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Im ersten Zeitraum unterscheiden sich von selbst mehrere Momente. Der römische Staat bekommt hier seine erste Ausbildung unter Königen, dann erhält er eine republikanische Verfassung, an deren Spitze Konsuln stehen. Es tritt der Kampf der Patrizier und Plebejer ein, und nachdem dieser durch die Befriedigung der plebejischen Anforderungen geschlichtet worden, zeigt sich eine Zufriedenheit im Innern, und Rom bekommt die Stärke, daß es siegreich sich in den Kampf mit dem früheren weltgeschichtlichen Volke einlassen kann.
Was die Nachrichten über die ersten römischen Könige anbetrifft, so ist kein Datum darin, welches nicht den höchsten Widerspruch durch die Kritik erfahren hätte; doch ist man zu weit gegangen, wenn man ihnen alle Glaubwürdigkeit hat absprechen wollen. Im ganzen werden sieben Könige angegeben, und selbst die höhere Kritik muß zugestehen, daß die letzten derselben vollkommen geschichtlich sind. Romulus wird der Stifter dieses Vereins von Räubern genannt, er organisierte denselben zu einem Kriegsstaat. Wenn die Sagen über ihn auch als fabelhaft erscheinen, so enthalten sie doch nur, was dem angegebenen römischen Geiste entspricht. Vom zweiten Könige Numa wird erzählt, er habe die religiösen Zeremonien eingeführt. Dieser Zug ist dadurch sehr merkwürdig, daß die Religion später als die Staatsverbindung auftritt, wählend bei andern Völkern die religiösen Traditionen schon in den ältesten Zeiten und vor allen bürgerlichen Einrichtungen erscheinen. Der König war zugleich Priester ( rex wird von ῥέζειν opfern abgeleitet). Wie bei allen Anfängen der Staaten ist das Politische mit dem Priesterlichen verbunden und der Zustand eine Theokratie. Der König stand hier an der Spitze der durch die sacra Bevorrechtigten.
Die Absonderung der ausgezeichneten und mächtigen Bürger als Senatoren und Patrizier geschah schon unter den ersten Königen. Romulus soll 100 patres eingesetzt haben, woran jedoch die höhere Kritik zweifelt. In der Religion wurden zufällige Zeremonien, die sacra, zu festen Unterscheidungsmerkmalen und Eigentümlichkeiten der Gentes und der Stände. Die innere Organisation des Staates kam allmählich zustande. Livius sagt, wie Numa alles Göttliche festgesetzt habe, so habe Servius Tullius die verschiedenen Klassen und den census eingeführt, nach welchem der Anteil an den öffentlichen Angelegenheiten bestimmt wurde. Die Patrizier waren deswegen unzufrieden, besonders aber darum, weil Servius Tullius einen Teil der Schulden der Plebejer tilgte und den Ärmeren Staatsländereien schenkte, wodurch sie zu Grundeigentümern wurden. Er teilte das Volk in sechs Klassen, wovon die erste zusammen mit den Rittern 98 Zenturien ausmachte, die folgenden aber verhältnismäßig weniger. Da nun nach Zenturien abgestimmt wurde, so erhielt die erste Klasse auch das größte Gewicht. Nun scheint es, daß in der früheren Zeit die Patrizier die Gewalt allein in den Händen hatten, nach der Einteilung des Servius aber bloß das Übergewicht behielten, was ihre Unzufriedenheit mit den Einrichtungen des Servius erklärt. Mit Servius wird die Geschichte bestimmter, und unter ihm und seinem Vorgänger, dem älteren Tarquinius, zeigen sich Spuren von Blüte. Niebuhr verwundert sich, daß nach Dionysius und Livius die älteste Verfassung demokratisch war, weil die Stimme jedes Bürgers in der Volksversammlung gleichgegolten habe. Aber Livius sagt nur, Servius habe das suffragium viritim abgeschafft. In den comitiis curiatis hatten aber bei der Verallgemeinerung des Klientelverhältnisses, welches die Plebs absorbierte, nur die Patrizier Stimme und populus bezeichnet zurzeit nur die Patrizier. Dionysius widerspricht sich also nicht, wenn er sagt, die Verfassung nach Romulus' Gesetzen sei streng aristokratisch gewesen.
