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Das Rankholmer Palais lag, von einem auf Marmorpostamenten ruhenden, vergoldeten Gitter umschlossen, mitten in der Adelstraße. Ein prachtvoller, weißschimmernder Bau mit hoher Aufgangstreppe tauchte hinter einem großen Vorplatz mit grünem Rasen auf. Zwischen ihnen befanden sich gepflasterte Fahrwege, und zu Seiten befanden sich die Stallungen und eine Reitbahn.

Am Abend des nächstfolgenden Tages, an dem sich die vorstehend geschilderten Scenen abgespielt hatten, war das Palais von oben bis unten hell erleuchtet. Es schwamm gleichsam in einem Lichtmeer. Von den mächtigen Treppenkandelabern floß das Licht auf den Vorgarten herab, und ein zahlreiches Publikum hatte sich auf der Straße aufgestellt, um der Einfahrt der zahlreichen Equipagen mit ihren livrierten Kutschern und Dienern beizuwohnen.

An achtzig Personen aus den vornehmsten Kreisen waren Einladungen von dem Grafen Lavard und seiner Gemahlin ergangen. Es galt, den Bräutigam von Lucile, den Marquis Armand de Curbière de Ramillon der Gesellschaft vorzustellen. In Berlin hatte Lucile ihn als Attaché der französischen Gesandtschaft in einer Hofgesellschaft kennen gelernt, und bei einem Besuch, den der Marquis der Familie in Rankholm abgestattet, war die Verlobung zwischen ihnen erfolgt.

Es fehlten noch zehn Minuten vor dem Tischgang, Schon hatte Frederik wiederholt forschend die Zahl der Gäste gemustert.

Es ließen noch warten der Stadtkommandant, General Baron von Berling, und – Komtesse Imgjor, die auf das dringende Ersuchen des Grafen ihr Erscheinen zugesagt hatte.

In verschiedene Gruppen verteilt, standen die Gäste schwatzend umher. Neben Lucile und neben dem Marquis von Curbière, dem Musterbilde eines vornehmen, ritterlichen Mannes, stand der Premierminister Graf Niels von Rosenberg.

Er war klein und korpulent, hatte eine schiefe Schulter und einen buckligen Rücken, besaß aber einen so ungewöhnlichen Verstand, und aus seinen grünen Augen sprühte es so streng und gebieterisch, daß sich unwillkürlich Hoch und Niedrig vor ihm bückten.

Ein leises und lautes »Ah!« der Bewunderung entrang sich dem Munde der Gäste, als dann endlich auch Imgjor, gefolgt von dem General von Berling, einem Mann, der einem spanischen Granden glich und dessen Brust die Orden kaum fassen konnte, in den Hauptsaal trat.

Sie trug ein tief ausgeschnittenes Kleid, dessen eine Hälfte, die linke, aus zartgefärbter rosenroter, die andere aus schneeweißer Seide bestand.

Um den Hals, dessen schwanenweiße Farbe das Auge entzückte, lag ein Reif von Diamanten, aus dessen Mitte ein Opal seine roten, blauen und grünen Blitze schoß; ein ebensolcher Schmuck umschloß die Arme. Das braunrötliche Haar war empireartig frisiert, und eine durchsichtige, zarte Randspitze umgab da, wo ihre schneeige Brust sich hob und senkte, den Saum des ihren vollendet gewachsenen Körper fest und schlank umfließenden Seidenleibchens.

Als sich Imgjor nach Begrüßung ihrer Eltern und der sich zu ihr drängenden Gäste nach Lucile und dem Marquis umsah – der Zufall hatte es gefügt, daß sie den Bräutigam ihrer Schwerer bisher verfehlt hatte – löste sich gerade Curbière aus der vorhin beschriebenen Gruppe und eilte mit lebhaften Mienen auf Imgjor zu.

Er stutzte. Ersichtlich ging etwas Ungewöhnliches in dem Innern des Mannes vor, als er dieses schier unnahbar schöne Geschöpf vor sich sah, und als sie ihm mit ihrem süßen, zuvorkommenden Blick die Hand entgegenstreckte.

