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Die Kriege mit den Persern

Die Periode der Berührung mit dem vorangegangenen welthistorischen Volke ist überhaupt als die zweite in der Geschichte jeder Nation zu betrachten. Die welthistorische Berührung der Griechen war die mit den Persern; Griechenland hat sich darin aufs herrlichste dargestellt. Die Veranlassung der medischen Kriege war der Aufstand der ionischen Städte gegen die Perser, indem die Athener und Eretrier denselben Hilfe leisteten. Was die Athener namentlich dazu bestimmte, war der Umstand, daß der Sohn des Pisistratus, nachdem seine Versuche in Griechenland, sich der Herrschaft über Athen wieder zu bemächtigen, fehlgeschlagen waren, sich an den König der Perser gewendet hatte. Der Vater der Geschichte hat uns nun von diesen medischen Kriegen eine glänzende Beschreibung gegeben, und für den Zweck, den wir hier verfolgen, brauchen wir darüber nicht weitläufig zu sein.

Lakedämon war zu Anfang der medischen Kriege im Besitz der Hegemonie und hatte besonders im Peloponnes großes Ansehen erlangt, teils dadurch, daß es das freie Volk der Messenier unterjocht und zu Sklaven gemacht hatte, teils weil es mehreren griechischen Staaten geholfen hatte, seine Tyrannen zu vertreiben. Dadurch gereizt, daß die Griechen den Ioniern gegen ihn beigestanden hatten, sandte der Perserkönig Herolde an die griechischen Städte, um sie aufzufordern, ihm Wasser und Erde zu geben, das heißt, seine Oberherrschaft anzuerkennen. Die Gesandten wurden mit Verachtung zurückgewiesen, und die Lakedämonier ließen sie sogar in einen Brunnen werfen, was sie aber später so gereute, daß sie zur Sühne zwei Lakedämonier nach Susa schickten. Der Perserkönig sandte darauf ein Heer gegen Griechenland. Gegen diese große Übermacht fochten die Athener mit den Platäern allein bei Marathon unter Führung des Miltiades und errangen den Sieg. Später ist dann Xerxes mit seinen ungeheuren Völkermassen gegen Griechenland herangezogen (Herodot beschreibt diesen Zug ausführlich); zu der furchtbaren Landarmee gesellte sich noch die nicht minder bedeutende Flotte. Thrakien, Makedonien, Thessalien wurden bald unterworfen, aber den Eingang ins eigentliche Griechenland, den Paß von Thermopylä, verteidigten 300 Spartaner und 700 Thespier, deren Schicksal bekannt ist. Das freiwillig verlassene Athen wurde verwüstet, und die Götterbilder waren den Persern, die das Gestaltlose und Ungeformte verehrten, ein Greuel. Trotz der Uneinigkeit der Griechen wurde die persische Flotte bei Salamis geschlagen; an dem hohen Tage dieses Sieges treffen die drei größten Tragiker Griechenlands merkwürdigerweise zusammen: denn Äschylus kämpfte mit und half den Sieg erringen, Sophokles tanzte beim Siegesfeste, und Euripides wurde geboren. Nachher wurde das Heer, welches unter dem Mardonius in Griechenland zurückblieb, bei Platää von Pausanias geschlagen und darauf die persische Macht an verschiedenen Punkten gebrochen.

So wurde Griechenland von der Last, welche es zu erdrücken drohte, befreit. Es sind unstreitig größere Schlachten geschlagen worden, diese aber leben unsterblich im Angedenken der Geschichte der Völker nicht allein, sondern auch der Wissenschaft und der Kunst, des Edlen und Sittlichen überhaupt. Denn es sind welthistorische Siege: sie haben die Bildung und die geistige Macht gerettet und dem asiatischen Prinzipe alle Kraft entzogen. Wie oft haben nicht sonst Menschen für einen Zweck alles hingegeben, wie oft sind nicht Krieger für Pflicht und Vaterland gestorben? Hier ist aber nicht nur Tapferkeit, Genie und Mut zu bewundern, sondern hier ist es der Inhalt, die Wirkung, der Erfolg, die einzig in ihrer Art sind. Alle andern Schlachten haben ein mehr partikulares Interesse; der unsterbliche Ruhm der Griechen aber ist gerecht, wegen der hohen Sache, welche gerettet worden ist. In der Weltgeschichte hat nicht die formelle Tapferkeit, nicht das sogenannte Verdienst, sondern der Wert der Sache über den Ruhm zu entscheiden. Das Interesse der Weltgeschichte hat hier auf der Wagschale gelegen. Es standen gegeneinander der orientalische Despotismus, also eine unter einem Herrn vereinigte Welt, und auf der andern Seite geteilte und an Umfang und Mitteln geringe Staaten, welche aber von freier Individualität belebt waren. Niemals ist in der Geschichte die Überlegenheit der geistigen Kraft über die Masse, und zwar über eine nicht verächtliche Masse, in solchem Glanze erschienen. – Dieser Krieg und dann die Entwicklung der an der Spitze stehenden Staaten nach diesem Kriege ist die glänzendste Periode Griechenlands: alles, was im griechischen Prinzipe gelegen, hat sich nun vollkommen entfaltet und zur Anschauung gebracht.

Die Athener setzten ihre Eroberungskriege noch lange fort und sind dadurch zu Wohlhabenheit gelangt, während sich die Lakedämonier, die keine Seemacht hatten, ruhig verhielten. Der Gegensatz von Athen und Sparta beginnt nunmehr, ein beliebtes Thema der historischen Behandlung. Man kann sagen, das Urteil, welchem dieser beiden Staaten der Vorzug gebühre, sei müßig, und man müsse zeigen, wie jede für sich eine notwendige würdige Gestalt wäre. Man kann z. B. viele Kategorien für Sparta anführen, man kann von Strenge der Sitten, von Gehorsam usw. sprechen, aber die Hauptidee in diesem Staate ist die politische Tugend, welche zwar Athen und Sparta gemein haben, welche aber in dem einen Staate sich zu dem Kunstwerke freier Individualität ausbildete, in dem andern in der Substantialität sich erhalten hat. Ehe wir vom peloponnesischen Kriege reden, worin die Eifersucht Spartas und Athens zum Ausbruch kam, haben wir den Grundcharakter beider Staaten näher zu zeigen, wie sie sich, in politischer und sittlicher Hinsicht, unterschieden.


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