Fast alle Könige waren Fremde, was gewiß den Ursprung Roms sehr charakterisiert. Numa, der dem Stifter Roms nachfolgte, war der Erzählung nach ein Sabiner, welches Volk sich schon unter Romulus vom Tatius geführt auf einem der römischen Hügel niedergelassen haben soll. Späterhin erscheint jedoch das Sabinerland noch als ein vom römischen Staat durchaus getrenntes Gebiet. Auf Numa folgte Tullus Hostilius, und schon der Name dieses Königs weist auf den fremden Ursprung hin. Ancus Martius, der vierte König, war der Enkel des Numa; Tarquinius Priscus stammte aus einem korinthischen Geschlechte, wie schon früher bei einer andern Gelegenheit gesagt worden ist. Servius Tullius war aus Corniculum, einer eroberten lateinischen Stadt; Tarquinius Superbus stammte vom älteren Tarquinius ab. Unter diesem letzten Könige ist Rom zu einem großen Flor gediehen; schon damals soll ein Traktat mit den Karthagern über den Handel abgeschlossen worden sein, und wenn man dieses als mythisch verwerfen wollte, so vergißt man den Zusammenhang, in dem Rom mit Etrurien und andern angrenzenden Völkern, welche durch Handel und Seefahrt blühten, schon in jener Zeit stand. Die Römer kannten damals schon sehr wohl die Schreibkunst und hatten bereits jene verständige Auffassungsweise, die sie sehr auszeichnete und zu jener klaren Geschichtschreibung führte, die an den Römern gepriesen wird.
Bei der Ausbildung des inneren Staatslebens waren die Patrizier sehr herabgesetzt worden, und die Könige suchten, wie dies auch in der mittleren europäischen Geschichte häufig vorkommt, öfters einen Anhaltungspunkt am Volke, um gegen die Patrizier vorzuschreiten. Von Servius Tullius ist dies schon gesagt wurden. Der letzte König, Tarquinius Superbus, fragte den Senat wenig in den Angelegenheiten des Staates um Rat, auch ergänzte er ihn nicht, wenn ein Mitglied starb, und tat überhaupt, als wenn er ihn gänzlich zusammenschmelzen lassen wollte. Da trat eine Spannung ein, welche nur einer Veranlassung, um zum Ausbruch zu kommen, bedurfte. Die Verletzung der Ehre einer Frau, das Eindringen in dieses innerste Heiligtum, dessen sich der Sohn des Königs schuldig machte, war diese Veranlassung. Die Könige wurden im Jahre 244 nach Erbauung Rums und 510 vor Chr. Geburt (wenn nämlich die Erbauung Roms in das Jahr 753 vor Chr. Geburt fällt) vertrieben und die Königswürde für immer abgeschafft.
