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Die erwähnten Richtungen auf das Allgemeine waren teils subjektiver, teils theoretischer Art. Jetzt aber haben wir die praktischen Bewegungen im Staate näher zu betrachten. Der Fortschritt hat die negative Seite, daß er im Brechen der subjektiven Willkür und der Vereinzelung der Macht besteht; die affirmative ist das Hervorgehen einer Obergewalt, die ein Gemeinsames ist, einer Staatsmacht als solcher, deren Angehörige gleiche Rechte erhalten, und worin der besondere Wille dem substantiellen Zweck unterworfen ist. Das ist der Fortschritt der Feudalherrschaft zur Monarchie. Das Prinzip der Feudalherrschaft ist die äußere Gewalt einzelner, Fürsten, Dynasten ohne Rechtsprinzip in sich selbst; sie sind Vasallen eines höheren Fürsten, Lehnsherrn, gegen den sie Verpflichtungen haben, ob sie aber dieselben leisten, kommt darauf an, ob er sie durch Gewalt, durch seinen Charakter oder durch Vergünstigungen dazu vermögen kann, – sowie auch jene Rechte des Lehnsherrn selbst nur ein Resultat sind, das durch Gewalt abgetrotzt ist, dessen Erfüllung und Leistung aber auch nur durch fortdauernde Gewalt aufrecht erhalten werden kann. Das monarchische Prinzip ist auch Obergewalt, aber über solche, die keine selbständige Macht für ihre Willkür besitzen, wo nicht mehr Willkür gegen Willkür steht; denn die Obergewalt der Monarchie ist wesentlich eine Staatsgewalt und hat in sich den substantiellen rechtlichen Zweck. Die Feudalherrschaft ist eine Polyarchie: es sind lauter Herren und Knechte; in der Monarchie dagegen ist einer Herr und keiner Knecht, denn die Knechtschaft ist durch sie gebrochen, und in ihr gilt das Recht und das Gesetz; aus ihr geht die reelle Freiheit hervor. In der Monarchie wird also die Willkür der einzelnen unterdrückt und ein Gesamtwesen der Herrschaft aufgestellt. Bei der Unterdrückung dieser Vereinzelung wie beim Widerstande ist es zweideutig, ob dabei die Absicht des Rechts oder nur der Willkür ist. Der Widerstand gegen die königliche Obergewalt heißt Freiheit und wird als rechtmäßig und edel gepriesen, insofern man nur die Vorstellung der Willkür vor sich hat. Aber durch die willkürliche Gesamtgewalt eines einzelnen wird doch ein Gesamtwesen gebildet; in Vergleichung mit dem Zustand, wo jeder einzelne Punkt ein Ort der gewalttätigen Willkür ist, sind es nun viel weniger Punkte, die willkürliche Gewalt leiden. Der große Umfang macht allgemeine Dispositionen des Zusammenhalts notwendig, und die innerhalb derselben Regierenden sind zugleich wesentlich Gehorchende: die Vasallen werden Staatsbeamte, welche Gesetze der Staatsordnung auszuführen haben. Da aber die Monarchie aus dem Feudalismus hervorgeht, so trägt sie zunächst noch den Charakter desselben an sich. Die Individuen gehen aus ihrer Einzelberechtigung in Stände und Korporationen über; die Vasallen sind nur mächtig durch Zusammenhalt als ein Stand; ihnen gegenüber bilden die Städte Mächte im Gemeinwesen. Auf diese Weise kann die Macht des Herrschers keine bloß willkürliche mehr sein. Es bedarf der Einwilligung der Stände und Korporationen, und will der Fürst diese haben, so muß er notwendig das Gerechte und Billige wollen.
Wir sehen jetzt eine Staatenbildung beginnen, wahrend die Feudalherrschaft keine Staaten kennt. Der Übergang von ihr zur Monarchie geschieht auf dreifache Weise:
1. indem der Lehnsherr Meister über seine unabhängigen Vasallen wird, indem er ihre partikulare Gewalt unterdrückt und sich zum einzigen Gewalthaber erhebt,
2. indem die Fürsten sich ganz vom Lehnsverhältnis frei machen und selbst Landesherren über einige Staaten werden, oder endlich
3. indem der oberste Lehnsherr auf eine mehr friedliche Weise die besonderen Herrschaften mit seiner eignen besonderen vereinigt und so Herrscher über das Ganze wird.
