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Zweites Kapitel
Die Assyrier, Babylonier, Meder und Perser

Sowie das Zendvolk das höhere geistige Element des persischen Reiches war, so ist in Assyrien und Babylonien das Element des äußeren Reichtums, der Üppigkeit und des Handels. Die Sagen gehen bis in die ältesten Zeiten der Geschichte hinauf; sie sind aber an und für sich dunkel und zum Teil widersprechend, und dieser Widerspruch ist um so weniger aufzuhellen, als dem Volke Grundbücher und einheimische Werke abgehen. Der griechische Historiker Ktesias soll aus den Archiven der persischen Könige selbst geschöpft haben; indessen sind nur noch wenige Bruchstücke vorhanden. Herodot gibt viele Nachrichten; außerdem sind auch die Erzählungen in der Bibel höchst wichtig und merkwürdig, denn die Hebräer standen in unmittelbarer Beziehung mit den Babyloniern. Es kann hier noch namentlich in Beziehung auf die Perser überhaupt die Epopöe, Schah-nameh von Ferdusi, erwähnt werden, ein Heldenbuch in 60 000 Strophen, wovon Görres einen weitläufigen Auszug gegeben hat. Ferdusi lebte im Anfange des elften Jahrhunderts n. Chr. Geburt am Hofe Mahmud des Großen zu Ghasna, östlich von Kabul und Kandahar. Die berühmte eben genannte Epopöe hat die alten Heldensagen Irans (das ist, des eigentlichen Westpersiens) zu ihrem Gegenstande, kann aber nicht für eine historische Quelle gelten, da ihr Inhalt poetisch und ihr Verfasser ein Mohammedaner ist. Der Kampf von Iran und Turan wird in dem Heldengedicht beschrieben. Iran ist das eigentliche Persien, das Gebirgsland im Süden vom Oxus, Turan bezeichnet die Ebenen des Oxus und die zwischen demselben und dem alten Jaxartes liegenden. Ein Held, Rustan, macht die Hauptfigur im Gedichte, aber die Erzählungen sind ganz fabelhaft oder vollkommen entstellt. Alexanders geschieht Erwähnung, und er wird Ischkander oder Skander von Rum genannt. Rum ist das türkische Reich (noch jetzt heißt eine Provinz desselben Rumelien), aber ebenso das römische, und im Gedichte wird nicht minder Alexanders Reich Rum geheißen. Dergleichen Vermischungen gehören ganz der mohammedanischen Anschauung an. Es wird in dem Gedichte erzählt, der König von Iran habe Krieg geführt mit Philipp, und dieser letztere sei geschlagen worden. Der König habe ihm, dem Philipp, dann seine Tochter zur Frau abgefordert; nachdem er aber eine Zeitlang mit ihr gelebt, habe er sie fortgeschickt, weil sie übel aus dem Munde gerochen habe. Als sie nun zu ihrem Vater zurückgekommen sei, habe sie dort einen Sohn Skander geboren, der nach Iran geeilt wäre, um nach dem Tode seines Vaters den Thron in Besitz zu nehmen. Nimmt man dazu, daß im ganzen Gedichte keine Gestalt oder Geschichte vorkommt, die sich auf Cyrus bezieht, so läßt sich aus diesem wenigen schon abnehmen, was von dem Geschichtlichen des Gedichts zu halten sei. Wichtig bleibt es aber insofern, als uns Ferdusi darin den Geist seiner Zeit und den Charakter und das Interesse der neupersischen Weltanschauung darstellt.