Von den Patriziern, nicht von den Plebejern, wurden die Könige vertrieben; wenn man also die Patrizier als das heilige Geschlecht legitimieren will, so handelten sie gegen die Legitimität, denn der König war ihr Hohepriester. Die Heiligkeit der Ehe sehen wir bei dieser Gelegenheit als etwas Hohes bei den Römern gelten. Das Prinzip der Innerlichkeit und Pietät ( pudor) war das Religiöse und Unantastbare; und seine Verletzung wird die Veranlassung zur Vertreibung der Könige und später auch der Dezemviren. Wir finden deshalb bei den Römern auch sogleich die Monogamie, als sich von selbst verstehend. Sie war nicht durch ein ausdrückliches Gesetz eingeführt; nur beiläufig ist davon in den Institutionen die Rede, wo es heißt, daß gewisse verwandtschaftliche Ehen nicht zulässig sind, weil der Mann nicht zwei Frauen haben darf. Erst in einem Gesetz des Diokletian wird ausdrücklich bestimmt, daß keiner, der zum römischen Reich gehört, zwei Frauen haben darf, da auch nach einem prätorischen Edikt Infamie darauf gesetzt sei ( cum etiam in edicto praetoris hujusmodi viri infamia notati sunt). Die Monogamie gilt also an und für sich und ist im Prinzip der Innerlichkeit gegründet. – Endlich ist noch zu bemerken, daß das Königtum hier nicht wie in Griechenland dadurch verschwand, daß die Königsgeschlechter sich in sich aufzehrten, sondern es ist mit Haß vertrieben worden. Der König, selber Oberpriester, hatte das Unheiligste begangen; das Prinzip der Innerlichkeit lehnte sich dagegen auf, und die Patrizier, zum Gefühl der Selbständigkeit dadurch gediehen, warfen das Königtum ab. In demselben Gefühl erhob sich später die Plebs gegen die Patrizier, erhoben sich die Lateiner und die Bundesgenossen gegen die Römer, bis die Gleichheit der Privatpersonen im ganzen römischen Gebiet hergestellt (auch eine Unzahl von Sklaven wurde freigelassen) und durch einfachen Despotismus zusammengehalten wurde.
Livius macht die Bemerkung, Brutus habe den rechten Zeitpunkt für die Vertreibung der Könige gefunden, denn wenn sie früher stattgefunden hätte, so würde der Staat zerfallen sein. Was würde geschehen sein, fragt er, wenn dieser heimatlose Haufe früher losgelassen worden wäre, wo das Zusammenleben die Gemüter noch nicht aneinander gewöhnt hatte? Die Staatsverfassung wurde nun dem Namen nach republikanisch. Betrachten wir die Sache genauer, so zeigt sich's ( Livius II. 1.), daß im Grunde keine andre Veränderung vorgegangen ist, als daß die Macht, welche vorher dem Könige als bleibende zustand, auf zwei einjährige Konsuln überging. Beide besorgten mit gleicher Macht sowohl die Kriegs-, als die Rechts- und Verwaltungsgeschäfte, denn die Prätoren, als oberste Richter, treten erst später auf.
Zunächst waren noch alle Gewalten in den Händen der Konsuln; sowohl nach außen als nach innen ging es im Anfange sehr schlecht. Es tritt nämlich in der römischen Geschichte eine ebenso trübe Zeit ein wie in der griechischen nach Untergang der königlichen Geschlechter. Die Römer hatten zuerst einen schweren Kampf mit ihrem vertriebenen Könige, der bei den Etruskern Hilfe gesucht und gefunden hatte, zu bestehen. In dem Kriege gegen den Porsena verloren die Römer alle ihre Eroberungen, ja sogar ihre Selbständigkeit: sie wurden gezwungen, ihre Waffen abzulegen und Geißeln zu geben; nach einem Ausdruck des Tacitus ( Hist. 3, 72.) scheint es sogar, als habe Porsena Rom genommen. Nach der Vertreibung der Könige beginnt auch bald der Kampf der Patrizier und Plebejer; denn die Abschaffung des Königtums war ganz nur zum Vorteil der Aristokratie geschehen, an welche die königliche Gewalt überging, und die Plebs verlor den Schutz, den sie bei den