kleinen Fliegen im Sommer. Die Mutter wagt ihr Kind nicht mehr zu küssen, der Mann die Hand des Freundes nicht mehr zu drücken. Mach, daß du weiter kommst, Mönch!«

Asmundus streckte seine Hände vor sich hin, die bis zum Überfließen mit Silber gefüllt waren.

»Nun muß ich also erleben, daß sogar das Gold und Silber, nach dem die Folkunge so gierig waren, seinen Wert verloren hat,« rief er und schleuderte den ganzen Schatz von sich, und dann wankte er weiter auf unbekannten Pfaden Wärmland zu.

Schließlich zwang ihn der Hunger, in die totenstillen Hütten zu treten und sich mit Speise zu versehen; aber bei jedem Bissen Brot dachte er: »Kommt der Tod vielleicht in diesen Brosamen zu mir?«

Die Einsamkeit erschreckte ihn, und er sehnte sich danach, ein Licht zu sehen, ach, nur ein einziges schwaches Lichtlein in weiter Ferne, das ihm kund getan hätte, daß dort noch ein Lebender übrig geblieben sei!

Eines Abends schimmerte ihm aus der Kirche des Ekebezirks Lichtschein entgegen. Die Tür stand offen. Aber die Frau oder der Mann, der unter einem letzten Gebet diese jetzt fast ausgebrannte Kerze vor den Heiligenbildern auf dem Altar angezündet hatte, war schon weggegangen. Asmundus rief in die Kirche hinein, wo einfältig und fromm gemalte Engel und Heilige ihn von den Wänden und von der Decke herab anschauten, erhielt aber keine Antwort. Er fühlte, daß die Pest ihn ergriffen hatte und daß die Beulen in seinen Achselhöhlen ausbrachen. Als er sich auf den Boden niederlegte, verhüllte er sich die Augen, damit der letzte Anblick, den er hier auf Erden hätte, die stille liebevoll brennende Flamme auf dem Altar sein sollte.

Auf dem Wege nach Ekeshärad wucherte das Unkraut, die Hütten waren vom Sturm umgeblasen und vermodert, und auf den Hofplätzen wuchsen Nesseln und Farnkräuter, wie es da zu geschehen pflegt, wo vorher Menschen gewohnt haben. Das ganze Dorf war zur Einöde geworden, und um die Kirche dehnte sich ein Hochwald. Erst nach langer, langer Zeit entdeckte ein Jäger, der seinen abgeschossenen Pfeil suchte, die altertümlich gebaute vergessene Kirche wieder.

Drunten in den Ortschaften, die noch bevölkert waren, wurden indessen Scheiterhaufen angezündet und fleißig mit den Glocken geläutet. »Auf zum Kreuzzug, zum Kreuzzug, um Gottes Zorn zu versöhnen!« erklang es in den Kirchen.

Birgittas Bruder, Herr Israel, wanderte allein und gedankenvoll in dem alten Saale zu Finnstad auf und ab. Lange kämpfte er mit seinen weltlichen Pflichten. Schließlich aber zog er das kreuzgeschmückte Gewand an und gürtete sich sein geliebtes Ritterschwert um, das unter Gebet gehämmert und auf dem Altar geweiht worden war.

»Es ist Magnus Verhängnis,« sagte er; »er fängt alles mit gutem Willen an, und alles schlägt ihm zum Unglück aus, aber auf seinem Kreuzzug muß ich ihm folgen.«

Er begleitete ihn auch wirklich über die Ostsee, aber nach mehreren Schlachten erkrankte er in Riga und fühlte sein Ende nahe. Auf seinen Diener gestützt wankte er in den Dom. Dort steckte er seinen wertvollen goldenen Ring an den Finger des Marienbildes und flüsterte: »Du bist meine Freude und du warst mir immer die Holdseligste, deshalb rufe ich auch dich zum Zeugen auf. Ich befehle mich und meinen Geist deiner Vorsehung und deiner Barmherzigkeit!«

Gefängnis und Verbannung

Als Håkan, des Königs jüngerer Bruder, fünfzehn Jahre alt war, ritt er zu den Normannen; denn sie waren seines Vaters überdrüssig geworden und hatten an dessen Statt Håkan gewählt, damit er das Land regiere. Vorher aber schlang er den Arm um seinen Vater, der gebeugt auf den Stufen des Hauses stand.

Als der letzte Reiter des Gefolges verschwunden war, wendete sich Magnus um und fragte: »Wo ist mein ältester Sohn, wo ist Erik? Er hat jetzt das Alter erreicht, wo er mir eine Stütze sein könnte?«

Blanka erwiderte: »Er steht droben auf dem Turme und weint darüber, daß Håkan schon ein eigenes Reich hat. Von heute an wird er nie wieder als ein guter Sohn bei uns sitzen.«

Jetzt wurde es düster und still in der Burg, denn die aufrührerischen Großen wählten Erik zum König, und Magnus behielt nur einen ganz kleinen Teil seines früher so riesengroßen Reiches, den er frei regieren durfte. Er konnte weder dem Papst noch andern Gläubigern seine Schulden bezahlen, ja, er mußte sogar seine beiden Königskronen versetzen. Da läuteten die Glocken der Bischofskirche, die Prälaten bestiegen den Altar und sprachen den Bannfluch über ihn aus. »Wie ich dieses Licht hier auslösche,« sagten sie, während ihre Gehilfen die Lichter auf den Boden neigten und die Flammen austraten, »so schließe ich König Magnus und seine Bürgen aus der Kirche, vom Gebrauch der Gnadenmittel, von dem Segen des Herrn, von aller Hilfe und von allem Mitleid der Menschen aus. Keiner von ihnen darf eine Kirche betreten, sich an der schönen Messe zu erquicken. Sie sind verworfen und verflucht auf Erden.«

Und immer noch waren die Plagen, die die Straßen mit Bahren und das ganze Land mit Jammer erfüllten, nicht zu Ende. Noch eine Seuche brach herein, die das große Kindersterben genannt wurde, und Erik mitsamt seiner jungen Gattin Beatrix wurde ins Grab gebettet.

