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Das Reich der Franken wurde, wie schon gesagt worden ist, von Chlodwig gestiftet. Nach seinem Tode wurde es unter seine Söhne geteilt, später mit vielen Kämpfen durch Hinterlist, Meuchelmord, Gewalttat wieder vereinigt und abermals geteilt. Nach innen wurde die Macht der Könige dadurch sehr vermehrt, daß sie Fürsten in eroberten Ländern wurden. Diese wurden zwar unter die freien Franken verteilt; aber dem Könige fielen höchst beträchtliche stehende Einkünfte zu, nebst den ehemals kaiserlichen und den konfiszierten Gütern. Diese verlieh nun der König als persönliche, d. h. nicht erbliche, Benefizien an seine Krieger, die damit eine persönliche Verbindlichkeit übernahmen, seine Leute wurden und seine Dienstmannschaft bildeten. Ihnen schlossen sich dann die sehr begüterten Bischöfe an und machten mit ihnen den Rat des Königs aus, der jedoch den König nicht band. An der Spitze der Dienstmannschaft stand der major domus. Diese majores domus maßten sich bald alle Gewalt an, stellten die königliche Macht in Schatten, indes die Könige in Dumpfheit versanken und bloße Figuranten wurden. Aus ihnen ging die Dynastie der Karolinger hervor, Pipin der Kurze, Karl Martells Sohn, wurde im Jahre 752 zum König der Franken erhoben. Der Papst Zacharias entband die Franken ihres Eides gegen den noch lebenden letzten Merovinger Childerich III., welcher die Tonsur erhielt, d. h. er wurde Mönch und zugleich der königlichen Auszeichnung des langen Haarwuchses beraubt. Die letzten Merovinger waren durchaus Weichlinge, welche sich mit dem Namen ihrer Würde begnügten und sich fast nur dem Genusse hingaben, eine Erscheinung, welche in den morgenländischen Herrscherfamilien ganz gewöhnlich ist und sich bei den letzten Karolingern ebenfalls wiederholt. Die majores domus dagegen waren in der Energie des Emporsteigens und befanden sich in einer so engen Verkettung mit der Dienstmannschaft, daß es ihnen zuletzt leicht wurde, den Thron zu erringen.
Die Päpste waren aufs ärgste von den longobardischen Königen bedrängt und suchten Schutz bei den Franken. Pipin übernahm es aus Dankbarkeit, Stephan II. zu verteidigen, er zog zweimal über die Alpen und schlug zweimal die Longobarden. Seine Siege gaben dem neuen Throne Glanz und dem Stuhle Petri ein ansehnliches Erbe. Im Jahre 800 n. Chr. Geburt wurde der Sohn Pipins, Karl der Große, vom Papste zum Kaiser gekrönt, und hiemit beginnt die feste Verbindung der Karolinger mit dem päpstlichen Stuhle. Das römische Reich hatte nämlich immer noch bei den Barbaren das Ansehen einer hohen Macht und galt ihnen immer noch als der Mittelpunkt, von dem alle Würde, ebenso wie die Religion, die Gesetze und alle Kenntnisse, von der Buchstabenschrift an, zu ihnen gelange. Karl Martell, nachdem er Europa von der Herrschaft der Sarazenen befreit hatte, wurde, er selbst und seine Nachkommenschaft, vom römischen Volk und Senat zum Patrizier ernannt, Karl der Große aber wurde zum römischen Kaiser gekrönt, und zwar vom Papste.
Es gab nunmehr zwei Kaiserreiche, und allmählich trennte sich in diesen die christliche Religion in zwei Kirchen: in die griechische und römische. Der römische Kaiser war der geborne Beschützer der römischen Kirche, und durch diese Stellung des Kaisers zum Papste war gleichsam ausgesprochen, die fränkische Herrschaft sei nur eine Fortsetzung des Römischen Reiches.
Das Reich Karls des Großen hatte einen sehr großen Umfang. Das eigentliche Franken dehnte sich vom Rhein bis zur Loire aus. Aquitanien, südlich von der Loire, ward 768, im Todesjahre Pipins, völlig unterworfen. Es gehörten ferner zum Frankenreiche: Burgund, Alemannien (das südliche Deutschland zwischen dem Lech, Main und Rhein), Thüringen, das bis an die Saale sich ausdehnte, ferner Bayern. Außerdem hat Karl die Sachsen, welche zwischen dem Rhein und der Weser wohnten, besiegt und dem longobardischen Reiche ein Ende gemacht, wodurch er Herr Ober- und Mittelitaliens wurde.