Königen gefunden hatte. Alle obrigkeitliche und richterliche Gewalt und alles Grundeigentum des Staates befand sich um diese Zeit in den Händen der Patrizier, das Volk aber, unaufhörlich in den Krieg hinausgerissen, konnte sich nicht mit friedlichen Beschäftigungen abgeben, die Gewerbe konnten nicht blühen, und der einzige Erwerb der Plebejer war der Anteil, den sie an der Beute hatten. Die Patrizier ließen ihren Grund und Boden durch Sklaven bebauen und gaben von ihrem Ackerbesitz an ihre Klienten, welche gegen Abgaben und Beisteuern, also als Pächter, den Nießbrauch derselben hatten. Dieses Verhältnis war durch die Art der Beisteuer der Klienten dem Lehnsverhältnis sehr ähnlich: sie mußten Beisteuer geben zur Verheiratung der Töchter des Patronus, um den gefangenen Patron oder dessen Söhne loszulaufen, um ihnen zu obrigkeitlichen Ämtern zu verhelfen oder das in Prozessen Verlorene zu ersetzen. In den Händen der Patrizier war auch die Rechtspflege, und zwar ohne bestimmte und geschriebene Gesetze; welchem Mangel dann später durch die Dezemvirn abgeholfen werden sollte. Den Patriziern gehörte auch alle Regierungsgewalt, denn sie waren im Besitz aller Ämter, des Konsulats, nachher des Kriegstribunats und der Zensur (errichtet u. c. 311), wodurch das praktische Regiment sowohl als auch die Aufsicht ihnen allein überlassen war. Die Patrizier bildeten endlich auch den Senat. Sehr wichtig erscheint die Frage, auf welche Weise derselbe ergänzt wurde. Darin war aber eine große Unbestimmtheit. Vom Romulus wurde erzählt, daß er den Senat, aus hundert Mitgliedern bestehend, gestiftet habe; die folgenden Könige vermehrten diese Anzahl, und Tarquinius Priscus setzte sie auf dreihundert fest. Junius Brutus ergänzte den Senat, welcher sehr zusammengeschmolzen war, aufs neue. In der Folgezeit scheint es, daß die Zensoren, und bisweilen die Diktatoren, den Senat ergänzt haben. Im zweiten Punischen Kriege, im Jahre 538 u. c., wurde ein Diktator erwählt, welcher 177 neue Senatoren ernannte: er nahm dazu die, welche kurulische Würden bekleidet hatten, die plebejischen Ädilen, Volkstribunen und Quästoren, Bürger, welche die spolia optima oder die corona civica davongetragen hatten. Unter Cäsar war die Anzahl der Senatoren auf 800 gestiegen, Augustus reduzierte sie auf 600. Man hat es als eine große Nachlässigkeit der römischen Geschichtschreiber angesehen, daß sie über die Zusammensetzung und Ergänzung des Senates so wenig Nachricht geben; aber dieser Punkt, der für uns eine unendliche Wichtigkeit zu haben scheint, war den Römern überhaupt nicht so wichtig; sie haben überhaupt nicht solche Bedeutung auf formelle Bestimmungen gelegt, sondern es kam ihnen am meisten darauf an, wie regiert werde. Wie will man überhaupt annehmen, daß die Verfassungsrechte der alten Römer so bestimmt gewesen seien, und das zu einer Zeit, die man selbst für mythisch und deren Tradition man für episch ansieht? –
Das Volk befand sich in diesem Zustand der Unterdrückung, wie z. B. die Irländer noch vor wenigen Jahren in Großbritannien waren, indem es zugleich ganz von der Regierung ausgeschlossen blieb. Mehrere Male hat es sich empört und ist aus der Stadt ausgezogen. Zuweilen hat es auch den Kriegsdienst verweigert; doch bleibt es immer äußerst auffallend, daß der Senat so lange einer durch Unterdrückung gereizten und im Kriege geübten Mehrzahl habe Widerstand leisten können, denn der Hauptkampf hat über hundert Jahre gedauert. In dem Umstande, daß das Volk so lange im Zaum gehalten werden konnte, offenbart sich eben die Achtung desselben vor der gesetzlichen Ordnung und den sacris. Endlich aber mußte es dennoch eintreten, daß den