»Ah! Wie schön Sie sind – Psyche und Juno streiten um den Preis!« sprang's in höchster Ueberraschung, in französischer Sprache, aus des gewandten Mannes Munde.

Er war völlig benommen und wurde enttäuscht, als Imgjor in der gewohnten Auflehnung gegen ihre Schönheit und gegen Artigkeiten einen gleichgültig verdrossenen Ausdruck in ihren Zügen erscheinen ließ.

»Ah! Sie machen mir solche Komplimente und nennen das größte Juwel Ihr Eigentum, das Dänemark besitzt?« sprach sie dann, den Ausdruck des Mißfallens in ihren Zügen absichtlich noch verstärkend.

Jählings kam's über sie, daß sich der Mann für sie interessiere, sich ihr zuwendete, sich verlor, obschon er Lucile angehörte. Es war etwas in seinen Augen aufgeblitzt, das sie ängstigte und dessen Wiederholung sie durch schroffe Begegnung verhindern wollte. Aber Curbière war ihr gewachsen. Er fand sich rasch wieder.

Während seinen Mund ein überlegenes Lächeln umspielte, sagte er mit rascher, kavaliermäßiger Gewandtheit:

»Wie? Sie spielen den Lehrmeister gegen mich aus, Komtesse! Sie vermuten wohl einen jener Bekehrungsbedürftigen, mit denen Sie sich draußen beschäftigen. Ich sollte meinen, ich hätte am ehesten da ein Recht zur Aeußerung der Bewunderung und glaubte am wenigsten da mißverstanden zu werden, wo es sich um die Schwester meiner Braut handelt!«

»Wie sollte es –« entgegnete Imgjor unbiegsam – »einem Weltmann wie Ihnen nicht gelingen, das Uebergewicht zu behalten, gar dem anderen zu beweisen, daß seine Rede eine Ungeschicklichkeit gewesen sei, Herr Marquis!«

»Sie halten es also nicht für denkbar, daß Sie sich irren, daß das, was Sie als eine Ablenkung meiner Gefühle für Lucile bezeichnen wollen – so ist's doch, Komtesse? – lediglich ein Ausbruch meines stark entwickelten Schönheitssinns war?

Glauben Sie mir das, Komtesse! Ich bitte darum! – Wenn Sie aber trotz alledem doch vermeinen, ich sei eines Tadels benötigt, so haben Sie mich jedenfalls überaus schnell kuriert. Sie haben es verstanden, in mir die Freude an Ihrem inneren Menschen genügend herabzumindern.«

Nun sah Imgjor betroffen empor. Und als sie dann dem ernst gemessenen Ausdruck in den Augen ihres künftigen Verwandten begegnete, streckte sie ihm, von einem raschen Impuls getrieben, die Hand entgegen und sagte mit dem schönen, bezwingenden, allen Lavards eigenen Freimut in Blick und Mienen:

»Wohlan! Nach dieser Klärung wollen wir keine mißvergnügten Gegner, sondern wahrhaft gute Freunde sein! That ich Ihnen Unrecht, verzeihen Sie mir!

Also, ich bitte, Herr Marquis, ich bitte, lieber Armand!« schloß sie mit einem noch bezaubernderen Ausdruck.

Und von dieser ehrlichen Liebenswürdigkeit bezwungen, beugte sich Armand de Curbière auf Imgjor Lavards Hand herab, küßte sie ehrerbietig und sagte, obgleich sich ihnen in diesem Augenblick Lucile näherte und schon von fern eifersüchtig hinüberschaute, laut und mit einem tief verinnerlichten Blick auf die Schwester seiner Braut:

»Ich danke Ihnen, teure Imgjor! Ich danke Ihnen aus vollem Herzen! Ich werde Ihnen diesen Augenblick nie vergessen.«

Und nun gab auch Frederik endlich das Zeichen zum Tischgang.