Was nun Assyrien anbetrifft, so ist das mehr ein unbestimmter Name, Das eigentliche Assyrien ist ein Teil von Mesopotamien, im Norden von Babylon. Als Hauptstädte dieses Reiches werden angegeben, Atur oder Assur am Tigris, später Ninive, das vom Ninus, dem Stifter des assyrischen Reiches, begründet und erbaut worden sein soll. In jenen Zeiten machte eine Stadt das ganze Reich aus: so Ninive, so auch Ekbatana in Medien, das sieben Mauern gehabt haben soll, zwischen deren Umschließungen Ackerbau getrieben wurde; innerhalb der mittelsten Mauer befand sich der Palast des Herrschers. So soll nun auch Ninive, nach Diodor, 480 Stadien (ungefähr zwölf deutsche Meilen) im Umfange gehabt haben; auf den Mauern von 100 Fuß Höhe waren 1500 Türme, innerhalb welcher sich eine ungeheuere Volksmasse aufhielt. Eine nicht minder unermeßliche Population schloß Babylon in sich. Diese Städte entstanden aus dem doppelten Bedürfnis, einmal das Nomadenleben aufzugeben und in festen Sitzen Ackerbau, Gewerbe und Handel zu betreiben, dann sich gegen die herumschweifenden Bergvölker und die räuberischen Araber zu schützen. Ältere Sagen deuten darauf, daß dies ganze Talland von Nomaden durchzogen worden ist, und daß das städtische Leben diese dann verdrängt hat. So wanderte Abraham mit seiner Familie aus Mesopotamien gegen Westen in das gebirgige Palästina. Noch heute wird auf diese Weise Bagdad von streifenden Nomaden umschwärmt. Ninive soll 2050 Jahre v. Chr. Geburt erbaut worden sein, und so weit hinauf also wird die Begründung des assyrischen Reiches gestellt. Ninus unterwarf sich alsdann Babylonien, Medien und Baktrien, und insbesondere wird die Erwerbung des letzteren Landes als eine Äußerung der größten Anstrengung angegeben, denn Ktesias schätzt die Truppenzahl, die Ninus mit sich geführt haben soll, auf 1 700 000 Fußgänger und eine verhältnismäßige Anzahl von Reitern. Baktra wurde sehr lange belagert, und die Eroberung desselben wird der Semiramis zugeschrieben, die mit einer mutigen Schar den steilen Abhang eines Berges erstiegen haben soll. Die Person der Semiramis schwankt überhaupt zwischen mythologischen und historischen Vorstellungen; ihr wird auch der Turmbau Babels zugeschrieben, von dem wir in der Bibel eine der ältesten Sagen haben.

Babylon lag südlich am Euphrat in einer höchst fruchtbaren und für Ackerbau sehr geeigneten Ebene. Auf dem Euphrat und Tigris wurde große Schiffahrt getrieben; teils kamen die Schiffe von Armenien, teils vom Süden nach Babylon und führten in dieser Stadt einen unermeßlichen Reichtum zusammen. Das Land um Babylon herum war von unzähligen Kanälen durchschnitten, mehr im Interesse des Ackerbaus, um das Land zu bewässern und die Überschwemmungen zu hindern, als im Interesse der Schiffahrt. Die Prachtgebäude der Semiramis in Babylon selbst sind berühmt; doch wieviel davon in die alte Zeit gehört, ist unbestimmt und ungewiß. Es wird angegeben, daß Babylon ein Viereck gewesen sei, mittendurch von dem Euphrat geteilt; auf der einen Seite des Stromes sei der Tempel des Bel gestanden, auf der andern die großen Paläste der Monarchen; die Stadt habe 100 eherne (d. i. kupferne) Tore gehabt, ihre Mauern seien 100 Fuß hoch und verhältnismäßig breit gewesen, mit 250 Türmen versehen. Die Straßen in der Stadt, die auf den Strom zugingen, wurden jede Nacht mit ehernen Toren geschlossen. Ker Porter, ein Engländer, bereiste vor ungefähr zwölf Jahren (seine ganze Reise dauerte von 1817–1820) die Gegenden, wo das alte Babylon gelegen war; auf einer Erhöhung glaubte er noch Reste des alten Turms zu Babel zu entdecken; er wollte Spuren von den vielen Gängen finden, die sich um den Turm herumwanden, und in deren höchstem Geschosse das Bild des Bel aufgestellt war; außerdem finden sich noch viele Hügel mit Resten von alten Gebäulichkeiten. Die Backsteine zeigen sich so, wie sie in der Bibel beim Turmbau beschrieben sind; eine ungeheure Ebene ist von einer unzähligen Menge solcher Backsteine bedeckt, obgleich schon seit mehreren tausend Jahren beständig von dort welche geholt werden und die ganze Stadt Hila, die in der Nähe des alten Babylon liegt, von denselben gebaut wurde. Herodot gibt einige merkwürdige Sittenzüge der Babylonier an, woraus hervorzugehen scheint, daß sie ein friedliches, gut nachbarliches Volk gewesen sind. Wenn einer in Babylon krank wurde, so brachte man ihn auf einen freien Platz, damit jeder Vorübergehende ihm seinen Rat erteilen könne. Die Töchter wurden in den Jahren der Mannbarkeit versteigert, und der hohe Preis, der für die Schöne geboten ward, wurde zum Heiratsgut der Häßlichen bestimmt. Dies hinderte nicht, daß jede Fran einmal in ihrem Leben im Tempel der Mylitta sich preisgegeben haben mußte. Wie dies mit den Religionsbegriffen zusammengehangen habe, ist schwer zu ermitteln; sonst sagt Herodot, daß Sittenlosigkeit erst spät eingerissen sei, als Babylon ärmer geworden. Auch deutet der Umstand, daß die Schönen die Häßlichen dotierten, auf die Vorsorge für alle hin, sowie das öffentliche Ausstellen der Kranken auf eine gewisse Gemeinsamkeit.