Plebejern ihre rechtmäßigen Forderungen zugestanden und öfter ihre Schulden erlassen wurden. Die Härte der Patrizier, ihrer Gläubiger, denen sie ihre Schulden durch Sklavenarbeit abtragen mußten, zwang die Plebs zu Aufständen. Sie forderte und erhielt zunächst nur, was sie unter den Königen schon gehabt hatte, nämlich Grundbesitz und Schutz gegen die Mächtigen. Sie erhielt Landassignationen und Volkstribunen, Beamte nämlich, welche die Macht hatten, jeden Senatsbeschluß zu verhindern. Die Anzahl der Tribunen beschränkte sich anfangs nur auf zwei, später waren sie zehn; was indessen der Plebs eher schädlich war, da es nur darauf ankam, daß der Senat einen der Tribunen gewann, um durch den Widerspruch eines einzigen den Beschluß aller übrigen aufzuheben. Die Plebs erlangte damit zugleich die Provokation ans Volk: bei jedem obrigkeitlichen Zwange nämlich konnte der Verurteilte an die Entscheidung des Volkes appellieren, ein unendlich wichtiges Vorrecht für die Plebs, welches die Patrizier besonders aufbrachte. Auf das wiederholte Verlangen des Volkes wurden später die Dezemvirn mit Aufhebung der Volkstribunen ernannt, um dem Mangel einer bestimmten Gesetzgebung abzuhelfen; sie mißbrauchten bekanntlich die unumschränkte Gewalt zur Tyrannei und wurden auf eine ähnliche schändliche Veranlassung wie die Könige vertrieben. Die Abhängigkeit der Klientel war indessen geschwächt; nach den Dezemvirn verschwinden die Klienten mehr und mehr und gehen in die Plebs ein, welche in eignen Volksversammlungen unter ihren Tribunen, selbst über Staatsangelegenheiten, Beschlüsse ( plebiscita) faßt; der Senat konnte für sich nur senatus consulta ausgehen lassen, und die Tribunen konnten jetzt so gut wie der Senat die Komitien und Wahlen verhindern. Nach und nach erreichten es die Plebejer, daß ihnen der Weg zu allen Würden und Ämtern geöffnet wurde, aber anfangs war ein plebejischer Konsul, Ädil, Zensor usw. dem patrizischen nicht gleich, wegen der sacra, welcher dieser in Händen behielt; auch dauerte es sehr lange nach diesem Zugeständnis, bis ein Plebejer wirklich dazu kam, Konsul zu werden. Die Gesamtheit dieser Bestimmungen hat der Volkstribun Licinius festgestellt, und zwar in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts (387 u. c.). Derselbe brachte hauptsächlich auch die lex agraria in Anregung, worüber so viel unter den neueren Gelehrten geschrieben und gestritten worden ist. Die Urheber dieses Gesetzes haben zu jeder Zeit die größten Bewegungen in Rom verursacht. Die Plebejer waren faktisch fast von allem Grundbesitz ausgeschlossen, und die agrarischen Gesetze gingen darauf hin, ihnen Äcker teils in der Nähe von Rom, teils in den eroberten Gegenden einzuräumen, wohin dann Kolonien ausgeführt werden sollten. Zur Zeit der Republik sehen wir häufig, daß Feldherrn dem Volke Äcker anwiesen, aber jedesmal wurden sie dann beschuldigt, nach dem Königtume zu streben, weil eben die Könige die Plebs gehoben hatten. Das agrarische Gesetz verlangte, es sollte kein Bürger über 500 Morgen besitzen: die Patrizier mußten demnach einen großen Teil ihres Eigentums herausgeben. Niebuhr hat besonders weitläufige Untersuchungen über die agrarischen Gesetze angestellt und große und wichtige Entdeckungen zu machen geglaubt; er sagt nämlich: man habe niemals daran gedacht, das heilige Recht des Eigentums zu verletzen, sondern der Staat habe nur einen Teil der von den Patriziern usurpierten Staatsländereien der Plebs zur Benutzung angewiesen, indem er darüber immer noch als über sein Eigentum disponieren konnte. Ich bemerke nur beiläufig, daß Hegewisch diese Entdeckung schon vor Niebuhr gemacht hatte, und daß Niebuhr die