Die geschichtlichen Übergänge sind zwar nicht immer so rein, wie sie hier vorgestellt worden sind, oft kommen mehrere zugleich vor; aber der eine oder der andre bildet immer das Überwiegende. Die Hauptsache ist, daß für solche Staatsbildung Grundlage und Voraussetzung die partikularen Nationen sind. Es sind partikulare Nationen vorhanden, die eine Einheit von Haus aus sind und die absolute Tendenz haben, einen Staat zu bilden. Nicht allen ist es gelungen, zu dieser Staatseinheit zu gelangen; wir haben sie jetzt einzeln in dieser Beziehung zu betrachten.
Was zuerst das römische Kaiserreich betrifft, so geht der Zusammenhang von Deutschland und Italien aus der Vorstellung des Kaiserreichs hervor: die weltliche Herrschaft sollte verbunden mit der geistlichen ein Ganzes ausmachen, aber diese Formation war immer mehr Kampf, als daß sie wirklich geschehen wäre. In Deutschland und Italien geschah der Übergang vom Feudalverhältnis zur Monarchie so, daß das Feudalverhältnis gänzlich verdrängt wurde; die Vasallen wurden selbständige Monarchen.
In Deutschland war schon immer eine große Verschiedenheit der Stämme gewesen, von Schwaben, Bayern, Franken, Thüringern, Sachsen, Burgundern; hiezu kamen die Slaven in Böhmen, germanisierte Slaven in Mecklenburg, Brandenburg, in einem Teil von Sachsen und Österreich; so daß kein solcher Zusammenhalt wie in Frankreich sich machen konnte. Ein ähnliches Verhältnis war in Italien. Longobarden hatten sich da festgesetzt, während die Griechen noch das Exarchat und Unteritalien innehatten; in Unteritalien bildeten dann die Normannen ein eignes Reich, und die Sarazenen behaupteten eine Zeitlang Sizilien. Nach dem Untergange der Hohenstaufen nahm eine allgemeine Barbarei in Deutschland überhand, welches in viele Punkte der Gewaltherrschaft zersplittert wurde. Es war Maxime der Kurfürsten, nur schwache Fürsten zu Kaisern zu wählen, ja sie haben die Kaiserwürde an Ausländer verkauft. So verschwand die Einheit des Staates der Sache nach. Es bildeten sich eine Menge Punkte, deren jeder ein Raubstaat war: das Feudalrecht war zur förmlichen Rauferei und Räuberei losgebunden, und die mächtigen Fürsten haben sich als Landesherren konstituiert. Nach dem Interregnum wurde der Graf von Habsburg zum Kaiser gewählt, und das habsburgische Geschlecht behauptete nun mit wenigen Zwischenräumen den Kaiserthron. Diese Kaiser waren darauf reduziert, sich eine Hausmacht anzuschaffen, da die Fürsten ihnen keine Staatsmacht einräumen wollten. – Jene vollkommene Anarchie wurde aber endlich durch Assoziationen für allgemeine Zwecke gebrochen. Kleinere Assoziationen waren schon die Städte selbst; jetzt aber bildeten sich Städtebündnisse im gemeinschaftlichen Interesse gegen die Räuberei: so der Hansebund im Norden, der rheinische Bund aus den Städten längs dem Rhein, der schwäbische Städtebund. Die Bündnisse waren sämtlich gegen die Dynasten gerichtet, und selbst Fürsten traten den Städten bei, um dem Fehdezustand entgegenzuarbeiten und den allgemeinen Landfrieden herzustellen. Welcher Zustand in der Feudalherrschaft gewesen, erhellt aus jener berüchtigten Assoziation der Kriminaljustiz: es war eine Privatgerichtsbarkeit, welche unter dem Namen des Fehmgerichts geschlossene Sitzungen hielt; besonders im nordwestlichen Deutschland war sie ansässig. Auch eine eigentümliche Bauerngenossenschaft bildete sich. In Deutschland waren die Bauern Leibeigene; viele von ihnen flüchteten sich in die Städte oder siedelten sich als Freie in der Nähe der Städte an (Pfahlbürger); in der Schweiz aber bildete sich eine