Alle Anwesenden setzten sich in Bewegung, und bald saß die glänzende Gesellschaft in dem theegrünen Speisesaal, der sich als Hauptzierde des Palais in einem Flügel des Gebäudes befand, bei köstlich duftenden Speisen und seltenen Weinen beisammen.

Während des Tafelns warf Lucile, zu ihrem Verlobten gewendet, hin:

»Sieh' einmal, wie Imgjor entzückend ansieht und wie lebhaft sie sich mit dem jungen Grafen Kilde unterhält.«

Ach, wenn sie sich doch endlich einmal verliebte und damit auch ihren Menschenbeglückungskittel abthun würde!«

»Ist's möglich! Imgjor hat sich noch für niemanden interessiert?«

»Doch, einmal! Aber das war nur ein Flämmchen, welches ebenso rasch verglomm, wie's emporgelodert war. Auch spielten andere Dinge mit –«

»Und wer war der Bevorzugte? Wie hieß der Mann, der jedenfalls einen ganz superben Geschmack besaß?«

»Es war irgend einer! Der Name ist gleichgültig. Es war einer, der ihr vormachte, daß er auf nichts Anderes sinne, als die Welt von den Fesseln der Ungleichheit zu befreien. Er verschwand dann und soll sich jetzt in Amerika aufhalten.«

»Aber Imgjor ist doch sicherlich von Hunderten umschwärmt worden.«

»Ja, fast von allen Männern. Nur einer war ihrer wert. Ein vorzüglicher Mann: Graf Dehn. Aber auch er zog sich aus ihrem Sonnenkreis fort, wenn auch aus anderen Gründen. Er liebte sie über alles und wußte sich nur durch eine Weltreise von seiner Schwermut zu erlösen. Es ist derselbe, der, wie du auf Rankholm hörtest, demnächst von Italien zurückkehrt und uns besuchen will –«

»Ah!? Der Lausitzer Graf! Und wirklich ein so vollendeter Mann?«

»Ja, der liebenswertere, vornehmste Mensch, den ich außer dem Marquis von Curbière kennen gelernt habe.«

»Sehr verbunden, Komtesse Lavard! Aber wissen Sie, daß ich leicht eifersüchtig zu werden vermag?« warf Curbière liebenswürdig neckend hin.

Lucile spitzte erst lachend den Mund, dann sagte sie ernst:

»Aber weder in diesem noch in irgend einem anderen Falle wirst du je dazu Ursache haben! Bleibst du mir ein treuer Kamerad, so hast du bei mir auf Felsen gebaut. Wir Lavards –«

In diesem Augenblick wurde Luciles Aufmerksamkeit auf ihre Mutter gelenkt, die so lebhaft mit einem der jungen, zu ihrer Rechten sitzenden Prinzen des Königlichen Hauses sprach, daß die Laute volltönend zu ihnen herüberdrangen.

Sie unterbrach deshalb ihre Rede, und Curbière sagte:

»Wie jung, wie schön ist noch deine Mutter! Lucile. Es ist ein Mirakulum in solchem Alter –«

»Ja, und wie man sie lieben und achten muß!« fiel Lucile ein. »Ich habe erst vor einigen Jahren erfahren, welch' eine große, edle Seele sie besitzt. Sie hatte eine schwere Versuchung zu bestehen, und hat sich unvergleichlich bewährt.«

Curbière hörte gespannt zu, dann sagte er unvermittelt:

»Und so fest seid Ihr alle? Auch Imgjor?«

Lucile drehte sich rasch zu ihrem Verlobten um. Ohne daß sie sich Rechenschaft zu geben vermochte, berührten sie seine Worte.

»Weshalb fragst du?« stieß sie heraus.

»Nun, wie man eben fragt. Aus keinem besonderen Grunde –«

Und da er sah, daß ihre Wangen eine leichte Blässe überzogen hatte, erhob er das Champagnerglas, stieß mit ihr an und fuhr neckend, mit zärtlichem Ausdruck fort:

»Also auch meine stolze Königin kann eifersüchtig werden!? Dann sind wir also quitt, meine liebe, wunderschöne Lucile Lavard!«



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