Es ist hier noch der Meder Erwähnung zu tun. Sie waren, wie die Perser, ein Bergvolk, dessen Wohnsitze sich südlich und südwestlich vom Kaspischen Meere befanden und sich bis nach Armenien herüberzogen. Unter diesen Medern werden dann auch die Magier aufgeführt, als einer der sechs Stämme, die das medische Volk bildeten, dessen Haupteigenschaften Wildheit, Roheit und kriegerischer Mut waren. Die Hauptstadt Ekbatana wurde erst vom Dejozes erbaut; er soll die Stämme, nachdem sie sich zum zweitenmal von der assyrischen Herrschaft frei gemacht hatten, als König vereinigt und sie bewogen haben, ihm eine anständige Residenz zu bauen und zu befestigen. – Was die Religion der Meder betrifft, so nennen die Griechen alle orientalischen Priester überhaupt Magier, und eben deswegen ist dieser Name völlig unbestimmt. So viel geht aber aus allem hervor, daß bei den Magiern ein näherer Zusammenhang mit der Zendreligion zu suchen ist, aber daß, wenn auch die Magier Bewahrer und Verbreiter derselben waren, diese doch große Modifikationen durch den Übergang auf die verschiedenen Völker erlitt. Xenophon sagt, daß Cyrus zuerst in der Weise der Magier Gott opferte; die Meder waren somit ein Mittelvolk zur Fortpflanzung der Zendreligion. –

Das assyrisch-babylonische Reich nun, das so viele Völker unter sich hatte, soll tausend oder anderthalbtausend Jahre bestanden haben. Der letzte Herrscher war Sardanapal, ein großer Wollüstling, wie er beschrieben wird. Arbakes, der Satrap von Medien, regte die übrigen Satrapen gegen ihn auf und führte mit denselben die Truppen, welche sich alle Jahre zu Ninive zur Zählung versammelten, gegen Sardanapal. Dieser, wenn er auch mehrere Siege erfocht, wurde doch endlich genötigt, der Übermacht zu weichen, sich in Ninive einzuschließen und, als er zuletzt keinen Widerstand mehr leisten konnte, sich mit allen seinen Schätzen daselbst zu verbrennen. Nach einigen soll dieses 888 Jahre v. Chr. Geburt, nach andern am Ausgang des siebenten Jahrhunderts geschehen sein. Nach dieser Katastrophe löste sich das ganze Reich auf, es zerfiel in ein assyrisches, ein medisches und in ein babylonisches Reich, wozu auch die Chaldäer, ein Bergvolk aus dem Norden, das sich mit den Babyloniern vermischt hatte, gehörten. Diese einzelnen Reiche hatten wieder verschiedene Schicksale, doch herrscht hier eine noch nicht aufgelöste Verwirrung in den Nachrichten. In diesen Zeiten beginnen die Berührungen mit den Juden und Ägyptern. Das jüdische Reich unterlag der überwiegenden Macht; die Juden wurden nach Babylon geführt, und von ihnen haben wir nun genaue Nachrichten über den Zustand dieses Reiches. Nach den Angaben des Daniel war in Babylon eine sorgfältige Geschäftsorganisation vorhanden. Er spricht von Magiern, von denen die Erklärer der Schriften, die Wahrsager, Astrologen, Gelehrten und die Chaldäer, die die Träume auslegten, unterschieden werden. Die Propheten überhaupt erzählen viel von dem großen Handel in Babylon, entwerfen aber auch ein schreckliches Bild von der dort herrschenden Sittenlosigkeit.