Bauernverbrüderung. Die Bauern von Uri, Schwyz und Unterwalden standen unter kaiserlichen Vögten, denn diese Vogteien waren nicht Privateigentum, sondern Reichsämter; aber die Habsburger suchten sie in Hauseigentum zu verwandeln. Die Bauern mit Kolben und Morgenstern gingen siegreich aus dem Kampfe gegen den geharnischten, mit Spieß und Schwert gerüsteten und in Turnieren ritterlich geübten Adel und dessen Anmaßung hervor. Es ist alsdann gegen jene Übermacht der Bewaffnung noch ein andres technisches Mittel gefunden worden, – das Schießpulver. Die Menschheit bedurfte seiner, und alsobald war es da. Es war ein Hauptmittel zur Befreiung von der physischen Gewalt und zur Gleichmachung der Stände. Mit dem Unterschied in den Waffen schwand auch der Unterschied zwischen Herrn und Knechten. Auch die Festigkeit der Burgen hat das Schießpulver gebrochen, und Burgen und Schlösser verlieren nunmehr ihre Wichtigkeit. Man kann zwar den Untergang oder die Herabsetzung des Wertes der persönlichen Tapferkeit bedauern (der Tapferste, Edelste kann von einem Schuft aus der Ferne, aus einem Winkel niedergeschossen werden); aber das Schießpulver hat vielmehr eine vernünftige, besonnene Tapferkeit, den geistigen Mut zur Hauptsache gemacht. Nur durch dieses Mittel konnte die höhere Tapferkeit hervorgehen, die Tapferkeit ohne persönliche Leidenschaft; denn beim Gebrauch der Schießgewehre wird ins Allgemeine hineingeschossen, gegen den abstrakten Feind und nicht gegen besondre Personen. Ruhig geht der Krieger der Todesgefahr entgegen, indem er sich für das Allgemeine aufopfert, und das ist eben der Mut gebildeter Nationen, daß er seine Starke nicht in den Arm allein setzt, sondern wesentlich in den Verstand, die Anführung, den Charakter der Anführer und, wie bei den Alten, in den Zusammenhalt und das Bewußtsein des Ganzen.
In Italien wiederholt sich, wie schon gesagt ist, dasselbe Schauspiel, das wir in Deutschland gesehen, daß nämlich die einzelnen Punkte zur Selbständigkeit gelangt sind. Das Kriegführen wurde dort durch die Condottieri zu einem förmlichen Handwerk. Die Städte mußten auf ihr Gewerbe sehen und nahmen deshalb Söldner in Dienst, deren Häupter häufig Dynasten wurden; Franz Sforza machte sich sogar zum Herzog von Mailand. In Florenz wurden die Medici, eine Familie von Kaufleuten, herrschend. Die größeren Städte Italiens unterwarfen sich wiederum eine Menge von kleineren und von Dynasten. Ebenso bildete sich ein päpstliches Gebiet. Auch hier hatten sich eine unzählige Menge von Dynasten unabhängig gemacht; nach und nach wurden sie sämtlich der einen Herrschaft des Papstes unterworfen. Wie zu dieser Unterwerfung im sittlichen Sinne durchaus ein Recht vorhanden war, ersieht man aus der berühmten Schrift Macchiavellis »der Fürst«. Oft hat man dieses Buch, als mit den Maximen der grausamsten Tyrannei erfüllt, mit Abscheu verworfen, aber in dem hohen Sinne der Notwendigkeit einer Staatsbildung hat Macchiavelli die Grundsätze aufgestellt, nach welchen in jenen Umständen die Staaten gebildet werden mußten. Die einzelnen Herren und Herrschaften mußten durchaus unterdrückt werden, und wenn wir mit unsrem Begriffe von Freiheit die Mittel, die er uns als die einzigen und vollkommen berechtigten zu erkennen gibt, nicht vereinigen können, weil zu ihnen die rücksichtsloseste Gewalttätigkeit, alle Arten von Betrug, Mord usw. gehören, so müssen wir doch gestehen, daß die Dynasten, die niederzuwerfen waren, nur so angegriffen werden konnten, da ihnen unbeugsame Gewissenlosigkeit und eine vollkommene Verworfenheit durchaus zu eigen waren.