Dieses große Reich hat Karl der Große zu einem systematisch geordneten Staate gebildet und dem Frankenreiche feste Einrichtungen, die dasselbe zusammenhielten, gegeben, doch nicht als ob er die Verfassung seines Reiches überall erst eingeführt habe, sondern die zum Teil schon früheren Institutionen sind unter ihm entwickelt worden und zu einer bestimmteren, ungehinderten Wirksamkeit gekommen. Der König stand an der Spitze der Reichsbeamten, und das Prinzip der Erblichkeit der Königswürde trat schon hervor. Der König war ebenso Herr der bewaffneten Macht wie der reichste Eigentümer an Grund und Boden, und die höchste Richtergewalt befand sich nicht minder in seinen Händen. Die Kriegsverfassung beruhte auf dem Heerbann. Jeder Freie war verpflichtet, sich zur Verteidigung des Reiches zu bewaffnen, und jeder hatte auf gewisse Zeit für seinen Unterhalt zu sorgen. Diese Landwehr, wie man sie heute nennen würde, stand unter dem Befehle von Grafen und Markgrafen, welche letztere größeren Bezirken an den Grenzen des Reiches, den Marken vorstanden. Der allgemeinen Einteilung nach war das Land in Gaue geteilt, deren jedem ein Graf vorstand. Über diesen standen unter den spätern Karolingern wieder Herzöge, deren Sitze große Städte wie Köln, Regensburg und dergleichen mehr waren. Nach ihnen war das Land in Herzogtümer eingeteilt: es gab so ein Herzogtum Elsaß, Lothringen, Friesland, Thüringen, Rhätien. Diese Herzöge wurden vom Kaiser eingesetzt. Völkerschaften, welche ihre eignen Stammfürsten nach ihrer Unterwerfung beibehalten hatten, verloren dieses Vorrecht und bekamen Herzöge, sobald sie sich empörten; so ging es Alemannien, Thüringen, Bayern und Sachsen. Es gab aber auch eine Art von stehendem Heere zur schnelleren Hilfe. Die Dienstmannen des Kaisers nämlich bekamen Güter zur Benutzung mit der Verpflichtung, Kriegsdienste zu leisten, wenn sie Befehl erhielten. Um diese Einrichtungen nun aufrecht zu erhalten, wurden Gewaltsboten ( missi) vom Kaiser abgeschickt, welche die Aufsicht haben und Berichte erstatten, auch das Gerichtswesen und die königlichen Güter inspizieren sollten.
Nicht minder merkwürdig ist die Verwaltung der Staatseinkünfte. Es gab keine direkten Steuern und wenige Zölle auf Flüssen und Straßen, von denen mehrere an höhere Reichsbeamten verliehen waren. In den Fiskus flossen teils die gerichtlichen Strafgelder, teils die Geldbußen derer, die sich auf den Aufruf des Kaisers nicht zur Armee gestellt hatten. Auch diejenigen, welche Benefizien genossen, verloren dieselben, sobald sie diese Pflicht verabsäumten. Die Haupteinkünfte kamen aus den Kammergütern, deren der Kaiser eine große Menge besaß, auf denen sich königliche Pfalzen befanden. Es war schon lange Sitte, daß die Könige in den Hauptlandschaften herumreisten und sich dann in jeder Pfalz eine Zeitlang aufhielten; die gehörigen Vorbereitungen für den Unterhalt des Hofes waren schon früher durch Marschälle, Kämmerer etc. getroffen.
Was nun die Gerichtsverfassung betrifft, so liegen die Angelegenheiten, welche Leib und Leben, sowie das Grundeigentum betreffen, in den Händen der Gemeindeversammlungen unter dem Vorsitz eines Grafen; weniger wichtige wurden unter dem Vorsitz des Zentgrafen von wenigstens sieben freien Männern, welche erwählte Schöffen waren, entschieden. Die höchsten Gerichte waren die Hofgerichte, wo der König in der Pfalz den Vorsitz hatte, hier wurde die Dienstmannschaft, geistliche und weltliche, gerichtet. Die königlichen Gewaltsboten, von denen schon oben gesprochen worden ist, hatten bei ihren Inspektionsreisen auch besonders das Gerichtswesen zu untersuchen, alle Klagen anzuhören und die Ungerechtigkeiten zu bestrafen. Ein geistlicher und ein weltlicher Bote mußten viermal des Jahres ihre Sprengel bereisen.