Die wahre Spitze des persischen Reiches ist nun das eigentliche Perservolk, das ganz Vorderasien in sich vereinend mit den Griechen in Berührung trat. Die Perser sind im nächsten und frühesten Zusammenhang mit den Medern, und der Übergang der Herrschaft an die Perser macht keinen wesentlichen Unterschied, denn Cyrus war selbst ein Verwandter des medischen Königs, und der Name Persien und Medien verschmilzt. An der Spitze der Perser und Meder bekriegte Cyrus Lydien und dessen König Krösus, Herodot erzählt, daß schon vordem Kriege zwischen Lydien und Medien gewesen seien, die aber durch die Vermittlung des babylonischen Königs beigelegt worden waren. Wir erkennen darin ein Staatensystem von Lydien, Medien und Babylonien; letzteres war überwiegend geworden, und seine Herrschaft erstreckte sich schon bis an das Mittelländische Meer. Lydien erstreckte sich östlich bis an den Halys; auch der Saum der Westküste von Kleinasien, die schönen griechischen Kolonien, waren ihm unterworfen; es war also schon ein hoher Grad von Bildung im lydischen Reiche vorhanden. Kunst und Poesie blühten daselbst durch die Griechen. Auch diese Kolonien wurden den Persern unterworfen. Weise Männer wie Bias, und früher schon Thales, rieten ihnen, sich zu einem festen Bunde zu vereinigen oder ihre Städte mit ihren Habseligkeiten zu verlassen und sich andre Wohnsitze (Bias meinte Sardinien) zu suchen. Aber zu dieser Verbindung konnte es unter Städten, die von der höchsten Eifersucht beseelt waren und in beständigem Zwiste lebten, nicht kommen, und zu jenem heroischen Entschlusse, für die Freiheit ihren Herd zu verlassen, waren sie im Taumel des Überflusses nicht fähig. Erst als sie auf dem Punkte standen, von den Persern unterworfen zu werden, gaben einige Städte für das höchste Gut, die Freiheit, das Gewisse für das Ungewisse preis. Von dem Kriege gegen die Lydier sagt Herodot, daß er die Perser, welche vorher nur arm und roh waren, die Bequemlichkeit des Lebens und der Bildung kennen lehrte. Darauf unterjochte Cyrus Babylon, und mit demselben kam er in Besitz von Syrien und Palästina, entließ die Juden aus der Gefangenschaft und gestattete ihnen, ihren Tempel wieder aufzubauen. Zuletzt zog er gegen die Massageten, bekriegte diese Völker in den Steppen zwischen dem Oxus und Jaxartes, unterlag ihnen aber, indem er den Tod des Kriegers und Eroberers fand. Der Tod der Heroen, die Epoche in der Weltgeschichte gemacht haben, charakterisiert sich nach ihrem Berufe. Cyrus starb so in seinem Beruf, welcher die Vereinigung Vorderasiens in eine Herrschaft ohne weiteren Zweck war.


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