In Frankreich ist der umgekehrte Fall als in Deutschland und Italien eingetreten. Mehrere Jahrhunderte hindurch besaßen die Könige von Frankreich nur ein sehr kleines Territorium, so daß viele der ihnen untergebenen Vasallen mächtiger als sie selbst waren; aber sehr vorteilhaft war es für die königliche Würde in Frankreich, daß sie als erblich festgesetzt war. Auch gewann sie dadurch Ansehen, daß die Korporationen und Städte von dem Könige ihre Berechtigungen und Privilegien bestätigen ließen und die Berufungen an den obersten Lehnshof, den Pairshof, aus zwölf Pairs bestehend, immer häufiger wurden. Es kam dadurch der König in das Ansehen, daß bei ihm vor den Unterdrückern Schutz zu suchen sei. Was aber dem Könige wesentlich auch bei den mächtigen Vasallen zu Ansehen verhalf, war seine sich vermehrende Hausmacht; auf mannigfache Weise, durch Beerbung, durch Heirat, durch Gewalt der Waffen usw. waren die Könige in den Besitz vieler Grafschaften und mehrerer Herzogtümer gekommen. Die Herzöge der Normandie waren jedoch Könige von England geworden, und es stand so eine starke Macht Frankreich gegenüber, welcher durch die Normandie das Innere geöffnet war. Ebenso blieben mächtige Herzogtümer übrig; aber der König war trotzdem nicht bloß Lehnsherr, wie die deutschen Kaiser, sondern auch Landesherr geworden: er hatte eine Menge von Baronen und Städten unter sich, die seiner unmittelbaren Gerichtsbarkeit unterworfen waren, und Ludwig IX. führte die Apellationen an den königlichen Gerichtshof allgemein ein. Die Städte erhoben sich zu größerer Bedeutung. Wenn nämlich der König Geld brauchte und alle Mittel, wie Steuern und gezwungene Kontributionen aller Art, erschöpft waren, so wandte er sich an die Städte und unterhandelte einzeln mit ihnen. Philipp der Schöne war es zuerst, welcher im Jahre 1302 die Städtedeputierten als dritten Stand zur Versammlung der Geistlichkeit und der Barone zusammenberief. Es war freilich nur um die Autorität des Königs und um Steuern zu tun, aber die Stände bekamen dennoch eine Bedeutung und Macht im Staate und so auch einen Einfluß auf die Gesetzgebung. Besonders auffallend ist es, daß die Könige von Frankreich erklärten, daß die leibeigenen Bauern für ein Geringes in ihrem Kronlande sich freikaufen könnten. Auf diese Weise kamen die Könige von Frankreich sehr bald zu einer großen Macht, und die Blüte der Poesie durch die Troubadours sowie die Ausbildung der scholastischen Theologie, deren eigentlicher Mittelpunkt Paris war, gaben Frankreich eine Bildung, welche es vor den übrigen europäischen Staaten voraus hatte, und welche demselben im Auslande Achtung verschaffte.
