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Dritter Abschnitt
Der Untergang des griechischen Geistes

Diese dritte Periode der Geschichte der hellenischen Welt, welche die ausführliche Entwicklung des Unglücks Griechenlands enthält, interessiert uns weniger. Die ehemaligen Feldherrn Alexanders, nunmehr als Könige selbständig auftretend, führten lange Kriege gegeneinander und erfuhren fast alle die abenteuerlichsten Umwälzungen des Schicksals. Namentlich ausgezeichnet und hervorstechend ist in dieser Hinsicht das Leben des Demetrius Poliorketes.

In Griechenland waren die Staaten in ihrem Bestehen geblieben: von Philipp und Alexander zum Bewußtsein ihrer Schwäche gebracht, fristeten sie noch ein scheinbares Leben und brüsteten sich mit einer unwahren Selbständigkeit. Das Selbstgefühl, das die Unabhängigkeit gibt, konnten sie nicht haben, und es traten diplomatische Staatsmänner an die Spitze der Staaten, Redner, die nicht mehr zugleich Feldherrn, wie z. B. Perikles, waren. Die griechischen Länder stehen nunmehr in einem mannigfachen Verhältnis zu den verschiedenen Königen, die sich noch immer um den Besitz der Herrschaft in den griechischen Staaten, zum Teil auch um ihre Gunst, besonders um die Athens, bewarben; denn Athen imponierte immer noch, wenn auch nicht als Macht, doch als Mittelpunkt der höheren Künste und Wissenschaften, besonders der Philosophie und Beredsamkeit. Es erhielt sich auch mehr außerhalb der Schwelgerei, der Roheit und der Leidenschaften, die in den andern Staaten herrschten und sie verächtlich machten, und die syrischen und ägyptischen Könige rechneten es sich zur Ehre, Athen große Geschenke an Korn und sonstigen nützlichen Vorräten zu machen. Zum Teil setzten auch die Könige ihren vornehmsten Ruhm darein, die griechischen Städte und Staaten unabhängig zu machen und zu erhalten. Die Befreiung Griechenlands war gleichsam das allgemeine Schlagwort geworden, und für einen hohen Titel des Ruhmes galt es, Befreier Griechenlands zu heißen. Geht man auf den inneren politischen Sinn dieses Wortes ein, so war damit gemeint, daß kein einheimischer griechischer Staat zu einer bedeutenden Herrschaft gelangen sollte, und daß man sie insgesamt durch Trennung und Auflösung in Ohnmacht erhalten wollte.

Die besondere Eigentümlichkeit, wodurch sich die griechischen Staaten unterschieden, war eine verschiedene, wie die der schönen Götter, deren jeder seinen besonderen Charakter und besonderes Dasein hat, doch so, daß diese Besonderheit ihrer gemeinsamen Göttlichkeit keinen Eintrag tut. Indem nun diese Göttlichkeit schwach geworden und aus den Staaten entwichen ist, so bleibt nur die trockene Partikularität übrig, die häßliche Besonderheit, die sich hartnäckig und eigensinnig aus sich hält, und die eben damit schlechthin in die Abhängigkeit und den Konflikt mit andern gestellt ist. Doch führte das Gefühl der Schwäche und des Elends zu vereinzelten Verbindungen. Die Aetolier und ihr Bund, als ein Räubervolk, machten Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit, Betrug und Anmaßung gegen andre zu ihrem Staatsrecht. Sparta wurde von schändlichen Tyrannen und gehässigen Leidenschaften beherrscht und war dabei von den makedonischen Königen abhängig. Die böotische Subjektivität war nach Erlöschung des thebanischen Glanzes zur Trägheit und gemeinen Sucht des rohen sinnlichen Genusses herabgesunken. Der achäische Bund zeichnete sich durch den Zweck seiner Verbindung (Vertreibung der Tyrannen), durch Rechtlichkeit und den Sinn der Gemeinsamkeit aus. Aber auch er mußte zu der verwickeltsten Politik seine Zuflucht nehmen. Was wir hier im ganzen sehen, ist ein diplomatischer Zustand, eine unendliche Verwicklung mit den mannigfaltigsten auswärtigen Interessen, ein künstliches Gewebe und Spiel, dessen Fäden immer neu kombiniert werden.

Bei dem inneren Zustande der Staaten, welche, durch Selbstsucht und Schwelgerei entkräftet, in Faktionen zerrissen sind, deren jede sich wieder nach außen wendet und mit Verrat des Vaterlandes um die Gunst der Könige bettelt, ist das Interessante nicht mehr das Schicksal dieser Staaten, sondern die großen Individuen, die bei der allgemeinen Verdorbenheit aufstehen und edel sich ihrem Vaterlande weihen; sie erscheinen als große tragische Charaktere, die durch ihr Genie und die angestrengteste Bemühung die Übel doch nicht auszurotten vermögen, und gehen im Kampfe unter, ohne die Befriedigung gehabt zu haben, dem Vaterlande Ruhe, Ordnung und Freiheit wiederzugeben, auch ohne ihr Andenken rein für die Nachwelt erhalten zu haben. Livius sagt in seiner Vorrede: »In unsern Zeiten können wir weder unsre Fehler noch die Mittel gegen dieselben ertragen.« Dies ist aber ebensowohl auf diese Letzten der Griechen anzuwenden, welche ein Unternehmen begannen, das ebenso rühmlich und edel war, als es die Gewißheit des Scheiterns in sich trug. Agis und Kleomenes, Aratus und Philopömen sind so ihrem Bestreben für das Beste ihrer Nation unterlegen. Plutarch entwirft uns ein höchst charakteristisches Gemälde dieser Zeiten, indem er eine Vorstellung von der Bedeutung der Individuen in denselben gibt.

Die dritte Periode der griechischen Geschichte enthält aber weiter noch die Berührung mit dem Volke, welches nach den Griechen das welthistorische sein sollte, und der Haupttitel dieser Berührung war wie früher die Befreiung Griechenlands. Nachdem Perseus, der letzte makedonische König, im Jahre 168 vor Chr. Geburt von den Römern besiegt und im Triumph in Rom eingebracht worden war, wurde der achäische Bund angegriffen und vernichtet und endlich Korinth im Jahre 146 vor Chr. Geburt zerstört. Wenn man Griechenland, wie Polybius es schildert, vor Augen hat, sieht man, wie eine edle Individualität über diesen Zustand nur verzweifeln und in die Philosophie sich zurückziehen oder dafür handelnd nur sterben kann. Dieser Partikularität der Leidenschaft, dieser Zerrissenheit, die Gutes und Böses niederwirft, steht ein blindes Schicksal, eine eiserne Gewalt gegenüber, um den ehrlosen Zustand in seiner Ohnmacht zu offenbaren und jammervoll zu zertrümmern, denn Heilung, Besserung und Trost ist unmöglich. Dieses zertrümmernde Schicksal sind aber die Römer.


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