Zur Zeit Karls des Großen hatte die Geistlichkeit schon eine große Bedeutung erlangt. Die Bischöfe hatten große Kathedralen unter sich, mit denen zugleich Seminarien und Schulanstalten verbunden waren. Karl suchte nämlich die fast ganz untergegangene Wissenschaftlichkeit wiederherzustellen, indem er verlangte, daß in Städten und Dörfern Schulen angelegt würden. Fromme Gemüter glaubten, ein gutes Werk zu tun und die Seligkeit zu erringen, wenn sie der Geistlichkeit Geschenke machten; auf diese Weise haben die wildesten und rohesten Könige ihre Frevel abbüßen wollen. Die gewöhnliche Schenkung der Privatleute war in der Weise, daß sie ihre Güter an Klöster vermachten und sich den Nießbrauch nur für ihr Leben oder auf gewisse Zeiten ausbedungen. Oft geschah es jedoch auch beim Tode eines Bischofs oder Abtes, daß die weltlichen Großen mit ihren Dienstmannen über die Güter der Geistlichkeit herfielen und darin lebten und hausten, bis alles verzehrt war; denn die Religion hatte damals noch nicht die Gewalt über die Gemüter, die Habsucht der Mächtigen zu zügeln. Zur Verwaltung ihrer Güter mußte die Geistlichkeit Wirtschafter und Meier anstellen; außerdem besorgten Vögte alle ihre weltlichen Angelegenheiten, führten die Kriegsmannschaft ins Feld und erhielten allmählich von den Königen auch die landesherrliche Gerichtsbarkeit, als die Geistlichkeit eigne Gerichtsbarkeit und Immunität von der der königlichen Beamten (Grafen) erlangte. Es geschah damit ein großer Schritt zur Veränderung der Verhältnisse, da nun die geistlichen Güter mehr und mehr vollkommen selbständige Gebiete wurden, in einer Art, wie es die weltlichen noch gar nicht waren. Außerdem wußte die Geistlichkeit sich später von den Staatslasten zu befreien und eröffnete die Kirchen und Klöster als Asyle, das heißt, unverletzbare Freistätten für Verbrecher. Diese Einrichtung war einerseits allerdings sehr wohltätig gegen Gewalttätigkeiten und Unterdrückungen, welche von dem Kaiser und den Großen ausgingen, aber andrerseits artete sie in Ungestraftheit der größten Verbrechen vor den Gesetzen aus. Zu Karls des Großen Zeiten mußte jeder noch von den Klöstern ausgeliefert werden. Die Bischöfe wurden von einer Behörde gerichtet, die aus Bischöfen bestand; als Dienstmannen waren sie eigentlich dem Hofgerichte unterworfen. Späterhin suchten auch die Klöster sich von der bischöflichen Gerichtsbarkeit zu befreien und machten sich so selbst von der Kirche unabhängig. Die Bischöfe wurden von den Geistlichen und den Gemeinden gewählt, allein insofern sie auch Dienstmannen des Königs waren, hatte auch dieser jene Würde zu verleihen. Der Streit wurde dahin ausgeglichen, daß ein Mann gewählt werden mußte, welcher dem Könige genehm war.
Die Reichsgerichte wurden in der Pfalz gehalten, wo der Kaiser sich aufhielt. Der König selbst hatte dabei den Vorsitz, und die Reichshofleute bildeten mit ihm den obersten Gerichtshof über die Großen selbst. Die Reichsberatungen über die Angelegenheiten des Reichs fanden nicht immer zu bestimmten Zeiten statt, sondern gelegentlich bei Heerschauen im Frühling, bei Kirchenversammlungen und Hoftagen. Besonders die Hoftage, wozu die Dienstmannen eingeladen waren (wenn der König in einer Landschaft, zumeist am Rhein, dem Mittelpunkte des Frankenreichs, Hof hielt), gaben Gelegenheit zu solchen Beratungen. Es war die Regel, daß der König zweimal im Jahre einen Ausschuß von den höheren Staats- und Kirchenbeamten berief, aber auch hier blieb dem Könige alle Entscheidung. Diese Versammlungen sind daher verschieden von den späteren Reichstagen, wo die Großen selbständiger auftreten.
So war das Frankenreich beschaffen, dieses erste sich Zusammennehmen des Christentums zu einer staatlichen Bildung, die aus ihm selbst hervorging, während das römische Reich von dem Christentum verzehrt worden war. Die eben beschriebene Verfassung sieht vortrefflich aus, sie gab eine feste Kriegsorganisation und sorgte für Gerechtigkeit im Innern; und dennoch erwies sie sich nach Karls des Großen Tode als vollkommen unmächtig, sowohl nach außen verteidigungslos gegen die Einfälle der Normannen, Ungarn, Araber, als nach innen unwirksam gegen Rechtlosigkeit, Beraubung und Unterdrückung jeder Art. Wir sehen so neben einer vortrefflichen Verfassung den schlechtesten Zustand und somit Widerspruch nach allen Seiten. Solche Bildungen bedürfen, eben weil sie plötzlich hervorsteigen, noch der Stärkung der Negativität in sich selber, sie bedürfen der Reaktionen in jeder Weise, welche in der folgenden Periode hervortreten.