England wurde, wie schon bei Gelegenheit erwähnt worden ist, von Wilhelm dem Eroberer, Herzog der Normandie, unterworfen. Wilhelm führte daselbst die Lehnsherrschaft ein und teilte das Königreich in Lehnsgüter, die er fast nur seinen Normannen verlieh. Er selbst behielt sich bedeutende Kronbesitzungen vor; die Vasallen waren verpflichtet, in Krieg zu ziehen und bei Gericht zu sitzen; der König war Vormund der Minderjährigen unter seinen Vasallen; sie durften sich nur nach erhaltener Zustimmung verheiraten. Erst nach und nach kamen die Barone und die Städte zu einer Bedeutsamkeit. Besonders bei den Streitigkeiten und Kämpfen um den Thron erlangten sie ein großes Gewicht. Als der Druck und die Anforderungen von seiten des Königs zu groß wurden, kam es zu Zwistigkeiten, selbst zum Kriege: die Barone zwangen den König Johann, die magna charta, die Grundlage der englischen Freiheit, das heißt, besonders der Privilegien des Adels, zu beschwören. Unter diesen Freiheiten stand die richterliche oben an: keinem Engländer sollte ohne ein gerichtliches Urteil von seinesgleichen Freiheit der Person, Vermögen oder Leben genommen werden. Jeder sollte ferner die freie Disposition über sein Eigentum haben. Der König sollte ferner keine Steuern auflegen ohne Zustimmung der Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Barone. Auch die Städte erhoben sich bald, von den Königen gegen die Barone begünstigt, zum dritten Stand und zur Repräsentation der Gemeinen. Dennoch war der König immer sehr mächtig, wenn er Charakterstärke besaß; seine Krongüter verschafften ihm ein gehöriges Ansehen; später jedoch wurden dieselbigen nach und nach veräußert, verschenkt, so daß der König dazu kam, vom Parlamente Subsidien zu empfangen.
Das Nähere und Geschichtliche, wie die Fürstentümer den Staaten einverleibt worden sind, und die Mißverhältnisse und Kämpfe bei solchen Einverleibungen berühren wir hier nicht näher. Nur das ist noch zu sagen, daß die Könige, als sie durch die Schwächung der Lehnsverfassung zu einer größeren Macht gelangten, diese nun gegeneinander im bloßen Interesse ihrer Herrschaft gebrauchten. So führten Frankreich und England hundertjährige Kriege gegeneinander. Immer versuchten es die Könige, nach außen hin Eroberungen zu machen; die Städte, welche meist die Beschwerden und Auflagen zu tragen hatten, lehnten sich dawider auf, und die Könige räumten ihnen, um sie zu beschwichtigen, wichtige Vorrechte ein.
Bei allen diesen Mißhelligkeiten suchten die Päpste ihre Autorität einwirken zu lassen, aber das Interesse der Staatsbildung war so fest, daß die Päpste mit ihrem eignen Interesse einer absoluten Autorität wenig dagegen vermochten. Die Fürsten und Völker ließen die Päpste schreien, wenn sie sie zu neuen Kreuzzügen aufforderten. Kaiser Ludwig ließ sich auf Demonstrationen aus Aristoteles, der Bibel und dem römischen Recht gegen die Anmaßungen des päpstlichen Stuhles ein, und die Kurfürsten erklärten auf dem Tage zu Rense im Jahre 1338 und dann noch bestimmter auf dem Reichstag zu Frankfurt, das Reich bei seinen Freiheiten und Herkommen schirmen zu wollen, und daß es keiner päpstlichen Konfirmation bedürfe bei der Wahl eines römischen Königs oder Kaisers. Ebenso hatte schon im Jahre 1302 bei einem Streite des Papstes Bonifacius mit Philipp dem Schönen die Reichsversammlung, welche letzterer zusammenberufen hatte, gegen den Papst gestritten, denn die Staaten und Gemeinwesen waren zum Bewußtsein gekommen, ein Selbständiges zu sein. – Mannigfache Ursachen hatten sich vereinigt die päpstliche Autorität zu schwächen: das große Schisma der Kirche, welches die Unfehlbarkeit des Papstes in Zweifel stellte, veranlaßte die Beschlüsse der Kirchenversammlungen zu Kostnitz und zu Basel, die sich über den Papst stellten und deshalb Päpste absetzten und ernannten. Viele Versuche gegen das System der Kirche haben das Bedürfnis einer Reformation sanktioniert. Arnold von Brescia, Wiklef, Huß bestritten mit Erfolg die päpstliche Statthalterschaft Christi und die groben Mißbräuche der Hierarchie. Diese Versuche waren jedoch immer nur etwas Partielles. Einerseits war die Zeit noch nicht reif dazu, andrerseits haben jene Männer die Sache nicht in ihrem Mittelpunkte angegriffen, sondern sich, namentlich die beiden letzteren, mehr auf die Gelehrsamkeit des Dogmas gewendet, was nicht so das Interesse des Volks erwecken konnte.