weiteren Data zu seiner Behauptung aus dem Appian und Plutarch, das heißt, griechischen Geschichtschreibern entlehnt, von denen er selbst zugibt, daß man nur im äußersten Falle seine Zuflucht zu ihnen nehmen dürfe. Wie oft spricht nicht Livius über die agrarischen Gesetze, wie oft nicht Cicero und andre, und doch läßt sich aus ihnen nichts Bestimmtes darüber entnehmen! Dies ist wieder ein Beweis von der Ungenauigkeit der römischen Schriftsteller. Die ganze Sache geht am Ende auf eine unnütze Rechtsfrage hinaus. Das Land, welches die Patrizier in Besitz genommen, oder wo sich die Kolonien niederließen, war ursprünglich Staatsland; es gehörte aber sicherlich auch den Besitzern, und es führt gar nicht weiter, wenn man behaupten will, es sei immer Staatsland geblieben. Bei dieser Entdeckung Niebuhrs handelt es sich nur um einen sehr unwesentlichen Unterschied, der wohl in seinen Gedanken, aber nicht in der Wirklichkeit vorhanden ist. – Das licinische Gesetz wurde zwar durchgesetzt, bald aber übertreten und gar nicht geachtet. Licinius Stolo selbst, der das Gesetz in Anregung gebracht hatte, wurde bestraft, weil er mehr Grundeigentum besaß, als erlaubt war, und die Patrizier widersetzten sich der Ausführung des Gesetzes mit der größten Hartnäckigkeit. Wir müssen hier überhaupt auf den Unterschied, der zwischen den römischen, den griechischen und unsern Verhältnissen stattfindet, aufmerksam machen. Unsre bürgerliche Gesellschaft beruht auf andern Grundsätzen, und solche Maßregeln sind in ihr nicht nötig. Den Spartanern und Athenern, welche die Abstraktion noch nicht so, wie die Römer, festgehalten haben, war es nicht um das Recht als solches zu tun, sondern sie verlangten, daß die Bürger die Subsistenzmittel hätten, und vom Staate forderten sie, daß er dafür sorgte.
Es ist dies das Hauptmoment in der ersten Periode der römischen Geschichte, daß die Plebs zum Rechte, die höheren Staatswürden bekleiden zu können, gelangt ist, und daß durch einen Anteil, den auch sie an Grund und Boden bekam, die Subsistenz der Bürger gesichert war. Durch diese Vereinigung des Patriziats und der Plebs gelangte Rom erst zur wahren inneren Konsistenz, und erst von da ab hat sich die römische Macht nach außen entwickeln können. Es tritt ein Zeitpunkt der Befriedigung in dem gemeinsamen Interesse ein und der Ermüdung an den inneren Kämpfen. Wenn die Völker nach bürgerlichen Unruhen sich nach außen wenden, so erscheinen sie am stärksten; denn es bleibt die vorhergehende Erregung, welche nun kein Objekt mehr im Innern hat, und dasselbe nach außen hin sucht. Dieser Trieb der Römer konnte das Mangelhafte, was in der Vereinbarung selbst lag, für einen Augenblick verdecken; das Gleichgewicht war hergestellt, aber ohne eine wesentliche Mitte und den Unterstützungspunkt. Der Gegensatz mußte später fürchterlich wieder hervorbrechen; aber zuvor hatte sich die Römergröße in Krieg und Welteroberung zu zeigen. Die Macht, der Reichtum, der Ruhm aus diesen Kriegen, sowie die Not, welche durch sie herbeigeführt wurde, hielt die Römer im Innern zusammen. Ihre Tapferkeit und Kriegszucht verlieh ihnen den Sieg. Die römische Kriegskunst hat gegen die griechische und makedonische besondere Eigentümlichkeiten. Die Stärke der Phalanx lag in der Masse und im Massenhaften. Die römischen Legionen waren auch geschlossen, zugleich aber in sich gegliedert: sie verbanden die beiden Extreme des Massenhaften und des Zersplitterns in leichte Truppen, indem sie sich fest zusammenhielten und zugleich sich leicht entwickelten, Bogenschützen und Schleuderer gingen beim Angriffe dem römischen Heere voran, um hernach dem Schwerte die Entscheidung zu lassen.