Als dann die Königin in tiefer Trauer neben Magnus saß, sagte sie: »Jetzt klagt uns das Volk an, wir hätten unsere eigenen Kinder vergiftet.«

Da sah der König, wie weißhaarig und alt seine Gattin geworden war, und einige Jahre später, nachdem beide in Kopenhagen gewesen waren und der Hochzeit von Hakans Tochter mit Waldemar Atterdags Tochter Margareta angewohnt hatten, erkrankte die Königin Blanka und starb; da war Magnus einsamer als je.

Mit Hakans Hilfe versuchte er die Großen in seinem Reich zu züchtigen. Aber da wendeten sich diese an des Königs Schwager, den Herzog von Mecklenburg, und huldigten seinem Sohne Albrecht beim Morasteine. Im Gatawalde bei Enköping wurde Magnus geschlagen und gefangen in die Burg nach Stockholm geführt.

Als er dort durch die Säle schritt, wollte er vor den mit verblichenen Kissen bedeckten Bänken anhalten, wo er mit allen seinen guten Absichten in früheren Tagen mit der sorglosen Blanka die Zeit vergeudet hatte, aber er wurde in den Turm geführt und die eiserne Tür hinter ihm verriegelt. Da stand er stundenlang in dem spärlichen, bleichen Sonnenstreifen, der zu ihm hereinfiel, um sich zu wärmen. Der Sonnenstreifen wechselte seinen Platz von Tag zu Tag, und es kamen lange Wintermonate, wo er nur übers Gitter hinhuschte. Als er wieder bis zu ihm hereindrang, wußte Magnus, daß es draußen Frühling wurde, aber er sah keine Baumwipfel, nur leere Luft und ewig dahinjagende Wolken. Jahr um Jahr verging, und der Boden zeigte die Spuren seiner Schritte. Jeder Stockflecken, jede Unebenheit in der Mauer wurden ihm zu bekannten Erscheinungen. Um die Zeit herumzubringen, gab er den Stellen Namen von Burgen und Städten, die ihm früher zu eigen gehört hatten, fuhr mit den Fingern zwischen ihnen umher und spielte damit wie ein Kind.

»König Magnus Smek,« sagte er, »du wolltest ein großes Reich regieren und den kleinen Leuten helfen und dich der Gewalt der Gesetze entgegenstellen; aber dein Schicksal war zum voraus bestimmt: du warst zum Bettler geboren.«

Nach sechs langen Jahren, als Magnus eines Tages dem Rauschen des Stromes lauschte und die Möwen zählte, die an seinem Fenster vorüberflogen, drang plötzlich lautes Waffengeklirr und Hörnergeschmetter an sein Ohr. Die Wächter holten ihn aus dem Turm, und er glaubte schon, man würde ihn zum Tode führen. Aber als er die Brücke überschritten hatte, sah er seinen Sohn Håkan, der ihm mit Tränen in den Augen entgegeneilte. Magnus selbst war sehr verändert, er hatte eine dunkle Farbe bekommen, seine Augen lagen tief in den Höhlen, und die Adern an seinen Beinen waren vertrocknet. Als er zu sprechen versuchte, klang seine Stimme ganz schwach, nur wie das Summen eines Bienenschwarms.

»Du hast mich also nicht vergessen?« sagte er.

Tiefbetrübt schlang Håkan die Arme um ihn und half ihm auf ein Pferd. »Mit Kämpfen und mit teurem Lösegeld ist mir es endlich gelungen, dich zu befreien,« erwiderte er. »Obgleich König Birger ein Tor und ein Mörder war, hat ihn sein Sohn doch nicht verlassen. Sollte ich schlechter sein als er?« Er nahm den Vater mit sich nach Norwegen und machte ihn zum Mitkönig über die Landschaften, die von dem früheren Reiche noch übrig geblieben war.

An einem stürmischen Wintertag, gerade vor Weihnachten, segelte Magnus einstmals mit einem Schiff außerhalb der Fjorde bei Bergen. Zwischen den Schären bei Lyngholm geriet das Schiff in Gefahr. Das Donnern der Brandung tönte zu Magnus herüber, und er konnte den nahen Strand sehen; aber weil er zum Bettler geboren war, ergriff ihn seine alte Lust, lieber die letzten Brosamen des Lebens auszukosten, als kühn das Steuer zu ergreifen. Er warf sich ins Wasser, um das Land zu erreichen; da schlugen die Wogen über ihm zusammen.

Als ihn dann seine Diener, die auch über Bord gesprungen waren, ans Land zogen, atmete er zwar noch, aber, den Kopf im Schoße dieser Getreuen, starb nach wenigen Augenblicken der letzte schwedische König aus dem Geschlechte der Folkunge.

In den nordischen Gebirgen wurde um ihn getrauert. Man nannte ihn den Heiligen und Guten, weil er so viel hatte leiden müssen und sich doch seine Sanftmut bewahrt hatte. Lange noch ging die Sage, er sei nicht gestorben, sondern lebe als Mönch in einem russischen Kloster. Wo sein Grab ist, weiß niemand.


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