Ida Gräfin Hahn-Hahn
Faustine
Ida Gräfin Hahn-Hahn

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III

Zwei Tage später sagte Mengen auf der Terrasse zu Feldern:

»Du wolltest mich ja der schönen weißen Statue vorstellen, die vorgestern hier zeichnete, der Gräfin . . . Wie heißt sie?«

»Obernau. Eine Statue ist sie nicht. Übrigens heute früh auf mehrere Monate verreist,« entgegnete Feldern.

»Schade,« sagte Graf Mengen. »Aber sie wird wiederkommen, und dann! Manche Menschen sehen so wunderbar aus, daß ich übers Gebirge klimmen würde oder auf die Turmspitze steigen, um ihnen wenigstens einmal gründlich ins Antlitz zu sehen, und habe ich das getan, so vergesse ich sie nie.«

»Dein Gesandter wird ja von der Badereise Tochter und Enkelin hierher bringen. Ob die junge Dame hübsch ist?«

»Sehr hübsch, nach einem Bildnisse zu urteilen, doch zu jung, um Eindruck zu machen.«

»Und die Mutter?«

»Nicht mehr jung genug.«

»Die diplomatische Laufbahn ist doch äußerst angenehm! Nicht nur, daß Ihr wie die Windrose für alle Weltgegenden und alle Klassen der Gesellschaft eingerichtet seid, Ihr findet auch, wohin Ihr entsendet werdet, überall ein Haus, in dem Ihr zu Hause seid wie im eigenen, ohne die Unbequemlichkeit, die häufig mit letzterem verbunden ist.«

»Der Soldat hat seine Kameraden, der Beamte seine Kollegen, was, beiläufig gesagt, unbeschreiblich philisterhaft klingt; und beide haben ihre Vorgesetzten. Ich sehe keinen besonderen Vorteil in unseren Verhältnissen, als höchstens den, daß unser Oberhaupt seinem einsamen Gehilfen ganz genau auf die Finger sehen kann. Ich bin zuweilen dieser Stellung überdrüssig zum Totschießen. Wäre Cäsar nicht groß durch sein Leben und seinen Tod, so wäre er es durch sein berühmtes Wort vom Ersten und Zweiten.«

»Wir arbeiten rottenweise in einem weit ärgeren Joch, als das ist, worin Ihr einzeln arbeitet. Also habt Ihr doch immer die größere Möglichkeit für Euch, bald der Erste zu werden, und nicht in einem armseligen Dorf, sondern in irgendeiner Weltstadt. Ich hätte mich auch gern der Diplomatie gewidmet, aber Rücksichten wiesen mich in eine andere Laufbahn, in der das Leben und die Gesellschaft geringere Ansprüche an uns machen.«

»Du bist verlobt, hörte ich sagen . . .«

»Seit vier Jahren.«

»Welche Geduld, mein lieber Feldern! Und Deine Braut lebt hier?«

»In der Nachbarschaft, auf dem Lande. Du wirst sie kennenlernen.«

»Ich würde mich auch gern verheiraten.«

»Ah, das freut mich! Auch schon verlobt?«

»Nein,« sagte Mario lächelnd, »und am wenigsten vier Jahre. Es hat mir noch kein weibliches Wesen den Wunsch eingeflößt, mich zu verheiraten, doch möchte ich mir aus der öden Oberfläche des Lebens in dessen Tiefe eine Zuflucht bereiten, wo ich dem Gewirr unerreichbar bliebe, wo andre Geister walteten als die, die uns für und in unserm Beruf zur Seite stehen. Ich möchte erfahren, ob es denn kein andres Glück gibt als das, das unser unruhiges Bemühen, unsern Ehrgeiz, unsre Eitelkeit belohnt, das heißt aufreizt, indem es sie flüchtig befriedigt. Ich möchte ein stilles, dauerndes, unerschütterliches, schützendes Glück, das wie ein schattiger Fußpfad neben der unergiebigen Heerstraße des Lebens dahinliefe. Das alles, meine ich, müsse eine Frau mir geben und mir sein! Doch die, zu der ich dies Vertrauen haben könnte, habe ich noch nicht gefunden.«

»Du machst wahrscheinlich große Ansprüche, lieber Mario?«

»Ganz und gar keine! Ich verlange nur, daß wir so zu einander passen, wie zwei mal zwei vier ist.«

»Das ist freilich eine sehr bescheidene Forderung,« meinte Feldern lächelnd.


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