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Als Axel am nächsten Vormittage der Gräfin nach dem zweiten Frühstück im Park Gesellschaft leistete, erklärte er ihr nach einer vorsichtigen Einleitung, daß Imgjor einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn hervorgerufen habe, daß er aber eine Werbung als gänzlich aussichtslos ansehen müsse.

Mit größter Offenherzigkeit erzählte er ihr von dem, was ihm begegnet war, und was er dabei empfunden hatte, auch verschwieg er ihr nicht, daß er bereits am gestrigen Abend einen Anlauf genommen und dabei eine Antwort empfangen, der an schroffer Deutlichkeit nichts gefehlt habe.

Die Gräfin hatte seinem Bericht wohl mit steigendem Interesse, aber doch ohne Befremden, zugehört.

Nachdem er den letzten Satz gesprochen, sagte sie:

»Ah, das war schade! Das ist übel. Hätten wir uns früher gesprochen! Ich durfte, ich konnte ja nicht reden, durfte Ihnen keinen Wink geben, ohne mich eines Mangels an Zartgefühl schuldig zu machen. Nachdem Sie aber die Initiative ergriffen, mir erklärt haben, daß Sie sich für Imgjor interessieren, möchte ich Ihnen folgendes sagen:

Sie wäre von selbst gekommen, wenn Sie die Taktik, die Sie gestern bei Tische beobachteten, fortgesetzt hätten. Man muß sie gar nicht beachten. Sie kommt schließlich immer, wenn es sich um wertvolle Menschen handelt. Aber ihr Mißtrauen, daß man sie um ihres Geldes willen umwirbt, ist so groß, daß sie von vornherein gegen alle jungen Leute die schroffste Seite hervorkehrt. Erst nach Wochen, vielleicht nach Monaten, hätten Sie ihr ein warmes Wort sagen müssen, dann wäre es nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher auf einen fruchtbaren Boden gefallen.«

»Und Sie fürchten, daß ich nun keine Aussichten mehr habe, Frau Gräfin?«

»Ich traue Ihnen sehr viel zu. Sie besitzen goldene Schlüssel, lieber Graf. Sie öffnen, ich glaube es, die verschlossensten Herzen. Hoffen wir also –«

»Ich danke Ihnen, Frau Gräfin, und ich bitte, entwerfen Sie mir ein Bild von ihrer Tochter. Ich möchte es mit demjenigen vergleichen, das sich in mir gebildet hat, ich möchte mich berichtigen, sofern es nötig. Ich werde leichter den Kampf aufnehmen, wenn ich weiß, mit welchem Gegner ich zu thun habe.«

Die Gräfin nickte, beugte sich ein wenig vor und sagte stark betonend:

»Sie ist ein besonderer Mensch. Sie ist absolut wahr, besitzt sehr viel Charakter, ein trotziges Unabhängigkeitsgefühl und eine seltene Objektivität. Jedem Adligen begegnet sie mit Mißtrauen, obschon sie stolzer ist als irgend ein Lavard und ein Verdeuil, die je lebten. Wo sie einmal liebt, besitzt sie die Treue eines Kindes und die Opferfreudigkeit eines Engels.«

»Also ist sie wirklich das, was ich vermutete –« stieß Graf Axel erfreut heraus.

»Ich danke Ihnen, Frau Gräfin. Wahrlich, also ein Kleinod, nicht nur schöner als fast irgend ein Weib, sondern innerlich von edelster Art, ein nur der Glätte bedürfender Diamant –«

»Sie finden Imgjor so schön?« fiel die Gräfin ein.

»Ja, gnädige Gräfin! Ich sah nie etwas gleiches, weder auf Bildern, noch im Leben, und ich glaube auch, einem schöneren weiblichen Wesen kaum je wieder begegnen zu können –«

»Dann müssen Sie Lucile kennen lernen! Nun, sie kommt ja nächstens. Da können Sie sich entscheiden!«

Axel machte eine Verneigung, dann sagte er:

»Können, wollen Sie mir also – ich bitte, noch einmal auf Komtesse Imgjor zurückkommen zu dürfen – bei meiner Werbung behilflich sein, Frau Gräfin?«

»Natürlich! Doch auf meine Weise und erst, wenn Sie sich wirklich entschieden haben. Es muß die Bekanntschaft mit Lucile vorangehen. Und eins ist gleich zu sagen, da ich Sie bereits als einen vertrauenswerten Freund betrachte: direkt kann ich Ihnen bei Imgjor nicht helfen!«

»Darf ich den Grund wissen?«

Der Gräfin Züge veränderten sich durch einen Ausdruck von düsterem Ernst. Dann sprach sie in einem sanft gekränkten Ton:

»Mich – mich – meidet sie eher, denn daß sie mich sucht –«

»Wie, Frau Gräfin? Imgjor – Sie – Ich bitte – erklären Sie – ?«

Aber was er noch sagen und was sie ihm vielleicht erwidern wollte, wurde nicht gesprochen, weil sich gerade der Graf näherte und ihnen schon aus der Ferne in dänischer Sprache einige Worte hinüberrief.

»Hesterne staae beredt!« (Die Pferde stehen bereit!)

Und da es sich um einen Reitausflug nach dem Gehölz von Mönkegjor handelte, verabschiedeten sie sich sehr bald von der Gräfin und nahmen den Weg vorn vors Schloß, woselbst der Reitknecht mit den beiden weißen Hengsten ihrer wartete. –



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