Langweilig wäre es, die Kriege der Römer in Italien zu verfolgen; teils weil sie für sich einzeln unbedeutend sind, – auch die oft leere Rhetorik der Feldherren bei Livius kann das Interesse nicht sehr erhöhen –, teils wegen der Geistlosigkeit der römischen Geschichtschreiber, bei denen man die Römer nur mit Feinden überhaupt Krieg führen sieht, ohne daß wir von den Individualitäten derselben, z. B. der Etrusker, Samniter, Ligurier, mit denen sie mehrere hundert Jahre lang kriegten, etwas Weiteres erfahren. Eigentümlich ist es dabei, daß die Römer, die das große Recht der Weltgeschichte für sich haben, auch das kleine Recht der Manifeste, Traktate bei kleinen Verletzungen für sich in Anspruch nehmen und dasselbe gleichsam advokatenmäßig verteidigen. Bei politischen Verwicklungen der Art kann aber jeder dem andern etwas übelnehmen, wenn er will, wenn er für nützlich hält, es übelzunehmen. Lange und schwierige Kämpfe hatten die Römer mit den Samnitern, den Etruskern, den Galliern, den Marsern, Umbrern, Bruttiern zu bestehen, ehe sie sich zu Herren von ganz Italien machen konnten. Von da aus wandte sich ihre Herrschaft nach Süden: sie faßten festen Fuß in Sizilien, wo die Karthager schon sehr lange Krieg führten; dann breiteten sie sich nach Westen aus, von Sardinien und Korsika gingen sie nach Spanien. Sie kamen dann bald in häufige Berührung mit den Karthagern und wurden gezwungen, gegen dieselbe eine Seemacht zu bilden. Dieser Übergang war in älteren Zeiten leichter, als er jetzt wohl sein würde, wo vieljährige Übung und höhere Kenntnisse zum Seedienst gefordert werden. Die Art des Seekrieges war damals nicht sehr verschieden vom Landkriege.
Wir haben hiermit die erste Epoche der römischen Geschichte beendigt, worin die Römer durch die Kleinkrämerei der Kriege zu den Kapitalisten der eigentümlichen Stärke geworden waren, mit welcher sie auf dem Welttheater auftreten sollten. Die römische Herrschaft war im ganzen noch nicht sehr ausgedehnt: erst wenige Kolonien hatten sich jenseits des Po niedergelassen, und im Süden stand eine große Macht der römischen gegenüber. Der zweite Punische Krieg ist es dann, welcher den Anstoß gibt zu der ungeheuren Berührung mit den mächtigsten vorhandenen Staaten; durch ihn kamen die Römer in Berührung mit Makedonien, Asien, Syrien und dann auch mit Ägypten. Des großen, weithinaus reichenden Reiches Mittelpunkt blieb Italien und Rom, aber dieser Mittelpunkt war, wie schon gesagt wurden ist, nicht weniger gewaltsam und erzwungen. Diese große Periode der Berührung Roms mit andern Staaten und der daraus entstehenden mannigfaltigen Verwicklungen hat der edle Achäer Polybius beschrieben, der zusehen mußte, wie sein Vaterland durch die Schändlichkeit der Leidenschaften der Griechen und die Niederträchtigkeit und unerbittliche Konsequenz der Römer zugrunde ging.