Mehr aber als dies stand, wie gesagt, dem Prinzipe der Kirche die beginnende Staatenbildung gegenüber: ein allgemeiner Zweck, ein in sich vollkommen Berechtigtes ist für die Weltlichkeit in der Staatenbildung aufgegangen, und diesem Zwecke der Gemeinschaftlichkeit hat sich der Wille, die Begierde, die Willkür des einzelnen unterworfen. Die Härte des selbstsüchtigen, auf seiner Einzelheit stehenden Gemütes, – dieses knorrigen Eichenherzen des germanischen Gemütes, ist durch die fürchterliche Zucht des Mittelalters gebrochen und zermürbt worden. Die zwei eisernen Ruten dieser Zucht waren die Kirche und die Leibeigenschaft. Die Kirche hat das Gemüt außer sich gebracht, den Geist durch die härteste Knechtschaft hindurchgeführt, so daß die Seele nicht mehr ihr eigen war; aber sie hat ihn nicht zu indischer Dumpfheit herabgebracht, denn das Christentum ist in sich geistiges Prinzip und hat als solches eine unendliche Elastizität. Ebenso hat die Leibeigenschaft, wodurch der Leib nicht dem Menschen eigen ist, sondern einem andern gehört, die Menschheit durch alle Rohheit der Knechtschaft und der zügellosen Begierde hindurchgeschleppt, und diese hat sich an ihr selbst zerschlagen. Es ist die Menschheit nicht sowohl aus der Knechtschaft befreit worden, als vielmehr durch die Knechtschaft. Denn die Roheit, die Begierde, das Unrecht sind das Böse, der Mensch, als in ihm gefangen, ist der Sittlichkeit und Religiosität unfähig, und dieses gewalttätige Wollen eben ist es, wovon die Zucht ihn befreit hat. Die Kirche hat den Kampf mit der Wildheit der rohen Sinnlichkeit auf ebenso wilde, terroristische Weise bestanden, sie hat sie durch die Kraft der Schrecken der Hölle zu Boden geworfen und sie fortdauernd unterworfen gehalten, um den wilden Geist zur Abstumpfung zu bringen und zur Ruhe zu zähmen. Es wird in der Dogmatik ausgesprochen, daß diesen Kampf notwendig jeder Mensch durchgemacht haben müsse, denn er ist von Natur böse, und erst durch seine innere Zerrissenheit hindurchgehend kommt er zur Gewißheit der Versöhnung. Wenn wir dies einerseits zugeben, so muß andrerseits doch gesagt werden, daß die Form des Kampfes sehr verändert ist, wenn die Grundlage eine andre und die Versöhnung in der Wirklichkeit vollbracht ist. Der Weg der Qual ist alsdann hinweggefallen (er erscheint zwar noch später, aber in einer ganz andern Gestalt), denn wie das Bewußtsein erwacht ist, befindet sich der Mensch in dem Elemente eines sittlichen Zustandes. Das Moment der Negation ist freilich ein notwendiges im Menschen, aber es hat jetzt die ruhige Form der Erziehung erhalten, und somit schwindet alle Fürchterlichkeit des inneren Kampfes.
Die Menschheit hat das Gefühl der wirklichen Versöhnung des Geistes in ihm selbst und ein gutes Gewissen in ihrer Wirklichkeit, in der Weltlichkeit, erlangt. Der Menschengeist hat sich auf seine Füße gestellt. In diesem erlangten Selbstgefühle des Menschen liegt nicht eine Empörung gegen das Göttliche, sondern es zeigt sich darin die bessere Subjektivität, welche das Göttliche in sich empfindet, die vom Echten durchzogen ist, und die ihre Tätigkeit auf allgemeine Zwecke der Vernünftigkeit und der Schönheit richtet.